Schwarze Löcher
Die unglaublich verrückte Reise in ein Schwarzes Loch
Prolog
Nachdem wir bisher so ausführlich die exotisch anmutenden Eigenschaften von Schwarzen Löchern in der Theorie studiert haben, wenden wir uns jetzt der Praxis zu. Zwar wissen wir selbstverständlich, dass die Reise zu einem relativ kleinen dieser Gravitationsmonster längst vor Erreichen des Ereignishorizontes beendet ist. Dort besiegelt die Spaghettisierung endgültig das Schicksal des mutigen Besuchers: nähert er sich dem Horizont, so wird er einen unwahrscheinlich starken gravitativen Zug verspüren, enorme Gezeitenkräfte werden wirksam.
Gravitation ist abhängig von der Entfernung zu einem Körper: je weiter man sich entfernt, umso schwächer wird sie. Stehen wir auf der Erde, so ist das auch der Fall. Unsere Füße sind einer stärkeren Gravitation ausgesetzt als unser Kopf. Doch unserer Erfahrung nach macht das gar nichts. Nähert sich aber der Besucher z.B. mit den Füßen voran einem Schwarzen Loch, so wirkt sich hier die unterschiedliche Anziehungskraft fatal aus. Diese Gezeitenkraft zieht den Körper in die Länge wie eine Spaghetti und quetscht ihn gleichzeitig gnadenlos zusammen. Leider lässt es die Gravitation auch damit noch nicht bewenden, man wird völlig zerfetzt und verzerrt noch bevor man überhaupt den Horizont berührt und es bleibt nur noch ein Haufen subatomarer Partikel übrig - man nennt ihn Quantenschaum. Selbst wenn der Besucher das Schwarze Loch "nur" in einem Raumschiff umkreisen würde, müsste er dazu je nach Abstand derart hohe Geschwindigkeiten erreichen, dass ihm die dadurch hervorgerufenen, nach außen gerichteten Zentrifugalkräfte ziemlich übel mitspielen würden.
Meiden Sie lieber Schwarze Löcher. Sie könnten darin sterben!
Es wäre also purer Wahnsinn, wollte man sich unter normalen Umständen einem Schwarzen Loch nähern. Zumal wir ja auch wissen, dass die meisten dieser Ungetüme von Akkretionsscheiben umgeben sind! In diesen Mahlströmen wird jede Materie zerfetzt, durch Reibung ultrahoch erhitzt, so dass hochenergetische Röntgen- und sogar Gammastrahlung emittiert wird. Das ist eine wirkliche Hölle, durch die man gehen müsste, und man käme höchstens als gegrillter Satansbraten zum Loch. Hinzu kommt dann obendrein noch, hätte man all diese Schwierigkeiten gemeistert, dass Schwarze Löcher einen Drehimpuls aufweisen, den sie entweder vom Vorläuferstern übernommen haben, oder/und von akkretierter Materie. Sie rotieren also, und zwar ziemlich schnell! Diese Rotation, die bis zur halben Lichtgeschwindigkeit erfolgt, wird allem und jedem aufgezwungen, der sich zu nah heranwagt, eine statische Lage ist dort nicht mehr möglich (wir erinnern uns hierbei an den Begriff frame dragging). Wir müssen somit überlegen, was zu unternehmen ist, um trotz aller Widrigkeiten einen Spaziergang in ein Schwarzes Loch zu machen.
