Schwarze Löcher
Die Masse macht's
Schwarze Löcher sind recht simple Gebilde. Wir sahen, dass sie mit nur 3 Parametern zu beschreiben sind: Masse, Drehimpuls und Ladung. Wir stellten allerdings auch fest, dass diese exotischen Objekte recht vital agieren können, wenn sie nur irgendwelcher Materie habhaft werden. Drehimpuls und Ladung Schwarzer Löcher sind uns inzwischen ein wenig geläufig, aber wie steht es mit ihrer Masse? Gibt es bestimmte "Mindestmassen" oder Obergrenzen? Es wurde bereits kurz angeschnitten, dass nach oben hin keine Grenze bekannt ist.
Um es uns leichter verständlich zu machen, teilen wir Schwarze Löcher in 4 Kategorien ein:
- Mini- oder Mikrolöcher
- Stellare Kollapsare von etwa 5 bis 100 Sonnenmassen
- "Mittelgewichte" von mehr als 100 bis 10 000 Sonnemassen
- Supermassereiche Löcher ab ~ 1 Million Sonnenmassen
Man beachte, dass bei dieser Aufzählung die Grenzen willkürlich gezogen wurden, die Übergänge sind fließend. Lediglich stellare Löcher haben eine Obergrenze von etwa 100 Sonnenmassen, weil ein Stern, der an seinem Ende zu einem Schwarzen Loch kollabiert, nicht schwerer werden kann (siehe hierzu Riesensterne). Die erste der genannten Gruppen wird uns im nächsten Kapitel beschäftigen, beginnen wir deshalb mit den Löchern stellarer Massen.
Wenn ein Stern seinen nuklearen Brennstoff verbraucht hat und die Masse des Kerns im Innern mehr als etwa 3 Sonnenmassen übersteigt, gibt es keine bekannte Kraft mehr im Universum, die den Kollaps zum Schwarzen Loch verhindern könnte. Ist das geschehen, hat sich der Stern vom übrigen Weltall abgeschnitten. Es gibt keine "feste" Oberfläche mehr, sondern nur noch einen Raumbereich als Grenze, unterhalb der man nichts mehr sehen kann, aus der keine Informationen mehr nach außen dringen können - den Ereignishorizont.
Mit freundlicher Genehmigung von CXC/M.Weiss
Wie schon angedeutet, liegt die "Mindestmasse" eines stellaren Schwarzen Lochs bei etwa 3 Sonnenmassen. Zwischen 1,4 und 3 Sonnenmassen wird der Kollaps des Sterns bei einem Neutronenstern enden, weil hier das entartete Neutronengas der Gravitation einen noch ausreichenden Druck gegenüber stellen kann. Ähnliches trifft auch für Sterne noch kleinerer Massen zu: Bis herab zu etwa 0,4 Sonnenmassen bilden sich Weiße Zwerge, in denen ein entartetes Elektronengas den notwendigen Gegendruck liefert. Aus Sternen unterhalb der Mindestmasse können heute also keine Schwarzen Löcher gebildet werden.
Massereiche Sterne entstehen in Gebieten hoher Gas- und Staubkonzentration. Die kollabierende Wolke ist von so viel Materie umgeben, dass der sich bildende Protostern immer weiter wachsen kann. Die Natur hat diesem Treiben aber eine Grenze gesetzt. Auch wenn noch so viel an Materienachschub vorhanden ist, befreit sich der Stern von selbst aus dem Dunkel. Durch den inzwischen enormen Druck und die hohen Temperaturen im Innern sind Kernfusionen angesprungen, die jetzt gewaltige Energiemengen freisetzen und nach außen abtransportieren. Es entsteht ein Sternwind aus geladenen Teilchen, die mit hohen Geschwindigkeiten ins All geschleudert werden. Je massereicher der Stern ist, umso schneller laufen die Kernprozesse ab und umso stärker ist der Sternwind. Bei etwa 120 Sonnenmassen kann man fast von einem "Sturm" sprechen, der Wind ist so kräftig, dass er jede umgebende Materie fort bläst und er damit nicht mehr weiter wachsen kann.
