Schwarze Löcher


Seltsame Eigenschaften

Schwarze Löcher haben wirklich seltsame Eigenschaften. Uns ist nun klar, dass die Gravitation dieser Gebilde ungeheure, besser gesagt unvorstellbare Größen annimmt. Nicht nur jede ins Loch einfallende Materie wird bis zur Unkenntlichkeit zerstört und verzerrt, ja selbst die Raumzeit wird arg gebeutelt. Das geht so weit, dass ihre Krümmung nach der Allgemeinen Relativitätstheorie in der Singularität unendlich wird. Raum und Zeit hören auf zu existieren!

Krümmung der Raumzeit
Krümmung der Raumzeit
Stellen wir uns die Raumzeit nochmals als ein gespanntes Tuch vor. Ist keine Materie zugegen, ist es flach und glatt. Legt man aber einen Gegenstand darauf, so wird das Tuch je nach Gewicht des Gegenstandes mehr oder weniger stark ausgebeult - es wird gekrümmt. Ein Schwarzes Loch beeinflusst die Raumzeit so stark, dass die Krümmung in dessen Zentrum unendliche Werte annimmt. Im nebenstehenden Diagramm sind der Horizont und die Singularität angedeutet, letztere befindet sich am untersten Punkt. In Wirklichkeit kann man das Geschehen nicht zeichnerisch darstellen, weil der Trichter unendlich lang und dünn werden müsste.


Wir wissen jetzt, was beim Kollaps eines Sterns zum Schwarzen Loch geschieht und was Beobachter an verschiedenen Orten ("Bezugssystemen") sehen würden. Aber bemühen wir doch noch einmal unseren armen Astronauten und lassen ihn eine Reise in das "fertige" Schwarze Loch unternehmen! Dazu muss er ungewöhnliche, übermenschliche Eigenschaften aufweisen, die es in der Realität natürlich nicht gibt. Doch er ist ja schon recht gut abgehärtet...

Wie oben gezeigt, ist die Krümmung der Raumzeit bereits in der Umgebung des Ereignishorizonts recht groß. Der Astronaut beginnt also seinen Abstieg zum Loch, indem er es vorsichtig umkreist. Er beginnt mit einer Umlaufbahn von z.B. 100 000 [km] Länge. Bereits jetzt spürt er deutlich, dass seine Füße stärker angezogen werden als sein Kopf, doch diese mörderischen Kräfte, die ihn am Ende zerreißen werden, ist er ja bereits gewohnt.

Während er jetzt weiter sinkt, beobachtet er, wie unter ihm das Schwarze Loch immer mehr an Größe zunimmt. Seltsamerweise nimmt nun der sichtbare Himmelsausschnitt im selben Maße ab, wie das dunkle Loch unter dem Astronauten anwächst. Das geht sogar so weit, dass sich das Schwarze Loch scheinbar auch seitlich um den Astronauten schließt, obwohl er noch weit vom Horizont entfernt ist. Wie ist das möglich?

Lichtablenkung
Lichtablenkung
Der Astronaut sieht den Himmel in einem immer kleiner werdenden Durchmesser, je tiefer er zum Loch absinkt. Durch die ungeheure Gravitation in der Nähe des Horizonts werden die Lichtstrahlen immer mehr abgelenkt. Selbst das Licht von Sternen, die sich querab in horizontaler Position (90° vom Zenit) befinden, sieht der Astronaut nun direkt von vorn kommen. Anders ausgedrückt: Die Lichtstrahlen werden gezwungen, den immer stärkeren Krümmungen der Raumzeit zu folgen!

Aufbau eines Schwarzen Lochs
Aufbau eines Schwarzen Lochs
Hier eine Skizze, in die wir verschiedene Abstände von der Singularität eingezeichnet haben. Der Ereignishorizont befindet sich im Abstand von einem Schwarzschildradius, also 1 rS. Im Abstand von 1,5 rS finden wir eine Bahn, auf der ein unter günstigstem Winkel eingebrachtes Photon sich gerade noch aufhalten kann. Man nennt diese Bahn daher auch Photonensphäre. Das Photon würde hier unendlich lang das Loch umkreisen. Bei geringster Unterschreitung dieses Abstandes wäre sein Absturz ins Loch allerdings besiegelt. Für den Astronauten gilt etwas anderes: will er das Loch nur umkreisen und sich eine Chance zur Rückkehr offen halten, so darf er sich in einer Distanz von höchstens 3 rS aufhalten, ansonsten ist er für immer verloren!