Die Reise
Es eröffnen sich zwei Möglichkeiten, die Qual einer Reise in ein Schwarzes Loch zu unternehmen. Die ungefährlichere Methode ist die Position eines Beobachters einzunehmen. Wir entsenden also aus sicherer Entfernung eine Robot- Sonde und beobachten, was das Loch mit ihr anstellt. Das ist zwar sehr bequem, aber leider nicht sehr informativ, wie wir alsbald bemerken. Die Allgemeine Relativitätstheorie Einsteins besagt, dass Uhren langsamer gehen, wenn sie starken Gravitationsfeldern beziehungsweise den durch Materie hervorgerufenen Krümmungen der Raumzeit ausgesetzt werden. Das bekommen wir jetzt auch gleich vor Augen geführt, als wir sehen, wie sich die Sonde dem Horizont nähert. Ist sie zunächst noch völlig normal auf das Loch zu geflogen, so wird ihre Bewegung immer langsamer und am Horizont angekommen, müssen wir unendlich lange warten, um die Sonde im Loch verschwinden zu sehen. Ihre Zeit wurde durch die Gravitation verlangsamt und blieb am Ende völlig stehen. Wir können nicht mehr sehen, was mit der Sonde geschieht, denn was sich nun dort drüben abspielt, liegt wie der Ereignishorizont in unserer Zukunft. Bei der Annäherung wechselte die Sonde kurz vor dem Horizont auch ihre Farbe. Von weiß nach gelb, von orange nach tiefrot, und dann wurde sie schnell völlig schwarz. Je näher sie dem Horizont kam, umso mehr mussten die von ihr ausgehenden Photonen des Lichts gegen die ansteigende Gravitation ankämpfen. Das lässt sie schwächer und schwächer werden, anders ausgedrückt: die Wellenlänge des Lichts wurde immer größer (rotverschobener). Am Ende sind die Wellen unendlich in die Länge gezogen, bzw. die Rotverschiebung unendlich groß. Mit anderen Worten: Den Lichtteilchen (und allem anderen) ist es nicht mehr möglich, dem Horizont zu entfliehen. Auch die von der Sonde ausgesandten Funkimpulse wurden immer schwächer durch die Gravitationsrotverschiebung und verstummen am Ende gänzlich. Somit bleibt uns zur Befriedigung unserer Neugier nichts anderes übrig, als höchstpersönlich in das Loch zu steigen.
Seltsame Dinge bekommt man zu sehen, nähert man sich einem Schwarzen Loch. Befindet es sich vor einem hellen Objekt, so wird dessen Licht im Kreis um das Loch herum geführt - wir sehen einen Einstein- Ring.
Dieses Bild wie auch die folgenden und Filme wurden freundlicherweise von Prof. Andrew Hamilton für diese Seite zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um Darstellungen, in denen die relativistischen Effekte berücksichtigt wurden. Das Hintergrundbild unserer Milchstraße wurde Andrew von Axel Mellinger für dessen Seite überlassen.
Nehmen wir also all unseren Mut zusammen und stürzen uns in das - einmalige - Abenteuer. Zunächst wollen wir ein kleineres Loch von etwa 30 Sonnenmassen näher untersuchen. Vor das Vergnügen haben die Götter aber den Schweiß gesetzt und wir müssen erst einmal den Schwarzschild- Radius berechnen. Die Masse des Schwarzen Lochs (SL) kennen wir bereits, auch die Gravitationskonstante und Lichtgeschwindigkeit sind uns nicht unbekannt:
G = 6,67259 x 10-11 [m3kg-1s-2]
Masse SL = 30 Sonnenmassen = 6 x 1031 [kg]
Lichtgeschwindigkeit = 2,99792458 x 108 [ms-1]
Daraus errechnen wir einen Schwarzschildradius von rund 89 [km]. Da wir unser Abenteuer nicht unüberlegt angehen wollen, berechnen wir noch kurz, was uns erwartet. Einen ersten Anhaltswert liefert uns die Gravitationsbeschleunigung, also die Beschleunigung, die ein Körper im Freien Fall ohne die Einwirkung anderer Kräfte erfährt. Sie ist nur abhängig von der Masse des Körpers und dem Abstand. Auf der Erde sind das bekanntlich 9,802 [m · s-2] (= 1 G). Berechnet wird sie mit der Formel
Da wir uns nur langsam dem SL nähern möchten, gehen wir vorerst auf einen Abstand von 1000 Schwarzschild- Radien heran. Das wären dann rund 89 000 [km]. Eingesetzt in die Formel mit den bereits bekannten Werten für und erhalten wir eine Gravitationsbeschleunigung von über 505 [km/s2], ein wirklich beachtlicher Wert! Weil wir unsere Rakete in dieser Distanz im Raum stehen lassen wollen, um in Ruhe das Loch zu beobachten, brauchen wir auch noch die Fluchtgeschwindigkeit in dieser Entfernung. Sie berechnet sich nach
Beträgt die Fluchtgeschwindigkeit auf der Erde noch 11,2 [km/s], so müssen wir unser Raumschiff bereits auf ein Tempo von 9480 [km/s] bringen, um dem SL aus der geplanten Position wieder entkommen zu können.
