Die Milchstraße
Aufbau unserer Galaxie
Die Spiralarme
Rotation und Masse
Halo und Korona
Die Kernregion
Aufbau unserer Galaxie
Könnten wir unsere Galaxie, die Milchstraße, aus einer gehörigen Entfernung von außen betrachten, so würde sie sich uns annähernd wie die Andromeda- Galaxie zeigen. Lange Zeit glaubte man auch, sie sei in der Tat eine reine Spiralgalaxie vom Typ Sb. Heute wissen wir jedoch, dass wir in einer Balkenspirale vom Typ SBc beheimatet sind (Näheres hierzu siehe weiter unten). Sie stellt ein aus mindestens etwa 300 Milliarden Sternen bestehendes System dar, von denen wir in einer klaren Nacht unter besten Bedingungen lediglich 6000 mit bloßem Auge erkennen können. Hinzu kommt noch eine große Menge Interstellarer Materie, die allein schon eine Masse von minimal 600 Millionen, möglicherweise auch einige Milliarden Sonnenmassen ausmacht.
Leider sind wir aber nicht in der Lage, die Galaxis (wie unsere Milchstraße auch bezeichnet wird) von außen zu bewundern, so dass wir ihre Struktur von unserem Standpunkt aus auf der Erde ergründen müssen. Eine große Hilfe stellt dabei die Radioastronomie dar, durch deren Beobachtungen wir inzwischen vieles über die Verteilung der Interstellaren Materie wissen. Auch Messungen im IR- und Röntgenbereich tragen ihren Anteil an unserem heutigen Wissen hinzu, ermöglicht durch die vielen modernen Satelliten. Aus den Beobachtungen anderer Galaxien geht hervor, dass die Gebiete hoher Sternentstehungsraten, Anhäufungen heißer, massereicher O- und B- Sterne, überwiegend in den Spiralarmen liegen, weil hier ein hoher Anteil Interstellarer Materie zu finden ist. Aus all diesen Ergebnissen kristallisierte sich immer mehr die Struktur unserer Heimatgalaxie heraus.
Im Foto sehen wir direkt in die Richtung des galaktischen Zentrums. Es befindet sich in der Bildmitte im Sternbild Sagittarius (Schütze). Zu sehen ist das Zentrum leider nicht im optischen Wellenlängenbereich, dichte Staubwolken verhindern jede Sicht vollkommen. Die quer durch das Bild laufende dünne Linie stammt von einem Flugzeug, die dunklen Schatten im Vordergrund sind durch Bäume verursacht. Mehr als 30 Objekte des Messier- Kataloges findet man in diesem Milchstraßenabschnitt, der kleine rote Fleck über dem Zentrum ist z.B. der Lagunen- Nebel M 8, der rot-blaue Fleck darüber ist der Trifid- Nebel M 20. Durch Anklicken können Sie eine Großversion des Bildes betrachten.
Copyright: Dave Palmer
Viele Sterne der Milchstraße sind Einzelgänger wie unsere Sonne, andere sind jedoch häufig Mitglieder von Doppel- oder Mehrfachsystemen oder sogar von Sternhaufen. Die Sterndichte lässt sich nur in unmittelbarer Sonnenumgebung genau feststellen. In einem kugelförmigen Raum von 5 [pc] (= Parsec) Durchmesser um die Sonne zählt man 65 Sterne. Davon sind 33 Einzelsterne, 26 gehören zu einem Doppelsystem und es gibt hier 2 Dreifachsysteme. Dazu gesellen sich 6 unsichtbare Begleiter. Hieraus folgt eine mittlere Dichte von 130 Sternen pro 1000 [pc3]. Im Umkreis von 10 [pc] entsprechend 32,6 Lichtjahren finden wir bereits 370 Sterne, 266 davon sind Rote Zwerge. Letztere Gruppe scheint neueren Erkenntnissen zufolge in großer Menge die Milchstraße zu besiedeln. Leider sind sie aber sehr lichtschwach und kaum zu entdecken. Immerhin könnten bis zu 200 Milliarden hier beheimatet sein. In einer Kugel von 25 [pc] Durchmesser um die Sonne findet man schon 3600 Sterne, die Dichte sinkt dann auf nur noch 60 Sterne je 1000 [pc3], weil in den großen Abständen die lichtschwachen Sterne nur noch sehr schwer zu entdecken sind und sich vielfach der Beobachtung entziehen. 90 % der Sterne in Sonnennähe sind Hauptreihensterne, weniger als 1 % sind Riesen und die Weißen Zwerge haben einen Anteil von 8 %.
