Rote Zwerge

Fälschlicherweise nahm man früher einmal an, dass Sterne auf der Hauptreihe des HR- Diagramms sich im Laufe ihrer Entwicklung langsam abkühlen, was aber ganz und gar nicht der Fall ist. Doch aus diesem historischen Grund bezeichnete man die unscheinbaren, relativ kühlen Sterne als späte Hauptreihensterne. Doch sind Rote Zwerge alles andere als das. Im Hertzsprung- Russel- Diagramm finden wir sie in der Spektralklasse M, weshalb Rote Zwerge häufig auch als M- Zwerge bezeichnet werden. Rote Zwerge sind "echte" Sterne, weil sie in der Lage sind, Wasserstoff zu Helium zu fusionieren. Mit einer Masse, die zwischen 8% und 57% der Sonnenmasse beträgt, produzieren sie in ihrem Innern einen genügend hohen Druck und damit verbunden eine Mindesttemperatur von etwa 3 Millionen [K], um in der so genannten p-p- Reaktion Helium zu erbrüten:

4 1H+4He2+ + 2 νe + 2 γ

Die genaueren Reaktionen der p-p- Fusion können hier verfolgt werden: p-p- Reaktion. In der Summe werden hier im Kern des Roten Zwergs 2 Protonen zu einem Heliumkern (ein so genanntes α- Teilchen) verschmolzen, wobei zwei Elektronneutrinos und zwei Gammaquanten freigesetzt werden. Rote Zwerge haben im Mittel meist nur etwa 10% der Sonnenmasse, weshalb diese Kernverschmelzungen nur spärlich stattfinden. Hinzu kommt noch ein Umstand, der gegenüber den massereicheren Sternen als großer Vorteil gelten mag: Rote Zwerge sind vollkonvektiv. In den größeren Sternen bildet sich im Zentrum eine Fusionszone, aus welcher Energie nur durch die freigesetzte Strahlung abtransportiert werden kann. Neu entstandene Elemente können diese Zone nicht verlassen. Ist der Brennstoff verbraucht, stoppen die Fusionen. Die Kernzone kann nur dann weitere Fusionen starten, wenn sie kontrahiert und daurch die Temperatur steigert.
Erst oberhalb dieser Zone wird heiße Materie aufsteigen, sich an der Oberfläche abkühlen und dann wieder absinken können. Eine solche Wärmebewegung - die Konvektion - ist in einem Roten Zwerg aber an jedem Ort gegeben. Es erfolgt damit eine ständige Durchmischung, wodurch dem Zentrum stets frisches "Brennmaterial" zugeführt wird. Dieser Vorteil wie auch die langsam ablaufenden Fusionen verhelfen den Roten Zwergen zu einem sehr langen Leben: Sie können mehrere 10 Milliarden Jahre oder sogar bis zu Billionen Jahren gleichmäßig Wärme abstrahlen, bis sie irgendwann als Weißer Zwerg enden.


Der Vorteil eines langen Sternlebens bringt natürlich auch einen Nachteil mit sich. Aufgrund ihrer großen Opazität gelangt keine Strahlung aus dem Innern nach außen, wie es bei unserer Sonne der Fall ist. Der Stern erscheint lediglich dunkelrot und gibt Energie hauptsächlich in Form von Infrarotstrahlung an die Umgebung ab. Allerdings erscheinen Rote Zwerge durch ihr starkes Magnetfeld und dadurch bedingte Ausbrüche (flares) auch im UV- und sogar Röntgenlicht.

Gliese 581
Gliese 581
In nur 20 Lichtjahren Entfernung im Sternbild Waage finden wir einen unscheinbaren Stern - hier zu sehen in der Bildmitte. Es handelt sich - wie nicht anders zu erwarten - um einen Roten Zwerg mit der Bezeichnung Gliese 581. Allerdings ist das nicht einfach nur ein unbedeutender Zwergstern. Im Gegenteil, bis heute hat man dort 6 umlaufende Planeten entdeckt, von denen sich 3 in der so genannten habitablen Zone aufhalten. Das ist der Bereich um eine Sonne, in welchem Planeten lebensfreundliche Oberflächenbedingungen - sprich Temperaturen - aufweisen können. Hier befindet sich sogar der leichteste bisher gefundene Exoplanet mit nur etwa 1,9 Erdmassen (Gliese 581 e). Allerdings sollten wir uns nicht zu früh freuen, wenn auch im vermutlich günstigsten Fall des Planeten Gliese 581 g flüssiges Wasser vorhanden sein könnte. Mit 3,1 bis 4,3 Erdmassen und einem rund 1,4fachen Erdradius könnte auf der Oberfläche eine Schwerebeschleunigung vom 1,1- bis 1,7fachen der Erdbeschleunigung herrschen. Jedoch hat dieser Planet eine gebundene Rotation, weshalb er seiner Sonne stets die gleiche Seite zuwendet.