Mit unserem Kleinraumer modernster Bauart verlassen wir das Mutterschiff und nähern uns zunächst bis auf den berechneten Abstand. Unserem Schiff können wir vertrauen, es hat genügend Reserven für diesen Ausflug.
Aus dieser Distanz beobachten wir nun das Schwarze Loch. Mit dem bloßen Auge ist es noch nicht zu sehen, lediglich erkennen wir an seiner vermeintlichen Position eine vage Unschärfe, eine leichte Verzerrung im Bild des Sternenhimmels. Das wird schnell langweilig und deshalb drosseln wir den Raketenantrieb leicht, um langsam näher an das Ungetüm heran zu kommen. Sehr bald wird die Fahrt aber rasend schnell, so dass der Schub ständig weiter erhöht werden muss, damit wir bedächtig herab gleiten können. Bei einem Abstand von 100 Schwarzschild- Radien, also 8900 [km], halten wir die Rakete wieder auf einer stabilen Position. Die Fluchtgeschwindigkeit ist hier nun schon auf fast 30.000 [km/s] angewachsen, 1/10 der Lichtgeschwindigkeit, die Gravitationsbeschleunigung beträgt sagenhafte 50.500 [km/s2].
Wenn Sie möchten, können Sie sich hier auf eine Reise in ein nicht rotierendes, ungeladenes Schwarzschild Loch begeben. Das ist einer der simpelsten Körper im Universum, beschreibbar nur durch seine Masse. Wenn Sie sich jetzt auf die Reise begeben werden Sie sehen, dass von der Passage des Horizontes nichts zu spüren ist.
Mit ausdrücklicher Genehmigung von Andrew Hamilton
Während des Absinkens erschien nach und nach das Schwarze Loch als tiefschwarze Scheibe. Das Licht der Sterne, die wir zuvor dort sahen, wird scheinbar vom Loch fortgedrängt. Dazu sind jetzt aber Sterne zu erkennen, die eigentlich hinter dem SL stehen. Die mächtige Gravitation in seiner Nähe lenkt ihr Licht jedoch komplett um sich herum. Alsbald sieht man auch dunklere Doppelbilder von allen Sternen. Wenn wir eine gedachte Linie gerade durch die Mitte des SL's ziehen, können wir Original und Doppel anhand der Farbe identifizieren.
Zu schaffen machen uns nun aber schon die Gezeitenkräfte. Zwischen unseren Füßen, die jetzt zum Loch weisen, und unserem Kopf bereitet uns die sehr unterschiedliche Anziehungskraft des Schwarzen Lochs erhebliche Probleme, sie beträgt jetzt schon 1 G. Das ist recht unangenehm und wir beschließen, unsere Exkursion hier zu beenden, denn die Gezeitenkräfte würden bei weiterem Absinken rapide ansteigen.
Zuvor wollen wir aber noch schnell berechnen, wie stark die Gezeitenkraft hier an uns zerrt. Berechnet wird sie nach der Formel:
Darin bedeuten:
Formelzeichen | Beschreibung |
---|---|
Gravitationskonstante | |
Die Masse, auf welche die Gezeitenkraft wirkt | |
Die Gezeitenkraft verursachende Masse | |
Radius der Masse m | |
Abstand der beiden Massen |
Setzen wir die Werte für das 30- Sonnemassen- SL in die Formel ein, den Abstand von 100 Schwarzschildradien und gehen von einer Astronautenmasse von 75 kg aus, wobei wir uns selbst einen Radius von 1 [m] gönnen, so erfahren wir, dass hier eine Gezeitenkraft von ~ 850 [N] auf uns einwirkt. Wären wir auf der Erde geblieben, müssten wir lediglich 2,3 x 10-4 [N] ertragen. Bevor uns Schlimmeres widerfährt, ziehen wir uns lieber schnell zurück!
Im Bild der Anblick aus einer Distanz von 3 Schwarzschildradien. Das ist die äußerste Grenze, an der noch ein stabiler Orbit möglich wäre. Unterschreitet man diese Distanz, ist keine stabile Umlaufbahn mehr möglich.
