Hypernovae
Extrem massereiche Sterne befinden sich von ihrer Geburt an in einem sehr instabilen Zustand. Die nach innen gerichtete Gravitationskraft der bis zu etwa 120- fachen Sonnenmassen sorgen im Zentrum des Sterns für wahrhaft exotische Verhältnisse. Druck und Temperatur sind derart hoch, dass der vorhandene, riesige Vorrat an Kernbrennstoff sehr schnell, innerhalb weniger Millionen Jahre, verbraucht wird. Die Kernreaktionen laufen unvergleichlich schneller und häufiger ab als in Sternen von etwa Sonnengröße, diese Masseriesen verschwenden ihren Kernbrennstoff geradezu.
Dementsprechend hoch ist die Strahlungsemission solcher Giganten, sie kann diejenige der Sonne leicht um das Millionenfache übertreffen. Jede kleine Störung des empfindlichen hydrostatischen Gleichgewichts innerhalb des Sterns löst Schwingungen aus, die mit immer größer werdender Amplitude den Sternkörper durchlaufen. Treffen sie auf die Oberfläche, werden große Materiemengen abgestoßen. Auch durch einen extrem hohen Sternwind entledigt sich der Riese überflüssiger Masse.
Das Hubble Weltraumteleskop (HST) hat im südlichen Sternbild Carina (Schiffskiel) den Stern Eta Carinae (η Car) in einer unvergleichlichen Aufnahme abgelichtet:
Mit freundlicher Genehmigung von STScI, J. Morse, K. Davidson und NASA
Mit freundlicher Genehmigung von NASA, ESA, N. Smith (U. California, Berkeley) et al., and The Hubble Heritage Team (STScI/AURA)
Über fünf Millionen mal größer als die Strahlungsemission der Sonne ist die von Eta Carinae.
20 000 Jahren damit - in einem gewaltigen Spektakel sein Ende nehmen. Er wird in einem Hypernova- Ausbruch vergehen, einem Ereignis, das noch Hundert mal mehr Energie freisetzt als eine Supernova. Hypernovae sind Quellen ausgeprägter GRB's (Gamma Ray Burst). Abschätzungen zufolge könnte durch den Gammastrahlen- Blitz das Leben auf der Erde ernsthaft beeinträchtigt werden. Aufgrund der relativen Nähe von Eta Car ist eine letale Strahlungsdosis für Mensch und Tier nicht auszuschließen. Eta Carinae ist so groß, dass der Stern sich bis zur Jupiterbahn ausdehnen würde. In einer Aufnahme des YEPUN- 8,2 m- Teleskops der ESO mit der adaptiven Optik NAOS-CONICA sehen wir Eta Carinae mit dessen näherer Umgebung. Kein Wunder, dass er sich in Gas- und Staubwolken einhüllt, verliert er allein durch den Sternwind über 500 Erdmassen jährlich. Links die Hubble- Aufnahme.
Mit freundlicher Genehmigung der ESO
Was aber geschieht nun eigentlich bei einem Hypernova- Ausbruch? Von massereichen Sternen, die als Supernova enden wissen wir, dass nach der Entstehung eines Neutronensterns im Innern die ganze restliche Sternhülle in einer gewaltigen Explosion fortgeblasen wird, weil sie vom nicht weiter komprimierbaren Neutronenstern zurückprallt und Myriaden von entfliehenden Neutrinos das Sternplasma vor sich hertreiben. Bei der Besprechung der Supernovae haben wir zwei wesentlich Dinge noch nicht beleuchtet:
- Jeder Stern rotiert - mehr oder weniger schnell. Aufgrund der Erhaltung des Drehimpulses wird auch der Neutronenstern rotieren - und das sehr schnell!
- Der Vorgängerstern hatte ein Magnetfeld, das nun im Neutronenstern hoch verstärkt vorliegt.
In der schnellen Rotation werden die Magnetfeldlinien mitgerissen, gedehnt, verdrillt und gestaucht. Vor allen an der Oberfläche des entstehenden Neutronensterns. Der magnetische Druck kann dabei derart ansteigen, dass er größer wird als der nach innen gerichtete Druck der Sternhülle. Dadurch wird nun Plasma vom Äquator der zentralen Kugel zu den Polen gepresst, wo nun hochbeschleunigte Gasfontänen wie durch eine Düse ausgestoßen werden. Diese Jets können nun dazu führen, die Supernovaexplosion zu beschleunigen und diese asymmetrisch zu gestalten (jetgetriebene Supernova). Zwar können so besonders helle Supernovae entstehen, es gibt dabei allerdings einen Schönheitsfehler: Es erklärt nicht die Gammastrahlenblitze, die - wie wir heute wissen - mit Hypernovae assoziiert sind.