Mit freundlicher Genehmigung von DSS, Digital Sky Survey

Auf der einen Planetenseite herrscht damit für immer Tag, auf der Rückseite ewige Nacht. Inwieweit diese Umstände sich auf die mögliche Entwicklung von Leben auswirken können ist bislang nicht geklärt. Zunächst vermuteten Wissenschaftler, dass die Temperaturen auf der Nachtseite so weit absinken könnten, dass ein großer Teil einer möglichen Atmosphäre hier ausfriert. Ein solcher Zustand muss aber nicht zwangsläufig eintreten. In einem neueren Modell geht man davon aus, dass stetige Luftströmungen für einen gewissen Temperaturausgleich sorgen könnten, wodurch die vom Stern empfangene Wärme über den gesamten Planeten verteilt wird. Ebenso könnten sich in einem den Planeten umspannenden Ozean Strömungen entwickeln, die vom Stern empfangene Wärme - ähnlich unserem Golfstrom - verteilen.


Dennoch könnte es ein recht ungemütliches Leben sein auf einem Planeten, der sich in der habitablen Zone um einen Roten Zwerg aufhält. Schließen wir einmal die gebundene Rotation als Problem aus, so gibt es doch noch einige andere. Wie wir wissen, gehen von Sternen ständige Partikelströme heißer, geladener Teilchen aus, die Sternwinde. Zumindest ein junger Stern ist in der Lage, durch den Sternwind die Atmosphäre eines Planeten fortzublasen. Diese Gefahr ist vor allem deshalb groß, weil ein Planet recht nah an der Sonne umlaufen muss, will er sich in der biologisch günstigen Zone, der Ökosphäre, aufhalten. Er wäre dann näher am Stern als unser Planet Merkur! Hier benötigt er dann schon ein ausgeprägtes Magnetfeld, um den Sonnenwind genügend abzulenken.

Gliese 581
Gliese 581
So könnte sich ein Teil des Planetensystems um Gliese 581 einem Betrachter zeigen. Im Vordergrund der Planet Gliese 581 c, der rund 5 Erdmassen aufweist und den Stern in 13 Tagen umrundet. Der blaue, neptunähnliche Planet Gliese 581 b schafft das in nur 5 Tagen, der weit entfernte Gliese 581 d in 67 Tagen.

Aber das ist ja noch nicht alles. Auch ein Roter Zwerg ist ein glühender, dynamischer Gasball aus ionisierten Teilchen mit einer differenziellen Rotation. Die erzeugt in seinem Innern einen Dynamo, welcher dem Stern auch ein Magnetfeld beschert. Entlang aus dem Stern ragender Magnetfeldlinien wird heißes Plasma beschleunigt und erzeugt die bekannten Protuberanzen und Flares. Mehrmals am Tag brechen solche Flares aus und produzieren dabei eine um den Faktor 100 bis 10 000 verstärkte UV- und sogar Röntgenstrahlung, weil das Gas um den Stern (die Korona) auf Millionen Grad erhitzt wird. Das könnte nun die Planetenoberfläche regelrecht sterilisieren. Oder eben in Kombination mit dem Sonnenwind die Atmosphäre ins All blasen, falls dies nicht irgendwie verhindert wird. Auf der anderen Seite kann das wenige Licht vom Stern noch weiter verdunkelt werden, wenn sich Sonnenflecken bilden.

