Das Ekpyrotische Universum

Das Ekpyrotische Universum

Das zyklische Universum

Das Ekpyrotische Universum

Wie wir heute wissen, dehnt sich unser Universum unablässig weiter aus, und das sogar mit zunehmender Expansionsgeschwindigkeit. Als allgemein anerkannte Theorie der Entstehung des Kosmos gilt heute die Urknall- Theorie. Denkt man sich nämlich die Entwicklung des Alls in umgekehrter Zeitrichtung, so schrumpft es immer mehr zusammen, die Massendichte wird immer größer und die Ausdehnung immer kleiner. Irgendwann kommt man in Größenbereiche, in denen Effekte der Quantenwelt eine Rolle spielen. Das ist spätestens bei Erreichen der Planckzeit, 10-43 Sekunden nach dem Urknall der Fall. Mit unseren heutigen Theorien lassen sich diese Zustände allerdings nicht beschreiben: Die Relativitätstheorien gelten nur für großräumige Dimensionen, die Quantenmechanik schließt dagegen die Gravitation aus. So ist man nach wie vor auf der Suche nach einer vereinigten Theorie der Quantengravitation, deren Lösung vielleicht in der Superstringtheorie liegen könnte.


Die Urknalltheorie, das Standardmodell der heutigen Kosmologie, so plausibel sie auch klingt, weist aber einige Ungereimtheiten auf: Kurz nach dem Urknall sollte plötzlich aus irgendeinem Grund die Expansionsgeschwindigkeit kurzzeitig exponentiell angestiegen sein (Inflationsphase) und das All mit Überlichtgeschwindigkeit aufgebläht haben. Welche Ursache sollte so etwas veranlassen? Und warum sollte es zu Inhomogenitäten in der Dichte des jungen Kosmos gekommen sein, woraus dann später die Galaxien und Galaxienhaufen entstanden? Die Luft in unserem Zimmer verdichtet sich auch nicht plötzlich in einer Ecke. Die Ausbildung der beobachteten Strukturen leidet somit unter einem schweren Erklärungsdefizit. Zudem war das frühe Universum sehr gleichmäßig, wie aber kann das sein, wenn durch die extrem schnelle Expansion die verschiedenen Orte keinen Kontakt untereinander haben konnten und damit eine gleichmäßige Vermischung gar nicht stattfinden konnte?

Paul Steinhardt
Paul Steinhardt
So gibt es noch viele ungelöste Fragen, die vielleicht durch ein neues, der modernen Superstring- (genauer: M-) Theorie entstammendem Modell gelöst werden könnten - dem von den Physikern Paul Steinhardt (Princeton- Universität) und Neil Turok, einem ehemaligen Mitarbeiter Hawking's entwickelten Ekpyrotischen Universum.


Ekpyrotisch bedeutet soviel wie "Feuersbrunst", doch dieser Name ist ein wenig irreführend. Um zum Ursprung des Universums zu gelangen, müssen wir uns jetzt in die Welt der allerkleinsten Abmessungen hineinversetzen, weit unterhalb der Ausmaße von Atomen, noch kleiner als ein einzelnes Teilchen. Die Stringtheorie beschreibt eine Welt, die sich auf der Planck- Länge von unvorstellbaren 10-35 [m] abspielt. In dieser Größenordnung sollen winzige Fädchen wie die Saiten einer Gitarre ("Strings") schwingen, und zwar in unendlich vielen Schwingungsmustern. Diese Schwingungsmuster erscheinen uns dann als Teilchen, Quarks, Elektronen oder vielleicht Gravitonen.

Ein Gartenschlauch
Ein Gartenschlauch
Jetzt nehmen Sie einmal Ihren Gartenschlauch in die Hand. Wenn Sie ihn betrachten, sehen Sie ihn durchaus als 3- dimensionales Gebilde. Aus einer Entfernung von 100 [m] gesehen, verschwinden die 3 Dimensionen, Sie erkennen lediglich einen Strich: Der Gartenschlauch erscheint 1- dimensional! Scheinbar haben sich 2 Dimensionen "eingerollt" und wir erkennen nicht mehr, dass er eine räumliche Ausdehnung hat. So ähnlich verhält es sich mit den Strings, sie schwingen in 9 Raumdimensionen, wobei 6 dieser Dimensionen winzig klein aufgewickelt sind - wir können sie niemals sehen. Lediglich die 3 bekannten Raumdimensionen Länge, Breite und Höhe können wir erfassen.
Schlauch oder Strich?
Schlauch oder Strich?