Der Aufbau der Milchstraße stellt sich heute etwa folgendermaßen dar:
Wie bei allen Spiralgalaxien befindet sich im Zentrum des Systems der so genannte Kern, englisch als bulge bezeichnet. Das ist eine in etwa kugelförmige Zusammenballung von Sternen und Materie mit einem Durchmesser von 5 [kpc] (16 000 Lichtjahre). In diesem Gebiet findet man die höchste Materiedichte einer Galaxie.
Die Spiralarme
Wie schon oben angedeutet, sind die optisch sichtbaren, heißen, jungen Sterne der Spektralklassen O und B eindeutige Indikatoren für Spiralarme. Hierzu zählen neben H-II- Gebieten (Wolken von leuchtendem, heißem und ionisiertem Wasserstoff) auch kalte, dunkle Molekülwolken (im Radiobereich beobachtbar) und junge Sternhaufen, wie beispielsweise die bekannten Plejaden. Misst man die Entfernung dieser Objekte und trägt sie zusammen mit ihrer Lage im galaktischen Koordinatensystem in ein Diagramm ein, so kristallisieren sich für unsere Milchstraße 4, möglicherweise sogar 5 Spiralarme heraus, die dem zentralen Balken entspringen.
Die Spiralarme enthalten also überwiegend helle, weiß- blaue Sterne, Sterne die noch jung sind oder sich im Laufe ihrer Entwicklung auf dem Hauptreihenast des Hertzsprung-Russel- Diagramms langsam nach oben bewegen. Im Kern der Galaxis (unsere Milchstraße nennt man Galaxis, wohingegen alle anderen Sternsysteme als Galaxie bzw. Galaxien bezeichnet werden) dagegen findet man vorwiegend ältere, weiterentwickelte und daher rötliche Sterne, was auch für den zentralen Balken gilt. Die Arme mit ihren jungen Sternen stellen nur einen geringen Anteil der Scheibenmasse dar. Ungleich mehr Masse wird von gleichmäßig über die Scheibe verteilten, älteren Sternen gebildet.
Warum, fragen wir uns, bilden so viele Galaxien wie auch unsere Milchstraße eigentlich Spiralarme aus? Den Mechanismus, der solche Strukturen erzeugt, kennt man nur sehr vage. Die zu einem System gehörenden Sterne müssen nicht zwangsläufig absolut gleichmäßig verteilt sein. Vielmehr können sich, wenn das System gleichsinnig um einen gemeinsamen Schwerpunkt rotiert, Dichtestörungen - die Spiralarme - ausbilden. Vermutlich hat man es dabei mit einer Art Wellenphänomen zu tun, einer Dichtewelle, die durch ihre Eigengravitation aufrechterhalten wird und damit das "Aufwickeln" der Spiralen verhindert.
Man kann sich leicht eine kleine "Minigalaxie" selbst herstellen, indem man seinem Kaffee etwas Milch zufügt und sehr vorsichtig rührt. Dann bilden sich hier auch "Spiralarme" aus - zugegebenermaßen hinkt dieser Vergleich aber ein wenig.
Die noch sehr unsichere Dichtewellentheorie besagt, dass Spiralarme nichts anderes sind als Gebiete, in denen das Gravitationsfeld gegenüber dem großräumigen Mittelwert etwas erhöht ist. Diese Störungen bilden dann in der galaktischen Ebene die Spiralarme aus. Sie rotieren mit konstanter Winkelgeschwindigkeit, diese ist aber etwas geringer als diejenige der umlaufenden Sterne und Materiewolken. Sie holen deshalb die Störungszonen ein und werden bei Annäherung etwas beschleunigt, bei Entfernung von diesem Gebiet aber ein wenig abgebremst. Dadurch entsteht ein Gebiet mit einer um nur wenige % erhöhten Sterndichte, ein Spiralarm. Die Sterne selbst beeinflussen sich gegenseitig nur wenig, da sie zu große Abstände haben. Die Interstellare Materie hingegen wird bei diesem Vorgang komprimiert, weil die einzelnen Teilchen sich relativ nahe stehen. Das kann dann zu Gravitationsinstabilitäten führen, eine Kontraktion ist die Folge und damit eine erhöhte Sternentstehungsrate in den Spiralarmen.
