Bevor ich viele neue Worte mache, ich habe andernorts folgendes geschrieben, vielleicht erklärt es sich dadurch schon:
Naturerkenntnis ist Selbsterkenntnis!
Und: Naturerkenntnis
dient der Selbsterkenntnis! (Im Sinne von: Ist ihr -bei uns- untergeordnet.)
D.h.: Wir betreiben Naturwissenschaft gar nicht primär deswegen, weil wir die Natur erkennen wollen, wir betreiben sie stattdessen primär deshalb, weil wir uns selbst erkennen wollen!
Denn: Wir finden bei diesem Vorhaben heraus, wie wir die Natur am besten begreifen und beschreiben und interpretieren können und in welchem Verhältnis wir uns zu ihr sehen können, wer und was wir darin selber sind.
Schon allein daraus lässt sich sauber begründen, warum wir Naturwissenschaft betreiben und auch interpretieren müssen und dies auch immer weiter treiben müssen.
Dann:
1) Zu behaupten, die einzig funktionierende Sprache zur Beschreibung der Natur - die Mathematik - hätte im Kern nichts mit dieser Natur zu tun, sondern wäre alleine ein Produkt des menschlichen Geistes zur Strukturierung der Empirie, klingt absurd.
2) Aber: Zu behaupten, diese von uns gefundenen und formulierten mathematischen Strukturen hätten nichts mit uns zu tun, klingt ganz genauso absurd.
Und auch: Die von uns gefundenen und formulierten mathematischen Strukturen stehen einer unendlich großen Menge aus allen prinzipiell formulierbaren mathematischen Strukturen gegenüber, die aber nicht von uns verfolgt wurden. D.h.: Hier findet ein extremer Auswahlprozess statt (der noch dazu pfadabhängig ist), dieses "Entdecken" in der Mathematik ist also eher ein Auswählen, mit nachfolgendem Entdecken, was man ausgewählt hat bzw. was aus der Auswahl folgt und in der Anwendung dann, ob es empirisch passend ist (worin ein weiterer, nachgeschalteter, auch extremer Auswahlprozess liegt).
Dabei gilt: Das Problem ist noch nicht gelöst, wenn man nach 1) sagen kann, Mathematik hätte
irgendetwas mit der Natur zu tun, die entscheidende Frage lautet hier: WAS hat sie mit der Natur zu tun?
Und eben diese Frage ist letztlich nicht sicher und klar beantwortbar. Es ist sogar so, dass eine Antwort darauf von uns noch nicht einmal formuliert werden kann: Es existiert gar keine uns zugängliche Sprache, mit der sich ausdrücken ließe, WAS die Natur mit der Mathematik genau zu tun hat. Denn Sprachen sind immer symbolhaft, mit welchen Symbolen wollte man hier noch arbeiten, was soll die Symbole der Mathematik noch exakt symbolisieren, welche nicht-mathematischen Symbole wollte man da verwenden und mit Bedeutung füllen? Und bezgl. der Natur, wie da? Und das ist das Problem: Wir können darüber gar nicht sprechen und schon gar nicht sicher sprechen! Also ist es nicht sinnvoll darüber sprechen zu wollen. Es ist gar nicht sagbar, was mit einer Tegmarkschen mathematischen Welt genau gemeint sein soll! D.h.: Auch dann, wenn sie in irgendeinem Sinne "wahr" bzw. "gegeben" wäre, könnten wir gar nicht sinnvoll über eine solche Wahrheit sprechen.
1) kränkelt auch an der "idealisierenden Objektivierung" der uns bekannten Mathematik: Es wird so getan, als würden wir DIE Mathematik irgendwie kennen und daher über eine "objektive Mathematik"
ohne uns irgendwie sprechen können. Das ist aber nicht der Fall. Was wir kennen sind immer nur unsere Bewusstseinsinhalte, unsere symbolhaften Formulierungen und Konstruktionen, unsere Gedanken, unsere Vorstellungen und unser Verständnis, über das, was wir dann "Mathematik" nennen. Damit werden alle Aussagen über DIE Mathematik tautologisch, sind ohne echten Erkenntnisgewinn.
Nach 2) scheint es aber anders auszusehen, wenn man fragt: WAS haben die
von uns gefundenen und formulierten mathematischen Strukturen
mit uns zu tun? Wie, wofür und warum sind wir auf sie gekommen? Usw.
Darauf scheinen sich sinnvolle Antworten finden und formulieren zu lassen. Hier muss man auch keine platonische Welt voraussetzen (obwohl man es auch hier kann bzw. darf), es reicht hier die eigene Existenz vorauszusetzen.
In dieser Situation neige ich dazu mich am Sagbaren zu orientieren und daran was man wie sicher sagen kann und was man stattdessen nur glauben, vermuten, hoffen oder befürchten kann, aber nicht muss, auch lassen kann.
...
Warum sind wir neugierig? Was ist Voraussetzung dafür?
Zuerst können wir einmal feststellen, dass die erste Voraussetzung dafür unsere eigene Existenz als Mensch ist.
Und dann kann man feststellen, dass wir in Wahrheit nicht neugierig auf die Natur "an sich" sind, sondern auf die Natur in ihrem Verhältnis, ihrem Bezug zu uns. Das muss so sein, alles andere wäre für uns irrelevant, warum sollte uns Irrelevantes interessieren? Es ist letztlich immer der Bezug zu uns selbst, auf den wir neugierig sind, weil er uns betrifft.
Und für die Mathematik gilt dasselbe wie für die Naturwissenschaften:
Wir wollen die Feinheit und Strenge der Mathematik in alle Wissenschaften hineintreiben, soweit dies nur irgend möglich ist; nicht im Glauben, daß wir auf diesem Wege die Dinge erkennen werden, sondern um damit unsere menschliche Relation zu den Dingen festzustellen. Die Mathematik ist nur das Mittel der allgemeinen und letzten Menschenkenntnis.
Friedrich Nietzsche
(Nietzsche hin oder her, ist klar... und dass Nietzsche hier wohl in ähnlichen Richtungen dachte, habe ich erst hinterher gefunden.)