Magnetare

Magnetare sind, ähnlich wie die Pulsare, eine besondere Klasse von Neutronensternen.
Wie wir in den vorhergehenden Kapiteln gesehen haben, entstehen Neutronensterne, wenn massereiche Sterne (mehr als ca. 8 Sonnenmassen) an ihrem Lebensende im gigantischen Blitz einer Supernova- Explosion vergehen. Im Innern des Sterns hat sich eine kosmische Katastrophe zugetragen, als das Zentrum zu einem Neutronenstern kollabierte. Übrig bleibt vom einstigen Giganten mit einem Durchmesser im Bereich von Millionen Kilometern eine superkompakte Kugel von 10- 30 [km] und eine ins All geschleuderte Wolke aus Gas und Staub.

Diese Kugel behält allerdings noch einige Eigenschaften des ursprünglichen Sterns. So weist sie beispielsweise noch denselben Drehimpuls auf, weshalb Neutronensterne mit bis zu 1000 Umdrehungen pro Sekunde rotieren. Ist der Neutronenstern gerade gebildet, findet auch in ihm Konvektion statt. Das bedeutet, dass Zellen heißer Neutronenflüssigkeit aufwärts steigen, sich an der Oberfläche abkühlen und wieder absinken. Das alles geschieht sehr schnell: Die Konvektion findet im Millisekundenbereich statt, wobei eine einzelne Konvektionszelle kleiner als 1 [km] ist. Rotiert der Neutronenstern ebenfalls im Millisekundenbereich, so entsteht vorübergehend ein ultrastarker Dynamo, der ein wahrhaft gigantisches Magnetfeld erzeugt: Die magnetische Flussdichte kann bis zu 1011 [T] ([T] = Tesla) betragen (im Vergleich: das Magnetfeld der Erde weist je nach Lage 0,30 x 10-4 [T] bis 0,70 x 10-4 [T] auf). Es ist ein Magnetar entstanden.

Aufbau eines Magnetars
Aufbau eines Magnetars
So stellt sich nach heutigem Wissensstand der Aufbau eines Magnetars dar. Unter einer sehr dünnen Schicht aus heißem Eisenplasma befindet sich eine feste Kruste in kristalliner Form. In dieser Kruste entladen sich manchmal aufgebaute Spannungen als Sternbeben. Darunter befindet sich supraflüssige und supraleitende Neutronenflüssigkeit, den Kern stellt man sich als einen festen Block vor, der vielleicht aus Quarks bestehen könnte. Dies bleibt allerdings vorerst reine Spekulation, da wir solche extremen Bedingungen in keinem Labor simulieren können.


Um sich eine Vorstellung von der Stärke eines solchen Magnetfeldes machen zu können, besuchen wir in Gedanken einen Magnetar:

Bereits aus einer Entfernung von 200 000 [km] wird er unsere Kreditkarten löschen und uns die Münzen aus der Geldbörse ziehen. Der Verlust unserer Zahlungsmittel wäre dann aber bei weiterer Annäherung unsere geringste Sorge! Solch ein Magnetfeld ist für jeden Organismus absolut tödlich, da es direkt die Atome und Moleküle beeinflusst. Wir sollten also lieber auf respektvoller Distanz bleiben. Unsere Körper würden zudem vom Gezeiteneffekt der übermächtigen Gravitation in die Länge gezogen wie Bandnudeln. Den Rest würde uns dann noch die extreme Gamma- bzw. Röntgenstrahlung besorgen. Doch auch aus einem anderen Grund sollten wir von unserem Besuch Abstand nehmen, denn es gäbe nicht viel für uns zu sehen: Die größten Gebirge der Erde wären auf einem Neutronenstern auf die Größe einer Ameise zusammengequetscht. Die ungeheure Gravitation eines Neutronensterns lässt keine Erhebungen zu.

Das enorme Magnetfeld hat auf den jungen Neutronenstern einen bedeutenden Einfluss, denn es bremst seine Rotation. Das geschieht sehr schnell und ein großer Teil der ursprünglichen Rotationsenergie wird der Schockwelle der Supernova zusätzlich hinzugefügt. Bereits nach rund 10 Sekunden ist die Rotationszeit des Sterns länger als die Konvektionszeit, und der Dynamo "schaltet" ab. Inzwischen hat sich der Stern schon etwas "abgekühlt", die Konvektion stoppt und es kristallisiert eine Kruste an der Oberfläche. Ein erheblicher Teil des Magnetfeldes (bis zu 1010 [T]) wird nun quasi in die Kristallstruktur der Kruste eingefroren und bleibt so erhalten.


Magnetare sind sicherlich die stärksten Magnete im gesamten Kosmos. Wie auch schon bei den Pulsaren erwähnt, bremst ein solches Magnetfeld die Rotation. Bei den Magnetaren ist es so stark, dass die Rotation um den Faktor 10 000 stärker abgebremst wird als bei üblichen Neutronensternen.

Magnetar
Magnetar
Diese Animation veranschaulicht den plötzlichen Ausbruch von Gammastrahlung auf einem Magnetar. Das extreme Magnetfeld erzeugt gewaltige Spannungen in der Kruste des Neutronensterns, die sich in Sternbeben entladen. Durch diesen Vorgang werden große Energiemengen in Form eines Gammastrahlenflashes freigesetzt.

Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Robert Mallozzi (UAH & NASA/Marshall Space Flight Center)


Das Magnetfeld zeigt darüber hinaus auch noch andere Wirkungen. Es durchwalkt und verformt die Kruste, in dessen Folge sich ungeheure Spannungen aufbauen, welche sich dann in Analogie zu Erdbeben in Sternbeben entladen. Die Kruste kann dabei sogar aufreißen, und durch diese Vorgänge werden äußerst energiereiche Gamma- oder Röntgenblitze (Flash) ausgesandt. Man nennt solche Pulsare daher auch Soft Gamma-ray Repeater (SGR), weil sie im Gegensatz zu den Gamma- Bursts immer wieder von derselben Quelle empfangen werden. Die Ausbrüche harter Gamma- bzw. Röntgenstrahlung dauern nur einige Sekunden, hierbei wird aber soviel Energie freigesetzt, wie die Sonne in einem ganzen Jahr emittiert. Darauf hin folgt eine ruhige Phase des Magnetars von Monaten oder Jahren.

Man nimmt an, dass ein Magnetar in den ersten 10 000 Jahren seiner Existenz als Gammapulsar auftritt, danach dann noch vielleicht 30 000 Jahre im Röntgenbereich seine Impulse aussendet. Die Rotation verlangsamt sich immer mehr, das Magnetfeld wird stetig schwächer, der Neutronenstern erkaltet und zurück bleibt ein dunkler, supermassiver Ascheklumpen. Berechnungen zufolge könnten allein in unserer Galaxie zwischen 1 und 100 Millionen solcher "Sternleichen" umhergeistern, die allerdings noch längst nicht völlig abgekühlt sein werden. Dennoch sollten raumfahrende Intelligenzen vor solchen Schwerkraftmonstern auf der Hut sein...