Das statische Schwarzschildloch
Das statische Schwarzschildloch
Nun können wir ein plastisches "Bild" eines Schwarzen Lochs zeichnen. Dass die Singularität eigentlich nicht dargestellt werden kann ist uns klar: Sie ist (fast) unendlich klein. Der Schwarzschildhorizont ist die absolute Grenze zwischen dem uns bekannten Weltraum und einem "irgendwas dahinter". Es ist ein "point of no return", wer ihn überschreitet, kann nie mehr zurück. Umschlossen wird das Loch im Abstand von 1,5 Schwarzschildradien von einer weiteren Grenze, der schon genannten Photonensphäre. Sobald diese Distanz minimal unterschritten wird, gibt es auch für das Licht kein Entrinnen mehr.

Simulation eines Schwarzen Lochs
Simulation eines Schwarzen Lochs
In dieser Computersimulation ist ein künstlicher Himmelsauschnitt dargestellt, wie der Astronaut das Schwarze Loch bei seiner Annäherung erblicken würde. Im linken Bild erkennt man die drei Gürtelsterne des Sternbilds Orion. In die rechte Bildhälfte wurde ein Schwarzes Loch "eingerechnet". Das Loch selbst ist natürlich nicht sichtbar, man sieht aber deutlich die Verzerrungen, die von seinem Gravitationsfeld hervorgerufen werden. Es wirkt aus dieser Distanz bereits als Gravitationslinse und erzeugt Doppelbilder der hinter ihm liegenden Sterne. Würde man sich dem Loch noch weiter nähern, so könnte man aus einem Blickwinkel das gesamte Weltall überschauen.

Mit freundlicher Genehmigung von Robert Nemiroff (MTU)

Himmelsansicht kurz über dem Horizont
Himmelsansicht kurz über dem Horizont
Unser tapferer Astronaut ist dem Ereignishorizont nun schon ziemlich nah gekommen. Die Raumzeitkrümmungen wirken sich immer stärker aus und das Licht des ganzen Universums wird in einen kleinen hellen Abschnitt seines Sichtfelds gebündelt. Selbst das Licht der hinter dem Beobachter liegenden Quellen kommt nun von vorn auf ihn zu (das wäre nicht der Fall, könnte er anhalten). Je tiefer er sinkt, umso kleiner wird die Sichtöffnung, dafür schließt sich immer mehr der schwarze Ereignishorizont des Lochs um den Astronauten.


Raum und Zeit werden mit dem Licht und unserem Astronauten ins Schwarze Loch gezogen. Genau in dem Moment, als er den Ereignishorizont überquert, wirft er einen Blick in die Unendlichkeit! Die Beeinflussung der Zeit durch die Gravitation erfährt er nun in voller Pracht. Obwohl seine Uhr für ihn völlig "normal" weiterläuft, sieht er jetzt die Vorgänge im Universum wie in einem wahnsinnigen Zeitraffer ablaufen. Doch schon ist dieser Anblick vorüber, denn nun ist der tapfere Astronaut im Innern des Schwarzen Lochs.

Jetzt wird es noch exotischer! Immer noch kann er Licht aus unserem Universum sehen, vielleicht als verschwommenes Halo. Wenn er genau hinsieht, kann er denselben Film wie zuvor anschauen, nur läuft dieser jetzt rückwärts. Nach einer Weile kann er sogar sehen, wie er aus dem Schwarzen Loch steigt und erlebt rückwärts noch einmal alle Ereignisse bis zu seinem Start. Erst wenn unser Held in die Mitte des Lochs gelangt, wird er nichts mehr von unserem Universum sehen, denn nun gelangt er in die fürchterliche Singularität, in der die physikalischen Gesetze ihre Gültigkeit verlieren.

