Die Geschichte des Universums
Teil 1
Die Galaxienflucht
Geburt aus dem Nichts?
Musik im Kosmos
Wir wissen heute aufgrund vieler Beobachtungsdaten, dass unser Universum irgendwann in der Vergangenheit einen Anfang hatte. Es existiert nicht seit ewigen Zeiten, sondern ist mit 13,7 Milliarden Jahren sogar als noch recht jung zu bezeichnen. Bis zu Einsteins revolutionären Gedanken nahm man Raum und Zeit als unveränderliche Größen hin, ja man sah das gesamte Universum als beständige, sich in alle Ewigkeit nie ändernde Einrichtung. Für uns fast unbegreiflich, bestand das gesamte Universum bis in die frühen Jahre des 20. Jahrhunderts lediglich aus der Milchstraße, zu der auch die seltsamen "Nebelflecke" gehörten. Erst als man diese als eigenständige Sternsysteme - weit entfernte Galaxien - erkannte, begann man die ungeheure Ausdehnung des Kosmos zu erahnen.
Der erste Schrecken über Einsteins neue Erkenntnisse war noch nicht ganz überwunden (er glaubte selbst anfangs noch an ein statisches, unveränderliches Universum),
Aus den Messungen der Rotverschiebungen leitete Hubble auch seinen wichtigsten Beitrag ab, die Hubble- Konstante. Durch sie war jetzt klar geworden, dass wir in einem expandierenden Universum leben.
Grund für die Flucht der Galaxien voneinander ist nicht eine gemeinsame, gerichtete Eigenbewegung. Vielmehr werden sie quasi durch den sich ausdehnenden Raum mitgerissen. Um sich dies besser verdeutlichen zu können, wird vielfach das Beispiel eines Hefeteigs mit Rosinen verwendet. Wenn der (Raum-)Teig aufgeht, sich also ausdehnt, werden die (Galaxien-)Rosinen dabei mitgenommen und alle entfernen sich voneinander. Es ist bei einer solchen RaumTeig- Expansion nicht möglich, dass sich zwei GalaxienRosinen einander nähern! Doch gibt es auch Ausnahmefälle im All, nämlich dann, wenn sich zwei Galaxien gravitationsbedingt nähern und sogar kollidieren können. Das steht beispielsweise unserer Milchstraße in etwa 3 Milliarden Jahren bevor, wenn sie mit der Andromeda- Galaxie verschmelzen wird.
1948 veröffentlichte der Wissenschaftler George Gamow (1904 bis 1968) seine Theorie eines heißen Anfangs des Weltalls, nach der alles in einem heißen Urbrei (er nannte dies Ylem) begann, der irgendwann expandierte.
Den entscheidenden Beweis für den Urknall lieferten dann 1965 zwei US- Ingenieure (Arno Penzias und Robert Wilson>), als sie die so genannte 3 [K]- Hintergrundstrahlung (exakter: 2,728 ± 0,002 [K], entsprechend rund -270 [°C]) entdeckten (zur Strahlung eines Körpers siehe auch Schwarzer Körper).
Gamow hatte in seiner Theorie bereits vorhergesagt, dass aus dem von Strahlung dominierten Urbrei auch heute noch Reste vorhanden sein sollten. Die hier nun entdeckte neue Strahlung im Mikrowellenbereich (Wellenlänge: 7,15 [cm]) kam aus allen Himmelsrichtungen mit gleicher Intensität (obwohl heute bekannt ist, dass die Strahlung entsprechend dem weiter unten beschriebenen Standardmodell in verschiedenen Richtungen um einige Tausendstel [K] differiert). Möchten Sie diese Strahlung einmal sehen? Schalten Sie den Fernseher ein, ohne dass ein Sender eingestellt ist. Etwa 1% des "Schneegeflimmers" auf dem Bildschirm stammt aus der kosmischen Hintergrundstrahlung!