Massereiche (O und B-) Sterne entwickeln sich dabei sehr schnell, können daher ihren Entstehungsort kaum verlassen. Sie sind deshalb zusammen mit den konzentrierten Gebieten Interstellarer Materie ausgezeichnete Indikatoren für Spiralarme. Dennoch stehen überzeugende Beweise für die Richtigkeit der Dichtewellentheorie weiterhin aus.
Wie schon beschrieben ist es höchst schwierig, eine Aussage über die Struktur der Milchstraße zu machen, wenn man mittendrin sitzt. Eine umfangreiche Durchmusterung von Sternen mit dem Spitzer Weltraumteleskop aus 2005 überzeugt aber nun die Astronomen, dass die Galaxis nicht länger eine reine Spiralgalaxie ist. Die peinlich genaue Infrarot- Erfassung von über 30 Millionen Sternen lässt aber keinen anderen Schluss zu: wir leben in einer Balkenspirale. Wie in der Abbildung dargestellt, würde ein außenstehender Beobachter erkennen, dass unsere Galaxie durch einen ausgeprägten, über 27 000 Lichtjahre weiten Balken geprägt wird. Haben schon frühere Untersuchungen die mögliche Existenz eines schwachen Balkens angedeutet, ist nach heutiger Erkenntnis der zentrale Balken die dominierende Erscheinung der Milchstraße. Angeordnet ist der Balken in einem Winkel von 45 ° zu einer Verbindungslinie Sonne- Galaxienzentrum.
Mit freundlicher Genehmigung von R. Hurt (SSC), JPL-Caltech, NASA
Mit freundlicher Genehmigung von JPL-Caltech, NASA

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Mit freundlicher Genehmigung von Rensselaer Polytechnic Institute
Rotation und Masse
Der Kern unserer Galaxie mit einem Durchmesser von rund 3300 Lichtjahren rotiert nahezu wie ein starrer Körper. Allerdings gibt es hier auch so genannte Schnellläufer, Sterne, die sich auf stark exzentrischen Bahnen bewegen. In der Scheibe liegen die Verhältnisse dagegen völlig anders: Hier herrscht eine differenzielle Rotation vor. Man kann die Scheibe nicht mehr mit einem starren Körper vergleichen, sondern muss vielmehr jeden Stern einzeln betrachten. Jeder Stern umkreist das Zentrum in annähernd kreisförmiger Bahn und befindet sich dabei stets im Gleichgewicht zwischen Fliehkraft und die auf ihn einwirkenden Gravitationskräfte des Gesamtsystems. Generell sollte nach dem dritten Keplerschen Gesetz die Rotationsgeschwindigkeit von innen nach außen abnehmen, das ist aber seltsamerweise nicht der Fall.
Es gibt allerdings einen, wenn auch nur vagen Hinweis auf die missing mass. Galaxien sollten eigentlich "durchsichtig" sein, durch dünn besetzte Randzonen sollte man beispielsweise hinter der Galaxie liegende Objekte erkennen können. Das ist aber häufig nicht der Fall, vielmehr könnte deshalb ein Teil der fehlenden, obwohl vorhandenen, sichtbaren Materie durch Absorptionseffekte unseren Blicken verborgen bleiben. Wie hoch dieser Masseanteil ist vermag allerdings niemand zu sagen. Auch durch so genannte Microlensing- Effekte sind bereits ansonsten nicht sichtbare Körper nachgewiesen worden. Unstrittig ist jedoch, dass von den Halos der Galaxien eine beachtliche gravitative Wirkung ausgeht, wodurch auch immer sie verursacht wird.
Halo und Korona
Wie oben bereits angedeutet ist unsere Milchstraße, wie auch andere Galaxien, eingebettet in den so genannten Halo. Dies ist nicht ein streng von der Galaxienscheibe abgetrennter Raum mit einem Durchmesser von 50, vielleicht sogar 100 [kpc], vielmehr durchdringen sich Scheibe und Halo, es ist ein fließender Übergang. Dennoch gibt es Unterschiede: Der Halo wie auch die darin enthaltenen Sterne nehmen nicht an der allgemeinen Rotation der Galaxienscheibe teil. Auch die Sterne des Halos unterscheiden sich von den Sternen der Scheibe. Während man die Scheibensterne als Population I bezeichnet, gehören die Halosterne der Population II an.