Nun hat ein solcher Sternkoloss an seinem Lebensende keine 100 oder 120 Sonnenmassen mehr! Durch seinen starken Sternwind sowie immer wiederkehrende Instabilitäten (siehe hierzu auch Eta Carinae) stößt er im Laufe der Zeit große Mengen an Materie ab. Übrig bleiben dann für das Schwarze Loch vielleicht noch 50, 80 Sonnenmassen (genaue Werte sind nicht bekannt). Weil massereiche Sterne nicht sehr alt werden (sie verbrauchen ihren Brennstoff extrem schnell), können sie sich nicht weit von ihrem Entstehungsort entfernen. Sie entstehen auch selten allein, sondern meist gleich in Gruppen und sind damit häufig von viel Materie umgeben bzw. sogar in Doppel- oder Mehrfachsysteme eingebunden. Durch diesen Umstand kann das entstandene Schwarze Loch nun munter weiter wachsen!
Mit freundlicher Genehmigung von NASA/CXC/U.Amsterdam/S.Migliari et al.
Lange Zeit war völlig unklar, ob "Zwischengrößen" bei Schwarzen Löchern überhaupt existieren, neben den supermassiven (siehe weiter unten) waren nur diejenigen stellaren Ausmaßes bekannt. Erst seit dem Jahr 2000 weiß man von den "Mittelgewichten", die mehrere 100 bis zu etwa 10 000 Sonnenmassen erreichen. Wie kann man überhaupt ein derartiges Gebilde erkennen und nachweisen?
Wobei gilt:
- : Maximale, durch Akkretion erreichbare Leuchtkraft
- : Masse des Objekts
- : Masse der Sonne
- : Leuchtkraft der Sonne
Wie können Astronomen überhaupt die Massen Schwarzer Löcher bestimmen? Bei stellaren Löchern gelingt dies z.B. durch Beobachtung von Bahnstörungen eines Sterns durch den unsichtbaren Begleiter (der Stern "wackelt" etwas hin und her, so weist man sogar extraterrestrische Planeten nach, aus dieser Ablenkung kann man auf die Masse schließen). Bei supermassiven Löchern geschieht dies äquivalent durch Observation umlaufender Materiewolken, deren Bahngeschwindigkeit messbar ist (durch spektrale Untersuchungen). Bei Löchern mittlerer Masse kann man die Helligkeit der Röntgenstrahlung in Beziehung zur ins Loch fallenden Materie setzen und daraus deren Größe ableiten. Die Größe weit entfernter, massereicher Schwarzer Löcher muss man anders bestimmen. Sie verraten sich als sehr aktive Objekte in den Galaxienzentren (AGN, siehe auch weiter unten). Ein AGN variiert häufig seine Leuchtkraft, vor allem im Röntgenbereich. Diese Helligkeitsschwankungen liegen im Bereich von Tagen. Man darf sich nun ziemlich sicher sein, dass die Strahlungsquelle nicht größer sein kann als die Strecke, die das Licht in dieser Zeit zurücklegt. Das bedeutet,
Innerhalb dieses Radius muss sich also die bestimmte Masse befinden. Aus den so ermittelten Werten, häufig viele Millionen bis mehrere Milliarden Sonnenmassen und Radien bis zu einigen Lichttagen lässt sich nur der Schluss ziehen, dass in diesem Raumgebiet ein Schwarzes Loch vorhanden sein muss. Es gibt keine Alternative dazu.
Mit freundlicher Genehmigung von NASA/CXC/SAO
Astrophysiker sind sich noch nicht sicher, wie diese "Mittelschwergewichte" entstehen. Es könnte direkt in den Sternentstehungsgebieten geschehen, weil hier genügend Materie vorhanden ist. Erst recht in den Galaxienzentren. Möglich ist auch, dass wir es mit einem Relikt der ersten Sterngeneration zu tun haben, die ersten Sterne konnten bis zu 1000 Sonnemassen beinhalten. Es ist allerdings genauso möglich, dass man einer Täuschung unterliegt und das beobachtete Röntgenlicht durch den Beaming- Effekt verstärkt wird und die ermittelte Masse nicht annähernd so hoch ist wie errechnet.
