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Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität - Komplexität

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 18. Jan 2019, 17:23

Vorweg: was genau an meinem Axiomensystem funktioniert nicht? das Axiomensystem an sich? der Punkt (1) oder der Punkt (2)?
ATGC hat geschrieben:
18. Jan 2019, 14:55
Man scheitert an der Stelle ...
Meine ganze Überlegungen läuft darauf hinaus, dass die schlichte Behauptung „Biologie ist nicht auf Physik reduzierbar“ überhaupt keine intrinsische Eigenschaft der Biologie ist, sondern eine Beschränkung unseres Verstandes.
Na gut, und meine Überlegungen laufen darauf hinaus, dass Biologie zwar auf der Physik basiert, aber zugleich auch der Physik entwachsen ist ...
Sorry, aber das bringt uns nicht weiter.

Es ist völlig unproblematisch, dass wir unterschiedliche Grundhaltungen und Überzeugungen haben. Es bringt jedoch nichts, dass du ständig deine Überzeugung der Irreduzibilität heranziehst, um genau diese Irreduzibilität zu begründen.

Wir bewegen uns zunächst innerhalb zweier "Sprachblasen", du in der Biologie, ich in der Physik. Ich habe vorgeschlagen, eine konkrete Übersetzung zwischen den Begriffen der beiden Sprache zu konstruieren, um die Beziehung zwischen beiden Sprachen zu verstehen. Liegt Übersetzbarkeit vor? In welchem Umfang? Wo scheitern wir? Wir wissen, dass wir nicht überall scheitern - wo also liegt die Grenze?

Du wiederholst ständig innerhalb deiner "Sprachblase" = mittels Begriffen der Biologie, dass dies scheitert. Es kann durchaus sein - es ist sogar sehr wahrscheinlich - dass die Begriffe der Biologie nicht ausreichen, um die Reduzibilität der Biologie auf die Physik zu prüfen. Darum geht es aber auch gar nicht. Es geht darum, Begriffe und Methoden der Physik zu verwenden und zu prüfen, ob es gelingt, daraus die Begriffe der Biologie angemessen zu rekonstruieren.

Beispiel:
ATGC hat geschrieben:
18. Jan 2019, 14:55
Die Dynamik der Teilchen, die für die Beschreibung von Prozessen hinreichend sind, erschöpft sich jedoch bei diesen chemischen Prozessen. Alles, was darüber hinaus geht und aus organischer Chemie "organisierte Chemie" werden lässt, die (nur!) den rein chemischen Aspekt des Stoffwechsels in einem Organismus ausmacht, ergibt sich über das System als Ganzes, worin diese "organisierte Chemie" abläuft, welche ihrerseits wiederum dieses System in seiner Ganzheit konstituiert (ohne jedoch zugleich dieses System in Gänze zu sein!). Diese funktionale Wechselbeziehung ist etwas Neues.
Formuliere bitte einige Begriffe der organischen Chemie rein physikalisch.
Anschließend formuliere bitte einige Begriffe der "organisierten Chemie" physikalisch, bzw. zeige, warum dies nicht gelingt.
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 18. Jan 2019, 18:10

ATGC hat geschrieben:
18. Jan 2019, 17:36
Formuliere bitte einige Begriffe der organischen Chemie rein physikalisch.
Anschließend formuliere bitte einige Begriffe der "organisierten Chemie" physikalisch ...
Tut mir leid, aber das kann ich nicht.
Letzteres wohl nicht, ersteres evtl. schon, zumindest gemeinsam.

Zwischenschritt: wir benötigen Begriffe, die zumindest quantitativ bzw. mathematisch formuliert werden können, und die nicht rein beschreibenden Charakter haben, sondern die im Kontext überprüfbarer (falsifizierbarer) Hypothesen verwendet werden. Das bedeutet noch nicht unbedingt physikalisch formulierbar. Hast du einen Vorschlag?
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 18. Jan 2019, 19:55

tomS hat geschrieben:
18. Jan 2019, 16:29
Diese Axiomatisierung ist im Rahmen eines konventionellen Physikverständnisses unumstritten; sie trägt auch für angewandte Physik, sicher für Teilbereiche der Chemie, wohl auch organische Chemie; warum soll ich dann nicht pragmatisch an die Sache herangehen und das Vorhaben auch für die Biologie auf dieser Basis bzgl. Vorgehensweise und Begrifflichkeiten präzisieren? Eine Prüfung der Reduzibilität der Physik der Supraleitung wäre anhand dieses Programms möglich. Eine Aussage, dieses Programm trage nicht für die Biologie, nimmt implizit nicht gesicherte Ergebnisse vorweg, die ich doch erst gewinnen muss; sie nimmt implizit von vorne herein, dass die Biologie qualitativ verschieden ist von der Physik, und dass das Programm deswegen nicht tragfähig sein kann.

Deswegen: erst Verständnis gewinnen, warum dies Programm für Teilbereiche der Physik funktioniert, anschließend Prüfung, ob - und wenn ja wo und warum - es für die Biologie nicht funktioniert, zuletzt Kritik am Programm selbst und Erweiterung bzw. Verschiebung des Fokus.
Damit bin ich vollständig einverstanden, wenn du das so formulierst.
Im Grunde muss man sich einfach einmal folgendes vorstellen:

Nehmen wir an, wir hätten noch nie Leben gesehen, noch davon gehört.
Nun kommen einige daher, die sich "Biologen" nennen und uns sagen, dass es da eine sehr interessante Klasse von Dingen gäbe, die neu sei.
Da wir so etwas noch nie gesehen haben, haben wir natürlich genau so vorzugehen:
Erst einmal werden die neuen Dinge beobachtet und untersucht, es werden dabei Thesen aufgestellt, geprüft, verworfen, neu erstellt, neu geprüft und theoretisch beschrieben (das geht Hand in Hand gleichzeitig), usw. Als nächstes versucht man das in einen Gesamtzusammenhang zu stellen, mit dem was man ohne diese neuen Dinge früher schon alles über die Welt herausgefunden hatte. D.h. man versucht auch Theorien, die zunächst effektiv sein mögen in einen Fundamentalzusammenhang zu stellen und man versucht auch zu formalisieren und zu reduzieren, so weit es geht. Nicht einmal unbedingt aus philosopischen Standpunkten heraus, sondern aus ganz pragmatischen Gründen: Wenn man etwas reduzieren kann, wird es verständlicher.

Alles andere stelle ich für den Moment einmal zurück.
Schauen wir einmal, wohin wir damit kommen.
ATGC hat geschrieben:
18. Jan 2019, 17:36
Tut mir leid, aber das kann ich nicht.
Ich denke, das Grundproblem wird schon sichtbar, wenn wir einen Biologen fragen, was denn der Gegenstand seiner Wissenschft sei?
(Der Physiker hat es da m.E. übrigens auch nicht gerade leicht, aber wahrscheinlich leichter als der Biologe. :) )
Der Biologe wird sagen: "Das Leben, alles Lebendige!"
Ja, aber was ist das, "das Leben"?
Da wird es dann schon ganz schwierig...
Der Biologe kann es nicht exakt definieren, es herrscht auch unter Biologen keine vollständige Einigkeit darüber.
Ich denke, er kann höchstens sagen, dass sich sein Gegenstand aus der Gesamtheit dessen erklärt, womit sich Biologen eben beschäftigen, theoretisch wie praktisch.
Leichter fällt es ihm außerdem womöglich zu sagen, was Leben nicht ist und leichter fällt es auch diese Bestimmungen, positiv wie negativ, an einem einzelnen Objekt festzustellen als an einer Klasse von Objekten "alles Lebendige".
Der Biologe kann nicht einmal sicher sagen, ob "alles Lebendige" zwingend immer aus Materie sein muss.

Man muss außerdem auch festhalten, dass sich die Biologen natürlich auch immer bemüht haben ihren Forschungsbereich möglichst weit auch reduktiv zu untersuchen und zu festigen. Auch aus dem einfach einzusehenden pragmatischen Grund: "weil sich dann erfahrungsgemäß vieles einfacher erklären und erfassen lässt".
Grüße
seeker


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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 19. Jan 2019, 09:59

ATGC hat geschrieben:
18. Jan 2019, 19:09
Hallo Tom,
Hast du einen Vorschlag?
Sofern Du das nicht ohnehin schon weißt:

https://de.wikipedia.org/wiki/Quantenchemie
Klar.

Und zur „organisierten Chemie“? Morphogenese?
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 19. Jan 2019, 10:21

seeker hat geschrieben:
18. Jan 2019, 19:55
Nun kommen einige daher, die sich "Biologen" nennen und uns sagen, dass es da eine sehr interessante Klasse von Dingen gäbe, die neu sei.

...

Ich denke, das Grundproblem wird schon sichtbar, wenn wir einen Biologen fragen, was denn der Gegenstand seiner Wissenschft sei?
Der Biologe wird sagen: "Das Leben, alles Lebendige!"
Ja, aber was ist das, "das Leben"?
Da wird es dann schon ganz schwierig...
Kommen wir nochmal auf mein Programm zurück.