Mit ausdrücklicher Genehmigung von Andrew Hamilton
Unsere Überlegung kommt zu dem Schluss, dass es sicher leichter sein wird, in eines dieser supermassereichen Schwarzen Löcher in den Galaxienzentren zu gehen. Sie sind überraschenderweise die freundlichen Riesen unter dieser furchteinflößenden Spezies, denn die Gezeitenkräfte sind hier längst nicht so ausgeprägt wie bei den kleineren Ausgaben. Weil eben die Distanz zum Gravitationszentrum viel größer ist. Dort können wir eintauchen, ohne die unangenehme Spaghettisierung ertragen zu müssen. Packen wir also unsere Siebensachen in unser hypermodernes Raumschiff und düsen los! Es ist dank unserer überragenden Technik völlig problemlos, auf einen Sprung zur Spiralgalaxie M 104 zu jetten, die im Sternbild Jungfrau in nur 40 Millionen Lichtjahren Distanz zu finden ist und ein Schwarzes Loch von 500 Millionen Sonnenmassen beherbergt. Genau das Richtige für uns!
Anders als erwartet - und wie wir von der Erde aus sahen - besitzt es keine Akkretionsscheibe mehr. Inzwischen hat es alles an erreichbarer Materie vertilgt und damit sein Gewicht sogar verdoppelt, wie wir zu unserer Freude feststellen. Das erleichtert die Annäherung ungemein. Wie unsere Rechnung ergab, wirken in 100 Schwarzschild- Radien Abstand nur lächerliche 1,5 x 10-14 [N] als Gezeitenkraft auf uns ein.
Nicht mehr zimperlich, gehen wir jetzt direkt "auf Tuchfühlung". Im Abstand von "nur" noch 10 Schwarzschildradien - das sind hier allerdings noch gute 29 Milliarden Kilometer - stoppen wir unser Raumschiff. Die Gezeitenkraft hat hier eine Stärke von 7,6 [N], ist also noch gut erträglich. Es eröffnet sich uns ein befremdlicher Anblick des Himmels, nichts sieht mehr normal aus. Das Schwarze Loch ist sehr deutlich sichtbar, aber die Gravitation verzerrt das Licht der Sterne. Es ist so, als wenn sich das Bild des Nachthimmels in einem dunklen See spiegelt, in den jemand einen riesigen schwarzen Ball hinein warf. Wie von den Wellen im Wasser wird das Sternenlicht von der verzerrten Raumzeit deformiert. Um Energie zu sparen, schwenken wir nun in eine Umlaufbahn, denn wir wollen noch ein paar Beobachtungen machen.
Wir können jetzt Hintergrundsterne sehen, die zuvor viel zu schwach waren. Die Kraft des Gravitationsmonsters verstärkt ihr Licht jetzt ungemein durch die Blauverschiebung. Daneben verblüffen uns völlig ungewohnte Effekte, weil alles Licht den deutlichen Krümmungen der Raumzeit folgen muss: es kommt jetzt aus allen Richtungen gleichzeitig! Keine Stelle des Himmels ist mehr verfinstert, doch alle Bilder, die auf uns einwirken, sind irgendwie gequetscht und gezogen, verstärkt und abgeschwächt. Um das Loch herum erkennen wir einen fast unsichtbaren Ring, auf dem das Licht der Sterne gegenläufig rotiert, ein Einstein- Ring.
Weil noch keine Gezeitenkräfte versuchen aus uns Spaghetti zu machen, lassen wir uns noch tiefer sinken und erreichen die Photonensphäre bei exakt 1,500 Schwarzschildradien. Die Gravitation ist hier jetzt so mächtig, dass Licht auf einer Kreisbahn um das Loch geführt wird.
Eine der wesentlichen Erscheinungen in der hochgravitativen Umgebung eines Schwarzen Lochs ist der schon erwähnte Einstein- Ring. Wir kennen diese Erscheinung noch aus astronomischen Beobachtungen, weil große Massen wie Galaxienhaufen das Licht dahinter liegender Galaxien wie eine Linse ablenken und es manchmal so verzerren, dass eine ringförmige Abbildung entsteht.
Das ist nun auch hier der Fall.