Nebenstehendes Bild zeigt, wie der Satellit COBE (Cosmic Background Explorer) 1992 die feinen Unterschiede - bis zu einem Hunderttausendstel [K] - der Hintergrundstrahlung "sah". Wärmere Regionen erscheinen rot, kältere blau. In dieser Ansicht zieht sich die galaktische Ebene horizontal durch die Bildmitte. Dieses Bild ist eine Zeitreise in die jüngste Vergangenheit des Universums, weiter können wir nicht zurück blicken. Der Mikrowellenhintergrund (CMB, Cosmic Microwave Background) und die Galaxienflucht sind neben einigen anderen überzeugende Argumente dafür, dass alles, was unser Universum enthält, einmal in einem winzig kleinen Raumgebiet komprimiert war und es dort einen Beginn der Expansion gab.
Mit freundlicher Genehmigung von DMR, COBE, NASA
Mit freundlicher Genehmigung von NASA/WMAP Science Team
Im Jahre 2001 wurde die Wilkinson Microwave Anisotropy Probe (WMAP, siehe Bild oben)) in eine Sonnen- Umlaufbahn gebracht. Die Empfindlichkeit und das Auflösungsvermögen dieses Geräts waren gegenüber COBE deutlich gesteigert worden, WMAP hatte bei einer Auflösung von 0,3° x 0,3° eine Empfindlichkeit von max. 20 [µK], das sind 20 Millionstel [K]! Rot in diesem Bild des Himmels bedeutet wärmer, blau kälter. Nun mag man auf den ersten Blick denken "Aha, ein nettes Bild, aber was sehe ich hier?" Zunächst einmal ist das die Ansicht des Universums, als es gerade 379 000 Jahre alt war. Zu diesem Zeitpunkt war der Kosmos bereits auf etwa 3000 [K] abgekühlt. Bis hin zu dieser Temperatur lag alle Materie vollständig ionisiert vor, d.h. es existierten noch keine Atome, sondern Atomkerne (Protonen und Heliumkerne) und Elektronen führten ein eigenständiges Leben. Das aber war von der Strahlung beherrscht! Auf 500 Protonen (Wasserstoff- Atomkerne) bzw. Elektronen in jedem Kubikzentimeter kamen 500 Milliarden Photonen. Die Photonen der Strahlung kollidierten ständig mit den Elektronen, wurden von ihnen absorbiert, sogleich wieder emittiert und erneut absorbiert usw. Da es Materieteilchen gab (Atomkerne), konnten diese auch gravitativ wirksam werden und es kam zu Verklumpumgen. Eine Verdichtung der Materie wiederum bedeutet Temperaturerhöhung, während in den verdünnten Zonen die Temperatur sank. Die Streuung der Photonen an den Elektronen (Thomson- Streuung) "glättete" jedoch das noch junge Universum, geringe Schwankungen der Dichte und Temperatur wurden sogleich durch die "Arbeit" der Photonen ausgeglichen: Photonen und Elektronen befanden sich im thermischen Gleichgewicht.
Nun aber, ab 3000 [K], änderte sich schlagartig alles! Die Atomkerne konnten jetzt die Elektronen einfangen und neutrale Atome bilden (überwiegend Wasserstoff und Helium). Die Streuung der Photonen an den geladenen Teilchen hörte damit schlagartig auf und das Universum wurde durchsichtig. Denn nun konnten die Photonen frei ihrer Wege ziehen und sich ungehindert bewegen, bzw. sie waren nicht mehr in der Lage, die Elektronen von den Atomkernen zu trennen. Genau diesen Moment der kosmischen Geschichte sehen wir auf dem Bild. Sterne oder Galaxien konnten zu diesem frühen Zeitpunkt noch gar nicht existieren und sind deshalb auch nicht zu sehen. Wieso aber sind die feinen Temperaturunterschiede so wichtig für uns, dass man solch kostspielige und empfindliche Geräte wie die WMAP entwickelte? Nun, der Theorie zufolge sollten im jungen Kosmos geringe Schwankungen der Dichte bzw. Temperatur auftreten (wie schon oben angedeutet), die so genannten Fluktuationen. Durch die Streuung der Photonen an den Teilchen wurden sie lange Zeit geglättet. Nach der Rekombination, der Vereinigung von Elektronen und Atomkernen war das nicht mehr der Fall und die Fluktuationen "froren" aus. Aus den etwas dichteren, heißeren Zonen sollten sich später die Galaxienhaufen (Cluster) bilden, die etwas dünneren Gebiete wurden dann zu den großen Leerräumen (so genannte voids), die wir heute beobachten. Zur Entschlüsselung der Rätsel, die in der Hintergrundstrahlung stecken, benötigen wir hochpräzise Geräte wie die WMAP, denn damit können viele Fragen geklärt werden. Von 2009 bis 2013 wurden dann nochmals höher aufgelöste Untersuchungen der kosmischen Hintergrundstrahlung durch die Planck- Mission durchgeführt. Einen Vergleich der Ergebnisse verdeutlicht nachstehende Grafik:
Doch zunächst wollen wir sehen, wie und woraus das Universum überhaupt entstehen konnte.