(1) ist für mich klar, denn wenn dies nicht gelten würde, würde Biologie der Quantenmechanik widersprechen. (2) ist für mich praktisch nicht durchführbar, insbs. bei höherwertigen Strukturen und Prozessen. Und es scheitert sicher bei Gehirn/Geist und damit wohl auch bei Verhaltensbiologie u.ä.

Das ist aber noch nicht der essentielle Punkt, auf den ich eigentlich hinauswill. Meine Erwartungshaltung ist, dass selbst wenn (1) gesichert und (2) sehr weit fortgeschritten wäre, viele Biologen das Gefühl hätten, das die Gesamtheit der Erkenntnisse aus (1) und (2) nicht Biologie ist bzw. dass es dies der Biologie und dem Leben nicht gerecht wird.

Ich stimme dem absolut zu!

Ich trinke sehr gerne Single Malt Whisky, aber mir ist bewusst, dass die Gesamtheit aller chemischen Formeln, Chromatographien, elektrochemischen Impulse in meinem Nervensystem und meinem Gehirn - einschließlich der Assoziationen der Schottland-Reisen - dem Trinken dem Single Malt nicht gerecht wird. Das selbe gilt z.B. für Musik und Kunst.

Worauf ich hinauswill - und was ich nochmals betonen möchte - ist, dass (1) und (2) dazu dienen, einerseits die Reduzibilität bzgl. (1) zu sichern und bzgl. (2) zu plausibilisieren, uns andererseits jedoch mit dem Gefühl zurücklassen, dass Leben an sich eben doch irreduzibel ist, und dass auf dem Weg des Erfolges von (1) und (2) etwas essentielles verloren geht. Diese Irreduzibilität transzendiert jedoch (1) und (2), denn das, was da verloren geht, ist nicht in (1) und (2) „enthalten“.

Diese Position wird m.E. sehr vielen Sichtweisen gerecht:
- sie zeigt, dass Biologie bis hin zur Neurobiologie im Sinne von (1) und (2) reduzibel sein kann - und dass das sogar sehr wahrscheinlich ist
- sie wird jedoch der Biologie, den Human- und Gesellschaftswissenschaften gerecht
- sie verorten die Irredizibilität auf einer Ebene (3), die ich lose mit Gehirn/Geist assoziiere
- sie plausibilisiert insbs. die Irredizibilität von (3) selbst
- sie fordert von den im Kern nicht-physikalischen Wissenschaften die Anerkennung von (1) und (2)
- sie fordert von der Physik die Anerkennung von (3) und allem was darauf fußt

@seeker: in diesem Sinne ist das Metaphysik; diese Metaphysik wird den exakten Naturwissenschaften jedoch gerecht, in dem sie sie respektiert - was auch umgekehrt der Fall ist
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von Timm » 19. Jan 2019, 11:45

ATGC hat geschrieben:
18. Jan 2019, 14:55
Man scheitert an der Stelle, wo es darum geht, nicht nur die Position der Elementarteilchen zu bestimmen, aus denen ein Lebewesen besteht, sondern darüber hinaus auch noch die verschiedenen Rückkopplungen im Prozessgeschehen zu modellieren, welches das Konglomerat der Elementarteilchen zu einem lebenden Organismus werden lässt. Es nützt weiterhin auch nichts, einen isolierten Organismus als Konglomerat von Elementarteilchen zu erhalten, da Organismen mit der Umgebung in einem permanenten Stoffaustausch stehen.
Läßt sich angeben auf welcher Ebene bis zur Entstehung von “höherem” Leben man scheitert, wenn man die Entstehung des Lebens hierarchisch sieht? Was verstehst Du unter Rückkopplungen?

Unter geeigneten Bedingungen entstehen Aminosäuren und vermutlich auch komplexere Moleküle bis hin zu DNA. Nehmen wir an, alle Moleküle, die einen Einzeller ausmachen, schwimmen herum, docken an, lagern sich um usw. bis Einzeller entstehen.
Bis hierher reicht nach meiner Auffassung der Bogen der Physik, die Selbstorganisation von Elementarteilchen zu Molekülen, zu komplexen Molekülen bis hin zum Einzeller.

Bitte um Nachsicht, ich habe zuletzt bruchstückhaft mitgelesen und interpretiere “scheitern” womöglich nicht so, wie es gemeint ist.

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 19. Jan 2019, 13:42

Hallo Tom,

zu deinem letzten Beitrag:
Ich komme mit deinen Platzhaltern (1), (2), (3), ... öfter einmal durcheinander und muss dann weit in den älteren Beiträgen danach suchen...
Was ist was, wo ist die Legende?

Bist du einverstanden, sie so festzuhalten, wie ich das versucht habe?
Also, in Hinblick auf den Zusammenhang der einfachen Teile zum komplexen Ganzen:

1) die ontologische Frage nach dem Sein, nach der Natur der Welt bzw. "wie es die Natur tatsächlich macht"
2) die Frage nach Erkenntnis und Beschreibung der Natur
3) die angewand-praktische und technische Frage
4) die gesellschaftliche Frage

Zu den Fragestellungen bzw. Themenkomplexen 1) - 4) kann man aufschlüsseln:

a) Was ist der Fall bzw. kann alles der Fall sein?
b) Ist die Frage entscheidbar, können wir das sicher wissen? Was können wir wie sicher wissen?
c) Falls nein: Was sollen wir vernünftigerweise annehmen bzw. glauben? Was müssen wir annehmen, was können wir offen lassen?
d) Welche Folgen hat das?
Grüße
seeker


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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 19. Jan 2019, 14:20

seeker hat geschrieben:
19. Jan 2019, 13:42
Hallo Tom,

zu deinem letzten Beitrag:
Ich komme mit deinen Platzhaltern (1), (2), (3), ... öfter einmal durcheinander und muss dann weit in den älteren Beiträgen danach suchen...
Was ist was, wo ist die Legende?
Ich verwende das so - inwischen auch für die Axiomatisierung:
tomS hat geschrieben:
18. Jan 2019, 01:09
Hier ein präzise Axiomatisierung:

Quantenmechanik
  1. Die mathematische Repräsentation eines physikalisches Systems erfolgt mittels eines separablen Hilbertraumes
  2. Ein Zustand eines physikalischen Systems wird mittels einen normierten Vektor als Element dieses Hilbertraumes repräsentiert
  3. Die Zeitentwicklung eines isolierten Systems wird durch einen unitären Zeitentwicklungsoperator U(t) = exp[-iHt] repräsentiert; (C) ist vollständig äquivalent zur Schrödingergleichung mit den Hamiltonian H
  4. Eine beobachtbare Größe, d.h. eine Observable eines Systems, wird durch eine selbstadjungierten Operator repräsentiert, der auf die Zustandsvektoren wirkt
  5. Der Erwartungswert der Beobachtung einer Observablen an diesem System wird mittels des Erwartungswertwertes des selbstadjungierten Operators repräsentiert; das Vorliegen einer Eigenschaft wird mittels des entsprechenden Projektors = eines speziellen selbstadjungierten Operators repräsentiert
Biologie = testbare Hypothesen
  1. Die vollständige mathematische Repräsentation eines biologischen Systems sowie seiner vollständigen Dynamik erfolgt wie in (A - C)
  2. Biologische Begriffe werden als Klassen von Observablen mit entsprechenden selbstadjungierten Operatoren im Sinne von (D, E) repräsentiert
Die beiden Axiome adressieren direkt die beiden Fragen,
1) ob die Physik biologische Strukturen und deren Dynamik hervorbringen kann
2) ob und wie wir diese Strukturen und deren Dynamik erkennen und verstehen können
tomS hat geschrieben:
19. Jan 2019, 10:21
Diese Position ... verorten die Irredizibilität auf einer Ebene (3), die ich lose mit Gehirn/Geist assoziiere; sie plausibilisiert insbs. die Irredizibilität von (3) selbst
Außerdem zu (3)
tomS hat geschrieben:
8. Jan 2019, 13:47
Nehmen wir an, "Geist" ist letztlich nichts anderes als ein Algorithmus, implementiert in der HW des Gehirns. Damit können zumindest alle algorithmische Handlungen erklärt werden.

Der "Geist" bzw. das "Selbst-Bewusstsein" und dessen Funktionsweise wäre dann für uns nicht ergründbar, weil dies erfordern würde, dass der Algorithmus mit den relevanten Daten sich selbst repräsentiert und sich selbst versteht, was für genügend mächtige Algorithmen nach Gödel beweisbar unmöglich ist.

Dieses Modell könnte zutreffend sein; aber wenn es zutreffend ist, dann ist es gleichzeitg beweisbar nicht verstehbar.
Gruß
Tom

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Re: Instabilität

Beitrag von Job » 19. Jan 2019, 18:31

tomS hat geschrieben:
11. Jan 2019, 08:08

1) Auch wird das reale Verhalten höherer Systeme kausal ausschließlich durch die fundamentalen Entitäten bedingt.

