Braune Zwerge

Die Existenz substellarer Objekte mit geringen Massen, weniger als 8% derjenigen der Sonne, wurde in den frühen 60er Jahren des letzten Jahrhunderts in Theorien als verhinderte Sterne (failed stars) vorausgesagt. Erst 1995 gelang ihr endgültiger Nachweis. Ein "richtiger" Stern muss mehr als 0,07 Sonnenmassen (entsprechend 75 Jupitermassen) aufweisen, damit Kernfusionen des Wasserstoffs zu Helium bei etwa 10 Millionen [K] in seinem Innern ablaufen können. Braune Zwerge , deren Massen zwischen 13 und 75 Jupitermassen liegen, sind jedoch nicht in der Lage, genügend Gravitationsdruck und damit die erforderlichen Zentraltemperaturen zu erzeugen. Ab einer Masse von etwa 13 Jupitermassen können sie aber das wenige vorhandene, primordiale (= urzeitliche) Deuterium (so genannter Schwerer Wasserstoff, bestehend aus einem Proton und einem Neutron) mit Wasserstoff verschmelzen, wobei ein Gamma- Quant freigesetzt wird:

2D + 1H → 3He + γ

Doch schon bald ist dieser knappe Brennstoff verbraucht und der Stern kühlt von den höchstens erreichten 3000 [K] immer weiter ab, bis er zuletzt nur noch aus einem kalten Materieklumpen besteht. Die von Braunen Zwergen abgestrahlte Energie stammt neben den kargen Deuterium- Fusionen sowie einer bei größeren Massen noch möglichen Lithium- Fusion (siehe weiter unten) ausschließlich aus der in Wärme umgewandelten Gravitationsenergie.

Trapez im Orion
Trapez im Orion
Die hellen Sterne auf diesem Bild markieren das bekannte Trapez, einem offenen Sternhaufen im Orion- Nebel. Die noch sichtbaren, unscheinbaren "Sternchen" sind vermutlich alle Braune Zwerge oder umherirrende jupiterähnliche Planeten. Braune Zwerge findet man überwiegend in den Sternentstehungsgebieten, wie z.B. den Plejaden, weil sie hier noch jung und relativ "warm" sind.

Mit freundlicher Genehmigung von G. Schneider (UofA), K. L. Luhman (CfA), et al., NICMOS IDT, NASA WFPC2 data: C. O'Dell and S. Wong (Rice)


Nach Beendigung der spärlichen Kernreaktionen kontrahieren Braune Zwerge vielleicht noch um einen geringen Betrag, weil der schwache Gas- und Strahlungsdruck aus dem Zentrum nachlässt und können sich dabei sogar noch ein wenig weiter erwärmen. Doch ab jetzt wird endgültig keine weitere Energie mehr im Kern freigesetzt, denn die Fusionen kamen zum Stillstand, da mangels Masse die gravitationsbedingte Verdichtung nicht die erforderliche Temperatur erzeugt. Der Stern wird nach Erreichen seiner Höchsttemperatur nun immer lichtschwächer und strahlt Licht im roten Spektralbereich, zuletzt nur noch Infrarotstrahlung ab. In den Teleskopen erscheint er damit nur noch schwachrot bis dunkelorange, daher der Name Brauner Zwerg. Diese Bezeichnung, geprägt Anfang der 70er Jahre, geht übrigens auf die Astrophysikerin Jill Tarter zurück, die heute am SETI- Institut arbeitet.

Größenvergleich Brauner Zwerg
Größenvergleich Brauner Zwerg
In dieser Darstellung sehen wir die Größenverhältnisse von Sonne und Jupiter zu einem Braunen Zwerg.
Die verhinderten Sterne werden oft mit der Bezeichnung Gliese und einer Nummer versehen, das geht zurück auf den Astronomen Wilhelm Gliese (1915- 1993), der einen Katalog der nächsten Sterne erstellte (CNS, Catalogue of Nearby Stars). Gliese arbeitete lange Zeit am Astronomischen Recheninstitut Heidelberg (ARI), und noch heute kann man dort in seinem Katalog ARICNS die Daten für jeden einzelnen Stern abrufen.