Weitere Hinweise auf Schwarze Löcher mittlerer Masse fanden sich in Kugelsternhaufen, weil hier Bewegungen der Sterne auf dunkle, massereiche Zentren hinweisen sowie in Zwerggalaxien.
Die "Boliden" unter den Schwarzen Löchern findet man nur in den Zentren vieler Galaxien. Allgemein ist man in der Astrophysik sogar zu der Überzeugung gelangt, dass eigentlich in jedem Galaxienzentrum ein Schwarzes Loch stecken müsste. Selbst im Zentrum unserer Galaxis hat sich ein Schwarzes Loch verborgen, das sich inzwischen jedoch auf vielfältige Weise verraten hat.
Wenn wir von unserer Position im Außenbereich der Milchstraße zum galaktischen Zentrum sehen, so wird die Sicht durch dicke Gas- und Staubschichten völlig behindert. Für einige Wellenlängen sind diese Bereiche aber durchlässig, so auch für Röntgenstrahlung. Diese Falschfarbenaufnahme des Chandra- Observatoriums zeigt einen Bereich von 400 mal 900 Lichtjahren um das Zentrum. Eingebettet in rund 10 Millionen [K] heißes Gas in dieser Region, sehen wir als weißen Fleck in der Bildmitte den Bereich des supermassereichen Schwarzen Lochs. Nach neueren Erkenntnissen ist es 3,6 Millionen Sonnemassen "schwer".
Mit freundlicher Genehmigung von D. Wang (UMass) et al., CXC, NASA
Mit freundlicher Genehmigung von Farhad Yusef-Zadeh et al. (Northwestern), VLA, NRAO
Mit freundlicher Genehmigung von Rainer Schödel (MPE) et al., NAOS-CONICA, ESO
Aus der elliptischen Riesengalaxie Centaurus A schießt ein 30 000 Lichtjahre langer Jet aus dem Zentrum.
Mit freundlicher Genehmigung von R.Kraft (SAO) et al., CXO, NASA
Mit freundlicher Genehmigung von Alan Bridle (NRAO Charlottesville) VLA, NRAO, NSF
Mit freundlicher Genehmigung von Wolfram Freudling et al. (STECF), ESO, ESA, NASA
Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die massereichen Schwarzen Löcher gleich beim "Start" unseres Universums entstanden, schon wenige Hundert Millionen Jahre nach dem Urknall. Siehe hierzu auch Die Millennium- Simulation. Sie mussten den "Umweg" über Sterne erst gar nicht antreten, sondern sind auf direktem Weg aus Materieverdichtungen gebildet worden.
Die bisher schwersten, besser gesagt massereichsten, Schwarzen Löcher im Universum sind jüngst (Dezember 2011) entdeckt worden. Nicholas McConnell von der University of California in Berkeley und seine Kollegen haben gleich zwei dieser Massenmonster entlarvt. Mit dem Keck-2-Teleskop auf Hawaii spürten sie in der Galaxie NGC 3842 einen Boliden von 9,7 Milliarden Sonnemassen (!) auf. NGC 3842 ist die hellste Galaxie im Galaxienhaufen Abell 1367 und rund 320 Millionen Lichtjahre entfernt. Gleich doppelt so viel Masse, also rund 20 Milliarden Sonnenmassen, weist NGC 4889 im 335 Millionen Lichtjahre entfernten Coma- Haufen auf. Der bisherige "Rekordhalter", das Schwarze Loch in der Galaxie M87 mit 6,3 Milliarden Sonnemassen, hat dagegen scheinbar noch Nachholbedarf.
Wie ermittelt mal solch große Massen? Die Wissenschaftler beobachten Sterne, die das Schwarze Loch umkreisen (wie im Bild angedeutet). So hat man die Sterngeschwindigkeiten an 82 unterschiedlichen Stellen von NGC 3842 ermittelt und kann daraus auf die Masse des zentralen Körpers schließen.
Mit freundlicher Genehmigung von Gemini Observatory/AURA, Lynette Cook
Weitere Informationen: http://www.wissenschaft-online.de/astrowissen/astro_sl_mass.html#mass