100 % Zustimmung. Allerdings haben wir hier sicher unterschiedliche Vorstellungen, was diese fundamentalen Entitäten denn sein könnten. Meine Ansicht dazu ist die folgende:

1.
Wir kennen diese fundamentalen Entitäten heute noch nicht. Quarks, Gluonen, Elektronen, etc. sind keine solche fundamentalen Entitäten, sondern emergente Strukturen aus den wirklich fundamentalen Entitäten. Das, was wir heute als Vakuum bezeichnen, besteht vollständig aus solchen fundamentalen Entitäten.

2.
Die Anzahl der fundamentalen Entitäten ist abzählbar unendlich. (Diskrete „Welt“)

3.
Die fundamentalen Entitäten sind Teilchen unterschiedlicher Größe mit einer Ausdehnung > 0. Sie sind fundamental in dem Sinne, dass sie weder erzeugt noch vernichtet werden können, und auch sonst keinerlei Veränderung unterliegen, was ihre Form (perfekte Kugeln) und ihre Größe (Radius der Kugeln) angeht.

4.
Die fundamentalen Entitäten sind ständig in (oszillierender) Bewegung. Insgesamt gesehen ähnelt dies ein wenig dem Ansatz der Stringtheorie, nur dass wir es nicht mit vibrierenden 1-dimensionalen Strings mit einer Länge > 0 zu tun haben, sondern mit unterschiedlichen, 3 dimensionalen oszillierenden Teilchen in der Form einer Kugel und einem Radius > 0. Ein Elektron zum Beispiel wäre ein Konglomerat aus 1020 fundamentalen Entitäten einer bestimmten Sorte, die damit alle im Gleichklang oszillieren.

5.
Durch die (auch in einem endlichen Raumbereich) insgesamt unendliche Anzahl der fundamentalen Entitäten ergeben sich Grenzprozesse, die nicht nur zu endlichen diskreten Konglomeraten (Materie, Photonen, Schwarze Löcher), sondern auch zu kontinuierlichen Emergenzen führen können. Diese kontinuierlichen Emergenzen sind diejenigen, die uns die meisten Kopfschmerzen bereiten, weil wir als endliche Wesen (zumindest materiell gesehen) mit Unendlichkeiten so unsere Schwierigkeiten haben. Die diskrete Welt der fundamentalen Entitäten und ihrer Konglomerate wie Elektronen, Protonen, Schwarze Löcher, etc. kann prinzipiell verstanden werden, wenn sie auch prinzipiell, was ihre Dynamik angeht, nicht exakt berechenbar ist. Auch die Kräfte in der Natur wie die elektromagnetische Kraft und die Gravitation sind emergente Resultate dieser Grenzprozesse.

Man könnte dann also sagen, dass es keinerlei eigenständige (emergente) Strukturen und Kräfte geben kann, die losgelöst von den fundamentalen Entitäten existieren können. Das gilt auch für den Raum und die Zeit. Allerdings können manche davon nur durch unendliche Grenzwertprozesse entstehen und daher ausschliesslich mit den Eigenschaften der fundamentalen Entitäten nicht erklärt werden. Eine reelle Zahl kann mit den Eigenschaften einer rationalen Zahl nicht erklärt werden. Trotzdem kann ich sie als Grenzwert von rationalen Zahlen „erschaffen“. Es können also neue Eigenschaften entstehen, die die fundamentalen Entitäten nicht haben und die trotzdem „real“ sind. In diesem Sinne gäbe es dann tatsächlich auch aktual Unendlichkeiten. Ich kann nicht behaupten, dass ich diese unendlichen Grenzwertprozesse im Kern wirklich verstanden habe. Ich bin aber sicher, dass dies das grundlegende Konstruktionsprinzip der Natur ist. Was wir heute unter Materie und Licht verstehen, besteht aus endlich vielen fundamentalen Entitäten, der „Geist“ hat wohl etwas mit den Unendlichkeiten zu tun. Die Bewegung als kontinuierlicher Prozess ist ebenfalls das Resultat eines unendlichen Grenzwertprozesses.

Die QM hat grundsätzlich ein Konstruktionsprinzip, dass diese abzählbar unendlich vielen oszillierenden fundamentalen Entitäten im Bauch hat. Sie bilden im Grunde als harmonische Oszillatoren die abzählbar unendliche Basis des Hilbertraumes. So wie wir die QM heute benutzen, ist sie aber eher eine effektive Theorie der Prozesse, die (im Umfeld unseres speziellen Universums) durch die fundamentalen Entitäten entstehen und durch statistische Mittelwerte (Standardabweichungen) repräsentiert werden. Man muss aber zugeben, dass auch nur so überhaupt Aussagen prognostizierbar sind, die wir auch messen können. Messen können wir nur die emergenten Strukturen und Mittelwerte, weil alle unsere potentiellen Messgeräte und Methoden auch nur emergente Strukturen zur Verfügung haben.

Die eigentliche Dynamik ist wie gesagt im Detail nicht berechenbar. Der einzige „Computer", der das vielleicht könnte, wäre das „All“ selbst. Das All ist jedoch kein Computer und es gibt auch kein „Programm", das es ausführt. Es ist eher mit Heraklits „Werden und Vergehen“ und „Gegensatz und Einheit“ vergleichbar. Wirklich verstanden habe ich das All (unser Universum ist nur ein winziger Teil davon) aber auch nicht, und ich bin ziemlich sicher, dass ich das All in Gänze auch niemals wirklich verstehen werde. Wenn wir das All in Gänze einmal vollständig verstehen würden, wären wir fertig und das wäre für mich irgendwie eine unheimliche und eigentlich nicht erstrebenswerte Vorstellung.
So haben wir immer etwas zu tun und können immer besser werden, bis zum Ende unserer Tage. Es gibt im wahrsten Sinne des Wortes noch unendlich viel zu entdecken.

Zum Thema des Threads ergibt sich daraus:

Im Grunde bedeutet die obige Sichtweise, dass alles, was es gibt, aus abzählbar unendlich vielen diskreten Teilchen in ständiger Bewegung und ihren durch Grenzprozesse entstehenden Emergenzen besteht.

Tom hat m.E. mit seiner Ansicht Recht, dass daher prinzipiell alles kausal auf fundamentale Entitäten reduzibel ist, und damit auch die Prozesse in der Biologie. Die emergenten Prozesse sind allerdings nicht berechenbar und auch nicht 100% deterministisch.
Unter kausal verstehe ich hier die Aussage, dass jede Wirkung eine Ursache hat. Unter deterministisch, dass es genau eine Ursache gibt und/oder ich die Zukunft bei Kenntnis eines aktuellen Zustandes vorhersagen kann. Beide Seiten des Determinismus (vorwärts, rückwärts) wären in der Natur bei obiger Sichtweise nicht realisiert. Dies widerspricht nicht dem Determinismusgedanken der QM, da dieser eine völlig andere Bedeutung hat.

Auch die Aussage von Tom, dass wir es beim „Geist“ mit einer anderen Qualität zu tun haben, unterstützt diese Sichtweise, auch wenn es hier noch viel zu tun gibt und es auch unklar ist, ob wir diese unendlichen Prozesse überhaupt jemals wirklich verstehen können.

Tom, ich bin damit ganz Deiner Meinung im Sinne des Zitates am Anfang, auch wenn wir es im Detail sicher völlig anders begründen. Dieses Zitat lässt den Determinismus zunächst aussen vor, zumindest habe ich es so interpretiert. Wenn ich sage, dass die Prozesse nicht deterministisch sind, dann meine ich mit Determinismus etwas anderes als den Determinismus der QM. Da ich nicht genau weiß, wie Du das siehst, lassen wir das mal offen.

Viele Grüße
Job
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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 19. Jan 2019, 23:13

ATGC hat geschrieben:
19. Jan 2019, 15:34
Hallo Tom,
Und zur „organisierten Chemie“? Morphogenese?
Da kann ich Dir keinen Hinweis geben ...
Es geht mir darum, dass du mir genau erklärst, welche zentralen Begriffe der Biologie zu modellieren wären, was sie auf biologischer Ebene bedeuten und wie sie untereinander zusammenspielen. Da dachte ich, dass Morphogenese ein guter Einstieg wäre.
ATGC hat geschrieben:
19. Jan 2019, 15:34
... ist die Leistungsfähigkeit der Quantenmechanik auf die Lösung von Problemen der Chemie ebenfalls nur sehr eingeschränkt, so dass auf Näherungen zurückgegriffen werden muss. Daher nehme ich an, dass dies in Bezug auf die Prozesse, die in einer Zelle ablaufen sowie in Bezug auf die Morphogenese, die vielzellige Systeme betrifft, von vornherein ein Ding der Unmöglichkeit ist.
Es geht bei der Modellierung nur um die formal korrekte Darstellung, nicht um die Lösung - ob mit oder ohne Näherung.
ATGC hat geschrieben:
19. Jan 2019, 15:34
(1) ist für mich klar, denn wenn dies nicht gelten würde, würde Biologie der Quantenmechanik widersprechen.
Nein, das würde sie nicht, weil die emergierten Prozesse und Strukturen keine neue Physik hervorbringen (die dann der Quantenmechanik prinzipiell widersprechen könnte, wenn es sie denn gäbe), sondern eine bzw. mehrere neue Ebenen von Wechselwirkungen, die weiteren Gesetzmäßigkeiten "gehorchen", welche die zugrundeliegende Physik nicht tangieren und folglich den Rahmen, der durch die Physik gesetzt ist, nicht überschreiten. Die Quantenmechanik bleibt also nach wie vor in vollem Maße gültig und aussagekräftig in dem Bereich, wo sie Aussagen tätigen kann.
An dem Punkt sind wir uns weiterhin nicht einig.