Was war vor dem Urknall, was also vor dem Beginn unseres Universums? Das ist eine der am häufigsten gestellten Fragen, auf die es keine nachprüfbare Antwort geben kann. Lassen wir zunächst vor unserem geistigen Auge den Film der kosmischen Entwicklung rückwärts laufen. Das All zieht sich dabei immer mehr zusammen, bis alles schließlich in einem winzigen, fast unendlich kleinen Punkt verschwindet, der Singularität. Diese würde entstehen, wenn wir alles bis zum Zeitpunkt Null zurück rechnen. Die Frage ist dabei, gibt es überhaupt Singularitäten im Kosmos? Wenn ja, erübrigt sich die Suche nach dem DAVOR, denn wir wissen nicht, durch welchen Prozess solch eine Singularität entstehen könnte. Es gibt aber viele andere Möglichkeiten, die von verschiedenen Wissenschaftlern in Betracht gezogen werden und die z.T. auch gleich eine Aussage über die künftige Entwicklung mitliefern:
- Gabriele Veneziano/Maurizio Gasperini gehen von der Superstringtheorie aus und postulieren ein Stringvakuum als einfachsten Grundzustand. Wie wir wissen, ist das Quantenvakuum Fluktuationen ausgesetzt, und irgendwann könnte sich eine höchst kritische Energiedichte ausbilden. Das kann zu einem Kollaps führen und zum Abschnüren eines Universums. Nach diesem Modell könnte es unzählige Kosmen geben.
- Albert Einstein ging noch von einem statischen Universum aus. Es war immer da und bleibt ewig so, wie es ist. Einstein verwarf diesen Gedanken jedoch nach Hubbles Entdeckungen.
- Fred Hoyle, Thomas Gold und Hermann Bondi riefen bereits 1948 die Steady State Theorie ins Leben, die ebenfalls von einem nahezu unveränderlichen All ausgeht. Da die Galaxien aber auseinander driften, postulieren sie ein "Schöpfungsfeld", welches die Expansion verursacht und aus dem genau so viel Materie erschaffen wird (aus der neue Galaxien gebildet werden), wie Galaxien aus dem Universum durch die Expansion verschwinden. Nach einer Neufassung dieser Theorie, der Quasi-Steady-StateTheorie, an der auch Geoffrey Burbidge beteiligt war, gibt es kein umfassendes Schöpfungsfeld mehr und auch keine gleichmäßige expansive Entwicklung (Big Stream) des Universums, sondern lokale Schöpfungsfelder, die spontan Materie (Wasserstoffatome) hervorbringen. Das soll möglicherweise durch so genannte Weiße Löcher vollzogen werden, die auf irgendeine Weise mit Schwarzen Löchern, die sich in anderen Raumzeiten befinden, korrespondieren sollen. Im Gegensatz zum Schwarzen Loch kann das Weiße dabei nur und ausschließlich Materie ins All abgeben, doch ist die tatsächliche Existenz solcher Exoten mehr als fraglich. Übrigens stammt der Begriff Big Bang (Urknall) von Fred Hoyle, der ihn allerdings mehr als Schimpfwort für die Gegner seiner Theorie verstand. Heute hat die Steady State- Theorie kaum noch eine Bedeutung, zu viele Fakten, wie die Hintergrundstrahlung oder dass die Galaxien eine Entwicklungsgeschichte haben, sprechen dagegen. Die Theorie des Urknalls, wie sie im Folgenden beschrieben wird, ist aufgrund vieler Fakten die wohl wahrscheinlichste:
- Stephen Hawking, Alexander Friedmann und Roger Penrose offerieren uns den Urknall (Big Bang). Wie der Fantasy- Autor Terry Pratchett formuliert:
Am Anfang war das Nichts - und das ist dann explodiert
Der Kosmos entstand demnach aus einer Singularität, wie schon angedeutet und expandiert seitdem. Ist die Massendichte des Universums groß genug, wird aufgrund der Eigengravitation die Expansion irgendwann gestoppt und umgedreht. Das All implodiert wieder bis zur Singularität im so genannten Big Crunch ("Großes Knirschen").