Die M- Theorie (genauer gesagt die heterotische M- Theorie) ist eine Weiterentwicklung der Stringtheorie und benötigt sogar 10 Raumdimensionen. Hier ist eine weitere Dimension aber nicht aufgewickelt, sondern man kann sie sich wie einen Strich vorstellen (mit einer Länge von 10-29 bis 10-35 Metern!), der durch zwei Raumpunkte begrenzt wird. Wenn wir uns einen vierdimensionalen Raum denken, was zugegebenermaßen bereits schlicht unmöglich ist, stellen diese Raumpunkte dreidimensionale Gebilde dar. Man kann sie sich als schwingende Membranen vorstellen, und deshalb werden sie auch Drei- Branen genannt.

Der Kosmos wäre nach der neuen Theorie eine solche Drei- Bran. Alle Materie und auch 3 der Grundkräfte der Natur können sich nur auf dieser Bran entfalten. Die Gravitation, die wie so oft eine Sonderstellung einnimmt, wäre allein in der Lage, den "Raum" zwischen zwei dieser Gebilde zu überbrücken und uns deren Existenz anzuzeigen.

3- Branen kommunizieren durch Gravitation
3- Branen kommunizieren durch Gravitation
Mit freundlicher Genehmigung von Steinhardt et al.
Im Ekpyrotischen Modell ist unser Kosmos ursprünglich eine dreidimensionale Membrane, eingebettet in einen 5- dimensionalen Raum. Diese Brane (rechts) liegt in einem gewissen Abstand von einer anderen Bran, die ebenfalls in die 5- dimensionale Raumzeit eingebunden ist. Durch Quantenfluktuationen entsteht zwischen beiden eine dritte Bran (rot).

 


Nun konnte es passieren, dass in der Nähe einer Drei- Bran aufgrund von Quantenfluktuationen (einem Auf und Ab in der Quantenwelt, einem "Schwingen" zwischen positiv und negativ) wie bei den virtuellen Teilchenpaaren, plötzlich eine weitere Drei- Bran entstand. Durch Fluktuationen könnte sie leichte "Ausbeulungen", Unregelmäßigkeiten aufgewiesen haben. Nun wird sie von einer weiteren Bran gravitativ angezogen und wandert durch die zusätzliche Dimension auf sie zu. Beide kollidieren jetzt, verschmelzen miteinander und es bildet sich ein heißes, mit Materie gefülltes Universum. Schon vor dem Zusammenstoß beginnt die Randbran zu expandieren, jedenfalls würde ein theoretischer Beobachter das so empfinden. Stellen Sie sich hierzu die Welt als Gummituch vor, welches immer mehr in die Länge gezogen wird. Wir alle stehen darauf und entfernen uns stetig weiter voneinander und je größer die Distanz zwischen uns wird, umso höher ist die Fluchtgeschwindigkeit. Denkt man sich diesen Vorgang umgekehrt, so drängt alles immer mehr zusammen und endet schließlich in der (fragwürdigen?) Singularität der Urknalltheorie. Im Ekpyrotischen Modell ist das aber nicht der Fall, denn die Branen haben eine endliche Ausdehnung und beginnen bereits bei ihrer gegenseitigen Annäherung mit der Expansion.

Die neue Bran wandert
Die neue Bran wandert
Mit freundlicher Genehmigung von Steinhardt et al.
In einer Version des neuen Modells wird die neu entstandene Bran von der gegenüberliegenden gravitativ angezogen und wandert auf sie zu, um schließlich mit ihr zu kollidieren.

 


Eine etwas andere Vorstellung ist, dass nach dem Ekpyrotischen Modell zwei dreidimensionale "Welten" über eine zusätzliche, 11te Dimension miteinander kollidierten und aneinander kleben blieben. Die kinetische Energie dieser Kollision wird dabei in hochenergetische Teilchen der bekannten Materie wie Elektronen, Photonen oder Quarks umgewandelt. Aus diesem Zusammenstoß resultiert auch eine endliche Temperatur, so dass die unbequemen Eigenschaften der Urknall- Theorie, eine Singularität von fast unendlich hoher Dichte und Temperatur sowie die vielleicht etwas vage Inflationsphase, einfach wegfallen könnten. Sehr elegant wird damit auch gelöst, dass unser Universum flach ist bzw. nur sehr wenig gekrümmt. Durch die Fluktuationen der Bran entstehen an einigen Stellen Unregelmäßigkeiten in der Temperatur und Dichte, welche wir heute in der Hintergrundstrahlung messen und in Form der Galaxien sehen können.