Jeder Form, jede Struktur und jeder Prozess basieren zunächst auf Materie, d.h. Atomkerne und Elektronen; Quantenelektrodynamik lasse ich mal außen vor, sie macht die Sache komplizierter, jedoch nicht fundamental anders. Die Quantenmechanik - genauer: die Schrödingergleichung - determiniert alles, jeden Atomkern, jedes Elektron, jede ihrer „Bewegungen“, wie sie sich anlagern und gruppieren etc. Wenn es irgendeine Bewegung irgendeines Teilchens gäbe, die nicht der Schrödingergleichung gehorchen würde, dann würde diese Bewegung der Schrödingergleichung und damit der Quantenmechanik widersprechen. Die Dynamik gehorcht entweder der Quantenmechanik, oder sie widerspricht; es gibt es keine Grauzone; Schattierungen, Freiräume oder ähnliches.

Deswegen folgt aus den Axiomen der Quantenmechanik rein logisch entweder, dass dies alles ausschließlich und vollständig quantenmechanisch determiniert ist, oder dass die Quantenmechanik unvollständig ist. Für letzteres kenne ich keine Hinweise, und ich kenne keine Stimme aus den Naturwissenschaften, dies dies im Umfeld der Biologie vermuten würde.
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von Skeltek » 20. Jan 2019, 01:21

ATGC hat geschrieben:
19. Jan 2019, 15:08
Der Biologe kann nicht einmal sicher sagen, ob "alles Lebendige" zwingend immer aus Materie sein muss.
Na doch, das kann man schon sagen, denn irgend etwas muss ja zunächst mal da sein, damit es lebendig sein kann.
Da würde ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Klar hilft Materie, dort durch Mechanismen den Entropie-Zufluß und -Abfluß in der Wage zu halten, sodaß sich entlang eines Potentialgefälles stabile Strukturen ausbilden können.
Trotz allem sind Anordnungen nicht grundsätzlich auszuschließen, bei welchen sich z. B. reine Wirbelstrukturen stabil bilden und vermehren. Die Komplexität wäre lediglich eingeschränkt, das evolutionäre Potential schwierig und das ganze wäre vermutlich extrem empfindlich gegenüber Störungen.
Vermutlich gibt es auch im ganzen Universum kaum eine Möglichkeit um die notwendigen Gegebenheiten für einen längeren Zeitraum stabil zu erzeugen.
Und das ganze künstlich zu erzeugen wäre vermutich nicht oder nur mit unmachbarem Aufwand verbunden.
Was Leben ausmacht ist nicht das Material sondern die Anordnung und Relationen, welche darüber realisiert sind.

Dabei schränke ich mich nicht nur auf die anatomischen oder metabolischen Funktionen ein, es wäre vermutlich auch auf die Entwicklung höherer kognischer Fähigkeiten oder denkbar sogar Bewusstsein möglich.
Gödel für Dummies:
  • Unentscheidbarkeit - Dieser Satz ist wahr.
  • Unvollständig - Aussage A: Es existiert nur ein Element A.
  • Widersprüchlich - Dieser Satz ist falsch.

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 20. Jan 2019, 10:18

ATGC hat geschrieben:
20. Jan 2019, 07:59
Mechanische Vorgänge lassen sich formal korrekt mit Hilfe der Schrödinger-Gleichung darstellen?
Die klassische Theorie folgt als Näherung aus der Quantenmechanik. Des erste Beispiel dazu ist das Ehrenfest-Theorem. Die klassische Liouville-Gleichung folgt aus der quantenmechanischen von-Neumann-Gleichung bzw. der Moyal-Gleichung. Hydrodynamik folgt als klassischer Grenzfall der quantenmechanischen Madelung-Gleichungen; siehe dazu Quantenhydrodynamik. Transport-Koeffizienten wie Diffusionskoeffizient, Wärmetransportkoeffizient, Stoffübergangskoeffizient, Viskosität, ... folgen aus der Kubo-Formel für ein quantenmechanisches System. In dieser Form kann heute die klassische Physik aus der Quantenmechanik abgeleitet werden.
ATGC hat geschrieben:
20. Jan 2019, 07:59
Wenn es irgendeine Bewegung irgendeines Teilchens gäbe, die nicht der Schrödingergleichung gehorchen würde, dann würde diese Bewegung der Schrödingergleichung und damit der Quantenmechanik widersprechen.
Dem stimme ich zu, aber ich hatte auch nirgends behauptet, dass irgendein Teilchen sich anders bewegen bzw. verhalten würde als es die Schrödinger-Gleichung beschreibt.
Dann sind wir uns bzgl. (1) einig.
ATGC hat geschrieben:
20. Jan 2019, 07:59
Was ich bestreite, ist, dass über das Verhalten bzw. die Bewegungen der Teilchen zugleich auch die Biologie bzw. die Lebewesen in ihrem Verhalten und in ihren Entwicklungsverläufen determiniert wären.
Was ist das „Verhalten eines Lebewesens“ anderes als die kollektive Bewegung der Teilchen, aus denen es besteht? Was ist der „Entwicklungsverlauf“ eines Lebewesens anderes als die kollektive Bewegung der Teilchen plus der Teilchen seiner Nahrung, Atemluft etc.?

Wie genau würdest du dieses fehlende Element beschreiben, das den Unterschied ausmacht zwischen Atom- und Molekülphysik einerseits - deren Gültigkeit du zu hundert Prozent akzeptierst - und dem „Verhalten eines Lebewesens“? Wenn dieser Unterschied nicht in die Dynamik einzelner Atome und Moleküle eingreift - da diese ausschließlich von der Quantenmechanik determiniert sind - und wenn die Strukturen eines Lebewesens zu hundert Prozent aus Atomen und Molekülen bestehen - was tut dieser Unterschied dann, was die Quantenmechanik nicht tut?
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 20. Jan 2019, 11:20

ATGC hat geschrieben:
20. Jan 2019, 10:49
Was ist das „Verhalten eines Lebewesens“ anderes als die kollektive Bewegung der Teilchen, aus denen es besteht?
Die kausale Vernetzung mit anderen Lebewesen, über die sich Wechselwirkungen ergeben, welche die kollektive Bewegung der Teilchen beeinflussen, die sich nicht aus der kollektiven Ansammlung der Teilchen ergeben, aus denen das Lebewesen besteht.
OK.

Wenn alle Teilchen aller Lebewesen und sonstiger Stoffe vollständig durch quantenmechanische Gesetzmäßigkeiten determiniert sind - und bzgl. der Teilchen sind wir uns einig - was ist dann das „Verhalten aller Lebewesen und anderer Objekte eines gesamten Ökosystems“ anderes als die kollektive Bewegung aller Teilchen, aus denen das Ökosystem besteht?
ATGC hat geschrieben:
20. Jan 2019, 10:49
Wie genau würdest du dieses fehlende Element beschreiben, das den Unterschied ausmacht zwischen Atom- und Molekülphysik einerseits - deren Gültigkeit du zu hundert Prozent akzeptierst - und dem „Verhalten eines Lebewesens“?
Rückkopplungen, Vernetzungen, molekulare Mechanik (siehe das Verhalten der Moleküle beim Ablauf der Translation im Video!) usw. usf. ...
Was sind diese Rückkopplungen, Vernetzungen, ... anderes als makroskopische Prozesse, innerhalb derer letztlich Teilchen quantenmechanischen Gesetzen gehorchen? Welche andere Bewegungsursache als die Schrödingergleichung für die Teilchen gäbe es denn? Und sie soll diese andere Bewegungsursache einen Unterschied zur Dynamik ausschließlich auf Basis der Schrödingergleichung bewirken, dieser jedoch nicht widersprechen.
ATGC hat geschrieben:
20. Jan 2019, 10:49
was tut dieser Unterschied dann, was die Quantenmechanik nicht tut?
Die Abläufe so regulieren, dass sie geordnet ablaufen und aus dieser Ordnung das Systemganze hervorgeht, welches ein Lebewesen ausmacht.
Inwiefern würde dieser Unterschied die konstituierenden Teilchen anders bewegen, als es die Schrödingergleichung tut?

Ich glaube, wir sind jetzt fast bei einer Einigung ...
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 20. Jan 2019, 12:37

Ja, wir werden uns einig!
ATGC hat geschrieben:
20. Jan 2019, 11:32
was ist dann das „Verhalten aller Lebewesen und anderer Objekte eines gesamten Ökosystems“ anderes als die kollektive Bewegung aller Teilchen, aus denen das Ökosystem besteht?
Der Unterschied besteht im regulierten und geordneten Ablauf, der die Teilchen eines Ökosystems im Vergleich zu denselben Teilchen (hinsichtlich Anzahl und Art - also Elektronen, Protonen und Neutronen) einer anderen Ansammlung, die nicht ein Ökosystem ist, anders bewegen lässt, weil die vorhandenen Rückkopplungen, die sich in einem Ökosystem vorfinden, in der anderen Ansammlung von Teilchen fehlen.
Verkürzt: Der Unterschied besteht in anders gearteten Abläufen und Bewegungen der Teilchen eines Ökosystems im Vergleich zu denselben Teilchen, wenn diese nicht Teil ein Ökosystem sind - weil ein Ökosystem Rückkopplungen enthält, die einem nicht-Ökosystem fehlen.

