Nabend zusammen,
schönes Diskussionsthema - Danke für den Hinweis!
@tensor
Ich schätze diese Entdeckung so ein, dass
nicht die Idee der Dunklen Energie revidiert werden muss - allenfalls modifiziert. Und selbst das würde diesen Kohlenstoffhärchen mehr Bedeutung zukommen, als ich Ihnen angedeihen lassen würde. Ich gehe damit vollkommen d'accord mit Macs Skepsis. Warum? Nun, lasst mich das am Beispiel der Röntgenastronomie erklären:
Röntgenastronomen müssen zur Erklärung und Interpretation ihrer Beobachtungsdaten Modelle an die Daten anpassen. In der Software (in der Regel XSPEC) befinden sich größenordnungsmäßig hundert verschiedene, "fest verdrahtete" Modelle. Der Beobachter muss also ein gutes Gespür dafür haben, was physikalisch mit der Röntgenstrahlung passiert, nämlich was es für eine Quelle sein könnte und was mit der Strahlung auf dem Weg von der Quelle bis zur Erde passiert. Nehmen wir an, es sei ein extrem heißes Gas, das eben so heiß ist, dass es thermische Röntgenstrahlung abgibt. Der Röntgenastronom wählt dann das Modell eines Planckschen Strahlers (
black body), um es an die Beobachtungsdaten anzupassen. So kann er z.B. die Temperatur des Gases "fitten". Das ist jedoch noch nicht alles.
Um die Quelle herum und im interstellaren Medium (ISM) gibt es Materie, die die Röntgenstrahlung beeinflusst. So wird vor allem weiche Röntgenstrahlung abgeschwächt; die harte Strahlung kommt noch durch. In der Software gibt es auch dafür Modelle, die es u.a. erlauben, die Dichte dieser Materie entlang der Sichtlinie zu ermitteln (im Fachjargon nennt man diesen Parameter die
column density, dt. Säulendichte; Einheit: Teilchen pro Quadratzentimeter). Nun kann physikalisch eine dichte Staubhülle um die Quelle diese Abschwächung bewirken; zusätzlich schwächt der Staub im ISM die Strahlung ab. Innerhalb der Milchstraße heißt dieser Effekt
galaktische Absorption. Die Säulendichte der Milchstraße ist ein wohlbekannter Parameter.
Zurück zum Thema: Diese Beobachtungsfits werden nicht nur im Bereich der Röntgenstrahlung praktiziert, sondern auch im Optischen, Infraroten und bei den Radiowellen. Sie alle haben bislang keine Diskrepanz ergeben, die auf eine so bedeutsame Rolle der nun entdeckten "Kohlenstoffhärchen" hinweisen würde. Deshalb stimme ich mit Mac überein, plädiere aber dennoch für eine genaue Analyse der Effekte durch Kohlenstoffhärchen.
Übrigens: die Rötung des Supernovalichts durch Staub ist eine altbekannte Tatsache, der sich die Supernovaforscher bewusst sind, und die auch herausgerechnet wird. Hier gab es meines Wissens keine Hinweise auf eine unerklärliche Staubkomponente wie die Kohlenstoffhärchen. Mir scheint es vielmehr so, dass die Autoren Steele und Fries ihren Artikel bei Science Express etwas aufbauschen wollten, um damit an der Werbetrommel zu rühren. Artikel, über die man kontrovers diskutiert, sind besser, als Artikel, die nicht gelesen werden.
@gravi
Die Kohlenstoffhärchen stellen bestimmt keine neue Art Dunkler Materie dar. Allenfalls eine neue Erscheinungsform baryonischer Materie. So oder so, bleibt es bei den 4% Anteil der baryonischen Materie im Kosmos. Die eigentlich spannende und bislang unverstandene Form Dunkler Materie ist die nicht baryonische, die eventuell aus supersymmetrischen Teilchen bestehen könnte (Warten wir mal auf den LHC-Sommer).
@msueper, @der Neugierige:
Der Kohlenstoff kommt zunächst aus dem Innern der Sterne. Er kommt durch Winde und Sternexplosionen in die Sternumgebung. In einem heißen Milieu (im starken Wind junger Sterne oder in Sternexplosionen) bilden sich aus den Kohlenstoffatomen die Kohlenstoffhärchen. Die beiden Forscher fanden sie in Einschlüssen in Meteoritengestein, das mit etwa 4,5 Mrd. Jahren zu dem ältesten Material in unserem Sonnensystem zählt.
Eine englische Pressemeldung zum Paper von Steele und Fries gibt es übrigens auch auf deren Institutswebsite, dem Geophysikalischen Labor an der Carnegie Institution:
http://www.ciw.edu/news/dirty_space_and_supernovae
Gruß,
Ray
Wir haben verlernt uns zu wundern.