Während das Licht normalerweise den nur relativ schwachen Krümmungen der Raumzeit folgen muss, wodurch es hyperbolisch abgelenkt wird, ist das in der Photonensphäre völlig anders. Hier wird es so gewaltig verbogen, dass es zur Quelle zurückkehrt. Da wir uns jetzt in dieser verrückten Situation befinden, können wir nach vorn sehen und gleichzeitig unsere hübsche Heckpartie bewundern!
Ein Photon kann also von unserem Rücken losmarschieren, umrundet das Schwarze Loch innerhalb der Photonensphäre und trifft auf unser Auge. Das wird dann doch ein bisschen viel, wir wissen nicht mehr wo vorn und hinten ist und sehen deshalb lieber noch einmal nach oben. Das Licht der Sterne erscheint jetzt deutlich blau, es ist sehr energiereich geworden. Das meiste aber, was uns umgibt, ist die Schwärze des Lochs. Von unten ist kein Sternenlicht zu sehen, denn die Gravitation lässt kein Photon unterhalb der Photonensphäre entkommen. Dafür sehen wir jedoch Sterne, die eigentlich hinter uns sein müssten, nun von vorn. Ihr Licht wurde komplett wie unser eigenes um das SL geführt. Nur noch in einem ganz kleinen Bereich über uns ist das restliche Universum zu sehen.
Im Bild eine Darstellung, wie das SL aussehen würde, befände man sich auf der Photonensphäre. In diesem Abstand, 1.5 Schwarzschildradien, ist es nur einem Photon möglich noch einen stabilen Orbit einzunehmen.
Mit ausdrücklicher Genehmigung von Andrew Hamilton
Zu spät bemerken wir ein gravierendes Problem: Wir sind nicht mehr in der Lage zurückzukehren und dem Schwarzen Loch noch einmal zu entkommen. Es bleibt daher nichts übrig, als mutig unsere Reise fortzusetzen und so lassen wir uns weiter sinken.
Je mehr wir uns dem unsichtbaren Horizont nähern, umso mehr Schwärze umgibt uns. Das ganze Universum schrumpft über unserem Kopf immer mehr zusammen, bald ist es nur noch ein kleiner Punkt, der Rest ist die Schwärze des Lochs. Im Moment, wo wir den Horizont berühren, leuchtet das Universum noch ein letztes Mal grell blendend auf: Uns trifft ein hochenergetischer, unendlich blauverschobener Strahlungsblitz, der zum Glück noch von unserem Raumschiff absorbiert wird und so unsere Energievorräte aufgefrischt werden. Was wir aber nicht gesehen haben, wie uns zuvor mancher glauben machen wollte, dass wir beim Überschreiten des Horizonts die Zukunft des Universums wie in einem Zeitraffer erleben. Zwar erreicht uns das Licht ferner Ereignisse, aber das ist stets ein Blick in die Vergangenheit. Licht aus der Zukunft kann uns nicht erreichen. Zu erkennen ist für uns von "draußen" sowieso nichts mehr, denn alle Strahlung ist völlig verzerrt.
Doch nun sind wir innerhalb des Schwarzen Lochs, vom restlichen Universum ist nichts mehr zu sehen. Wir fallen jetzt weiter zur Singularität (für den Fall, dass wir in ein nichtrotierendes Schwarzes Loch geraten sind), was hier in einem solchen Massemonster durchaus eine Weile dauern kann.
Soeben blitzt noch ein skurriler Gedanke in uns auf: Gut, dass wir uns in einem solch großen Schwarzen Loch befinden! In dem kleinen 30-Sonnenmassen-Loch hätten wir vom Horizont bis zur Singularität gerade einmal 0,0001 Sekunden für unsere Beobachtungen gehabt. Und 1 Million G mit steil ansteigenden Werten hätten uns seit dem Horizont erwartet. Nun haben wir aber erträgliche Verhältnisse und einige Stunden bleiben uns noch.
