Da verlangst du sehr viel von mir...tomS hat geschrieben:Du redest darüber, dass es „etwas jenseits unserer Mathematik“ geben könnte, und dass dies ggf. eine „andere Art von Mathematik wäre“. Wenn du nicht in irgendeiner Form definieren kannst, was dieses „etwas“ sein soll, dann ist die gesamte Diskussion inhaltsleer.
Aber gut, ich versuche es an den Grenzen des noch von mir Vorstellbaren.
Zuerst, stell dir einmal das Wesen auf dem Planeten Solaris (von Stanislaw Lem) vor und überlege, welche Mathematik dieses vielleicht betreiben würde.
Dann fällt mir noch ein:
Unsere Mathematik ist sozusagen von unten nach oben aufgebaut, vom Einfachen zum Komplexen. Es könnte eine Mathematik geben, wo das genau umgekehrt ist.
Unsere Mathematik ist reduktionistisch (*), es könnte eine holistische Mathematik geben.
Unsere Mathematik ist völlig statisch, sie kennt im Kern keinerlei Bewegung. In unserer Mathematik sind die Regeln fix, ebenso die Elemente.
Es könnte eine "dynamische" Mathematik geben, wo das nicht so ist.
In unserer Mathematik geht man vom Nichts aus, konstruiert daraus das Endliche und dann das Unendliche. Es könnte eine Mathematik geben, wo das genau umgekehrt ist.
Und dann könnte man ja auch noch eine andere Mathematik bauen, indem man ganz andere Axiome verwendet/zugrundelegt.
Warum verwenden wir gerade die Axiome, die wir verwenden? Hat das nicht auch etwas mit uns selbst zu tun, mit der Art wie wir denken (können) und der Art wie unsere Umwelt beschaffen ist und was erfahrungsgemäß aus unserer speziellen Sicht wie erfolgreich war?
Absolutheitsansprüche, dass gerade unsere Mathematik die mit Sicherheit Einzige und Wahre, die Allein-Seligmachende wäre, fände ich dann doch etwas unbescheiden-dogmatisch, um es vorsichtig auszudrücken...
Das ist richtig und wir hoffen ja alle, dass wir noch mehr darüber herausfinden können.tomS hat geschrieben:Wenn du behauptest, dass Qualia auf ein „etwas jenseits der Mathematik hinweisen“, dann müsstest du zeigen können, dass Qualia prinzipiell nicht mathematisch beschrieben werden können. Die Tatsache, dass wir das jetzt nicht können, bedeutet gar nichts.
Hier muss mein (*) von oben zur Diskussion kommen:
Meine Argumentation bezog sich vorwiegend gegen einen "totalen Reduktionsimus" und erst indirekt über die Behauptung "die Mathematisierung ist ein reduktionistischer Ansatz!" auf die Mathematik selbst.
Deshalb sollte hier die Frage beleuchtet werden, ob dem tatsächlich notwendigerweise so ist oder ob nicht prinzipiell auch eine holistische Mathematik oder dergleichen denkbar wäre (s.o.)?
Ein interessanter Gedanke.tomS hat geschrieben:Betrachte mal Gödels zweiten Unvollständigkeitssatz: er behauptet (korrekt) die Existenz wahrer jedoch unbeweisbarer Sätze innerhalb eines konsistenten formalen mathematischen Systems. Wenn unser Bewusstsein isomorph zu einem derartigen formalen System wäre, dann folgt daraus sofort, dass wir unser Bewusstsein in seiner Gesamtheit (d.h. inkl. aller wahrere Aussagen über das Bewusstsein) nie erkennen / erfassen können. Demzufolge könnten die Qualia gerade in dieser für nicht zugänglichen Ebene des formalen Systems liegen, genauso wie die gem. Gödel wahren jedoch unbeweisbaren Sätze in dem „für Algorithmen unzugänglichen Bereich des formalen Systems liegen“.
Dies ist ein Indiz (kein Beweis), dass gerade diese prinzipielle nicht-Erkennbarkeit der Qualia ein Hinweis darauf sein könnte, dass sie Elemente eines konsistenten formalen mathematischen Systems sind. Und damit wäre Qualia gerade kein Indiz für ein „etwas jenseits der Mathematik“.