Den Begriff der Population hat Walter Baade 1944 eingeführt. Demnach umfasst eine Population alle Sterne mit gleichem Alter, gleicher chemischer Zusammensetzung, derselben räumlichen Verteilung und ähnlichen Bewegungsverhältnissen.
In der Population I findet man einen hohen Anteil junger, heißer Sterne, die in der Population II völlig fehlen. Von den Mitgliedern alter, offener Sternhaufen, über die Interstellare Materie bis hin zu den jungen OB- Sternen haben alle eine ähnliche chemische Zusammensetzung wie die Sonne (sie ist ebenfalls ein Population I- Stern).
Population II- Sterne weisen hingegen ein um den Faktor 100 bis 1000 geringeres Verhältnis von Metallen zu Wasserstoff auf (Astronomen nennen alle Elemente außer Wasserstoff Metalle!). Diese metallarmen Sterne sind deshalb auch die ältesten, denn in dieser Population fehlen, wie gesagt, die jungen Sterne.
Mit freundlicher Genehmigung der NASA
Ein Stern zeigt ja an seiner Oberfläche die Zusammensetzung des Gases an, aus dem er entstanden ist (die Umwandlung der Materie erfolgt durch Fusionen nur im Kernbereich; das hier ausgebrütete Material kann aber nicht nach außen gelangen). Deshalb hat sich der Metallgehalt des Interstellaren Mediums der Scheibe seit Entstehung der Milchstraße um den Faktor 100 bis 1000 angereichert, dieser Prozess war bereits in den ersten 109 Jahren, dem Entstehungszeitraum der Population II- Sterne, vollzogen.
Heute werden die Populationen allerdings noch feiner unterteilt. O- und B- Sterne, Delta Cephei- Sterne, junge, offene Haufen, Interstellare Materie sowie Sternassoziationen bilden die so genannte extreme Population I. Sterne der Spektralklasse A und andere sind weiter von der Milchstraßenebene entfernt und bilden ein größeres Untersystem. Ein weiteres Untersystem wird von den RR- Lyrae- Veränderlichen mit einer unter 0,4 Tagen liegenden Periode dargestellt, dazu gehören auch die Zentralsterne Planetarischer Nebel sowie Sterne der Spektralklassen F bis M. Die bis hierhin aufgeführten Sterne gehören alle zur Scheibenpopulation, auch diejenigen der wohl sternreichsten Gegend, des Zentralbereichs der Milchstraße.
In der Zwischenpopulation II findet man die Schnellläufer (siehe auch weiter unten) mit einer Geschwindigkeit von mehr als 30 [km/s] senkrecht zur galaktischen Ebene, sowie langperiodische Veränderliche mit Perioden über 250 Tagen. Dazu gehören auch die Sterne der Spektralklassen vor M5. Das weiträumigste Untersystem bilden aber die Kugelsternhaufen und RR- Lyrae- Sterne mit einer Periode über 0,4 Tagen, sie machen den größten Teil des Halos aus.
Im Halo ist keine Interstellare Materie nachweisbar wie in der Scheibe, lediglich dünnes Gas konnte nachgewiesen werden, aber kein Staub. Die Entstehung neuer Sterne ist daher in diesem Bereich ausgeschlossen. Weil sich Halo und Scheibe gegenseitig an ihren "Kontaktstellen" durchdringen, finden sich auch in der Sonnenumgebung Sterne der Population II. Diese, weil sie nicht an der Rotation der Scheibe teilnehmen, bewegen sich scheinbar sehr schnell gegen die Rotation, man bezeichnet sie deshalb als so genannte Schnellläufer. Ein weiteres Kennzeichen des Halos sind die Kugelsternhaufen. Von ihnen kennt man heute etwa 150, ihre Gesamtzahl wird auf ca. 200 bis 300 geschätzt. Sie bewegen sich in sehr lang gestreckten Ellipsen um das galaktische Zentrum, die Bahnebenen sind dabei scheinbar gleichmäßig verteilt, auch sie enthalten sich der Scheibenrotation.