Stimmst du mir zu, dass du den Unterschied zwischen Ökosystem und nicht-Ökosystem durch Rückkopplungen erklärst, die ein Ökosystem auszeichnen?

Das ist selbstbezüglich. Und das ist für mich erst mal OK, denn es zeigt den relevanten Punkt, den ich zu lösen gedenke.

ATGC hat geschrieben:
20. Jan 2019, 11:32
Was sind diese Rückkopplungen, Vernetzungen, ... anderes als makroskopische Prozesse, innerhalb derer letztlich Teilchen quantenmechanischen Gesetzen gehorchen?
Es sind emergente Phänomene, die auf das Verhalten der beteiligten Systemkomponenten (in diesem Falle Moleküle) einwirken, so dass sie sich in ihrem Verhalten vom Verhalten anderer, aber gleicher Moleküle unterscheiden, welche nicht diesen Rückkopplungen usw. ausgesetzt sind.
Ich denke, hier greift das selbe Muster.

ATGC hat geschrieben:
20. Jan 2019, 11:32
Inwiefern würde dieser Unterschied die konstituierenden Teilchen anders bewegen, als es die Schrödingergleichung tut?
Siehe oben: Es ergibt sich ein regulativer Effekt.
Ich denke, hier greift das selbe Muster.

ATGC hat geschrieben:
20. Jan 2019, 11:32
Ergänzung: Um Missverständnisse zu vermeiden - der regulative Effekt hebelt nicht die Gültigkeit der Schrödingergleichung aus, sondern ist ein Effekt, der das konkrete Wirken der Schrödingergleichung kanalisiert.
Hier bereitet mit „kanalisiert“ Probleme, weil das ein Begriff ist, der im Kontext der Quantenmechanik nicht auftritt.

Können wir es anders umschreiben? Ich formuliere das nur für ein Lebewesen und lasse das Ökosystem weg, da die Formulierung sonst zu sperren wäre und man überall „Lebewesen oder Ökosystem“ schreiben und weitere Beispiele anführen müsste.

Hier mein Versuch:

Quantenmechanische Objekten = im Folgenden kurz „Teilchen“ - die ein Lebewesen konstituieren, unterliegen quantenmechanischen Gesetzen, insbs. der Schrödingergleichung. Teilchen und insbs. Teilchenkomplexe, d.h. höherwertige und geordnete Strukturen wie Zellen, Gewebestrukturen, Organe etc. innerhalb eines Lebewesens werden durch emergente biologische Gesetzmäßigkeiten beeinflusst, z.B. Rückkopplungen, regulative und kollektive Effekte, ... [bitte selbst ergänzen]. Das Wirken dieser Gesetzmäßigkeiten wird weniger auf Teilchenebene als auf der Ebene dieser höherwertigen Strukturen beschrieben, d.h. wieder auf der Ebene von Zellen, Gewebestrukturen, Organen etc. Diese Gesetzmäßigkeiten erklären Entstehung und Ausformung der Strukturen sowie deren Funktion, Interaktionen etc. innerhalb des Lebewesens. Mikroskopisch betrachtet existieren dabei keine Wechselwirkungen der quantenmechanischen Objekte, die den quantenmechanischen Gesetzen widersprechen. D.h. die Entstehung und Ausformung der Strukturen folgt - betrachtet je einzelnem Teilchen, das in einer derartigen Struktur enthalten ist - wieder den Gesetzen der Quantenmechanik.

Soweit OK?
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 20. Jan 2019, 12:43

tomS hat geschrieben:Kommen wir nochmal auf mein Programm zurück.

(1) ist für mich klar, denn wenn dies nicht gelten würde, würde Biologie der Quantenmechanik widersprechen. (2) ist für mich praktisch nicht durchführbar, insbs. bei höherwertigen Strukturen und Prozessen. Und es scheitert sicher bei Gehirn/Geist und damit wohl auch bei Verhaltensbiologie u.ä.

Das ist aber noch nicht der essentielle Punkt, auf den ich eigentlich hinauswill. Meine Erwartungshaltung ist, dass selbst wenn (1) gesichert und (2) sehr weit fortgeschritten wäre, viele Biologen das Gefühl hätten, das die Gesamtheit der Erkenntnisse aus (1) und (2) nicht Biologie ist bzw. dass es dies der Biologie und dem Leben nicht gerecht wird.
...
Worauf ich hinauswill - und was ich nochmals betonen möchte - ist, dass (1) und (2) dazu dienen, einerseits die Reduzibilität bzgl. (1) zu sichern und bzgl. (2) zu plausibilisieren, uns andererseits jedoch mit dem Gefühl zurücklassen, dass Leben an sich eben doch irreduzibel ist, und dass auf dem Weg des Erfolges von (1) und (2) etwas essentielles verloren geht. Diese Irreduzibilität transzendiert jedoch (1) und (2), denn das, was da verloren geht, ist nicht in (1) und (2) „enthalten“.
Ja. Und ich denke, das kann ich erklären.

Es hängt damit zusammen:
ATGC hat geschrieben:
seeker hat geschrieben:Der Biologe kann nicht einmal sicher sagen, ob "alles Lebendige" zwingend immer aus Materie sein muss.
Na doch, das kann man schon sagen, denn irgend etwas muss ja zunächst mal da sein, damit es lebendig sein kann.
Skeltek hat geschrieben:Da würde ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Klar hilft Materie,...
tomS hat geschrieben:Jede Form, jede Struktur und jeder Prozess basieren zunächst auf Materie, d.h. Atomkerne und Elektronen
Nein, nicht zwingend. Obwohl der Begriff "Leben" nicht exakt definiert ist, so ist es doch ungefähr dies:
Das Wort Leben bezeichnet zum einen die Organisations- bzw. Prozessform, die allen Lebewesen gemeinsam ist und die sie von lebloser Materie unterscheidet. Zum anderen bezeichnet es die Gesamtheit der Lebewesen in einem abgegrenzten Gebiet.

Was Leben bzw. ein Lebewesen ist, wird – in der modernen Biologie wie schon bei Aristoteles – nicht über einzelne Eigenschaften, einen bestimmten Zustand oder eine spezifische Stofflichkeit definiert, sondern über eine Menge von Aktivitäten, die zusammengenommen für Leben bzw. Lebewesen charakteristisch und spezifisch sind.[1] Als diese Aktivitäten werden üblicherweise genannt:

- Energie- und Stoffwechsel und damit Wechselwirkung mit ihrer Umwelt.
- Organisiertheit und Selbstregulation (Homöostase).
- Reizbarkeit, das heißt sie sind fähig, auf chemische oder physikalische Änderungen in ihrer Umwelt zu reagieren.
- Fortpflanzung, das heißt, sie sind zur Reproduktion fähig.
- Vererbung, das heißt, sie können Informationen (Erbgut) an ihre Nachkommen übermitteln.
- Wachstum und damit die Fähigkeit zur Entwicklung.[2]
https://de.wikipedia.org/wiki/Leben
Direkt hinzufügen möchte ich dem noch, dass Leben dadurch gekennzeichnet ist, dass es sich durch eine beidseitig durchlässige Grenze (z.B. Zellmembran) von seiner Umwelt separiert, wobei die Regeln innerhalb der Grenze andere sind als außerhalb. Leben hat mit Selbstorganisation innerhalb von selbstgeschaffenen Grenzen zu tun, Leben ist selbstbezüglich, seine Gesetze und Strukturen gelten nur innerhalb dieser Grenzen (mit Gesellschaften ist es übrigens dasselbe).

Wichig ist hier der blau markierte Satz:
Der Begriff "Leben" ist grundsätzlich weiter gefasst als rein materielle Begriffe: Der Begriff "Materie" kommt in der obigen Definition überhaupt nicht vor. Leben braucht zwar immer ein Substrat, als Bühne, auf dem es sozusagen abläuft, aber was dieses Substrat ist, ist prinzipiell egal und austauschbar, so lange die dadurch bereitgestellte Bühne gewisse notwendige Grundeigenschaften zur Verfügung stellt. Prinzipiell könnte Leben auch auf ganz andersartiger Materie in anderen Universen ablaufen, wo gar keine quantenmechanischen Gesetze herrschen oder auf noch ganz andersartigen Substraten, die wir uns gar nicht vorstellen können.