Mit freundlicher Genehmigung der ESO

Die nachstehende Tabelle gibt eine kleine Übersicht über das Planetensystem um Gliese 581:

Planet Distanz in AU Umlauf in TagenMasse in ErdmassenDurchmesser
Erde = 1
Temperatur °C
e0.02853.151.7- 3.1> 1heiß
b0.04065.3715.6- 30.4> 4?heiß
c0.073012.9⇒5.6⇒1.5?
g0.14636.63.1- 4.31.3- 1.5(34)-71
d0.21866.95.6- 8.4⇒1.5kalt
f0.758433⇒7.0>1.5gefroren

Wie auch immer, wenn schon Leben auf der Tagseite kein Honigschlecken wäre, so könnte es dennoch in der Zwielichtzone oder auf der Nachtseite erträglich sein. Bedenken müssen wir dann auch noch die Rotationsgeschwindigkeit des Sterns. Schnell rotierende Sterne werden viel mehr an Flares, UV- und Röntgenstrahlung produzieren als langsam drehende, und junge Rote Zwerge werden dies auch in größerem Maß machen als "gereifte".

Ökosphäre
Ökosphäre
Nebenstehend sehen wir einen Vergleich der Ökosphäre des Sonnensystems mit demjenigen von Gliese 581. Die Größen der Sonnen und Planeten sind nicht maßstabgerecht, die Skalen logarithmisch aufgetragen. Leicht zu erkennen ist, dass Erde und Mars in der habitablen Zone liegen, die Venus allerdings schon deutlich am innersten Rand angesiedelt ist. Der Planet Gliese 581 d hält sich ebenfalls in der habitablen Zone auf, während sich Planet c bereits in einem Grenzgebiet befindet. Auf einem Planeten ohne innere Wärmequelle wird sich ein thermisches Gleichgewicht einstellen, indem er so viel an Wärme wieder in den Raum abstrahlt, wie er von seinem Stern empfängt. Planeten wie die Erde (oder größere) können neben einem inneren "Heizofen" durch radioaktive Zerfälle auch noch bestimmte Gase in ihrer Atmosphäre beherbergen. Das kann zu einem Treibhauseffekt führen (wie er sehr ausgeprägt auf der Venus anzutreffen ist), der den Planeten zusätzlich erwärmt. Die habitable Zone ist damit etwas erweiterbar, angedeutet durch die dunkelblaue Randfläche.

Mit freundlicher Genehmigung der ESO

Wenn also ein Roter Zwerg gerade entstanden ist, so dreht er sich sehr schnell, hat dementsprechend ein starkes Magnetfeld und seine Umgebung ist sehr ungemütlich. Der Sonnenwind aber trägt auch Drehimpuls mit sich fort, wodurch die Rotation verlangsamt wird. Einem Modell entsprechend könnte das in 2- 3 Milliarden Jahren so weit gediehen sein, dass der Aufenthalt eines Planeten in habitablem Orbit durchaus erträglich wird. Auch unsere Sonne war einmal so "hyperaktiv" mit 3 bis 5 riesigen Flares am Tag, was sie aber nach etwa ½ Milliarde Jahre abgelegt hat. Falls nun noch ein umlaufender Planet eine genügende Masse aufweist (mindestens Erdmasse oder besser noch mehr), so könnte sein Eisenkern flüssig bleiben und ein planetares Magnetfeld produzieren, welches den Angriffen des jungen Sterns trotzt und die Atmosphäre bewahrt, bis sich der Stern beruhigt hat und nur noch überwiegend im sichtbaren Licht strahlt. Unser Mars hatte auch einst ein Magnetfeld, hielt eine Atmosphäre mit Treibhausgasen, weshalb es flüssiges Wasser dort gab. Aufgrund der geringen Masse aber kühlte sein Kern sehr schnell ab, das Magnetfeld erlosch und der Sonnenwind blies die Atmosphäre fort. Aus diesem Grund - einem fehlenden Magnetfeld - erscheinen Überlegungen zum so genannten Terraforming des Mars ziemlich abwegig, denn alles was man diesem Planeten an atmosphärischen Gasen zukommen ließe würde allein bereits durch den Sonnenwind wieder fortgetragen.

