bamstar65 hat geschrieben: ↑11. Apr 2022, 02:53
Und hier habe ich schon die erste Frage:
Schwarze Löcher, sollen aus einem gestorbenen Stern entstanden sein, der unendlich klein geschrumpft ist, aber über eine enorm große Masse verfügt und dadurch so eine starke Gravitation ausübt, dass noch nicht einmel Licht entkommen kann. Korrekt beschrieben?
Hallo bamstar65,
die Wortwahl "gestorbener Stern" ist diskutabel und darüber herrscht auch hier im Forum kein Konsens. Aber das ist ohnehin nur ein populärwissenschaftlicher Begriff.
Lass mich wenigstens ein bisschen dazu ausholen: die Sterne, die wir am Himmel sehen, auch unsere Sonne, sind Gebilde, die Strahlung aussenden. Auf diese Gebilde wirken ideal betrachtet 2 Kräfte: die Schwerkraft, die den Stern zusammenzieht, sowie der Strahlungsdruck durch das Scheinen der Sterne und auch unserer Sonne, die den Stern auseinandertreibt. Dort wo diese beiden Kräfte im Gleichgewicht sind ist der Durchmesser dieses Sternes. Populärwissenschaftlich bezeichnet man einen Stern, der über einen Strahlungsdruck verfügt, als "lebendig", d.h. wenn der Strahlungsdruck zusammenbricht, weil der Kernbrennstoff aufgebraucht ist, sagt man populärwissenschaftlich, dass dieser Stern "gestorben" sei. Für andere astronomische Disziplinen, die sich mit solchen Gebilden beschäftigen, werden dann aber durchaus lebendige Begriffe verwendet, wie beispielsweise "erstgeborener Pulsar", "wiedergeborener Pulsar" o.ä. Die physikalisch korrekte Wortwahl ist "geartete stellare Materie", also solche, auf die neben der Schwerkraft auch noch ein Strahlungsdruck wirkt, sowie "entartete stellare Materie", auf die nur die Schwerkraft wirkt.
Ok.
Was passiert nun, wenn der Strahlungsdruck mehr oder weniger plötzlich wegfällt ? Dann wirkt nur noch die Schwerkraft auf den Stern und diese zieht ihn zusammen. Gibt es weitere physikalische Kräfte, die den Schwerkraft-Kollaps aufzuhalten vermögen ?
Ja, die gibt es tatsächlich, und zwar das Pauli'sche Ausschliessungsprinzip für Elektronen sowie das ganz analoge aber in der Laienwelt weniger bekannte Pauli'sche Ausschliessungsprinzip für Neutronen.
Wenn so ein strahlender Stern nicht zu viel Masse hat, dann kollabiert er nach Wegfall des Strahlungsdruckes, doch kann der Schwerkraft-Kollaps vom Pauli'sche Ausschliessungsprinzip für Elektronen aufgehalten werden. Was soll das ? Nun, würde der Stern noch mehr zusammengezogen, so kämen die Elektronen so nahe zusammen, dass zwei Elektronen denselben Quantenzustand einnehmen müssten und das wird von einer ziemlich starken Kraft verhindert . Diese Gebilde haben also nach wie vor einen normalen atomaren Aufbau, mit sehr eng zusammengedrängten Atomen, und werden aus historischen Gründen "Weisse Zwerge" genannt. In der näheren Sonnenumgebung befinden sich übrigens 5 solche Weisser Zwerge. - Und je mehr Masse, desto
kleiner werden diese Sterne, weil die Schwerkraft sie ja noch mehr zusammenzieht.
Mehr Masse -> mehr Schwerkraft-Energie, und irgendwann ist die Kraft vom Pauli'sche Ausschliessungsprinzip für Elektronen nicht mehr stark genug, den Schwerkraft-Kollaps aufzuhalten. Doch ist nun immer mehr Energie vorhanden, so dass der sogenannte
inverse Beta-Zerfall passieren kann, d.h. wenn anschaulich gesprochen die Elektronen in den Atomkern "gedrückt" werden, so können ein Proton, ein Elektron (und ein elektronisches Anti-Neutrino) miteinander reagieren und sich in ein Neutron verwandeln. Es entstehen also Neutronensterne; ich überspringe an dieser Stelle, dass so ein Neutronenstern nicht nur aus Neutronen besteht, das kannst Du bei Interesse auch in der Wikipedia nachschauen. Und da es für Neutronen eben auch so ein Pauli'sche Ausschliessungsprinzip gibt, kann sofern die Masse nicht zu gross ist auch jetzt der Schwerkraft-Kollaps gestoppt werden und wir haben einen Neutronenstern. Denn auch zwei Neutronen können nicht denselben Quantenzustand einnehmen und das resultiert eben auch in einer sehr starken Kraft, die das verhindert. - Historisch nennt man sie "Pulsar", weil sie wie eine Uhr gepulste Signale zur Erde senden. Das kommt daher, dass sie bei nahezu gleicher Masse wegen der Schwerkraft sehr klein geworden sind und wie eine Schlittschuhläuferin, die auf dem Eis Pirouetten dreht und sich schneller dreht, wenn sie ihre Arme an ihren Körper anlegt, so dreht sich auch so ein Stern schneller, wenn er kleiner wird. Das ist übrigens eine Folge der Drehimpulserhaltung.
