Die Topologie des Universums

Topologie
Die Hypersphäre
Das Trichteruniversum
Der Kosmos als Fußball
Oder doch ein Doghnut?

Topologie

Wenn man sich intensiver mit dem Universum befasst kommt man unweigerlich zu der Frage: Welche Gestalt mag es haben? Diese Frage ist jedoch, wenn überhaupt, nicht einfach zu beantworten, denn schließlich können wir unsere kosmische Heimat nicht mal eben von "außen" betrachten.

Doch gemach, befassen wir uns zuerst kurz mit einem Begriff, dem der Topologie. Denken wir uns dazu alle Unebenheiten und Meere der Erde weg und marschieren einfach von unserem Haus aus los. Zwar erscheint uns die Erde wie eine Ebene, aber irgendwann stehen wir wieder vor unserem Haus, das wir aber jetzt von hinten sehen. Aha, kombinieren wir messerscharf, die Erde ist also eine Kugel! Mit diesem Wissen gehen wir jetzt ins Universum hinaus. Uns steht eine Rakete zur Verfügung, die mit beliebiger Geschwindigkeit fliegen kann (natürlich nur in Gedanken, Einstein würde uns ansonsten auslachen!). Wenn wir sie also auf die Reise schicken, so wird sie eines Tages wieder exakt am Ausgangspunkt ankommen. Der Kosmos könnte also ebenfalls kugelförmig sein! Allerdings ist er dann keine 3- dimensionale Kugel wie die Erde (mit einer 2- dimensionalen Kugeloberfläche), sondern eine 4- dimensionale Hyperkugel. Übrigens beträgt die Anzahl Dimensionen der Oberfläche eines n- dimensionalen Körpers immer n - 1. Bei einer 3- dimensionalen Kugel hat demnach die Oberfläche 2 Dimensionen, die Hyperkugel hat eine 3- dimensionale Oberfläche.

Könnte nun ein kosmischer Töpfer die ganze Erdkugel auf seine Drehscheibe legen und munter mit der Arbeit beginnen, so würde er vielleicht zunächst alles ein wenig platt drücken und aus der Erde einen hübschen Pfannkuchen formen. Zieht er nun die Seitenränder hoch, entsteht vielleicht ein Becher oder eine Vase...oder er formt einfach einen Würfel.
Genau das macht die Topologie, einem Gebiet der Mathematik. Sie untersucht, wie durch Dehnen oder Stauchen, Verbiegen oder Verdrillen eines Körpers dessen geometrische Eigenschaften nicht verändert werden. So ließe sich aus der Erde ein Becher formen, und doch bliebe die Geometrie erhalten. Wir könnten an einem beliebigen Punkt auf der Becheroberfläche starten und würden irgendwann am Ende unserer Wanderung wieder am Ausgangspunkt eintreffen. Der kosmische Töpfer könnte nun die unterschiedlichsten Formen aus der Erde herstellen, hohe oder niedrige, dick- oder dünnwandige Becher usw. Es sind also sehr viele Topologien denkbar, die alle miteinander verwandt sind. Das Gebiet der Topologie umfasst noch viel mehr mathematische Bereiche, aber das soll uns hier nicht weiter tangieren.

Eine Kaffeetasse ließe sich beispielsweise in eine Torusform überführen, ähnlich einem Fahrradschlauch oder einem Doghnut. Auch hier bleiben die geometrischen Eigenschaften vollständig erhalten:

Verwandte Topologien
Verwandte Topologien

Interessant ist dabei, dass möglicherweise sogar das ganze Universum ein Torus sein könnte. Dazu aber weiter unten mehr.


Die Hypersphäre

Welcher Topologie folgt nun unser Universum? Nun, im "einfachsten" Fall hätten wir es mit der oben erwähnten Hyperkugel zu tun. Wir können uns ein solches Gebilde nicht mehr vorstellen, weil es vierdimensional ist. Dennoch wäre dies die simpelste und deshalb wohl auch naheliegenste Lösung. Die Kugel ist die natürlichste Form im Universum, denn immer wenn genügend Materie zusammen kommt, bildet sich eine Kugel. Sterne, Planeten und die meisten Monde beweisen es uns. Wenn ein solcher Körper rotiert, bildet sich allerdings ein Rotationsellipsoid aus, d.h. die Kugel bekommt einen größeren Äquatordurchmesser und einen kleineren Polradius. Nicht ausgeschlossen wird heute, dass unser Universum auch ein solches "Ei" sein könnte, weil es rotiert. Auch Gödel ist schon seinerzeit von letzterer Annahme ausgegangen. Nachdem lange Zeit Stillschweigen zu diesem Thema herrschte, mehren sich neuerdings wieder die Stimmen, dass der Kosmos in der Tat rotiern könnte.