Auf unserem Weg ins Verderben versuchen wir, endlich einen Blick auf die zentrale, "nackte" Singularität zu werfen. Was ja immerhin unser größter Wunsch war. Doch Pustekuchen, nichts ist zu sehen! Schon allein, weil sie unermesslich klein ist. Jetzt, wo wir fast mit Lichtgeschwindigkeit sinken, sind sowieso alle Bilder durch die erschreckend große Gezeitenwirkung und die durch unsere Geschwindigkeit verursachten relativistischen Effekte völlig verzerrt. Sehen wir die Bilder zunächst noch nierenförmig, werden sie bald gestreckt und gequetscht zu einem Donut um unsere Taille. Das alles geht jetzt rasend schnell und schon sehen wir alle Strahlung nur noch in einem winzigen Lichtkegel, und zwar ist sie zu höchsten Energien, Gammastrahlen, blauverschoben. Als wäre das noch nicht genug, beginnt nun auch noch das große Zittern: Die kleinste Störung der Gezeitenkräfte, hervorgerufen durch unsere Anwesenheit - selbst ein einziges Photon würde dazu genügen - wird extrem verstärkt. Das veranlasst die Gezeitenkräfte zu grauenhaft starken Oszillationen. Zwar sind wir längst spagetthifiziert, doch jetzt werden wir immer schneller gestreckt und gedehnt, und das im wahnsinnigen Wechsel. Dass wir längst völlig zu subatomaren Partikeln, Photonen oder gar einem undefinierbaren Quantenschaum zerfetzt sind, bekommen wir beim Eintritt in die Singularität nicht mehr mit...
Replay
Nun, so schnell werfen wir die Flinte dann doch nicht ins Korn! Zwar ist es inzwischen viel zu spät für uns, um noch an eine Rückkehr ins Universum zu denken. Seit unserem Durchgang durch die Photonensphäre ist diese Hoffnung vollkommen ad absurdum geführt worden. Was aber oben beschrieben wurde, wird in der Natur kaum verwirklicht sein. Wissen wir doch, dass jeder Stern rotiert und damit auch jedes aus einem solchen entstandene Schwarze Loch. Okay, wir sind ja jetzt in einem dieser Massegiganten, die wohl schon in der Frühzeit des Universums entstanden. Selbst wenn sie nach ihrer Geburt nicht rotierten, so haben sie sich doch fleißig Materie einverleibt, z.B. in Form rotierender Sterne oder Gaswolken. Das brachte Drehimpuls mit und deshalb rotiert auch unser Moloch recht tüchtig. Es ist auch möglich, dass er eine elektrische Ladung trägt, doch das können wir nun nicht mehr nachmessen.
Gehen wir also noch mal einen kleinen Schritt zurück in unserer Geschichte bis zu dem Zeitpunkt, als wir den Ereignishorizont gerade hinter uns ließen. Im Grunde sehen wir auch das, was im oben beschriebenen Schwarzschild- Loch zu erblicken war.
Doch vor uns taucht eine riesige, kuppelartige Fläche auf: Der innere Horizont. Konnten wir den äußeren Horizont in keiner Weise wahrnehmen, so erscheint jetzt der so genannte Cauchy- Horizont unbeschreiblich grell. Diese Grenze ist ein Ort unendlicher Blauverschiebung, alle von außen einfallende Strahlung und Materie sammelt sich hier und wird unmittelbar Bestandteil der Ringsingularität. Doch wir haben ja noch ein wenig Glück im Gepäck und alsbald verlischt der Cauchy- Horizont geradezu - unser Gravitationsriese hatte natürlich eine "Arbeitspause", er akkretiert nicht. Nur noch ein schwaches Flimmern lässt den Horizont erahnen. Ein Ring tanzenden Lichts zeigt uns die Singularität in einem rotierenden Loch. Sie rotiert unglaublich schnell, exakt so, dass die auftretenden Zentrifugalkräfte von der Gravitation ausgeglichen werden. Wir bewundern eine nackte Ringsingularität ohne Ausdehnung, einen wirbelnden Hula-Hoop- Reifen, dessen Größe wir nicht bestimmen können.
Hier befinden wir uns gerade im Innern eines Reissner-Nordström- Loches, ein nicht rotierendes, aber elektrisch geladenes. Kein Licht von unterhalb kann uns erreichen, doch wenn wir den inneren Horizont passieren, trifft uns ein unendlich heller, unendlich starker Lichtblitz. Dieses Licht stammt aus dem Universum und es enthält dessen gesamte Geschichte. An dieser Stelle aber bricht die Reissner-Nordström- Geometrie zusammen. Auch wenn sie eine exakte Lösung der Einstein- Gleichungen darstellt, sind solche SL's physikalisch nicht realistisch.
