tomS hat geschrieben: ↑4. Feb 2018, 15:27
Fakt ist aber, dass sie mit der Entwicklung des Computerprogramms nicht mehr in jedem Einzelfall konkret entscheiden. Sie tun dies sicher einigemale während der Erprobungsphase, später nicht mehr.
Das liegt daran, dass ein Programm allgemein programmiert werden muss, alle möglichen speziellen Fälle sind nicht programmierbar, schon deshalb nicht, weil man sie nicht in Gänze vorhersehen kann.
Ich frage an dem Punkt aber immer noch, wo denn der prinzipielle Unterschied ist, wenn etwas allgemein programmiert ist, zu etwas anderem, das allgemein gebaut ist?
Wo ist der Unterschied z.B. zu einem Sicherheitsgurt, der in bestimmbaren sehr seltenen Fällen auch Leben kostet (im Auto eingeklemmt, Genickbruch, etc.)?
Ist es die eindringlicher erscheinende Präzision und Verstehbarkeit eines Programms, die man dann als "Befehl" interpretieren kann?
Ist es deshalb ein Unterschied, weil man es bei einem Programm einfach nicht mehr so leicht ignorieren kann? Was ist es?
Und ist es nun ein kategorischer Unterschied oder ein gradueller?
ATGC hat geschrieben: ↑4. Feb 2018, 14:08
Irrtümer können sich kurzfristig verheerend auswirken, aber langfristig nachhaltig stabilisierend sein.
Beispiel: Das verpatzte Hitler-Attentat von Stauffenberg. Wäre es geglückt, wäre der Zweite Weltkrieg eher vorbei gewesen und einige Millionen Menschen hätten nicht noch sterben müssen. Da es scheiterte, wurde der Krieg bis zur finalen Katastrophe ausgefochten, was auf die Nachkriegsgeneration gerade wegen der katastrophalen Folgen dahingehend motivierend wirkte, so etwas unter allen Umständen künftig zu vermeiden.
Das Problem ist, dass man es immer erst hinterher sicher weiß - nicht einmal dann.
Das ist auch das Problem mit dem Passagierflugzeugabschuss im Notfall. Ich denke der Utilitarismus ist eine gute Sache, aber man sollte ihn auch nicht übertreiben, sehr viele Menschenleben gegen wenige abzuwägen ist noch naheliegend, kann sogar notwenig sein, aber eine detaillierte Bewertung wie hoch der Wert einer speziellen Person ist, wäre übertrieben, das würde wahrscheinlich eben jene indirekten zersetzenden Folgen haben, von denen du auch sprichst.
Höhere ethische Ziele (was sein
soll) muss man sich leisten können, ich garantiere, dass der deutsche Staat das Passagierflugzeugabschussverbot dann kippen würde, wenn tatsächlich einmal ein paar Flugzeuge in Stadien gekracht wären. Letztlich hängt Ethik auch immer davon ab, was IST und was möglich ist, wenn man ehrlich ist.
So ist z.B. Artikel 1 Grundgesetz: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." nicht als eine Feststellung der faktischen Realität zu sehen, sondern als eine Handlungsanweisung, was sein soll. Eigentlich müsste es heißen: "Die Würde des Menschen soll so weit wie irgend möglich unangetastet bleiben.", denn faktisch müssen wir zugeben, dass sie sehr wohl angetastet werden kann und auch hier und da zuweilen wird: in Altersheimen, in Gefängnissen, beim Obdachlosen, bei manchen Arbeitgebern, an machen Sterbebetten im Krankenhaus, usw.
Ziele der Ethik
Die Ethik ist von ihrer Zielsetzung her eine praktische Wissenschaft. Es geht ihr nicht um ein Wissen um seiner selbst willen (theoria), sondern um eine verantwortbare Praxis. Sie soll dem Menschen (in einer immer unüberschaubarer werdenden Welt) Hilfen für seine sittlichen Entscheidungen liefern. Dabei kann die Ethik allerdings nur allgemeine Prinzipien guten Handelns oder ethischen Urteilens überhaupt oder Wertvorzugsurteile für bestimmte Typen von Problemsituationen begründen. Die Anwendung dieser Prinzipien auf den einzelnen Fall ist im Allgemeinen nicht durch sie leistbar, sondern Aufgabe der praktischen Urteilskraft und des geschulten Gewissens. Aristoteles vergleicht dies mit der Kunst des Arztes und des Steuermanns. Diese verfügen über ein theoretisches Wissen, das aber situationsspezifisch angewendet werden muss. Entsprechend muss auch die praktische Urteilskraft allgemeine Prinzipien immer wieder auf neue Situationen und Lebenslagen anwenden. Dabei spielt für die richtige sittliche Entscheidung neben der Kenntnis allgemeiner Prinzipien die Schulung der Urteilskraft in praktischer Erfahrung eine wichtige Rolle.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ethik#Ziele_der_Ethik
In dem blau gefärbten Satz steckt ein Problem.
Weder der Programmierer einer KI kann das leisten, weil er allgemein programmieren muss und es hier um den speziellen Fall geht, noch die KI selbst, weil sie dafür eine Person mit einem Gewissen sein müsste.
Aber vielleicht sehen wir das Ganze auch falsch:
Führt eine KI tatsächlich "Befehle" aus? Müsste sie dazu nicht eine Person sein? Ist sie nicht vielmehr eine Maschine, die sich im Grunde in nichts von einem komplizierten Räderwerk unterschiedet, vorerst, in der näheren Zukunft jedenfalls?
Trifft eine KI tatsächlich Entscheidungen oder kann es nur so aussehen, erscheint uns das vielleicht nur aus einer bestimmten Perspektive so?
Trifft der Programmierer der KI präzise Entscheidungen für alle speziellen Fälle, wo er doch das Allgemeine programmiert?
Worin liegt der Unterschied zum Gurt? Vielleicht in der Statistik? Aber auch beim Gurt macht man vorher Statistiken... Worin liegt er?