Aus diesem Grund ist es unmöglich "Leben" in seiner universellen Form vollständig auf unsere Physik zurückzuführen: Die Kategorie "Leben" ist nicht vollständig in der Kategorie "Physik" enthalten, es gibt nur eine gewisse Schnittmenge.
Schon prinzipiell ist es daher nur maximal möglich, das Leben in seiner speziellen Form, "so wie wir es bisher kennen" auf die uns bekannte, bei uns gültige Physik zurückzuführen.
Und aus diesem Grund könnte man umgekehrt auch argumentieren, dass "Leben" ein Epiphänomen sei, ähnlich wie beim Körper-Geist-Problem.
tomS hat geschrieben:Deswegen folgt aus den Axiomen der Quantenmechanik rein logisch entweder, dass dies alles ausschließlich und vollständig quantenmechanisch determiniert ist, oder dass die Quantenmechanik unvollständig ist. Für letzteres kenne ich keine Hinweise, und ich kenne keine Stimme aus den Naturwissenschaften, dies dies im Umfeld der Biologie vermuten würde.
Ja, das ist so. Einschränken muss man aber hier, dass es auch keine Hinweise gibt, dass diese Prämissen in ihrer scharfen Form gültig sind.
(Das glaubt auch keiner, wenn man ehrlich ist; wir erwarten, dass noch tieferliegende Strukturen gegeben sind, manche erwarten dabei, dass es immer kausal bleiben wird, aber es ist nur eine Erwartung, kein Wissen, das ist wichtig.)
Man muss auch klarstellen, wo man da ist:

1) Wenn wir sagen, dass die Natur in der Genauigkeit, die wir bisher empirisch prüfen konnten und in den Systemen, die wir damit bisher erfasst haben, sich mit zufriedenstellender Genauigkeit so verhält, wie es die QM beschreibt, dann ist das unsere geliebte, harte Naturwissenschaft "Physik".

2) Wenn wir sagen, dass sich die Natur immer und überall und unendlich genau so verhält, wie es die QM beschreibt, dann ist das Spekulation.

3) Und wenn wir sagen, dass aus vernünftigen Gesichtspunkten heraus sicher nur 2) der Fall sein kann und alles andere Blödsinn sein muss, dann ist das Ideologie.

Wir sind hier in der Diskussion mindestens auf Ebene 2). Ich habe da überhaupt nichts dagegen, muss aber darauf bestehen, dass wir uns im spekulativen Bereich aufhalten, im Bereich: "Das wissen wir nicht sicher, im Sinne von empirisch konsolidiert."

Wir können dem dennoch folgen, und wenn wir dann Toms Programm genau anschauen, so werden wir feststellen, dass jede genaue und vollständige materielle Axiomatisierung des Lebens selbst auf der Ebene "Leben, so wie wir es kennen" scheitert, weil selbst in dem Bereich das Leben schon zu vielfältig und unterschiedlich ist, als dass solches in jedem Lebewesen überall genau gleich aufgefunden werden könnte, d.h.: manche Kriterien sind durch andere austauschbar, die Anzahl der Kriterien ist nicht konstant, "Leben als Gesamtheit" ist in der Hinsicht an sich schon unscharf, nicht nur begrifflich, sondern ganz real.

D.h.: Mit Toms Programm wäre es maximal denkbar ein einzelnes konkretes Lebewesen abzubilden, nicht aber die Universalie "Lebewesen".
Man könnte dann natürlich anschließend zwar alle Einzellebewesen abbilden, aber die Universalie würde dadurch dennoch nicht sicher und genau abgebildet.

D.h.:
Toms "(1)" (die ontologische Ebene) ist ungeklärt, nicht sicher wissbar. Aus physikalischer Sicht steht zu vermuten, dass es so ist, wie Tom meint. Aus anderen Sichtweisen heraus ergibt sich das nicht unbedigt.

Toms "(2)" (die beschreibende Ebene) ist sicher nicht möglich. Und nicht deshalb, weil unsere Fähigkeiten dafür unzureichend sind, sondern weil es wegen den Begrifflichkeiten prinzipiell nicht geht.
Grüße
seeker


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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 20. Jan 2019, 16:18

seeker hat geschrieben:
20. Jan 2019, 12:43
Toms "(1)" (die ontologische Ebene) ist ungeklärt, nicht sicher wissbar. Aus physikalischer Sicht steht zu vermuten, dass es so ist, wie Tom meint. Aus anderen Sichtweisen heraus ergibt sich das nicht unbedigt.

Toms "(2)" (die beschreibende Ebene) ist sicher nicht möglich. Und nicht deshalb, weil unsere Fähigkeiten dafür unzureichend sind, sondern weil es wegen den Begrifflichkeiten prinzipiell nicht geht.
zu (1) - bitte nennen wir es eine wissenschaftliche Hypothese, die bis heute sämtliche Tests bestanden hat

zu (2) - beide Argumente sind identisch; Fähigkeiten sind geistige Fähigkeiten, und Begriffe sind Strukturen in unserem Geist

Nochmal: mir geht es nicht darum, die Physik aus metaphysischer Sicht zu hinterfragen, sondern darum, was wir aus physikalischer bzw. allgemein wissenschaftlicher Sicht schlussfolgern, beweisen und widerlegen können - unter der Voraussetzung, dass die physikalische bzw. wissenschaftlich-kritische Methode zutreffend ist. Natürlich kann man diese Voraussetzungen hinterfragen, und natürlich sind diese Voraussetzungen prinzipiell unsicher - aber es ist schlichtweg nicht Diskussionsgegenstand der „Reduzibilität der Biologie auf die Physik“ - was offenbar Physik voraussetzen muss. Ein anderes Beispiel wäre die „Reduzibilität der theoretischen Physik auf Mathematik“; diese Frage kann man diskutieren und zu interessanten Aussagen kommen, unter der Voraussetzung der Konsistenz der Mathematik, d.h. ohne die Konsistenz der Mathematik a la Gödel in Frage zu stellen. Deswegen möchte ist derartige Diskussion bis auf weiteres auch hinten anstellen und zunächst das Kernproblem lösen - da sind wir nämlich nahe dran.
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 20. Jan 2019, 16:20

ATGC hat geschrieben:
20. Jan 2019, 13:19
Hallo Tom ...

Ich will es mal so sagen: Es gibt für Teilchen "erlaubte" und "unerlaubte" Verhaltensweisen. Das Verhalten von Teilchen in einem Lebewesen ist zu jedem Zeitpunkt ein "erlaubtes" Verhalten, d.h., es widerspricht nicht dem physikalischen Rahmen, der durch die Quantenmechanik gesetzt ist. Das bedeutet: Die Entstehung und Ausformung von Strukturen ist das eine und das Verhalten der Teilchen, aus denen diese Strukturen bestehen, ist das andere. Die Strukturen sind aus quantenmechanischer Sicht "erlaubt" (weil sie nicht gegen die Gesetze der Quantenmechanik verstoßen), aber sie sind auf einer Ebene angesiedelt, wo die Quantenmechanik irrelevant wird, um die Entstehung und Ausformung von Strukturen zu beschreiben.
Zu dem und zu allem anderen: Bingo, passt für mich.

Damit ist (1) trivialerweise erledigt, und (2) kann anhand von Beispielen diskutiert werden. Später dazu mehr ...
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 21. Jan 2019, 11:12

tomS hat geschrieben:
20. Jan 2019, 16:18
zu (1) - bitte nennen wir es eine wissenschaftliche Hypothese, die bis heute sämtliche Tests bestanden hat
Das ist Ok.
Solange wir nicht vergessen, dass die Antithese dazu ebenfalls bisher sämtliche Tests bestanden hat: Jede längerfristige Prognose zur Entwicklung von komplexen oder auch nur chaotischen Systemen ist bisher gescheitert - das betrifft immerhin praktisch den gesamten Mesokosmos. Wir können sogar nachweisen warum das selbst dann scheitert, wenn wir vollständige, exakte Kausalität annehmen und dass sich daran nichts ändert, wenn wir diese abschwächend als nicht exakt annehmen. Also ist diese Grundannahme der Exaktheit in dem Bereich verzichtbar - Ockham lässt grüßen. Sie ist m.E. sogar im klassischen Kernbereich der Physik verzichtbar, denn was macht es dort - in der Beobachtung - für einen Unterschied, ob die Natur auf z.B. 50 Nachkommastellen fixiert ist oder auf unendlich viele? Von 10 gemessenen Nachkommastellen sicher auf unendlich viele zu schließen ist immerhin ein unzulässiger induktiver Schluss.

Aber wie gesagt kann man das zurückstellen, ich habe kein Problem exakte Kausalität hier kurz anzunehmen, weil sich selbst dann schon einiges zeigt.
tomS hat geschrieben:
20. Jan 2019, 16:18
zu (2) - beide Argumente sind identisch; Fähigkeiten sind geistige Fähigkeiten, und Begriffe sind Strukturen in unserem Geist
Es gibt da einen Unterschied: Wenn eine Begrifflichkeit prinzipiell nicht vollständig mit einer anderen Begrifflichkeit erfasst werden kann, dann gilt das nicht nur für unseren Geist, sondern für jeden Geist, gleich wie mächtig er ist. Beide Argumente sind also nicht zwingend identisch. Ich habe dabei in meinerm Erklärungsvorschlag auf Fragen reagiert, die hier aufgekommen sind.
tomS hat geschrieben:
20. Jan 2019, 16:18
Nochmal: mir geht es nicht darum, die Physik aus metaphysischer Sicht zu hinterfragen, sondern darum, was wir aus physikalischer bzw. allgemein wissenschaftlicher Sicht schlussfolgern, beweisen und widerlegen können
Das ist Ok.
tomS hat geschrieben:
20. Jan 2019, 16:20
Zu dem und zu allem anderen: Bingo, passt für mich.