Es gibt zwei Sorten von Gammastrahlenblitzen: Kurze von < 2 Sekunden Länge und solche, die mehrere Minuten dauern können. Bei vielen dieser Blitze beobachtet man kurze Schwankungen in der Intensität, das geht bis hinunter in den Bereich einer tausendstel Sekunde. In dieser Zeit legt das Licht gerade einmal 300 [km] zurück - größer kann somit das auslösende Objekt auch nicht sein.
In relativ kurzer Zeit sind im Innern eines überschweren Sterns sämtliche möglichen Fusionen abgelaufen, höhere Elemente können nicht mehr entstehen. Im Zentrum befindet sich am Ende eine riesige Kugel aus Eisen und Nickel, es wird keine Energie mehr freigesetzt und damit fehlt jetzt der stützende Gas- bzw. Strahlungsdruck aus dem Zentrum. Es gibt nichts mehr, was den nun übermächtigen, nach innen gerichteten Gravitationsdruck ausgleichen könnte. Die Eisenkugel, deren Masse größer ist als die eines Neutronensterns, bricht unter diesem Druck vollständig in sich zusammen, in Sekundenbruchteilen kollabiert sie zu einem Schwarzen Loch.
Während in den Schalen um den ehemaligen Kern noch munter weitere Fusionen stattfinden, ist das Sternzentrum jetzt so gut wie leergeräumt. Weil alle Sterne rotieren, muss aufgrund des Impulserhaltungssatzes auch das Schwarze Loch rotieren, und das von Beginn an sehr schnell.
Kaum ist es entstanden, beginnt es auch schon mit der "Arbeit": dem Aufsammeln von Materie. Diese steht ja in genügendem Umfang vom Rest des Sterns zur Verfügung und sie bildet nun eine Akkretionsscheibe um das Loch. Durch die einströmende Materie wird ihm zusätzlicher Drehimpuls zugeführt und es rotiert noch schneller.
Aufgrund differentieller Rotation innerhalb der Scheibe verstärkt sich das Magnetfeld noch weiter. Entlang der (miteinander verwirbelten) Feldlinien wird jetzt das heiße Plasma mitgerissen. Kaum eine Sekunde nach dem Zusammenbruch schießen zwei ultrarelativistisch beschleunigte, entgegengesetzte Strahlen - so genannte Jets - aus den Magnetpolen des Schwarzen Loches. Umgebende oder noch herabstürzende Materie wird verdrängt. Die ganze Sternhülle wird in Sekundenschnelle durchstoßen und dabei vollständig zerstört. Wird der Jet in Richtung Erde ausgestoßen, sehen wir ihn als Gammaburst.
Vielleicht spielt auch hier - ähnlich wie bei dem Kollaps eines Sterns zum Neutronenstern - der massenhafte Ausstoß von Neutrinos eine große Rolle. Die Akkretionsscheibe kann sicherlich nicht selbst Ursache des Gammablitzes sein, weil die Materie dort viel zu dicht gepackt ist, als dass eine nennenswerte Kühlung durch Strahlungsemission möglich wäre. Es könnten sich aber Neutrino/Antineutrino- Pärchen gegenseitig zerstören ("annihilieren"), wobei zunächst Elektronen und Positronen gebildet werden:
Die Elektron-Positronpaare wiederum vernichten sich zu Gammaphotonen. An den Polen des Schwarzen Lochs herrschen nun wirklich katastrophale Zustände. Das irrsinnig wirbelnde Magnetfeld reißt Ionen des ultraheißen Plasmas mit sich fort und beschleunigt die Teilchen entlang der Feldlinien. Zusätzlich treiben Neutrinos Teilchen aus der Scheibe, wonach sie anschließend annihilieren und dadurch Gammastrahlung freisetzen. Die mitgerissenen Teilchen aber können unter den herrschenden Bedingungen rekombinieren, und zwar zum radioaktiven Nickelisotop 56Ni, welches in der Größenordnung von bis zu mehreren Sonnenmassen gebildet wird und die Energie für die Hypernova liefert. Doch damit nicht genug, die Irrsinnsfahrt der Jets schießt weiter mit fast Lichtgeschwindigkeit in die Umgebung des ehemaligen Sterns. Hier prallen sie auf die vom Stern früher abgestoßene Materie, das Material wird geschockt und ultrahoch erhitzt - bis auf 10 Milliarden Grad - Gammastrahlung wird erzeugt! Weil auch hier noch Magnetfelder vorhanden sind, ist der Ort des Geschehens auch Quelle von Synchrotronstrahlung.
