Skeltek hat geschrieben: ↑23. Mär 2021, 09:34
Das Video ist recht gut und die Zeit für Manche wert, aber Vieles darin ist den Meisten hier wohl schon bekannt denke ich? Mir persönlich bot es jetzt nicht viel Neues, aber ich würde es trotzdem Vielen empfehlen, der gerade Zeit dafür erübrigen kann. Trotzdem steht eben im Raum, ob es sich lohnt, die Zeit dafür woanders abzuzweigen.
Hallo Skel,
es geht mir einfach je länger je mehr auf den Sack, dass wieder einmal ein Nicht-Mathematiker - in diesem Falle ein Psychologe - sich über unsere Gilde lustig macht.
Jeder Mathematiker
weiss, dass man Modelle nicht 1:1 auf die Wirklichkeit anwenden kann,
jeder Mathematiker
weiss, dass Modelle Bereiche haben, in denen sie gut anwendbar sind, und Bereiche, in denen sie nicht gut anwendbar sind, und
jeder Mathematiker
weiss auch, dass Modelle ausserhalb ihrer Anwendungsbereiche im Allgemeinen nicht-anwendbare Ergebnisse liefern und Extrapolationen im Allgemeinen ebenfalls unzutreffende Ergebnisse liefern, d.h. dass dann schon besondere Bedingungen vorliegen müssen, damit man aussagekräftige Extrapolationen durchführen kann.
Jeder Mathematiker
weiss um die Stärken einfacher und robuster Lösungen komplexer Aufgabenstellungen und es ist schlicht eine dreiste Unterstellung, zu behaupten, dass wir bei komplexen Aufgabenstellungen komplexe Lösungen bevorzugen würden. Ja: solange man nach
exakten Lösungen sucht wird eine komplexere Aufgabenstellung
im Allgemeinen tatsächlich eine komplexere Lösung erfordern, aber gerade wir Mathematiker sind es doch, die herleiten, wie man in solchen Fällen einfache und robuste Lösungen findet
, und - was natürlich völlig unterschlagen wird - wie man diese qualifizieren kann. - Natürlich emfinden es die meisten Anwender als Zumutung, mal ein "3.Moment" bestimmen zu müssen, mit der man die Aussagekraft einer Standardabweichung beurteilen kann.
Es ist doch nicht die Schuld der Mathematiker, dass die Anwender alle Warnungen in den Wind schlagen, die Modelle trotzdem anwenden und hinterher den Mathematikern die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben versuchen, dass es nicht klappt.
Und ob die These von Prof. Gerd Gigerenzer, dass die Gutachten nur deswegen bestellt wurden, um sich abzusichern, zutreffend ist, sei dahingestellt - entweder wurden die Gutachten von qualifizierten Leuten erstellt, dann stehen in den Gutachten auch die
Grenzen der Anwendbarkeit drin, oder sie wurden von selbst-ernannten Experten erstellt, dann kann es passieren, dass solche Angaben fehlen; aber dann sind die Anwender selber schuld, wenn sie sich auf solche Gutachten verlassen.
Natürlich ist vieles richtig, was der Autor sagt, aber er wird keinen seriösen Mathematiker finden, der dem widersprechen würde. Denn Mathematiker sind noch in der Lage, zwischen einem Modell und der Wirklichkeit zu unterscheiden, und wenn beispielsweise ein Konvergenzradius überschritten wird, dann soll der Anwender das doch gefälligst akzeptieren statt die "praxisfremden Theoretiker" zu veralbern und munter weiter zu approximieren !!
Ich höre jetzt auf, ehe ich mich noch weiter in Rage schreibe.
Freundliche Grüsse, Ralf
EDIT 11:40 Uhr: 2 Ergänzungen