Damit ist (1) trivialerweise erledigt
Aha?
ATGC hat geschrieben:
20. Jan 2019, 13:19
Die Entstehung und Ausformung von Strukturen ist das eine und das Verhalten der Teilchen, aus denen diese Strukturen bestehen, ist das andere. Die Strukturen sind aus quantenmechanischer Sicht "erlaubt" (weil sie nicht gegen die Gesetze der Quantenmechanik verstoßen), aber sie sind auf einer Ebene angesiedelt, wo die Quantenmechanik irrelevant wird, um die Entstehung und Ausformung von Strukturen zu beschreiben.
seeker hat geschrieben:
20. Jan 2019, 12:43
Leben braucht zwar immer ein Substrat, als Bühne, auf dem es sozusagen abläuft, aber was dieses Substrat ist, ist prinzipiell egal und austauschbar, so lange die dadurch bereitgestellte Bühne gewisse notwendige Grundeigenschaften zur Verfügung stellt.
Mir ist daraus der Geganke zu einem zweiten möglichen Programm gekommen, mit den Fragen:
Lässt sich das prinzipiell prüfen? Gibt es Hinweise, dass das so ist? Welche?
Welche notwendigen Grundeigenschaften muss das Substrat zur Verfügung stellen? Welche Eigenschaften sind relevant, welche sind irrelevant?

Und man muss bei all dem versuchen eine Erklärung zu finden, in welcher Weise/inwiefern Strukturen, Eigenschaften, Naturgesetze unterhalb einer bestimmten Ebene irrelevant werden können (sollen).
Grüße
seeker


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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 22. Jan 2019, 09:25

Hallo ATGC,

ich würde das gerne in einen weiteren Rahmen fassen.

Nochmal kurz:

A) Welche notwendigen Grundeigenschaften muss das Substrat zur Verfügung stellen? Welche Eigenschaften sind relevant, welche sind irrelevant?

B) Man muss bei all dem versuchen, eine Erklärung zu finden, in welcher Weise/inwiefern Strukturen, Eigenschaften, Naturgesetze unterhalb einer bestimmten Ebene irrelevant werden können (sollen). Damit zusammenhängend: Ist "Leben" ein Epiphänomen?

Zu A), ich denke, wir brauchen:

- Bewegung, Zeitlichkeit und so etwas wie Räumlichkeit
- zeitlich relativ stabile Teile, die miteinander interagieren können, die sich auch zeitweise zu größeren Agglomeraten verbinden und wieder trennen können und aus denen sich höhere Funktionen/Möglichkeiten für das System ergeben
- so etwas wie einen Entropiedurchfluss und damit eine Umwelt, die in Abgrenzung zum System "Leben" existiert und diesen bereitstellt
- das System muss sich damit auch teilweise/hinreichend gut von seiner Umwelt abgrenzen können
- es müssen Rückkopplungen im System und mit seiner Umwelt möglich sein, also Nichtlinearität, damit auch Regelkreise auf mehreren Ebenen
- Instabilitäten müssen möglich sein: Das System muss sich selbst in Bereiche (der Randbereich zum Chaos) steuern können, wo kleinste Störungen wirksam werden, auf Systemebene müssen diese Störungen zufällig erscheinen, insofern sie nicht vom System kausal gesteuert/determiniert sind

...

Was wir glaube ich nicht notwendig brauchen sind:

- Zufall, der auch außerhalb der Systemebene "echt" oder "unecht" sein muss. Das scheint egal zu sein.
- vollständige Determiniertheit, weder auf Systemebene noch auf Umweltebene
(jedoch brauchen wir notwendig eine gewisse Mindeststabilität/Determiniertheit und Regelhaftigkeit auf Systemebene und auf Umweltebene)

...

Ich denke noch nach...
Grüße
seeker


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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 22. Jan 2019, 10:53

ATGC hat geschrieben:
20. Jan 2019, 13:19
Die Strukturen sind aus quantenmechanischer Sicht "erlaubt" (weil sie nicht gegen die Gesetze der Quantenmechanik verstoßen), aber sie sind auf einer Ebene angesiedelt, wo die Quantenmechanik irrelevant wird, um die Entstehung und Ausformung von Strukturen zu beschreiben.
Gut.
ATGC hat geschrieben:
21. Jan 2019, 15:53
Aber aus diesem Möglichkeitsspielraum [der Quantenmechanik] ergibt sich noch nicht das, was dann tatsächlich als konkretes Verhalten im Rahmen eines übergreifenden emergenten Systems erfolgt. Und wenn ich mir die Wortbedeutung von "determiniert" als Basis nehme, dann ist da seitens der Quantenmechanik nichts festgelegt oder gar vorherbestimmt, was sich in einem System an Dynamik abspielt.
Nicht gut!

Zunächst dachte ich, wir sind uns bzgl. (1) einig. Nun sehe ich, dass du immer noch denkst, es gäbe auf der Ebene der einzelnen Teilchen eine Art Freiraum für das Verhalten einzelner Teilchen, das die Quantenmechanik nicht ausfüllen würde. Dem ist nicht so! Die Quantenmechanik - speziell die Schrödingergleichung - determiniert das Verhalten jedes quantenmechanischen Objektes vollständig. Es gibt da keinen Freiraum, keine zusätzliche Dynamik, keine weiteren Gesetze, die auf ein quantenmechanisches Objekte außerhalb der Quantenmechanik irgendwie zusätzlich oder neben dieser einwirken. Das ist - nach allem was wir heute wissen - schlicht falsch! Dazu gibt es keine experimentellen Hinweise, ich kenne keine diesbzgl. Aussagen von Biologen, ich sehe keine Ansätze diesbzgl. interdisziplinärer Forschungsprojekte ...

Ich hatte vor, anhand von (2) zu zeigen, wie emergente Gesetze höherwertiger Systeme im Rahmen bzw. auf Basis der Quantenmechanik resultieren, und wo man an Grenzen stößt, diese Emergenz zu konkret und mathematisch ableitbar zu verstehen. Das ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer Relativierung oder Verletzung von (1). Im Gegenteil, man kann Emergenz teilweise auf Basis der Quantenmechanik ableiten und verstehen, und man kann außerdem für nicht-ableitbare Gesetzmäßigkeiten immer noch widerspruchsfrei annehmen, dass die Gesetze der Quantenmechanik auch weiterhin gültig bleiben.

Ich mache mir nun aber nicht die Arbeit für (2), wenn dazu eine grundsätzliche Ablehnung besteht.
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 22. Jan 2019, 14:18

ATGC hat geschrieben:dann ist da seitens der Quantenmechanik nichts festgelegt oder gar vorherbestimmt
tomS hat geschrieben:Nicht gut!

Zunächst dachte ich, wir sind uns bzgl. (1) einig. Nun sehe ich, dass du immer noch denkst, es gäbe auf der Ebene der einzelnen Teilchen eine Art Freiraum für das Verhalten einzelner Teilchen, das die Quantenmechanik nicht ausfüllen würde.
Der Punkt ist doch, dass biologische Systeme von (1) entkoppelt sind.

D.h. es ist egal, ob hier Kausalität bis zur letzten Nachkommastelle herrscht oder nicht, es ist egal, ob objektiver Zufall existiert oder nicht.
Es ist auch egal, ob ein Leben tragendes Universum QM-Regeln folgt oder den Regeln der klassischen Mechanik. Es ist egal, ob der genannte Freiraum "objektiv echt" oder "nur für das lebende System, im System scheinbar echt" ist - so lange er überhaupt irgendwie existiert.
Leben könnte in all diesen Fällen existieren. Wichtig ist nur, dass A) erfüllt ist, dass u.a. auch ein Rauschen vorliegt: "Instabilitäten müssen möglich sein: Das System muss sich selbst in Bereiche (der Randbereich zum Chaos) steuern können, wo kleinste Störungen wirksam werden, auf Systemebene müssen diese Störungen zufällig erscheinen, insofern sie nicht vom System selbst kausal gesteuert/determiniert sind."
D.h.: Die Anfangsbedingungen des Universums müssen in Kombination mit den Naturgesetzmäßigkeiten dergestalt sein, dass sie eine Entwicklung zu A) hin ermöglichen, insbesondere darf das Universum nicht im Zustand des thermodynamischen Gleichgewichts sein und muss sich zu einem Vielteilchensystem entwickelt haben.

Alles andere ist nur wichtig, wenn man Fragen bewerten will, wie die, ob Leben ein Epiphänomen ist. Das muss man aber hier nicht unbedigt.

D.h.: Man kann (2) unabhängig von einer konkreten, abschließenden Entscheidung zu (1) besprechen, weil selbst unter der strengsten Interpretation von (1) Leben nicht ausgeschlossen ist, d.h. man muss es zwar nicht zwingend, aber kann es auch unter der strengsten Interpretation von (1) besprechen.