Mit freundlicher Genehmigung von MSX, IPAC, NASA
Hypernovaexplosionen sind also stets mit starken, langen Gammabursts verbunden, Gammastrahlenblitzen, die aus allen Himmelsrichtungen aus den Tiefen des Alls zu uns gelangen. Zwar kennt man sie schon seit den späten 1960ern, doch erst im März 1998 hatte man einen Gammablitz registriert und drei Wochen später das optische Gegenstück als Quelle identifizieren können. Das explodierte Objekt strahlte noch heller als die gesamte entfernte Galaxie in der es sich befand.
Mit freundlicher Genehmigung von NASA/SAO/CXC
Am 29. März 2003 entdeckte NASA's High Energy Transient Explorer (HETE-II) einen noch weit helleren Gammastrahlenblitz. Schon 90 Minuten später erfasste ein 40-Zoll-Teleskop des australischen Siding Spring Observatory das "Nachglühen" ("afterglow") im optischen Bereich. Und bereits 24 Stunden nach dem Blitz konnte der UVES high-dispersion spectrograph des 8.2-m VLT KUEYEN Teleskops des ESO Paranal Observatoriums in Chile ein erstes, sehr detailliertes Spektrum aufnehmen. Hieraus ergab sich eine Entfernung von 2,65 Millionen Lichtjahren, entsprechend einer Rotverschiebung von z = 0,1685. Nach dem Datum des Erscheinens erhielt der Burst die Bezeichnung GRB 030329.
Mit freundlicher Genehmigung der ESO
Ein (langer) Gammaburst ist also ein ziemlich eindeutiges Indiz für die Explosion einer Hypernova, zumal wenn wir wie beim GRB 030329 in relativer Nähe den Glutball beobachten können. Darüber hinaus sind wir bei einem derartigen Ereignis Zeugen der Geburt eines Schwarzen Loches. Was noch zu tun bleibt ist eine Erklärung für die kurzen, bis zu 2 Sekunden andauernden Bursts zu finden. Bisher wurden noch keine Hinweise gefunden, dass sie mit Hypernovae assoziiert sind. Sie erreichen uns auch aus Gebieten, in denen keine hohe Sternentstehungsrate herrscht, wo also kaum massereiche und damit kurzlebige Sterne entstehen können. Sehr wahrscheinlich sind wir in diesen Fällen daher Zeugen der Verschmelzung von zwei kompakten Sternüberresten, zwei Neutronensternen beispielsweise. Oder einem Neutronenstern mit einem Weißen Zwerg oder einem Schwarzen Loch, die in einem Doppelsternsystem entstanden. Durch die Abstrahlung von Gravitationswellen verlieren sie Drehimpuls, weshalb sie sich in immer engerem Abstand immer schneller umkreisen. Am Ende sogar mit 1/3 der Lichtgeschwindigkeit, wobei dann eine Komponente völlig zerrissen wird und den Körper mit der größeren Masse als Akkretionsscheibe umgibt. Was dann folgt ist das schon bekannte Szenario: Aus den Polen des Schwarzen Lochs stoßen Jets hervor, die den Gammablitz erzeugen. Weil hier aber weit weniger Masse zur Verfügung steht, ist der Burst nicht nur kürzer, sondern auch leuchtschwächer. Und das deckt sich exakt mit den gemachten Beobachtungen.
Weitere Informationen:
http://www.wissenschaft-online.de/astrowissen/lexdt_h06.html#hyp
http://www.eso.org/public/outreach/press-rel/pr-2003/pr-16-03.html/
http://www.astronews.com/news/artikel/2003/11/0311-009.shtml