Eine andere Version des Urknalls geht vom Big Whimper ("Großes Wimmern") aus. Die Eigengravitation des Kosmos ist zu klein, um die Expansion anzuhalten, so dass es ewig expandiert und den Kältetod stirbt.
- Ein anderes Modell, der Big Bounce ("Großer Aufprall") wurde von W. Priester, H.-J. Blome, J. Hoell 1989 entwickelt. Hier geht man von einem unendlich ausgedehnten, homogenen und materiefreien Anfangsuniversum aus, bestehend aus einem hochenergetischen Quantenvakuum. Dieser vakuumdominierte Kosmos kontrahiert irgendwann bis zu einem kleinen, aber endlichen Volumen, um daraufhin zu expandieren. Nun bildet sich unser gewohntes, strahlungs- und materiedominiertes Universum aus.
- Geht das herkömmliche Urknallmodell vom Big Crunch oder Big Whimper aus, findet Robert Caldwell eine weitere Variante des Big Rip ("Großes Zerreißen"). Unser aktuelles Wissen deutet mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass der Kosmos ewig expandieren wird (Big Whimper- Modell). Nach dem Big Rip könnte die Expansion jedoch zeitlich begrenzt sein, wenn eine exotische Form der schon befremdend genug anmutenden Dunklen Energie, die so genannte Phantom- Energie, künftig bis zu schier unendlich hohen Energiedichten anwächst. Die Folge davon wäre ein Zerreißen von allem, was sich im Universum befindet: Galaxien, Sterne, Planeten, Menschen, Hühner, ja selbst Atome und Elementarteilchen würden zerrissen! Einfach deshalb, weil diese Phantomenergie alle anderen Naturkräfte übertrumpft. Ein solches Ende des Universums könnte in etwa 50 Milliarden Jahren bevorstehen.
- Das Zyklische Universum nach Paul Steinhardt geht nicht von einer Singularität aus, sondern dass unser Kosmos eine Bran (abgeleitet von Membran) darstellt, die sich in einem aus 4 Raum- und einer Zeitdimension bestehendem Bulk- Universum bewegt. Diese Bran könnte mit einer anderen zusammenprallen, was eine Art Urknall auslöst. Nun expandieren beide Branen und entfernen sich gleichzeitig bis zu einer maximalen Distanz, um daraufhin wieder mit einer neuen Annäherungsphase zu beginnen.
- Ebenfalls von Paul Steinhardt stammt die Theorie des Ekpyrotischen Universums. Ähnlich wie im vorstehenden Modell kollidieren zwei Branen, bleiben jedoch aneinander "kleben" und die enorme, freigesetzte Energie bildet den Urzustand unseres Universums.
- Ein Universum kann gewissermaßen auch aus sich selbst entstehen, meinen Richard Gott III und Li-Xin Li. Nämlich dann, wenn die Zeit nicht immer in derselben gewohnten Richtung - linear - geflossen ist, sondern einmal kreisförmig verlief, in sich geschlossen. War das der Fall, so ist irgendwann diese Zeitschleife aufgebrochen und verläuft seitdem linear in die Zukunft. Das Universum hätte damit einen Anfang gehabt, wäre aus sich selbst entstanden und nicht aus einem Anfangszustand.

Vielleicht gibt es Windows schon viel länger als bisher geglaubt - und der Anfang der Welt war ganz anders...