Novae
Novae
Leuchtkräftige Rote Nova
Bereits in Zeiten, als den Menschen zur Beobachtung des Himmels noch keine oder nur schwache Fernrohre zur Verfügung standen, wurde hin und wieder das Aufleuchten eines neuen Sterns festgestellt, wo zuvor noch keiner zu sehen war. Der erste, der diese Sterne benannte, war Tycho Brahe. 1572 beobachtete er das Erscheinen eines stella nova, eines neuen Sterns. Allerdings ist dort oben nicht ein neuer Stern aufgeflammt, sondern auf einem Weißen Zwerg setzen explosionsartig thermonukleare Reaktionen ein.
Mit freundlicher Genehmigung von WIYN Telescope Consortium
Was aber geschieht hier in einem solchen Szenario? Klassische Novae (so nennen wir die Mehrzahl von Nova, auch geschrieben und gesprochen als Novä) entstehen in Doppelsternsystemen, bei denen der eine Partner regelmäßig ein Weißer Zwerg ist. Dieser erdgroße Sternenüberrest besteht aus verbrannter Kernmaterie (überwiegend Kohlenstoff und Sauerstoff, auch Stickstoff) in Form entarteter Materie. Der "Begleitstern" - man mag es nicht glauben - ist in der Regel ein Roter Riese, ein aufgedunsener Stern also, der dem Ende seiner Entwicklung steht. Beide umkreisen sich um einen gemeinsamen Schwerpunkt.
Die Primärkomponente des Systems, der aufgeblähte Rote Riese, füllt seine Roche- Grenze aus. Hierdurch kann Materie, vorwiegend Wasserstoff, auf den Zwergstern überströmen, weil dieser erdgroße Winzling ein enormes Gravitationsfeld aufweist (immerhin kann seine Masse bis zu 1,4 Sonnenmassen betragen). Diese Materie spiralt nun in einer Akkretionsscheibe auf den kleinen Stern hinab, wodurch ihre Geschwindigkeit extrem zunimmt und durch die starke Reibung der Materieteilchen untereinander auch deren Energieinhalt, sprich Temperatur. Schon in der Scheibe kann es gelegentlich zu Explosionen kommen.
Mit ausdrücklicher Genehmigung von ©David A. Hardy www.astroart.org
Die Materie prallt auf den Weißen Zwerg und bildet eine Wasserstoffhülle um den Kern, wobei sie sich durch Konvektion (= Wärmebewegung) mit der bereits vorhandenen, dünnen Atmosphäre vermischt. Sie übt natürlich erheblichen Druck auf die darunter liegenden Schichten aus und auch durch die Abbremsung der einfallenden Materie wird Energie freigesetzt. Dadurch steigt die Temperatur auf 40, ja sogar bis auf mehrere 100 Millionen [K]. Unter solchen Bedingungen entartet die Materie der Hülle ebenfalls. Das bedeutet, dass sie sich nicht ausdehnt, wie es bei normaler Materie der Fall wäre, sondern ausschließlich die Temperatur erhöht sich.
An einem bestimmten Punkt wird allerdings eine kritische Masse (etwa ein Zehntausendstel Sonnenmasse) der Hülle erreicht, bei deren Überschreitung jetzt Kernfusionen des Wasserstoffs explosionsartig einsetzen. Die kritische Masse ist abhängig von der Masse des Weißen Zwerges. Je höher diese ist, umso niedriger liegt die kritische Masse der Hülle. Das hängt damit zusammen, dass bei größerer Masse des Kerns sein Radius abnimmt, wodurch die Gravitation an der Oberfläche zunimmt. Die Bedingungen für die Zündung von Kernreaktionen werden dadurch begünstigt.
Mit freundlicher Genehmigung von R. Corradi (Instituto de Astrofisica de Canarias) et al., NASA
Mit freundlicher Genehmigung von F.Paresce, R.Jedrzejewski (STScI) und NASA
Schlagartig wird eine Energiemenge freigesetzt, für deren Abstrahlung unsere Sonne 10 000 Jahre benötigen würde! Das bleibt nicht ohne Folgen. Der Stern bläst in erster Linie durch den enormen Strahlungsdruck seine äußere Hülle mit einer Geschwindigkeit von 1000 [km/s] fort, welche fortan für lange Zeit als leuchtende Gashülle (Nebelwolke) zu beobachten ist. Direkt nach Beginn der Expansion ist die äußere Hülle noch etwa 300 000 [K] heiß, weshalb sie Strahlung in Form energiereicher UV- und weicher Röntgenstrahlung emittiert.
In diesem Bild werfen wir nochmals einen Blick auf die Nova Cygni 1992, und zwar in einer Aufnahme aus 2005. Die Strahlung der Nova regt Wasserstoffgas in der weiteren Nachbarschaft zum Leuchten an. Die eigentliche Nova ist der kleine, rötliche Stern über der Mitte der Wolke. Wahrscheinlich wird dieser Anblick verlöschen, sobald die anregende Strahlung nachlässt.
Mit freundlicher Genehmigung von Peter Garnavich, Whipple Observatory
Die Hülle kühlt sich natürlich mit zunehmender Ausdehnung wieder ab, so dass die Strahlung in den sichtbaren Bereich verschoben wird (energieärmer; abnehmende Frequenz). Das Helligkeitsmaximum wird bei etwa 7000 bis 10 000 [K] erreicht, wodurch dann der Stern als Nova sichtbar wird.
Ist die Hülle fort geblasen, bleibt der eigentliche Stern weiterhin existent, und er kann wiederum Materie ansammeln, so dass es irgendwann erneut zur Nova kommen wird. Wir sprechen dann von einer so genannten rekurrierenden Nova (mit der Bezeichnung RN). Hat der Weiße Zwerg eine Masse nahe der Chandrasekhar- Grenze von 1,46 Sonnenmassen und saugt weiter Materie von seinem Begleiter ab, so kann er bei Überschreiten dieser Grenze in einer thermonuklearen Explosion als Supernova SN Ia vollständig zerstört werden.