Mit ausdrücklicher Genehmigung von Andrew Hamilton
Das bläuliche Flimmern erscheint uns bei weiterer Annäherung dann eher wie ein ringartiges Gebilde, eine Art...Tor...? Dort hinein sehend erhaschen wir ein paar flüchtige Blicke von unvorstellbar befremdlich anmutenden Universen, in die weitere Universen eingebettet sind, wir nehmen Zeiten wahr, in die andere Zeiten eingebettet sind...und jetzt fällt es uns wie Schuppen von den Augen: Das ist ein Wurmloch, wie es von manchen Wissenschaftlern im Innern rotierender oder elektrisch geladener Schwarzer Löcher prophezeit wurde! Könnte das unsere Rettung sein und wir gelangen auf diesem Weg in ein anderes Universum? Uns bleibt leider keine andere Wahl, wir tauchen in das Wurmloch ein. Ein letzter Gedanke durchzuckt uns zuvor noch wie ein Blitzschlag - wird nicht ein solches Wurmloch durch die geringste Störung, und sei es nur ein einzelnes Photon, augenblicklich zerstört und kollabiert zur (Ring-) Singularität...
Epilog
Sie glauben das nicht alles wirklich? Da tun Sie gut daran! Niemand weiß, was einem hinter dem Horizont tatsächlich erwartet. Eine Reise in ein Schwarzes Loch kann nur fiktiv sein, sie kann nur in Gedanken, auf einem Blatt Papier oder wie hier auf dem Bildschirm stattfinden. Einmal ganz davon abgesehen, dass selbst das uns nächste stellare Schwarze Loch V618 Monocerus 2700 Lichtjahre entfernt ist und man die Anreise kaum überleben würde, wäre jede Annäherung ein absolutes Selbstmordkommando. Das, was uns die Science Fiction- Autoren glauben machen wollen, dass man mit einem zukünftigen Raumschiff mal eben durch ein Schwarzes Loch fliegt, ist reine Fantasie. Diese Gebilde sind Orte ohne Wiederkehr, jedes Eintauchen in einen Horizont schrecklicher als der schlimmste Höllenritt und man stirbt wortwörtlich Tausend Tode. Man wird in der Akkretionsscheibe geröstet, von der Gravitation spaghettifiziert und zerfetzt, von Gammaphotonen verstrahlt...
Die Hoffnung, ein Wurmloch im Innern anzutreffen ist völlig trügerisch. Es würde sofort bei Berührung zur Singularität kollabieren. Es gibt zudem im ganzen Universum kein Material zum Raketenbau, welches diese Strapazen bestehen könnte. Ein Schwarzes Loch ist das uneingeschränkte Reich der Gravitation, sie ist hier der Alleinherrscher und duldet nicht den geringsten Untertan. Nicht mal ein Photon - selbst ein solches wird sie bis zur Unkenntlichkeit zermalmen, kommt es ihr zu nahe.
Wenn Sie jetzt noch immer ein wenig Übermut haben, können Sie im folgenden kleinen Film die Reise in ein realistisches Schwarzes Loch unternehmen. Die Akkretionsscheibe und der Jet sind dargestellt in einer relativistischen, magnetohydrodynamischen Supercomputer- Simulation von John Hawley, University of Virginia. Sie fallen in einer realistischen Freien- Fall- Geodäte in ein Schwarzes Loch mit 4 Millionen Sonnenmassen, so wie es sich im Zentrum unserer Milchstraße befindet. Diese Masse ist groß genug, dass Sie die Spaghettifizierung erst belästigt, nachdem Sie längst am inneren Horizont verdampften...
Im Film ist eine Uhr zu sehen. Sie zeigt die Zeit an, die einem noch verbleibt bis zur "Vereinigung" mit der Singularität.
Desweiteren ist in dieser kleinen Grafik dargestellt der momentane Aufenthaltsort: Im äußeren, grünen Ring ist noch ein stabiler Orbit möglich, darunter geht es nur noch abwärts. Die roten Ringe deuten die Horizonte an.
Nun möchten Sie doch gerne ins Schwarze Loch steigen?. Eine gute Reise sei Ihnen gewünscht...
Weitere Informationen:
http://jila.colorado.edu/%7Eajsh/insidebh/index.html