Wie wir heute wissen, entstanden die Kugelsternhaufen in einer sehr frühen Phase der Entstehung des Milchstraßensystems, und zwar innerhalb sehr kurzer Zeit, denn sie sind in etwa alle gleich alt. Mit einem Alter von etwa 11 bis 12 Milliarden Jahren stellen sie die wohl ältesten Objekte der Milchstraße dar, deren Alter selbst auf 13,6 Milliarden Jahre datiert wird. Die aus 10 000 bis zu 10 Millionen Sternen bestehenden Kugelhaufen weisen ebenfalls, wie die Halosterne, einen geringen Metallgehalt auf. Einige liegen bei 0.5%, andere bei max. 15% des vergleichbaren Sonnenwertes. Wobei die metallärmeren meist weiter vom Galaxienzentrum entfernt sind.
Im Halo können wir wie schon erwähnt auch heißes, ionisiertes Gas nachweisen. Es erstreckt sich bis in eine Entfernung von 3000 [pc] zur galaktischen Ebene und besteht aus z.B. fünffach ionisiertem Sauerstoff und vierfach ionisiertem Stickstoff. Die Temperatur des Gases kann bis auf mehrere 100 000 [K] ansteigen, allerdings ist seine Dichte sehr gering. Man findet nur 10-4 H- Atome je [cm3]. Vermutlich wird das Gas von Supernovaexplosionen aufgeheizt und bis in den Halo geschleudert. Hier kühlt es wieder ab, verdichtet sich und fällt zurück zur Scheibe. Die Abkühlung geschieht jedoch nur äußerst langsam, weil das Gas sehr dünn ist. Zur Kühlung müssen nämlich die Teilchen zusammenstoßen, um ihre kinetische Energie abzubauen. Denn nur bei einer Kollision wird Bewegungsenergie umgewandelt und als Wärmestrahlung in Form von Photonen emittiert. Die Teilchen in einem solchen Gas sind jedoch sehr weit voneinander entfernt, so dass Kollisionen nur selten stattfinden.
Über den äußeren Halo, häufig auch als Korona bezeichnet, wissen wir so gut wie nichts. Diese Korona hat vermutlich eine Ausdehnung von mindestens 200 [kpc] und muss, wie schon oben erwähnt, große Mengen an Materie in sich bergen. Sie ist letztendlich dafür verantwortlich, dass die Rotationsgeschwindigkeiten der Sterne in den Außenbereichen der Scheibe nicht mehr den Kepler- Gesetzen entspricht. Beobachten können wir diese Dunkle Materie, auch als Population III bezeichnet, nicht, sondern nur Vermutungen über sie anstellen. Es könnte sich dabei um kalte, weder optisch noch im Radiobereich sichtbare Materiewolken handeln, um Braune Zwerge, Schwarze Löcher, jupitergroße Objekte oder sogar um exotische Kernteilchen handeln, deren tatsächliche Existenz noch völlig unklar ist. Auch ist ein Gemisch aller dieser Objekte denkbar. In jedem Fall aber bleibt die Suche nach diesem geheimnisvollen, exotischen Stoff äußerst bnend.
Die Kernregion
Die Beobachtung des Zentrums der Milchstraße im optischen Bereich wird durch die hohe Dichte an Sternen und Interstellarer Materie sehr erschwert, weil die Strahlung durch Streuung erheblich abgeschwächt wird. So bleibt uns nur übrig, unsere Eindrücke von den Vorgängen im galaktischen Zentrum durch radioastronomische Untersuchungen und solche im IR- und Röntgenbereich zu gewinnen.
Das Zentrum befindet sich in Richtung des Sternbilds Sagittarius in einer Entfernung von 7,9 [kpc] (= 26 000 Lichtjahre). Aus den Infrarot- Messungen kann man auf die Sterndichte im Zentrum schließen: In einer Kugel von 150 [pc] Durchmesser um das Zentrum befinden sich 10 Milliarden Sonnenmassen, im Abstand von nur noch 0,4 [pc] sind es immerhin noch beachtliche 5 Millionen. Vermutlich wird die IR- Strahlung überwiegend von Roten Riesen emittiert.