Mit freundlicher Genehmigung von CXC/K.Kowal


Der Nachweis eines Braunen Zwergs ist naturgemäß recht schwierig, wenn auch die heutigen Instrumente der Astronomen immer weiter verbessert werden. Neben der geringen Größe und der schwachen Leuchtkraft erkalten sie auch recht schnell, weil sie keine Energie durch Fusionsprozesse freisetzen können und ihre geringe Masse zudem kein guter Wärmespeicher ist. Nach Erreichen der Höchsttemperatur dauert es nur etwa 10 bis 50 Millionen Jahre, bis sie langsam abkühlen und aus dem sichtbaren Lichtspektrum verschwinden. Deshalb kann man Braune Zwerge am besten in näherer Umgebung in Sternsystemen entdecken, die noch recht jung sind. Danach sind sie zu dunkel und lassen sich nur noch im Infrarotbereich detektieren. Einen Vorteil gegenüber den wasserstoffbrennenden Sternen haben Braune Zwerge allerdings: Sie haben eine praktisch unbegrenzte Lebensdauer, denn sie durchlaufen keine stellartypische Entwicklung.

Irgendwann ist der Braune Zwerg völlig erkaltet und zieht dann als schwarzer, unsichtbarer Materiehaufen (bitte nicht verwechseln mit einem Schwarzen Loch, dessen Masse ist um einige Potenzen größer!) seine Bahn durch die Galaxis. Man vermutet, dass allein in unserer Milchstraße, vor allem in ihrem Halo, etliche Milliarden dieser Zwerge existieren. Sie könnten prinzipiell einen deutlichen Beitrag zur Dunklen Materie liefern. Allerdings bleibt noch zu klären, wieso ausgerechnet im Halo der Galaxis vermehrt dieser Sterntypus entstanden sein soll. Zudem sind ihre Massen wohl doch zu gering, um die Dunkle Materie zu erklären. So finden wir in einer Sonnenumgebung von 8 [pc] 7 Weiße Zwerge und etwa 250 Braune Zwerge, die zusammengenommen gerade die Masse der Weißen Zwerge ausmachen.

Brauner Zwerg Gliese 229 B
Brauner Zwerg Gliese 229 B
Das Auflösungsvermögen des Hubble- Teleskops verdeutlichen diese beiden Aufnahmen eines Braunen Zwergs. Die linke Aufnahme gelang mit dem 60"- Teleskop auf Mt. Palomar, die rechte wurde von Hubble gemacht. Sie zeigen den kühlen, roten Zwergstern Gliese 229 A und seinen kleinen Begleiter, Gliese 229 B, einen Braunen Zwerg. Das System befindet sich in 19 Lichtjahren Entfernung im Sternbild Lepus (Hase), 1995 gelang diese erste Entdeckung eines Braunen Zwergs. Er hat eine Oberflächentemperatur von gerade noch 1000 [K] und deshalb eine um den Faktor 100 000 schwächere Leuchtkraft wie die Sonne. Mit einer 20 bis 50- fachen Jupitermasse ist er diesem Planeten doch etwas ähnlich, zumal ein hoher Methan- Anteil seiner Oberfläche bestimmt wurde, der sich aufgrund der niedrigen Temperatur bilden konnte. Jedoch entstehen Braune Zwerge wie andere Sterne auch durch Kontraktion einer interstellaren, überwiegend aus Wasserstoff bestehenden Gaswolke. Planeten dagegen bilden sich durch Aufsammeln von Materie in zirkumstellaren Gas- und Staubscheiben, welche eine gerade entstehende Sonne umgeben. Methanatmosphären sind ein typisches Anzeichen für kühlere Braune Zwerge, man nennt sie dann auch Methanzwerge. Für diese Gruppe von Sternen hat man eine eigene Spektralklasse T eingeführt, welche Körper unterhalb von etwa 1450 [K] klassifiziert.

Mit freundlicher Genehmigung von STScI


Wie kann man eigentlich, so stellt sich die Frage, einen Braunen Zwerg von einem anderen Stern unterscheiden? Schließlich könnte das beobachtete Objekt auch ein Roter Zwerg sein, ein abkühlender Stern mit geringer Masse, die aber mehr als 8% der Sonnenmasse beträgt. Des Rätsels Lösung ist das Element Lithium, welches man durch spektrale Zerlegung des Sternlichts nachweisen kann. Braune Zwerge sind normalerweise nicht in der Lage, Fusionen mit Ausnahme der oben genannten Deuterium- Reaktion ablaufen zu lassen. Das in ihnen enthaltene, noch vom Urknall stammende Lithium ist also unverändert erhalten geblieben und wir können seine Linie im Spektrum entdecken. Ein Stern mit mehr als etwa 0,065 Sonnemassen aber erzeugt in seinem Innern eine Temperatur von etwa 2 Millionen [K]. Protonen (Wasserstoffkerne) werden dadurch so schnell, dass sie beim Zusammenstoss das aus 3 Protonen und 4 Neutronen bestehende Lithium zu zwei Heliumkernen (je 2 Protonen und Neutronen) aufspalten:

1H + 7Li → 2 4He

In einem echten, Wasserstoff fusionierenden Stern ist das primordiale Lithium längst zu Helium zerlegt. Können wir also im Spektrum Linien des Lithiums erkennen, haben wir es mit Sicherheit mit einem Braunen Zwerg zu tun. Daneben ist die schon erwähnte Methanatmosphäre ein weiteres Anzeichen.