Aber: Tust du jetzt nicht gerade so, als wäre Wahrnehmung ein formales System? Was bitteschön soll denn gerade die nicht zugängliche Ebene eines formalen Systems mit Wahrnehmung zu tun haben?? Es geht hier nicht um formal wahre oder falsche Aussagen über das Bewusstsein...
Die Gewissheit über die Existenz von Bewusstheit steht noch vor aller Logik, sogar vor der Erkenntnis, dass es eine (Außen-)Welt geben müsse. Dem muss man sich stellen.
Deshalb ist es weder möglich noch notwendig einen vollständig-formalen Beweis für die Existenz von Bewusstsheit zu führen. Viel natürlicher wäre es hier den umgekehrten Weg zu versuchen und alles andere aus der Bewusstheit abzuleiten.
Mit Gödel kann man wohl als Indiz nahelegen, dass es evtl. nicht möglich sein wird das Bewusstsein formal zu erfassen, aber diese Schlussfolgerung hier finde ich wenig überzeugend:
...denn du setzt hier voraus, dass die Qualia Teil eines formalen Systems wären und kommst dann zu dem Schluss, dass sie in dem Fall vermutlich in dem gödelschen unsichtbaren Bereich sein müssten. Erst führst du etwas ohne Not in ein formales System ein und kommst dann zu dem Schluss, dass es dort "unsichtbar" sein muss.tomS hat geschrieben:Dies ist ein Indiz (kein Beweis), dass gerade diese prinzipielle nicht-Erkennbarkeit der Qualia ein Hinweis darauf sein könnte, dass sie Elemente eines konsistenten formalen mathematischen Systems sind. Und damit wäre Qualia gerade kein Indiz für ein „etwas jenseits der Mathematik“.
Das steht m. E. auf wackeligen Beinen.
Aber lass uns hier bitte lieber darüber nachdenken, ob das Ganze ein Indiz für die Unvollständigkeit des Reduktionismus ist oder nicht und dann ob Reduktionismus und Mathematik notwendig zusammen gehören.
Ich stelle immer noch die Frage:
Wenn der Reduktionismus vollständig-richtig ist und das Bewusstsein ein reines Epiphänomen ist, wie kann ich dann von meinem Bewusstsein wissen und darüber reden?
Zur QM:
Ich glaube, ich brauche für meine Argumentation eigentlich keine VWI oder KI oder sonstwas, das ist hier egal, ob sich die Möglichkeiten nun separieren oder ob eine ausgewählt wird. Argumentation:
Doppelspalt: Wenn ich am Spalt messe, dann erhalte ich ein Teilchenbild auf dem Schirm, wenn ich nicht messe erhalte ich ein Wellenbild - und zwar IMMER, ganz gleich was der Zufall der KI oder die Weltenseparierung der VWI tun.
Also determiniert der Versuchsaufbau insgesamt (incl. Umwelt, im Grunde das ges. Universum, soweit Verschränkung vorliegt) mein Messergebnis (Welle/Teilchen). Also ist das Messergebnis nicht rein reduktionistisch (vollständig-intrinistisch aus meinem Quantenobjekt heraus) erklärbar, also gibt es Abwärtskausalität.
...aber ja, das muss ja nicht heißen, dass es dann nicht doch noch Mathematik wäre, auch nicht, dass es nicht-determiniert wäre.
Es heißt dann "nur", dass nicht alles soweit entwirrbar ist, dass man es verstehen kann.
Im weitesten Sinn ist ja (glaube ich) Mathematik = Struktur. Was ist Nicht-Struktur?
Ja, man muss abwarten. Ich befürchte nur, dass es sich auch erweisen könnte, dass wir zu unzreichend sind, um die Mathematik genügend zu verstehen.tomS hat geschrieben:Im Falle von (2) sehe ich eher, dass wir praktischen und experimentellen Beschränkungen unterliegen, nicht jedoch, dass die Mathematik selbst hier unzureichend wäre.
Beste Grüße
seeker