Unterhalb einer Distanz von 1 [pc] zum Zentrum steigt die Temperatur des Gas- und Staubgemisches erheblich an. Das liegt an der nun sehr hohen Sternkonzentration, deren enorme Strahlungsdichte die Materie tüchtig aufheizt. Deshalb ist die Kernregion auch eine starke Quelle intensiver Infrarotstrahlung. Seltsamerweise findet man hier auch heiße, junge Sterne des Typs Blauer Überriese. Noch ist völlig unklar, wie sie dort entstehen bzw. zuwandern konnten.
In diesem Bild sieht man unser galaktisches Zentrum, die so genannte Quelle Sagittarius A*, (SgrA*). Sie ist eingebettet in die Radioquelle Sagittarius-A-West, welche einen Durchmesser von 2 [pc] aufweist. Diese Aufnahme im Röntgenlicht wurde vom Satelliten Chandra gemacht und zeigt eine Region von 10 Lichtjahren um das Zentrum. Man sieht die deshalb im Röntgenbereich strahlende Materiewolke, weil sie durch Schockwellen, Supernovaexplosionen und die intensive Strahlung vieler junger Sterne auf Millionen von [K] erhitzt wird. Hinzu kommt vermutlich eine enorme Reibungsenergie, denn die Materie umströmt den hellen Fleck in der Bildmitte- ein sehr massereiches Schwarzes Loch!
Von der Quelle Sagittarius-A-West gehen starke Materieströmungen aus, allerdings ist noch nicht bekannt, ob sie wegdriften oder vom Zentrum akkretiert werden. Das Zentrum könnte hypothetisch auch aus vielen heißen, jungen Sternen bestehen, welche das umgebende Gas ionisieren, jedoch ist ein Schwarzes Loch wahrscheinlicher. Denn Sterne in solch dichter Packung wären längst zu einem kompakten Objekt kollabiert. Eine Akkretionsscheibe ist imstande, durch die enorme Reibung der Scheibenmaterie diese auf sehr hohe Temperaturen aufzuheizen und damit umgebende Gas/Staubwolken anzuregen. Magnetfelder der Materie werden in der Akkretionsscheibe stark komprimiert, diese sind dann in der Lage, Elektronen bis fast auf Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen, wodurch die beobachtete Synchrotronstrahlung emittiert wird. Aus den Bewegungen der umgebenden Sterne und Materiewolken kann man auf die Masse des zentralen Schwarzen Lochs schließen, sie dürfte nach aktuellen Messungen bei etwa 3,6 ± 0,3 Millionen Sonnenmassen liegen. Diese sind in einem Bereich von nur rund 11 Millionen [km] Durchmesser vereint, dem Schwarzschildradius eines statischen Schwarzen Lochs. Sollte es rotieren, wovon schon allein aufgrund der bislang aufgesammelten Materie (Drehimpulsübertragung) dringend ausgegangen werden muss, ist das Gebilde noch deutlich kompakter. Zwar ist noch nicht endgültig bewiesen, dass solch ein Gravitationsmonster das galaktische Zentrum bewacht wie eine Spinne ihr Netz. Jedoch gibt es kaum eine alternative Erklärung. In Frage kämen hier lediglich so genannte Grava- oder Holosterne, diese rotieren jedoch nicht.
Die im zentralen Bereich erzeugte millionenfache Sonnenleuchtkraft kann durch Einströmen von nur etwa 10-6 Sonnenmassen pro Jahr erzeugt werden. Allerdings befindet sich unser Milchstraßenzentrum im Winterschlaf, vergleicht man es mit anderen Galaxien. Viele weit entfernte und damit junge Sternsysteme weisen die so genannten AGN's auf (engl., Active Galactic Nuclei, aktiver galaktischer Kern), die vielfach die ganze Galaxie überstrahlen. Auch dort werkeln supermassereiche Schwarze Löcher in den Zentren, allerdings mit wesentlich höheren Akkretionsraten als es in unserer Galaxis der Fall ist.
Durch die hohe Strahlungsintensität und Materiedichte im Zentrum wird vermutlich die Bildung vieler Moleküle begünstigt. So konnte man ausgedehnte Kohlenmonoxidwolken (CO) entdecken. Die intensivste Strahlungsquelle ist jedoch die oben genannte Quelle Sagittarius A*. Sie ist höchstwahrscheinlich auch identisch mit dem gravitativen Zentrum der Milchstraße. Weitere Strahlungsquellen in der näheren Umgebung werden mit Sagittarius B, B2 usw. bezeichnet. Auch hier erkennt man Strukturen großer Materiebewegungen.
