seeker hat geschrieben: ↑9. Feb 2019, 13:01
Die zentrale ontologische Frage lautet also: „Was gibt es?“[3] Hierauf antwortet der Physikalist, dass in Wirklichkeit nur physische Entitäten existieren. „Entität“ ist dabei ein Sammelbegriff für Objekte, Eigenschaften, Ereignisse usw.
Mit dieser Antwort erweist sich der Physikalismus als eine Variante des Monismus. Monisten erklären,
dass nur eine Sorte von Entitäten existiert.
Soweit klar.
Wichtig ist festzuhalten, dass wir wir unterscheiden zwischen den physische Entitäten und den physikalischen Theorien, die wir zu deren Beschreibung nutzen.
seeker hat geschrieben: ↑9. Feb 2019, 13:01
Wenn man nun annimmt, dass physische Entitäten in Form von Quanten-Etitäten und in Form von Quantenzuständen wirklich existieren, dann kann man nicht gleichzeitig annehmen, dass auch klassische Entitäten und Zustände als zweite Sorte gleichermaßen existieren (außer in der Erscheinung als Epiphänomene oder Projektionen)
und gleichzeitig einen Monismus vertreten.
Ich denke nicht, dass der Physikalismus etwas derartiges besagt. Insbs. muss er das nicht, er kann sogar das genaue Gegenteil behaupten.
Halten wir fest, was Reduzibilität bedeutet:
1) Auf Ebene der
physikalischen Theorien bedeutet Reduzibilität zunächst, dass ich Theorien auf höherer Ebene auf solche auf tieferer Ebene zurückzuführen kann; ich denke, darüber herrscht Einigkeit. Dann besagt Reduzibilität im erweiterten Sinne, dass ich zudem die Theorien und Phänomene auf höherer Ebene aus denen der tieferen Ebene gewinnen kann; über die Definition sind wir uns einig, über die praktische Anwendbarkeit sicher auch - es gelingt uns nur bis zu einem gewissen Maß, insbs. bei lebenden Organismen, Gruppen von Lebewesen usw.; und evtl. far nicht im Falle von Gehirn/Geist. Ich denke, wir unterscheiden ist bzgl. der Interpretation dieser Fakten: ich halte sie für Ausdruck einer praktischen Limitierung unsererseits, unserer Fähigkeiten, die offenen Lücken zu schließen; du neigst eher dazu, hier ein prinzipielles Probkem zu sehen.
2) Auf Ebene der
physische Entitäten bedeutet Reduzibilität, dass Entitäten auf jeder Ebene auf gewissen fundamentale Entitäten basieren. Ich denke, mehr als eine derart abstrakte Aussage ist nicht möglich, da wir die Entitäten selbst nicht kennen, sondern uns Ihnen nur indirekt nähern können, einerseits durch Experimente bzw. im weitesten Sinne Phänomene, andererseits durch Theorien.
Ich kann nun durchaus einen physikalischen Monismus ansetzen, dergestalt dass ich an (2) die Reduzibilität
physischen Entitäten einschließlich der Emergenz makroskopischer Phänomene glaube, ohne dass dies unmittelbar in (1) meinen Theorien sichtbar wird. Meine Theorien sind auf allen Ebenen lediglich Annäherungen zur Beschreibung der zugrundeliegenden
physischen Entitäten, Prozessen, Relationen ..., jedoch glaube ich - als Platonist - dass die Theorien tatsächlich wesentliche Information über diese zugrundeliegenden Entitäten etc. enthalten; sie dienen nicht
nur dem Zweck, Phänomene zu berechnen, ohne das wir wüssten,
warum dies gelingt, sondern sie dienen
insbs. dem Zweck, die zugrundeliegenden Entitäten etc.
in ihrem Wesen zu erfassen, und die Tatsache, dass
auch Phänomene berechenbar werden, ist ein Zeichen, dass uns dies tatsächlich gelingt. Dies ist die Essenz des Platonismus in der Physik.
Nehmen wir an, dass es tatsächlich eine ToE gäbe, die wir möglicherweise entdecken könnten, ohne jemals wissen zu können, dass wir sie gerade entdeckt haben. Nehmen wir desweiteren an, die ToE hätte im Wesentlichen eine mathematische Struktur, wobei diese im Vergleich zu heutigen Theorien mächtiger wäre. Z.B. benötigen wir neben der axiomatischen Struktur der Quantenmechanik noch viele Bücher und Diskussionen, die uns die Anwendung und Bedeutung dieser Struktur erklären. Everett‘s Absatz ist mächtiger und zugleich einfacher, insofern viele Erklärungen überflüssig werden; es bleiben lediglich noch komplizierte Rechnungen. Physikalische Theorien sind jedoch vergleichsweise wenig mächtig im Vergleich zur Mathematik. Betrachten wir die Axiomatisierung der Arithmetik: aus wenigen Axiomen entspringt z.B. die Reichhaltigkeit der Struktur der Primzahlen, ohne dass ein weiterer Input benötigt würde. D.h. die Gesamtheit der natürlichen Zahlen plus den Regeln der Arithmetik beinhaltet prinzipiell alle jemals beweisbaren Theoreme. Für einen Platonisten existiert zunächst die mathematische Struktur der Arithmetik; damit ist jedes Phänomen der Arithmetik reduzibel auf die natürlichen Zahlen als fundamentale Entitäten sowie auf einen kleinen Satz an Regeln. Letztlich benötigen wir sogar nur die {} als „Atom“, aus dem mittels einiger Regeln alles weitere folgt, einschließlich der Existenz von Conway‘s Game of Life sowie der Tatsache, dass es isomorph zu einer universellen Turingmaschine ist. Conway‘s Game of Life ist für einen Platonisten aber genauso real wie {}, gerade weil es in der zugrundeliegenden Struktur der Arithmetik bereits enthalten ist. Wenn ein Platonist die Axiome der Arithmetik hinschreibt, dann ist 17+4=21 schon genauso existent wie Conway‘s Game of Life - auch wenn letzteres eben etwas länger auf seine Entdeckung warten musste.
Damit sind höherwertige Strukturen (1) im Rahmen der Theorie keine „Projektionen“ der fundamentalen Strukturen, sondern Projektionen der „Ideen“ bzw. der tatsächlich realen Entitäten und deren Strukturen.
Und damit sind höherwertige reale Entitäten (2) keine „Epiphänomene“ sondern auf Ebene der Entitäten
gleichermaßen real - wenn auch reduzibel.
Noch ein Nachsatz: „fundamental“ bedeutet nicht zwingend „mikroskopisch“; die fundamentalen Objekte der QFT haben für sich betrachtet zunächst keine intrinsische Längenskala; diese ist selbst emergent.