Intergalaktische Materie

Untersucht man die Spektren weit entfernter Quasare, findet man darin manchmal zusätzliche, recht scharfe Absorptionslinien, die von Wolken neutralen Wasserstoffgases stammen. Derartige Linien können nur entstehen, wenn das Licht auf dem Weg von der Strahlungsquelle zur Erde Gasansammlungen passiert. Solche Wolken befinden sich damit zwischen dem beobachteten Quasar und unserem Planeten. Die Rotverschiebung der Absorptionslinien ist dabei unterschiedlich, weil die Wolken verschieden weit entfernt sind. Allerdings ist die Rotverschiebung, wie zu erwarten, immer kleiner als diejenige des Quasars.

Die Abmessungen dieser zwischen den Galaxien befindlichen Wolken weisen Durchmesser von mehreren 10 [kpc] (Kiloparsec) bei einer Masse von einigen 107 Sonnenmassen auf. Diese Angaben sind allerdings noch recht unsicher. Die Gesamtmasse aller intergalaktischen Materie dürfte jedoch nur einen kleinen Teil zur Gesamtmasse des Universums beitragen, sie wird gewiss nicht den Anteil der fehlenden, Dunklen Materie ausmachen, der für ein geschlossenes Universum notwendig wäre.

Eigentlich sollten sich die relativ dünnen, vermutlich noch aus den Anfängen des Kosmos stammenden Gaswolken wegen zu geringer Eigengravitation längst verflüchtigt haben. Weil das aber nicht der Fall ist, nimmt man an, dass irgendeine Komponente einen zusammenhaltenden Druck auf die Wolken ausübt. Diese lange Zeit hypothetische weil nicht nachweisbare Komponente könnte ionisiertes Wasserstoffgas sein, da es keine Absorptionslinien verursacht. Jedoch zeigen neuere Untersuchungen, dass neben dem neutralen Wasserstoff auch ein warmes, heißes intergalaktisches Medium (engl. warm–hot intergalactic medium, WHIM) existiert. Und zwar bei Temperaturen von 10 000 bis zu 10 Millionen [K]. Das Gas, Wasserstoff und Helium, ist dabei ionisiert und ist sogar eine Million Mal massereicher vertreten als der neutrale Wasserstoff.


Man konnte auch durch die 21 cm- Radiostrahlung Wolken neutralen Wasserstoffs in der Umgebung einiger kleinerer Galaxienhaufen nachweisen. Diese Wolken sind dabei Bestandteil des Haufens und weisen Ausdehnungen bis zu 100 [kpc] auf. Ihre Entstehung beruht aber vermutlich auf der Begegnung zweier Galaxien, wobei das ehemals interstellare Gas ausgestoßen wurde. Nachdem die Galaxien wieder auseinander drifteten, verblieb die Wolke als eigenständiges System. Ihre Existenz kann aber nur begrenzt sein, denn die sehr geringe Eigengravitation (die Materiedichte einer typischen Wolke liegt bei nur 0,01 Atomen pro [cm3]) wird die Verflüchtigung nicht aufhalten können.

Intergalaktische Materie zeigt uns zum ersten Mal diese Aufnahme vom Hubble- Teleskop.

NGC 1409 und 1410
NGC 1409 und 1410
Vor rund 100 Millionen Jahren stießen die beiden Galaxien NGC 1409 (rechts) und NGC 1410 zusammen. Heute entfernen sie sich wieder voneinander. Übrig geblieben ist von dieser Kollision eine "kosmische Pipeline". Materie (der schwache, dunkle "Faden") fließt von der linken Galaxie ab und wickelt sich um die rechte wie eine Schnur um ein Paket. Nur hat die Schnur hier eine Länge von 20 000 Lichtjahren! Das Geschehen spielt sich in einer Entfernung von 300 Millionen Lichtjahren ab im Sternbild Stier.

Mit freundlicher Genehmigung von NASA, William C. Keel (University of Alabama,Tuscaloosa)


Einer anderen Ursache verdankt seine Existenz der so genannte Magellan- Strom. Die zwischen unserer Milchstraße und den beiden Magellanschen Wolken (südlicher Himmel) befindliche Wasserstoffwolke stammt nicht aus einem Zusammenstoß der Systeme. Vielmehr vermutet man, dass das Gas durch Gezeitenwirkung von den Systemen abgetrennt wurde.

Erwähnt werden muss an dieser Stelle noch das so genannte Intracluster-Medium (ICM), gemeint ist damit das verdünnte Gas, welches sich zwischen den Galaxien innerhalb der Galaxiehaufen (-cluster) befindet. Es besteht ebenfalls aus ionisiertem Wasserstoff und Helium im Temperaturbereich von 10 bis 100 Millionen [K]. So wird von diesen Wolken Röntgenstrahlung emittiert. Durch Untersuchung der Röntgenspektren konnte man selbst Emissionslinien von hochionisiertem (seiner Elektronen beraubtem) Eisen nachweisen, weshalb auch diese Wolken nicht aus der Frühphase des Kosmos stammen können. Die schweren Elemente stammen aus Supernovaexplosionen und reichern das ICM an. Obwohl es recht dünn ist - wir finden lediglich einen Partikel in 1000 Kubikzentimetern - macht es doch den Hauptteil der baryonischen Materie im Galaxienhaufen aus. Der weitaus größere Masseanteil (ca. 80%) kommt wieder der Dunklen Materie zu. Nun fragt man sich, wie dieses Gas auf so hohe Temperaturen aufgeheizt wird. Sehr wahrscheinlich geschieht dies durch die sich im Haufen mit hoher Geschwindigkeit, bis zu 1000 [km/s], bewegenden Galaxien. Einen Teil dieser kinetischen Energie geben sie dabei ständig in Form thermischer Energie an die intergalaktischen Wolken ab, wodurch diese sich erwärmen. Das ICM bleibt gravitativ im Galaxienhaufen gebunden.

Staubförmige intergalaktische Materie hat vermutlich einen lichtdämpfenden Einfluss, wenn man einige große Galaxienhaufen untersucht. Die Anzahl der Galaxien je untersuchter Flächeneinheit scheint nämlich geringer zu werden, je weiter sie vom Haufenzentrum entfernt stehen. Das Licht dieser Hintergrundgalaxien könnte durch intergalaktische Staubpartikel geschwächt sein. Allerdings sind diese Angaben bislang noch sehr unsicher.