Ein etwaiger Planet könnte neben einem Magnetfeld noch einen weiteren, natürlichen Schutzmechanismus aufweisen: wenn er nämlich bereits über Sauerstoff in der Atmosphäre verfügt. Dieser würde in den höheren atmosphärischen Schichten von der UV- Strahlung zu Ozon umgeformt. Durch die Nähe zum Stern und der damit verbundenen UV- Intensität wären diese schützenden Schichten massiver als wir es von der Erde kennen. Auch auf diese Weise könnten wir relativ lebensfreundliche Bedingungen auf solchen Planeten vermuten.


Rote Zwerge sind gar nicht so selten. In der näheren Nachbarschaft unserer Sonne, in einem Umkreis von 10 [pc], entsprechend 32,6 Lichtjahren, befinden sich 370 Sterne. 266 von ihnen sind M- Zwerge, also über 70%. Davon sind 40% Flare- Sterne, also vermutlich junge, schnell rotierende red dwarfs, die bei Ausbrüchen ihre Helligkeit spontan mehr als verdoppeln können und sicherlich über ein ausgeprägtes Magnetfeld verfügen. Hier eine Auswahl der näheren Roten Zwerge:

Distanz [LJ] Bezeichnung SonnenmassenSternbildBemerkung
4.2Proxima Centauri0.12CentaurusFlare- Stern
6.0Barnard' Pfeilstern0.17Ophiuchus V2500 Ophiuchi, variabler, alter Stern
7.8Wolf 3590.092-0.13LeoCN Leonis, Flare- Stern
8.7UV Ceti0.11CetusFlare- Stern
10.3Ross 2480.25AndromedaHH Andromedae, Flare- Stern
11.4Struve 2398 A0.36DracoVariabler Stern
12.4Luyten's Stern0.26 Monoceros Flare- Stern
12.6Kapteyn's Stern0.39Pictor Alter Halo-Stern, Unterzwerg
15.3Gliese 8760.27Aquarius IL Aquarii, variabel, 4 Planeten
16.1CD-49 135150.45Indus Planet
18.8Gliese 2290.56 Lepus
19.2van Biesbroeck's Stern0.09Aquila Planet, Flare- Stern
20.4Gliese 5810.31Libra6 Planeten
28.6BD-05 57150.49Aquarius Planet, Gliese 849
ca. 3000OGLE-TR-122b0,1CarinaKleinster Roter Zwerg, 96 Jupitermassen, 1/8 des Sonnenradius

Rote Zwerge sind sehr lichtschwach, mit bloßem Auge ist kein einziger zu erblicken. Selbst der uns nächste Stern, Proxima Centauri, hat nur eine scheinbare Helligkeit von 11m01. Trotz ihres unscheinbaren Auftretens sind sie vermutlich die größte Spezies in unserer Galaxis. Die Milchstraße könnte allein 200 Milliarden von ihnen beherbergen.
Eigentlich sollten wir erwarten, wo doch Rote Zwerge so alt werden können, dass man inzwischen auch welche entdeckt hat, die keine Metalllinien in ihrem Spektrum aufweisen. Dass sie also mit der ersten Sterngeneration im Universum entstanden und damit nur Wasserstoff und Helium beinhalten. Doch es ist noch kein einziger entdeckt worden, der dieser Annahme entspräche. Das bestätigt die Theorie, dass die erste Sterngeneration aus wahrhaften Massegiganten bestand. Zum Zeitpunkt ihrer Entstehung gab es noch keinen Staub, der eine kontrahierende Gaswolke effektiv kühlen konnte. Sie wurde dadurch heißer, weshalb sie auch einen höheren Gasdruck der Kontraktion entgegensetzte. So konnten viel massereichere Sterne entstehen als heute. Diese Boliden lebten nur extrem kurz und reicherten abschließend das Universum erstmalig mit vielen neuen Elementen in riesigen Supernovaexplosionen an. Rote Zwerge können also erst entstehen, wenn genügend Staub in einer galaktischen Gaswolke vorhanden ist. Durch ihre sparsamen Fusionen von Wasserstoff zu Helium haben sie eine wahrhaft astronomische Lebenserwartung. Zum Schluss bestehen sie fast nur noch aus Helium, kontrahieren dann einfach und werden zum langsam sich abkühlenden Weißen Zwerg.

Weitere Informationen:

http://www.solstation.com/stars/gl581.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Roter_Zwerg