Die vom Weißen Zwerg eingesammelte Materie muss nicht zwangsläufig immer von einem stark expandierten Begleiter stammen. Ebenso könnte sie auch aus dem Sternwind einer zweiten Komponente stammen oder sogar der Interstellaren Materie entzogen werden. Selbst die einst abgestoßene Hülle kann wieder Material für den nächsten Ausbruch liefern. Zu diesem Thema siehe auch Veränderliche, kataklysmische Sterne. Während man die in kataklysmischen Doppelsternsystemen auftretenden Ereignisse als klassische Novae bezeichnet (hier wird viel und schnell Materie vom aufgeblähten Begleiter bezogen), nennt man die überwiegend vom Sternwind "lebenden" symbiotische Novae.
Wie schnell ein Ausbruch erfolgt und wie hell eine Nova erscheint ist von mehreren Faktoren abhängig:
- Masse des Weißen Zwergs. Je größer sie ist, umso kleiner sein Radius, aber umso größer seine Oberflächengravitation. Kernfusionen setzen dann viel früher ein als bei "Leichtgewichten"
- Abstand und Umlaufgeschwindigkeiten beider Komponenten
- Akkretionsrate
Bei rund einem Drittel der Novae beobachtet man vermehrt das Element Neon im Spektrum. Das kann nicht in den Fusionsreaktionen auf der Oberfläche eines Kohlenstoff/Sauerstoff- Sterns entstehen. Vielmehr müssen wir hier von massereichen Weißen Zwergen ausgehen, die neben C und O auch Magnesium und Neon aufweisen. Novae dieses Typs bezeichnet man einfach als Neon- Nova.
Hat der "Spender"- Stern bereits seine Wasserstoffhülle verloren (die evtl. sogar vom Weißen Zwerg verkonsumiert wurde), so kann es zur Akkretion von Helium kommen. Dieses fusioniert dann ebenfalls unter geeigneten Bedingungen und führt zu einer (bislang eher theoretischen) Helium- Nova.
Mit freundlicher Genehmigung von R. Casalegno, C. Conselice et al., WIYN, NOAO, MURST, NSF
Normalerweise ist eine Nova aufgrund der hohen Temperaturen weiß oder blau anzusehen, ganz selten wird jedoch auch eine Rote Nova beobachtet. Was ist hier anders? Der Unterschied beginnt bereits bei der Auströmgeschwindigkeit der abgestoßenen Gase. Während sie bei einer Nova mit wenigstens 1000 [km/s] davon eilen, expandiert die Hülle einer Roten Nova nur mit 100 [km/s]. Auch bezüglich der Temperatur sind die Differenzen enorm: Die Hülle einer klassischen Nova ist mehrere Hunderttausend Grad heiß, die Rote Nova bietet gerade einmal 900 [K]. Die Leuchtkraft liegt allerdings zwischen der einer Nova und einer Supernova.
- In einem Doppelsternsystem sind sich beide Komponenten so nahe gekommen, dass sie eine gemeinsame Hülle bilden. Durch Reibung verliert der kleinere Begleiter immer mehr Drehimpuls und spiralt auf den Hauptstern zu, am Ende verschmelzen beide. Bei solchen Mergerbursts (engl., merger = Fusion, Verschmelzung, burst = Ausbruch) wird weniger Strahlung emittiert, vielmehr wird eine Hülle abgestoßen. Typische Vertreter könnten so genannte W Ursae Majoris- Sterne sein.
- Ebenso könnte ein Exoplanet mit einem Stern verschmelzen. Wir beobachten ja, dass um so manchen Stern in sehr geringen Abständen Riesenplaneten mit mehreren Jupitermassen umlaufen. Es ist leicht vorstellbar, dass ein solcher Planet vom Stern eingefangen werden kann.
- In einem Doppelsternsystem wird eine Komponente durch Gezeitenkräfte völlig zerstört. Eine aus den Überresten gebildete Akkretionsscheibe kann uns als Leuchtkräftige Rote Nova erscheinen.
- In einem massereichen Stern könnte auch das im Zentrum gebildete Helium explosionsartig zünden (Heliumblitz) und infolgedessen wird eine größere Materiemenge als zirkumstellare Hülle abgestoßen.
Im Falle von V838 Mon konnten Beobachtungen von 2004 bis 2006 auf einen blauen Begleitstern schließen lassen, der dann aber 2005 begann in die expandierende Hülle einzutauchen und war dann 2006 völlig darin verschwunden.
Ein anderes Kontakt- Binärsystem finden wir im Skorpion, V1309 Scorpii genannt. Diese Rote Nova brach im Jahr 2008 aus, allerdings lagen auch Beobachtungsdaten aus vorhergehenden Jahren vor. Aus denen ging eindeutig hervor, dass wir es hier mit einem System zu tun hatten, in welchem beide Sterne so nah stehen, dass sie eine gemeinsame Hülle bilden. Fand der Bedeckungslichtwechsel zuvor noch mit einer Periode von 1,4 Tagen statt, so nahm sie in den 6 Jahren vor dem Ausbruch exponentiell ab. Bereits im Jahr vor der Eruption ging die Bedeckungslichtkurve in eine Rotationslichtkurve über, wie sie für ellipsoide Körper typisch ist. Näheres zu V1309 Scorpii siehe arxiv.org/abs/1012.0163
Wie viele andere Objekte im Universum geben uns auch heute noch Novae so manches Rätsel zu lösen auf.