Zu (2) noch ein Gedanke:
Die Identifizierung von dynamischen Regelmechanismen/-Strukturen und die Beschreibung komplexer Systeme damit erscheint ab einer bestimmten Ebene reduktiver als die Beschreibung mittels Identifizierung und komplexen Modellierung von Mikroprozessen.
Auch die Beschreibung eines realen chaotischen Systems mittels eines Phasenraumattraktors erfasst das Wesentliche eines solchen Systems besser und reduktiver als die Beschreibung mittels Modellierung aller Mikrozustände im System.
Grüße
seeker


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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 22. Jan 2019, 14:29

seeker hat geschrieben:
22. Jan 2019, 14:18
ATGC hat geschrieben:dann ist da seitens der Quantenmechanik nichts festgelegt oder gar vorherbestimmt
tomS hat geschrieben:Nicht gut!

Zunächst dachte ich, wir sind uns bzgl. (1) einig. Nun sehe ich, dass du immer noch denkst, es gäbe auf der Ebene der einzelnen Teilchen eine Art Freiraum für das Verhalten einzelner Teilchen, das die Quantenmechanik nicht ausfüllen würde.
Der Punkt ist doch, dass biologische Systeme von (1) entkoppelt
Was heißt “entkoppelt”?

Biologische Systeme sind zunächst mal quantenmechanische Systeme. Da ist nichts “entkoppelt”.

seeker hat geschrieben:
22. Jan 2019, 14:18
Es ist auch egal, ob ein Leben tragendes Universum QM-Regeln folgt oder den Regeln der klassischen Mechanik. Es ist egal, ob der genannte Freiraum "objektiv echt" oder "nur für das lebende System, im System scheinbar echt" ist - so lange er überhaupt irgendwie existiert.
Wollen wir die Fragen mit einigermaßen wissenschaftlichem Anspruch diskutieren? Oder ist uns jetzt alles egal?

Mir geht es zunächst darum, ob, in welcher Form und in wie weit Biologie auf Physik reduziert werden kann. Wenn man das verstanden hat, kann man überlegen, was man darüber hinaus noch sagen oder eben auch nicht mehr sagen kann.

Wenn das nun auf einmal alles egal ist, dann habe ich hier Zeit verschwendet.

Ganz nebenbei bin ich der Meinung, dass ich durchaus sehr konkret aufzeigen könnte, was die Physik zu leisten im Stande ist. Aber dazu müsste ich mal dazukommen, das konkret auszuformulieren - s.u.
seeker hat geschrieben:
22. Jan 2019, 14:18
Alles andere ist nur wichtig, wenn man Fragen bewerten will, wie die, ob Leben ein Epiphänomen ist. Das muss man aber hier nicht unbedigt.
Muss man nicht, war aber die Diskussiom mit ATGC und dir. Wenn du es nicht diskutieren möchtest, dann hätten wir das auch schon 100 Beiträge früher beenden können.

seeker hat geschrieben:
22. Jan 2019, 14:18
Zu (2) noch ein Gedanke ...
Auch von mir ein Gedanke bzw. eine Frage: darf ich Emergenz aus Sicht der Physik darstellen, so dass wir anschließend über Fakten diskutieren können, oder bleiben wir beim bisherigen Diskussionsstil, der eine Mischung aus Philosophie, Glauben und uns im Kreis drehen darstellt?
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 22. Jan 2019, 16:52

ATGC hat geschrieben:
22. Jan 2019, 15:59
Nun sehe ich, dass du immer noch denkst, es gäbe auf der Ebene der einzelnen Teilchen eine Art Freiraum für das Verhalten einzelner Teilchen, das die Quantenmechanik nicht ausfüllen würde. Dem ist nicht so! Die Quantenmechanik - speziell die Schrödingergleichung - determiniert das Verhalten jedes quantenmechanischen Objektes vollständig. Es gibt da keinen Freiraum, keine zusätzliche Dynamik, keine weiteren Gesetze, die auf ein quantenmechanisches Objekte außerhalb der Quantenmechanik irgendwie zusätzlich oder neben dieser einwirken.
Da hast Du mich falsch verstanden ...

Das bedeutet: Die QM beschreibt, wie sich ein Teilchen konkret verhalten kann und legt den Rahmen fest, welche Möglichkeiten es gibt, aber über die Eigenschaften des Systems, innerhalb dessen sich ein Teilchen befindet, wird dieser Rahmen eingeschränkt, so dass nur noch ein reduzierter Möglichkeitsspielraum vorhanden ist, was dann zur Folge hat, dass das konkrete Verhalten eines Teilchens immer stärker durch die eingrenzenden Effekte des Systems determiniert wird, während die QM nach wie vor uneingeschränkt den a priori gegebenen Möglichkeitsspielraum absteckt. Er kommt nur nicht mehr in vollem Umfang zur Erscheinung, weil das System hier eine Auslese bewirkt, die dann als konkretes Verhalten des Teilchens erkennbar wird.
(1) Ich denke, ich habe dich schon richtig verstanden; für den fett hervorgehobenen Text = die Aussage, das Verhalten wird stärker durch die eingrenzenden Effekte des Systems determiniert - existieren folgende Möglichkeiten:
entweder diese eingrenzenden Effekte beruhen (indirekt) ebenfalls auf der Quantenmechanik des Systems,
oder du postulierst neue Physik

(2) Ich denke immer noch, dass es sinnvoll ist, mir mal die Zeit zu nehmen und für dich darzustellen, was die Physik wirklich zu diesen Fragen beizutragen hat. Ich habe den Eindruck, dass du dich bisher nur mit der Quantenmechanik mikroskopischer Systeme befasst hast, nicht mit offenen Systemen, nicht mit Nichtgleichgewichtssystemen, nicht mit bekannten Beispielen für Emergenz klassischer oder makroskopischer Phänomenen aus quantenmechanischen Systemen, und insbs. nicht damit, wie dies genau zustande kommt.

Aus dem Verständnis von (2) wird zumindest teilweise klar werden, wie genau (1) zu verstehen ist, und dass (1) keineswegs im Widerspruch zu tatsächlich qualitativ verschiedenen Eigenschaften biologischer Systeme stehen muss. Anders formuliert: bevor wir spekulieren, sollten wir ein ausreichendes und gemeinsames Verständnis haben.

Dazu brauche ich jedoch etwas Zeit, und das ist mit etwas Aufwand verbunden. Ich mache das nur, wenn du es wirklich möchtest.
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 22. Jan 2019, 18:46

tomS hat geschrieben:
22. Jan 2019, 14:29
Was heißt “entkoppelt”?
tomS hat geschrieben:
22. Jan 2019, 14:29
Wollen wir die Fragen mit einigermaßen wissenschaftlichem Anspruch diskutieren? Oder ist uns jetzt alles egal?
Ja... Und Tom, können wir das nicht auch einmal lassen, so miteinander umzugehen?
Ich möchte Diskussionen einfach nicht in einem agressiven Stil führen.

Ich bin dir doch praktisch vollständig entgegengekommen, so weit ich kann, hiermit:
seeker hat geschrieben:
22. Jan 2019, 14:18
D.h.: Man kann (2) unabhängig von einer konkreten, abschließenden Entscheidung zu (1) besprechen, weil selbst unter der strengsten Interpretation von (1) Leben nicht ausgeschlossen ist, d.h. man muss es zwar nicht zwingend, aber kann es auch unter der strengsten Interpretation von (1) besprechen.
Ich habe damit -und sogar allgemein mit meinem letzten Beitrag- gesagt, dass es aus meiner Sicht völlig problemlos ist, deinem Ansatz erst einmal zu folgen und fordere dazu auf das zu tun.
Reicht dir das nicht?
Warum fährst du nicht einfach fort? Ich würde zuhören!
Das überliest du anscheinend einfach und stattdessen suchst du dir andere Textstellen bei mir heraus, die du falsch verstehen kannst und wo du etwas betreibst, das auf mich als "draufschlagen" wirkt.
Oder stört es dich, dass ich nebenbei versuche auch noch eine zweite wissenschaftliche Sichtweise aus der Systemperspektive heraus zu entwickeln, die du offenbar noch überhaupt nicht verstanden hast oder zumindest vom Tisch schiebst, weil es offenbar aus deiner Sicht nur EINE wiss. Sichtweise gibt, nämlich deine? Und dass auch nur die zu erörtern ist?
So geht das nicht.

Ich könnte jetzt auf deine Kommentare einzeln eingehen und erklären, aber lasse es lieber, denn ich habe nicht den Eindruck, dass das überhaupt gewünscht ist.
Grüße
seeker


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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 22. Jan 2019, 19:24

Evtl. habe ich dich missverstanden. Entschuldige bitte.

Ich habe jedoch den Eindruck, dass wir nie zum Punkt kommen, weil wir immer dann, wenn es konkret werden könnte, wieder von vorne anfangen bzw. wieder diskutieren, dass alles auch ganz anders sein könnte. Ich habe nichts gegen eine alternative Sichtweise, aber ich möchte auch einmal etwas konzentriert zu Ende diskutieren und von den Ergebnissen her bewerten.
Gruß
Tom

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