Die Kollision ist erfolgt
Die Kollision ist erfolgt
Nach Hunderten von Trillionen Trillionen Jahren könnte es geschehen sein, dass eine Bran mit einer anderen kollidierte, mit ihr verschmolz. Die hierbei freigewordene Energie zündete das, was wir als Urknall betrachten und kondensierte später zur bekannten Materie.

Entstehung der Galaxien
Entstehung der Galaxien
Mit freundlicher Genehmigung von Steinhardt et al.
Durch winzigste Schwankungen in der Energie- bzw. Materiedichte werden die Keime für die spätere Bildung der Galaxien gelegt, es entsteht ein Universum, wie wir es heute beobachten.

 


Die Bausteine des Ekpyrotischen Universums leiten sich, wie schon gesagt, von der Superstring- Theorie ab. Nach dieser sehr abstrakten Anschauung sind mindestens 6 Dimensionen zu einer Art mikroskopischem Ball zusammengerollt, so winzig, dass man sie niemals sichtbar machen könnte. Die Geometrie solcher Zustände nennt man nach deren Entdecker Calabi- Yau- Räume.

Calabi-Yau- Raum
Calabi-Yau- Raum
Calabi-Yau- Raum
Nebenstehend zwei Darstellungen, wie man sich Calabi- Yau- Räume vorstellen kann. Weil deren Ausdehnung so winzig ist, erscheint uns das Universum nur 4- dimensional, bestehend aus 3 Raum- und einer Zeitdimension. Es ist aber eingebettet in eine 5-dimensionale Raumzeit. Teilchen, die sich in einem solchen Raum bewegen sind gezwungen, sich innerhalb der 3 "sichtbaren" Raumdimensionen auf einer Seite des durch eine weitere Dimension getrennten Raums aufzuhalten. Allein die Gravitation könnte diese Grenze überwinden und Materie oder Licht beider Seiten miteinander koppeln. Zusätzlich könnten weitere dreidimensionale Oberflächen existieren, die parallel zu den Raumgrenzen angeordnet sind und Energie transportieren könnten. Diese dazwischenliegenden Flächen nennt man Branen, als Abkürzung für Membranen. Die Kollision, die eine heiße "Urknallphase" unseres Universums einleitet entsteht, wenn eine 3- Bran angezogen wird und in unseren sichtbaren Kosmos kollidiert.

Kollidierende Universen
Kollidierende Universen
Hier noch einmal der ganze Vorgang in einer Animation. Eine durch Fluktuationen entstehende Bran wird von einer gegenüberliegenden angezogen, weil die Gravitation in der zusätzlichen Raumdimension wirkt. Durch die Kollision wird Energie frei, die zunächst als Strahlung vorliegt, nach einer Abkühlphase bilden sich daraus Materieteilchen, aus welchen später Sterne und Galaxien entstehen.

Mit freundlicher Genehmigung von Steinhardt et al.


Das zyklische Universum

Das bisherige Modell eines zyklischen Universums kennen wir: Es beginnt mit dem Urknall, darauf folgt eine Expansionsphase, die sich vielleicht irgendwann in eine Kontraktion umkehrt und wieder zu einer Singularität führt, dem big crunch. Dieses Modell hat einen entscheidenden Fehler: Der big crunch stellt nicht ein genaues Spiegelbild zum Urknall, dem big bang dar! Durch die Kontraktion werden die Photonen im All zu Lasten des Gravitationsfeldes energiereicher, und damit würde der Zyklus viel heißer enden als er begann. Ein wirklicher, reeller Zyklus kann sich somit nicht auf diese Weise entwickeln.