Doch zurück zum Kugelkosmos. In seiner "Kindheit" war das All unvorstellbar klein, wir sprechen bei seiner Ausdehnung von einem Bereich einer Plancklänge (genauer gesagt [Lp]3). In diesem winzigen Volumen soll der Urknalltheorie nach alle Energie des Universums (womit auch die gesamte Materie gemeint ist) vereint gewesen sein. Ein solcher Winzling war damit ein quantenphysikalisches Objekt und konnte eigentlich nur die Form einer Kugel besessen haben, wenn auch nur einer sehr kleinen. Wir gehen davon aus, dass alle uns bekannten Quantenteilchen kugelförmig sind. Pyramidische Protonen, zylindrische Quarks oder quaderförmige Elektronen wären sicherlich ein physikalischer Klamauk, wenn auch unter diesen Formen eine topologische Verwandtschaft bestünde. Falls aber die Stringtheorien zutreffen, wird die Geschichte doch komplizierter, denn demnach sind die Teilchen durch schwingende Fädchen bzw. Membrane charakterisiert.

Nun gibt es eigentlich kaum ein vernünftiges Argument welches uns glauben ließe, dass der Kosmos bei seiner jetzt folgenden Expansion diese Topologie nicht beibehalten sollte. Wir können also getrost - vorerst - weiterhin von der Hyperkugel ausgehen. Zwei Einschränkungen müssen wir dennoch in Kauf nehmen:

Von der Topologie unterscheiden müssen wir die Geometrie, die aber von der Topologie abhängig ist. Wie wir heute wissen, ist diese Geometrie in unserer näheren und weiteren Nachbarschaft, ja im ganzen All euklidisch. Das bedeutet beispielsweise, dass wir ein viele Lichtjahre großes Dreieck ins All zeichnen können und als Winkelsumme immer exakt 180° messen würden. Wäre das Universum deutlich sphärisch (positiv) oder sattelförmig (negativ) gekrümmt, dann müsste diese Summe spürbar größer bzw. kleiner sein. Den Messungen der WMAP- Sonde (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe) zufolge ist die Geometrie in unserem Kosmos aber euklidisch. Das bedeutet schlichtweg, dass wir in einem flachen, offenen, ewig expandierenden Kosmos leben. Unsere schöne Kugelform ist damit wohl hinfällig und wir dürfen uns nun das Universum als eine ebene Fläche vorstellen, wie ein Blatt Papier, nur halt nach allen Seiten unendlich ausgedehnt.


Das Trichteruniversum

Bereits durch das Cobe- Experiment hatte man feine Unregelmäßigkeiten im Mikrowellenhintergrund entdeckt. Diese winzigen Temperaturschwankungen entsprechen Dichtefluktuationen, die sich wellenförmig im Universum ausbreiteten. Wellen aber lassen sich auch "Obertöne" zuordnen, ähnlich einer gezupften Gitarrensaite, welche durch die Obertöne ihren charakteristischen "Sound" erhält. Die "Obertöne" der Dichtewellen sind durch WMAP ziemlich genau bekannt und aus ihrer Analyse ließ sich die euklidische Geometrie des Kosmos ableiten. Auch hatte man in der Hintergrundstrahlung entdeckt, dass auf großen Skalen keine größeren Strukturen als etwa einer Ausdehnung von 60° zu finden waren, weder "heißere" noch "kältere" Flecken. Dr. Ralf Aurich sowie Prof.Dr. Frank Steiner von der Universität Ulm meinen nun, dass dieser Umstand sehr gut zu einem Universum passt, welches eine Art von gebogener Trichterform aufweist, bezeichnet als Picard- Topologie. In diesem Modell hat das Universum ein endliches Volumen, von 1032 Kubiklichtjahren, ist also nicht unendlich groß. Als das Universum 380 000 Jahre alt war, der Zeitpunkt, an dem die Hintergrundstrahlung freigesetzt wurde, war es zu klein, um größere Fluktuationen zu erzeugen als die heute beobachteten. Ein solch exotisches Modell wäre wirklich sehr befremdlich. Auf der sich verjüngenden Seite würde das Horn unendlich lang gezogen, hätte aber aufgrund seiner immer enger werdenden Ausdehnung nur ein endliches Volumen. Das andere Ende weitet sich dagegen auf, jedoch nicht unbegrenzt. Ein durch das All rasender Astronaut würde hier nicht aus dem Trichter herausfliegen können, sondern "am Ende" des Horns auf einen Punkt stoßen, an welchem er sich automatisch in entgegengesetzter Richtung bewegt.

Trichteruniversum
Trichteruniversum
Nicht nur die beobachtete Größe der Strukturen in der Hintergrundstrahlung ist für Aurich/Steiner ein Beleg für ihr Modell, sondern noch ein weiterer. In einem flachen Universum sollten die kleinsten Strukturen im Strahlungshintergrund kreisförmig erscheinen. Sie haben jedoch eher die Form von Ellipsen. Das wäre auch erklärlich in einem trichterförmigen Kosmos, denn durch seine Krümmungen würde ein kleiner betrachteter Abschnitt in etwa die Form eines Kartoffelchips annehmen, wäre sattelförmig negativ gekrümmt. Einen Haken gibt es allerdings: Würde man sich irgendwo im sich verjüngenden Trichter in diesem Hornuniversum aufhalten, könnte man seinen eigenen Hinterkopf bewundern. Wir wären jedoch viel zu weit von solch exotischen Orten entfernt. Bevor wir nun vorschnell ein Urteil über diese Topologie fällen, warten wir besser noch ab, ob nicht irgendwann neue Erkenntnisse gewonnen werden. Doch selbst der gegenüber COBE und WMAP viel präzisere Satellit Planck lieferte zwar exaktere Daten der Hintergrundstrahlung, aber noch keine neuen Erkenntnisse zur Topologie.