Und ja ... mehr Masse -> mehr Schwerkraft-Energie ...: wenn die Kraft vom Pauli'sche Ausschliessungsprinzip für Neutronen nicht mehr stark genug ist, den Schwerkraft-Kollaps aufzuhalten, dann kollabiert unser Gebilde eben zu einem Schwarzen Loch.
Wir haben nun also betrachtet, was passiert, wenn so ein Stern seinen Strahlungsdruck verloren hat, und zwar in Abhängigkeit von der Masse, die der Stern zur Verfügung hatte.
Die beiden nächsten Zauberworte, die eine wichtige Rolle spielen, sind die Entweichgeschwindigkeit sowie die Lichtgeschwindigkeit. Und Schwarze Löcher haben eben die Eigenschaft, dass ihre Entweichgeschwindigkeit grösser als die Lichtgeschwindigkeit ist. Und als "Radius" eines Schwarzen Loches definiert man eben gerade den Abstand vom Schwerkraftszentrum des Schwarzen Loches, innerhalb dessen die Entweichgeschwindigkeit grösser als die Lichtgeschwindigleit wird. Und an dieser Stelle ist es wichtig, dass wir uns dessen bewusst sind, dass innerhalb dieses Radius keinerlei Information mehr nach aussen gelangen kann, da sich Information nicht schneller als mit Lichtgeschwindigkeit bewegen kann. Wir können also von aussen nicht bewerten, wie es innerhalb dieses sogeannten "Schwarzschild-Radius" dieses Schwarzen Loches aussieht. Aufgrund der Erhaltungsgrössen für Energie, Impuls, Dreimpuls und Ladung kann man Aussagen über das Schwarze Loch gewinnen, aber streng genommen befindet sich alles, was wir wissen, am Rande dieses Schwarzschild-Radius und
nicht innerhalb.
Wollen wir der Einfachheit halber nur
nicht-rotierende Schwarze Löcher betrachten, da die Situation für rotierende Schwarze Löcher massiv komplizierter wird, uns bei Deinen Betrachtungen aber nicht wirklich weiterbringt. Du kannst ja mal nach der "Kerr-Metrik" googeln, wenn es Dir langweilig ist, für den Moment aber rate ich davon dringend ab.
An dieser Stelle lohnt es sich, auch bei nicht-rotierenden Schwarzen Löchern einmal leer zu schlucken und innezuhalten.
Nehmen wir an, ein Raumschiff fliegt bis zu diesem Schwarzschild-Radius (was aufgrund der enormen Temperaturen dort nicht möglich ist, aber nehmen wir an, man könnte das irgendwe kühlen), lässt dort eine Strickleiter ins (nicht-rotierende) Schwarze Loch hinab und ein Astronaut steigt nun daran hinunter, sagen wir bis zu seinen Knien. Nun sollte er ja leicht wieder an der Strickleiter hochklettern und ins Raumschiff zurückziehen können, aber nein: geht nicht. Auch wenn die anderen Kameraden von oben ziehen würden - sie könnten nur die Teile des Astronauten und der Strickleiter ins Raumschiff zurückziehen, die sich oberhalb des Schwarzschild-Radius befinden. Man kann es sich auch so vorstellen, dass es unendlich lange dauern würde, den Astronauten und die Strickleiter da wieder herauszuziehen.
bamstar65 hat geschrieben: ↑11. Apr 2022, 02:53
WENN dem so ist, dann müsste - rein theoretisch - ja doch das Zentrum eines Schwarzen Loches (verzeiht meine einfache Ausdrucksweise) ein winzig kleiner Planet im Zentrum des Schwarzen Loches sein, ein kleiner Planet, nicht größer als ein Tischtennis- oder Fussball, welcher über diese enorme Masse und damit Gravitaion hat, oder?
Wie gesagt, das wissen wir nicht, d.h. wir wissen nicht, wie Masse unter solchen extremen Bedingungen aussieht.
Nimm an, Du lässt das Schwarze Loch mit einem gleich massereichen Schwarzen Loch aus Antimaterie kollidieren. Und nein, das Zeugs annihiliert sich nicht, Du hast am Ende einfach ein Schwarzes Loch mit der doppelten Masse. Ob und wie sich die Materie und Antimaterie jenseits des Schwarzschild-Horizontes annihiliert oder auch nicht oder noch etwas anderes tut, das wissen wir nicht.
bamstar65 hat geschrieben: ↑11. Apr 2022, 02:53
UND wenn dieses Schwarze Loch mit seiner enormen Gravitation andere Materie wie ein Staubsauger aufsaugt, wo verbleibt diese? Wird diese - plump ausgedrückt - nicht im Zentrum gesammelt, selbst wenn sie aufgrund der enormen Graviation unendlich klein gequetscht wird?
Genau das dürfte passieren, wobei man aber nicht weiss, wie diese dann konkret aussieht und ob die überhaupt noch aus Atomen oder wenigstens deren Bauteilen besteht ... - vermutlich aber eher nicht. Allerdings wird sie dann nach zahlreichen Milliarden Jahren wieder als Hawking-Strahlung weggestrahlt, jedoch kann man dieser Hawking-Strahlung nicht mehr entnehmen, wie diese Materie früher einmal ausgesehen hat, ob sie aus Atomen aufgebaut war oder wenigstens seinen Bestandteilen oder auch nicht.
Freundliche Grüsse, Ralf