Sorry zunächst, falls ich zu emotional geschrieben habe.
Bei diesem Thema geht mir manchmal das Temperament durch, weil die QM-Interpretationen für mich ein ganz zentraler Bestandteil meines Weltverständnisses sind und somit in ihrer Bedeutung und Tragweite weit über die reine Interpretation einer x-beliebigen physikalischen Theorie hinausgehen.
Jede der QM-Interpretationen zieht einen ewig langen Rattenschwanz hinterher...
Und ich muss trotz allem die MWI sehr ernst nehmen. Sie hat zweifellos viele stichhaltige Argumente für sich. Gerade deshalb versuche ich sie anzugreifen/ abzuklopfen.
Es ist der "Rattenschwanz", der mir bei ihr gar nicht gefallen mag. Falls Interesse besteht, warum das jenseits der Physik so für mich ist, kann ich das gerne einmal ausführlich darstellen.
Nur so viel:
Wenn die MWI Recht hat, dann ist es völlig egal, wie du in deinem Leben handelst. Du kannst aufhören dich um deine Lieben zu kümmern oder zu arbeiten oder irgendetwas erreichen zu wollen, denn irgendeine deiner vielen Kopien wird das schon tun. Es wird von euch im Multiversum überhaupt alles getan, was überhaupt getan werden kann - sowieso, unvermeidlich.
Du könntest jetzt erwidern:
Ja, aber es liegt in meiner Verantwortung in welcher Verzweigung ich lande. Durch mein verantwortungsvolles Handeln strebe ich danach, dass ich in einer 'guten' Verzeigung bleibe.
Nein, nein, mein Lieber! Du hast selbst gesagt, dass alle Beobachter gleichberechtigt sind!
Es gibt kein "Du", der verantwortungsvoll handelt. Es gibt nur ein "Ihr", die alles erleben werden, was von Euch überhaupt erlebt werden kann.
Daran kannst du nicht das Geringste ändern - egal was du tust, denn dein Tun ist ja auch nur scheinbar!
Welche Erhaltung meinst du?positronium hat geschrieben:Die Relativitätstheorie würde ich hier nicht zu Rate ziehen. Die reicht nicht so weit. Würde man das doch tun, müsste man auch Teilchen hinter einem Ereignishorizont oder ausserhalb der Hubble-Sphäre als irreal ansehen. Dann hätte man erst recht ein Problem mit der Erhaltung.seeker hat geschrieben:„Nicht nur Raum und Zeit sind relativ, sondern die Existenz selbst ist relativ, relativ zum Beobachter!“
Davon unanbhängig: Ich habe intensiv über diesen Punkt nachgedacht - und ja, das wäre der Preis dafür. Und ich persönlich bin bereit diesen Preis zähneknirschend zu bezahlen.
Es ist für mich das geringere Übel. Somit bräuchten wir statt einem Wort "Existenz" viele Wörter, die die verschiedenen Schattierungen/Abstufungen davon erfassen können, von salopp "sehr existent" bis zu "kaum existent".
Es gibt dennoch einen sehr wichtigen Unterschied zwischen Dingen hinter einem Ereignishorizont und der QM-Welt. Ich kann nämlich auch hinter diesen meine virtuellen Beobachter hinsetzen, auf die die dortige Welt dann wirkt und somit real ist. Somit habe ich keine wirklichen Probleme damit.
Genau das kann ich aber bei QM-Objekten nicht, weil das Hinzufügen von virtuellen Beobachtern die QM-Objekte dramatisch verändert. Sie werden dadurch präpariert.
Wie ich es auch drehe und wende: Ohne diese Beobachter sind diese QM-Objekte laut obiger Sichtweise schlichtweg nicht existent.
Noch etwas Grundsätzliches zu den Interpretation der QM per MWI:
Es geht ja bei solchen Interpretationen darum, was tatsächlich vorgeht, was wahr ist.
Bei der MWI läuft es auf folgendes hinaus:
Du sagst: Ich nehme die Welt so und so wahr und ich gewinne auch diese und jene Messwerte. Das ist Realität.
DIe MWI sagt: Nein, deine Wahrnehmung ist irrelevant. In Wahrheit gibt es nur das Multiversum, das die QM per Mathematik erfasst.
Deine eigene kleine Wahrnehmungswelt ist sogar vernachlässigbar. Es würde am Quantenmultiversum nicht das Mindeste ändern, wenn man sie aus ihr entfernen würde.
Dein eigener Zweig nimmt nur einen Teil des Multiversums ein, der relativ zum Gesamtmultiversum exakt die Größe Null hat.
Ein wichtiger Punkt ist:
Die Vogelperspektive und die Froschperspektive sind unvereinbar. Du kannst nicht beide Perspektiven gleichzeitig einnehmen und es können auch nicht beide zugleich wahr sein.
Somit begegnet uns das alte Dualismus-QM-Problem hier nur in neuem Gewand.
Nur aus der Volgelperspektive (die die MWI einnimmt) sieht das so aus, nicht aus der Froschperspektive.positronium hat geschrieben:Das stimmt nicht. Sie existieren ganz genau so direkt oder indirekt für "dortige" Beobachter wie sie für einen "hiesigen" Beobachter existieren. Keine Verzweigung ist ausgezeichnet. Und die Verbindung wird ja durch den "Kollaps" aufgelöst.seeker hat geschrieben:Da die anderen Verzweigungen nicht im selben Maße wie unsere eigene existieren, dürfen wir sie auch nicht mit unserer eigenen Verzweigung so „verwursteln“, dass damit der Zufall eliminiert wird.
(Und nur wenn du sagst die Froschperspektive ist vollständiger Schein. Denn nur dadurch erreichst du dieses Nicht-Ausgezeichnet-Sein.)
Es geht letztlich darum, welcher Perspektive du mehr "Wahrheitsgewicht" zumessen willst. Wenn keine Verzeigung ausgezeichnet ist, führt das zu den o.g. gesellschaftlichen Schlussfolgerungen beim Handeln des Menschen.
Ich beginne zu glauben, dass man der MWI selbst dann nicht anhängen dürfte, wenn sie tatsächlich wahr wäre, denn ich glaube, dass diese Sichtweise gesellschaftlichen Schaden anrichten würde.
Beste Grüße
seeker