Weitere Informationen:
http://www.wissenschaft-online.de/astrowissen/lexdt_h05.html#horn


Der Kosmos als Fußball

Ein französisch- amerikanisches Team von Kosmologen um Jean Pierre Luminet hat ebenfalls die WMAP- Daten ausgewertet. Auch sie stützen sich darauf, dass die größten Strukturen in der Hintergrundstrahlung eine maximale Ausdehnung von 60° aufweisen. Das Standard- Urknallmodell geht von einem flachen, euklidischen Universum aus, welches sich bis in alle Ewigkeit ausdehnt und damit möglicherweise unendlich groß wird. Wenn dem so ist, müssten Strukturen der Hintergrundstrahlung auch beliebig groß sein können. Nicht so im Luminetschen Universum: es ist endlich und es kann deshalb auch keine Fluktuationen in der Temperatur der Hintergrundstrahlung geben, die größer als das Universum selbst wären.

Das Universum ein Fußball?
Das Universum ein Fußball?
Und wie sieht nun dieses Universum aus? Den Fußballfreunden wird hiermit Recht gegeben: Die ganze Welt ist ein Fußball! Diese Topologie, ein so genannter dodekaedrischer Poincare- Raum hätte in der Tat Ähnlichkeit mit einem Fußball. Das Universum würde uns erscheinen wie aus 12 nahtlos miteinander verbundenen, gewölbten Fünfecken, Pentagone genannt. Allerdings ist die Fußballähnlichkeit nur eine scheinbare, denn auch diese Topologie ist vierdimensional! Ein solcher Poincare- Raum also ist ein in eine vierte Dimension hinein gekrümmter Raum und bildet eine Art Hypersphäre. Die dreidimensionale Oberfläche, vorstellbar halt als "großer Fußball", ist der Pentagon- Dodekaeder, zusammengesetzt aus 12 Pentagonen. Etwas verzwickter als ein Fußball ist ein solches Dodekaeder- Universum dann aber doch, es ist aus 120 Polygon- Dodekaedern zusammengesetzt. Das Luminetsche Universum weist eine positive Krümmung auf, es hat also eine endliche Größe und ist geschlossen.

 


Oder doch ein Doghnut?

Wie schon eingangs bei der Umformung der Kaffeetasse angedeutet, könnte unser Kosmos auch eine torusförmige Topologie angenommen haben. Das kann aber nur dann zutreffen, wenn wir entgegen der aktuellen Sachlage in einem geschlossenen Universum leben, weil ein Torus eine räumlich geschlossene Topologie verkörpert. Auch das Volumen einer derartigen Konfiguration ist stets endlich. Max Tegmark von der University of Pennsylvania sieht in der maximalen Größe der Temperaturschwankungen von 60° in der Hintergrundstrahlung ebenfalls eine nur endliche Größe des Universums.

Torus
Torus
Wie bei einer Gitarrenseite eine Schwingung nicht größer als ihre Länge sein kann, ist auch keine größere Dichtewelle möglich als die seinerzeitige Ausdehnung des Universums. Weil Tegmark zudem Hinweise fand, dass sich die meisten Temperaturschwankungen entlang einer Linie finden, geht er von einer torusförmigen Topologie aus. Das würde bedeuten, dass wir in eine beliebige Richtung des Weltraums reisen könnten und irgendwann automatisch wieder an unseren Startpunkt zurück kehren würden. Entgegen dem kosmologischen Prinzip, wonach der Kosmos, großräumig betrachtet, in allen Richtungen gleich (homogen und isotrop) erscheint, wäre das in einem Ringuniversum nicht der Fall. Zumindest wäre das All nicht in allen Richtungen gleich groß. Wie Tegmark berechnete, könnte man am schnellsten wieder zu seinem Startpunkt zurück kommen, wenn man in Richtung des Sternbildes Jungfrau reiste.

 


Die Frage nach der Topologie des Universums ist sicherlich eine der größten wissenschaftlichen Herausforderungen, die sich uns stellen. So interessant oder gar exotisch manches der angesprochenen Modelle auch anmuten mag, eine konkrete Aussage ist heute noch nicht möglich. Vielleicht köenn durch künftige, immer weiter verbesserte Experimente weitere Mosaiksteinchen im Wissensgebäude aufgedeckt werden, aber das ist abzuwarten. Gewichtige Argumente wie die beschleunigte Expansion der Raumzeit und die gemessene euklidische Geometrie deuten derzeit auf einen offenen, flachen Kosmos hin, der wohl ewig expandieren wird.

Weitere Informationen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Topologie
http://www.wissenschaft-online.de/astrowissen/lexdt_t04.html#topol