Eine solche Reise in ein Schwarzes Loch ist natürlich nur fiktiv. Wie wir noch sehen werden, sind die meisten Schwarzen Löcher von einer Scheibe glühend heißen Plasmas umgeben. Hinzu kommen Gezeitenkräfte, die jeden noch so stabilen Körper bis zur Unkenntlichkeit zerfetzen. Selbst bei superschweren Ausgaben dieser Objekte, bei denen die Gezeitenkräfte am Horizont noch erträglich wären, stürzt jede Materie ab dem Horizont unweigerlich mit Lichtgeschwindigkeit zur Singularität. Falls man überhaupt bis zum Horizont gelangen würde, denn die meisten Löcher rotieren, sehr schnell, und die mitrotierende umgebende Raumzeit zwingt allem diese Bewegung mit bis zur halben Lichtgeschwindigkeit auf...


Die Folgerungen der Allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins lassen noch weitere, interessante Aspekte zu: Es gibt Symmetrien der Zeit. Das bedeutet, dass Zeit vorwärts und rückwärts laufen könnte. Daraus lässt sich folgern, dass die Zeit, wenn sie am Ereignishorizont eines Schwarzen Loches bereits stehen bleibt, sich in der Singularität umkehrt und dann rückwärts laufen könnte. Wenn man diesen Gedanken weiter verfolgt, kommt man zum Schluss, dass es auch "umgekehrte" Schwarze Löcher geben könnte.

Ein Schwarzes Loch ist ein Objekt, aus dem nichts mehr entweichen kann. So wäre es denkbar, dass irgendwo im Universum ein Ort existiert, an dem die umgekehrte Version zu Tage tritt und in welche nichts hineingeraten, nichts eindringen kann. Im Gegenteil: es müsste Materie und Energie emittieren. Das könnte man als Weißes Loch bezeichnen. Das größte Weiße Loch war sicherlich unser Kosmos zum Zeitpunkt des Urknalls, ein winziger Ort, aus dem Energie nur so "sprudelte". Manche Astrophysiker glauben, dass die Materie und die Energien, die ein Schwarzes Loch aufsaugt, an einem ganz anderem Ort des Kosmos, vielleicht sogar in einem anderen (Parallel-) Universum oder in einer unbekannten Dimension wieder "ausgespuckt" werden.
Dies ist jedoch ein rein theoretisches, mathematisches Modell, ob Weiße Löcher tatsächlich existieren, ist niemandem bekannt.


Das stört unseren Astronauten jetzt aber auch nicht mehr. Er stürzt weiter zur Singularität. Wenn er in ihre Richtung sieht, erkennt er einen winzigen Lichtpunkt in der Mitte.

Blick auf die Singularität
Blick auf die Singularität
Dieses Licht in der Mitte kommt vielleicht aus einem anderen Universum. Umgeben ist es von tiefer Schwärze, doch sieht er immer noch einen Halo, Licht aus unserem Universum. Je tiefer der Astronaut sinkt, umso schmaler wird der dunkle Rand. Kurz bevor er endgültig in der Singularität verschwindet, sieht er vor allem Licht und er kann erkennen, was sich im anderen Universum abspielt. Nur - die Zeit dort verläuft der unseren genau entgegengesetzt.

Ein Wurmloch verbindet zwei Universen
Ein Wurmloch verbindet zwei Universen
Schon 1935 erkannten Einstein und Nathan Rosen, dass die Allgemeine Relativitätstheorie "Brücken" in der Raumzeit zulässt (Einstein-Rosen-Brücke). Heute bezeichnen wir diese als Wurmlöcher. Sie stellen quasi einen Verbindungstunnel dar zwischen einem Schwarzen und einem Weißen Loch, möglicherweise könnten Wurmlöcher sogar zwei Universen miteinander verbinden. Durch diesen Tunnel könnte das Licht gelangen, das unser Astronaut sah, kurz bevor er auf Nimmerwiedersehen in der Singularität verschwand. Bitte planen Sie nun aber keine Reise durch ein Wurmloch in ein anderes Universum! Solche Wurmlöcher schnüren sich in der Mitte fast unendlich dünn ein, und bei der geringsten Störung reißt die Brücke sofort ab. Zudem: Nicht einmal unser äußerst robuster Astronaut hat den Sturz in die Singularität überlebt...

Vieles von dem, was der tapfere Held auf seiner Reise sah, ist Spekulation. Niemand weiß, ob es andere Universen gibt, ob Weiße Löcher oder Wurmlöcher existieren oder wie es im Innern Schwarzer Löcher aussieht. Aber wir erkennen, welche Faszination von diesen simplen Gebilden ausgeht.

Sehen wir nun was geschieht, wenn Schwarze Löcher auch noch rotieren!