Diese Aufnahme des VLA (very large array) in Socorro, New Mexico, zeigt die Lage der einzelnen Radioquellen im galaktischen Zentrum bei einer Wellenlänge von 1 [m]. Deutlich tritt die Aktivität der Quelle Sagittarius A hervor. In einem Abstand von nur 17 Lichtstunden umläuft der dem Zentrum nächste Stern S2 selbiges in nur 15 Jahren. In einem halben Lichtjahr Distanz stößt man auf eine Ansammlung von in 100 Jahren umlaufenden Sternen, zu der sogar ein weiteres, 1300 Sonnenmassen schweres Schwarzes Loch gehört. Aufnahmen vom Chandra- Röntgenteleskop lassen sogar vermuten, dass im Abstand von 70 Lichtjahren 10 000 oder 20 000 weitere Schwarze Löcher das Zentrum umrunden.
Mit freundlicher Genehmigung von N. E. Kassim, D. S. Briggs, T. J. W. Lazio, T. N. LaRosa, J. Imamura (NRL/RSD)
Die Dichte der Gas- und Staubwolken im Zentrum ist mit 1012 Atomen je [cm3] sehr hoch im Vergleich zu üblicher Interstellarer Materie. An der allgemeinen Rotation nimmt die Materie der Kernregion nicht Teil, was man als Zeichen höchster Aktivität deutet. Im Bereich unter 10 [pc] steigt die Materiedichte soweit an, dass die Wolken instabil werden, was zu einer hohen Sternentstehungsrate führt. Hier bilden sich sehr schnell massereiche Sterne, die sich wiederum schnell entwickeln und an ihrem Ende durch heftige Supernovaexplosionen das galaktische Zentrum zusätzlich erschüttern.
Die fantastische Technik heutiger Großteleskope macht es möglich:
Mit freundlicher Genehmigung der ESO
Mit freundlicher Genehmigung von Fred Baganoff (MIT), Mark Morris (UCLA) et al., CXC, NASA
Mit freundlicher Genehmigung der ESO
Mit freundlicher Genehmigung der ESO/A. Eckart
Die Vorgänge im Zentrum unserer Galaxie sind sehr komplex und vielfältig und ihre Bewertung ist trotz unserer weit fortgeschrittenen Beobachtungstechnik noch immer unsicher. Jedoch beobachten wir auch in vielen anderen Galaxien Aktivitäten in deren Zentren. Abhängig sind diese Aktivitäten scheinbar auch von der Größe der Galaxie. In jedem Fall aber werden an solchen Orten ungeheure Energiemengen um- und freigesetzt, die man nur durch extreme gravitative Einwirkung auf Materie erklären kann. Und, wie bereits öfter angedeutet, können derartig massive Gravitationsfelder nur von Schwarzen Löchern ausgehen, es gibt im Kosmos keine Alternativen hierzu. Sicherlich werden in den Zentren solcher Aktivitäten auch starke Gravitationswellen erzeugt, sie werden uns bestimmt einmal viel zu erzählen haben über die geheimnisvolle Nabe unserer Galaxis.
Zum Abschluss noch einige Daten zu unserer Milchstraße:
Hubble- Typ | SBc |
Radius | 17 (23?)[kpc] |
Kern | 5 [kpc] |
Balken | 8,3 [kpc] |
Scheibe | 1 [kpc] |
Halo | 100 [kpc] |
Korona | 200 [kpc] ? |
Abstand Sonne-Zentrum | 7,7 [kpc] |
Abstand Sonne-Ebene | 12 [pc] nördlich |
Geschwindigkeit der Sonne | 225 [km/s] |
1 Umlauf um das Zentrum | 210 Millionen Jahre |
Gesamtmasse (leuchtend) | 2 · 1011- 1012 Sonnenmassen |
Scheibenmasse | 1,8 · 1011 Sonnenmassen |
Dunkle Materie | 1 Billion Sonnenmassen ? |
Massenanteile: | |
Sterne heller als M = +3: | 11% |
Sterne schwächer als M = +3: | 85% |
Interstellares Gas: | 4% |
Interstellarer Staub: | 0,24% |
Anzahl Kugelhaufen | 200- 300 |
Anzahl offener Haufen | 30 000 |