Vergleich Brauner Zwerg mit echtem Stern
Vergleich Brauner Zwerg mit echtem Stern
Braune Zwerge kann man als Bindeglieder zwischen echten Sternen und den großen Gasplaneten ansehen. Im Gegensatz zu den Sternen, in denen Fusionen eine bedeutende Rolle spielen, sind sie vollkonvektiv: Während im Innern der wasserstoffverbrennenden Sterne eine Strahlungszone jeden Austausch von Materie aus den Innern mit den äußeren Schichten verbietet, ist ein Brauner Zwerg sozusagen "gut durchmischt", die Wärmebewegung des Gases sorgt für ein Aufsteigen der innersten heißen Zonen bis zur Außenschicht, nach Abkühlung sinkt das Material aufgrund der nun größeren Dichte wieder ab. Übrigens führt die Kontraktion interstellaren Gases zu Braunen Zwergen zu so hohen Dichten, dass eine entartete Elektronengaskomponente entsteht, genau wie bei den Weißen Zwergen. Letztere sind allerdings die Überreste ausgebrannter Sterne, während man einen Braunen Zwerg eher als Protostern ansehen kann. Die einsetzende Entartung des Gases stoppt die Temperaturerhöhung durch die Kontraktion, so dass die Zündtemperatur des Wasserstoffs nicht erreicht werden kann.

Gliese 229 A und B
Gliese 229 A und B

Wir sehen nochmals den Braunen Zwerg Gliese 229 B als künstlerische Darstellung, im Hintergrund der 40 [AE] entfernte Rote Zwerg Gliese 229 A. In dieser düsteren Farbe würde uns der Stern erscheinen, der nun im Alter von einigen Milliarden Jahren nur noch eine Temperatur von 1000 [K] hat. Mehr Energie als im optischen strahlt er noch im Infrarotbereich aus. Die dunklen Bänder aus Staub oder atmosphärischen Turbulenzen sind nur theoretisch, jedoch aufgrund der schnellen Rotationsperiode von Stunden zu erwarten. Ebenso wird ein innerer "Dynamo" ein magnetisches Feld erzeugen, vor allem bei jungen Sternen dieses Typs, da man hierdurch entstandene Röntgenemissionen beobachten konnte.

Quelle: Pat Rawlings (Scientific American)

Geht es noch kühler?

Doppelsternsystem CFBDSIR 1458+10
Doppelsternsystem CFBDSIR 1458+10
Durchaus! Astronomen des Keck- Teleskops auf Hawaii haben ein Binärsystem aus Braunen Zwergen in einer Entfernung von 75 Lichtjahren ausfindig gemacht. Wissenschaftler der ESO konnten anschließend mit dem so genannten X-shooter spectrograph des VLT's die Oberflächentemperatur der Sterne messen. Das Sytem mit Namen CFBDSIR 1458+10 besteht aus den kältesten jemals beobachteten Sternen: Ihre Temperatur ist nicht höher als die einer Tasse frisch aufgebrühten Tees - gerade einmal 100 [°C] konnte man ermitteln. Für uns sind 100 Grad zwar ziemlich heiß, für einen Stern ist das jedoch mächtig kalt. Die beiden Komponenten sind wahrscheinlich etwa 3 [AE] voneinander entfernt und umkreisen sich gegenseitig einmal in 30 Jahren. Das Bild ist aus mehreren Aufnahmen zusammengesetzt, wobei man 4 verschiedene Filter im nahen Infrarot benutzte. Zudem wurde die adaptive Optik (genannt Laser Guide Star, LGS) des Keck-II- Teleskopes eingesetzt, um die Störungen der Erdatmosphäre weitgehend auszugleichen.

Inzwischen hat das Spitzer- Weltraumteleskop zwei ähnliche Braune Zwerge entdeckt, deren Temperatur allerdings noch nicht gemessen werden konnte.

Mit freundlicher Genehmigung von Michael Liu, University of Hawaii

Weitere Informationen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Brauner_Zwerg