Singularitäten sind der Giftmüll des Kosmos! Jede Theorie ist eigentlich gut beraten, unendliche Größen wie Dichte oder Temperatur nicht anzutasten. Genau das aber verlangt die Urknalltheorie von der Ursprungssingularität, jedes andere Schwarze Loch ist ein weiteres Beispiel. An solchen Orten wird die Physik zur Metaphysik, es sind mathematische Punkte, die man nicht beschreiben kann - sie sind einfach da. Viele Kosmologen gehen daher einen simplen Weg: Sie ignorieren sie. So auch die Inflationstheorie (deren Mitbegründer neben Alan Guth auch Andreij Linde war, welcher heute einer der härtesten Kritiker des ekpyrotischen, zyklischen Universums und damit Steinhardt's ist), derjenige Mechanismus, welcher die plötzliche Expansion des Universums nach dem Urknall erklärt. Die Inflation beseitigt oder erklärt nicht die Anfangssingularität, sondern isoliert sie ganz einfach von unserem heutigen Kosmos.


Paul Steinhardt und Mitarbeiter umgehen dieses ganze Dilemma mit dem Ekpyrotischen Modell. Sie machen nun noch einen weiteren Schritt und deklarieren das ganze Universum als eine 3-Bran. Und stellen fest, dass der Urknall kein einmaliges Ereignis ist, sondern Teil eines sich wiederholenden Zyklus. Entgegen der bisherigen Auffassung entstanden Raum und Zeit nicht erst mit dem big bang.

Eine zentrale Rolle im zyklischen Modell spielt das so genannte Radionfeld - ein Kraftfeld, welches in einer aus 4 Raum- und einer Zeitdimension bestehenden Raumzeit (genannt Bulk- Universum, bulk, engl., = Größe, Masse) agiert. Unser Kosmos hat eine Raumdimension weniger, stellt eine Bran dar, die sich im Bulk- Universum bewegt.


Parallel dazu, quasi als ein Schattenuniversum, existiert eine weitere Bran, mit welcher unser Universum vor 14 Milliarden Jahren kollidierte. Dieses Ereignis löste unseren Urknall aus. Prinzipiell könnten im Bulk- Universum unzählige (unendlich viele?) Branen existieren, die String- Theorie selbst postuliert ja bereits unendlich viele Paralleluniversen, die in ein "Multiversum" eingebettet sind.

Nach dem Zusammenprall entfernen sich beide Branen wieder voneinander im Bulk, gleichzeitig beginnt ihre 4- dimensionale Raumzeit zu expandieren. Diese Expansion ist zunächst gebremst, beschleunigt aber nach einigen Milliarden Jahren durch die geheimnisvolle Dunkle Energie - sie wird durch das Radionfeld generiert.

Bei maximaler Expansion sind beide Branen auch maximal voneinander entfernt, und sie können mehrere Billionen Jahre in diesem Zustand verharren. Die Materiedichte im Kosmos wird durch die Expansion immer weiter verdünnt, bis das All zum Schluss praktisch leer ist. Nun nähern sich beide Branen wieder wobei sie gleichzeitig kontrahieren, allerdings nicht bis zu einer Singularität. Längst bevor ein solcher Zustand erreicht sein könnte kollidieren beide Branen und es wird ein neuer Urknall gezündet, der Anfang des nächsten Zyklus.


Lange schon sucht man nach der Fehlenden oder Dunklen Materie (missing mass, dark matter). Das neue Modell von Paul Steinhardt liefert quasi als Zugabe hierzu eine überzeugende Erklärung:

Die Gravitation kann im Gegensatz zu den anderen Wechselwirkungen auch über die vierte Raumdimension des Bulk- Universums wirken. Was wir heute als Beeinflussung der Bewegung von Galaxien bzw. Galaxienhaufen durch Dunkle Materie zu erklären versuchen, ist vielleicht in Wirklichkeit die Gravitationswirkung der parallelen Bran. Es ist die Materie dieses Schattenuniversums, die wir spüren. So könnten wir noch lange vergeblich nach der Dunklen Materie in unserem Kosmos suchen - es ist möglich, dass sie gar nicht existiert!

So schön und überzeugend Steinhardt's Modell des zyklischen Universums auch sein mag, wollen wir jedoch nicht vergessen, dass wir nach heutigem Wissensstand in einem offenen, also ewig expandierenden Universum leben.

Wenn Sie möchten, können Sie jetzt hier Paul Steinhardt's Originalscript des ekpyrotischen Modells als pdf-Kurzfassung downloaden. Ebenfalls ist hier im selben Format sein Script zum zyklischen Universum als pdf-Kurzfassung vorhanden.