Viel Text, ich will mich versuchen kurz zu fassen und mich auf eine paar mir wichtige Punkt zu beschränken.
Diagnostiker hat geschrieben:Und was IST dann Materie?
Etwas, was im Wesentlichen aus Protonen, Neutronen und Elektronen besteht, die sich zu Atomen zusammenfinden, aber auch mal Ionen sein können.
Und was sind Elektronen, usw.? Aus was sind die gemacht? Und die dann?
Diagnostiker hat geschrieben:Was genau unterschiedet eine echte Welt von einer hinreichend gut simulierten Welt?
Ihre Dinghaftigkeit. Simulierte Welten sind nicht dinghaft.
Und was ist das, "dinghaft"? Ist das eine Eigenschaft, so wie Ladung oder Farbe oder Gewicht?
Beides besteht aus Strukturen.
Wobei die Strukturen der materiellen Welt auf Materie zurückgeht, während die Strukturen einer simulierten Welt Artefakte auf einem Bildschirm sind.
Das ist nicht richtig. Was auf dem Bildschirm erscheint sind Repräsentationen von
abstrakten Strukturen, die im PC-Speicher wiederum als Abfolgen von I und 0 (geladenen und ungeladenen Speicherzellen) repräsentiert sind.
Und was in meinem Bewusstsein erscheint, ist eine Repräsentation eines Teils der neuronalen Prozesse meines Gehirns, wo auch nur irgendwelche Elektronen und Neurotransmitter irgendwelche Veränderungen erfahren und die wiederum ebenfalls abstrakte Strukturen repräsentieren.
Und das 'lebendig sein' als Prozess wird eben in anderer Hardware repräsentiert, in Proteinen, DNA, usw. aber es IST nicht diese Materie, es ist nicht-materiell, nicht-dinghaft, das hatten wir schon festgestellt.
Ich will dich nicht ärgern Diagnostiker, wir können es dabei auch belassen. Ich will nur rüberbringen, dass ich hier nicht irgendeinen Mist erzähle. Das sind ernsthafte Probleme, über die man sich schon lange Gedanken gemacht hat. Und es gibt dafür auch keine einfachen Lösungen. Und eindeutige sowieso nicht. Es ist eher so, dass es hier auf die eigene Perspektive ankommt, was man eher zugeneigt ist.
Was man aber m.E. sagen kann: Ein naiver Realismus scheitert! Er ist nicht haltbar.
Diagnostiker hat geschrieben:Ohne dieses Innenleben wäre der Aufwand für ein solch komplexes ZNS zu groß. So etwas kann man einfacher haben, wenn es nur um Reiz-Reaktion geht, ohne das Ganze subjektiv zu repräsentieren.
Lebewesen mit Innenerleben haben ein größeres Verhaltensspektrum als Lebewesen ohne Innenerleben, so dass sich hier eine größere Variabilität ergibt, was dann natürlich eine größere Chance darstellt, selektiert zu werden, so dass die Lebewesen ohne Innenerleben sukzessive verdrängt werden.
Was hat eine Repräsentation mit bewusstem Innenerleben zu tun? Ich denke, du setzt hier zwei Dinge gleich, die nicht dasselbe sind.
Wenn die Zahl "2" in meinem PC-Speicher repräsentiert ist, dann gehe ich auch nicht davon aus, dass meinem PC diese Zahl bewusst erscheint.
Auch hier: s.o.
Das Geist-Körper-Problem ist in der Philosophie eines der schwierigsten Felder, ein ernsthaftes Problem, auf das es keine einfachen Antworten gibt. Und es ist nach wie vor ungelöst.
Skaeltek hat geschrieben:Der Körper ist in unserem Gehirn auch nur injektiv verbunden durch Signalaustausch. Wenn du also anmerkst, daß eine Projektion von Leben in einer Computersimulation nichts mit der Form/Prozess von physikalischem Leben gemeinsam hat, dann müsstest du auch dein eigenes Bewusstsein analog von deinem Körper getrennt betrachten.
...
Danke! Du bist mir zuvorgekommen, ich wollte ganz ähnliches einwenden.
Skeltek hat geschrieben:Der Vorwurf des Reduktionismus wirkt auf mich wie ein Wehren dagegen, daß die Definition nicht die Eckpunkte beinhaltet, die man gerne darin sehen würde. Der zweite Satz wirft einen eine schwarze hermetisch abgeriegelte Schachtel mit einem völlig undefinierten Argument darin entgegen - Was 'die Sache' genau ist, wird nicht gesagt, aber man postuliert einfach mal, daß diese die nötigen 'Kernpunkte' besitzt.
Ach ja... das geht für mich wieder etwas in Richtung Unterstellung... Und es muss dir doch auch klar sein, dass man nicht zu weit fassen darf?
Denn sonst könnte man einfach sagen: "Leben ist ein Prozess! Punkt!" Damit wären wir dann auch nicht zufrieden...
Aber ich kann auch liefern. Es ging im Textzusammenhang um diese Definition:
"Ein offenes System lebt, wenn es aus der Umwelt energiereiche Stoffe aufnimmt und energieärmere Stoffe unter Reduzierung seiner eigenen Entropie wieder ausscheidet."
Hier wurde schon die Kerzenflamme diskutiert. Es geht aber auch anders: Eine Halle durch die ein Bach fließt und in der eine Wasserkraft-betriebene Wasserentsalzungsanlage, steht würde diese Definition erfüllen und wäre somit "lebendig", eine Halle, in der eine Wasserkraft-betriebene Maschine steht, die Sandkörner aus dem Bach fischt und nach ihrer Größe sortiert ebenso, Produktionsfabriken für irgendetwas, z.B. Autos wahrscheinlich sogar allgemein.
Ich glaube nicht, dass wir das wollen.
Und wie Pflanzen mit der Photosynthese da reinpassen, müsste man auch überlegen, denn sie nehmen auch energiearme Stoffe auf und produzieren damit Zucker, den sie manchmal auch wieder ausscheiden, z.B. über Früchte, Nektar. Und die Entropie in einer lebendigen Zelle wird nicht fortwährend geringer, sondern erreicht irgendeinen Gleichgewichtszustand, an dem sie sich dann mehr oder weniger aufhält, bis sie abstirbt.
Bei Definitionen muss man halt aufpassen, es geht nicht nur darum, was da reinpassen soll, sondern auch was da in Abgrenzung dazu nicht reinpassen soll. Und zunächst muss das Bekannte damit sortierbar sein, erst dann das Unbekannte.
Folgerichtiges Vorgehen wäre aus meiner Sicht nun zu sehen, ob man die obige Definition durch irgendwelche Erweiterungen zufriedenstellend machen kann.
Noch einmal eine Wiki-Definition:
Leben bezeichnet in den Naturwissenschaften heute größtenteils eine Organisationsform, die durch gewisse Prozesse charakterisiert ist. Was Leben bzw. ein Lebewesen ist, wird in der modernen Biologie (Synthetische Biologie) nicht über einzelne Eigenschaften, einen bestimmten Zustand oder eine spezifische Stofflichkeit definiert, sondern über eine Menge von Prozessen, die zusammengenommen für Leben bzw. Lebewesen charakteristisch und spezifisch sind.
Das finde ich schon ziemlich gut. Und was mit Entropie und Energie ist, das ist dort eher ein Nebeneffekt, wenn auch ein unvermeidlicher.
Und wenn ich in der Definition "nicht über eine spezifische Stofflichkeit definiert" ernst nehme, dann ist es mir egal, ob dieser "Stoff" Elektronen und Protonen oder Bits und Bytes oder sonstwas sind, Hauptsache es ist irgendein geeignet strukturierter Träger da. Derzeit ergibt sich das Problem ja auch noch nicht wirklich, aber damit wäre ich für die Zukunft gerüstet, falls da was käme.
Skeltek hat geschrieben:Ich finde es übrigens interessant, daß wir 4 hier gerade 5-7 verschiedene Meinungen vertreten. Gerade Diagnostiker hat mich gerade in Kombination mit Timms Meinung etwas perplexierend positiv amüsiert, weil er zugibt, daß es bei der Definition keinen Unterschied zwischen manchen rein physikalisch-chemischen Prozessen und Leben gäbe, aber die Definition nicht teilt (bzw gerade deshalb wohl nicht teilen will). Timm befürwortet die Definition, sieht aber einen Unterschied zwischen biologischem Leben und dem Beispiel mit der Kerze.
Wegen solchen Sachen habe ich ganz zu Anfang der Diskussion schon ausführlich darauf hingewiesen, dass es hier vorwiegend nicht darum gehen kann, "was Leben wirklich ist", sondern darum, "welcher Menge an wirklichen Dingen/Prozessen wir per Definition das Etikett "lebendig" anheften wollen". Und dass es dazu nicht nur verschiedene Perspektiven gibt, sondern geben
muss.