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Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität - Komplexität

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Re: Instabilität

Beitrag von tomS » 14. Jan 2019, 14:58

seeker hat geschrieben:
13. Jan 2019, 23:04
Ich sehe zunächst immer noch einige implizite Vorausannahmen in diesem Programm, die ich schon erwähnt hatte und bei denen nicht sichergestellt ist, dass sie zutreffen. Wir teffen diese Vorannahmen an anderer Stelle oft auch, das ist richtig, aber hier müssen wir sie in Kombination annehmen, das ist anderswo oft nicht so, deshalb ist das hier kritischer.
Gut
seeker hat geschrieben:
13. Jan 2019, 23:04
1. Die Anfangsbedingungen: Du kannst die korrekten Anfangsbedingungen immer nur in der Rückschau finden bzw. wählen, d.h. du kannst nicht prognostizieren.
Richtig, das ist auch nicht die Aufgabe. Ich bin darauf auch eingegangen.
seeker hat geschrieben:
13. Jan 2019, 23:04
2. Die Störungen des Systems durch den QM-Zufall: Modelliert werden sollen nicht alle QM-Systeme im VWI-Universum, sondern einzelne klassische Systeme mit ihren ganz eigenen geschichtlichen Pfaden.
Es gibt in diesem Bild keinen Zufall!

Das quantenmechanische System entwickelt sich streng deterministisch. Zu einem festen Zeitpunkt führe ich die oben skizzierte Identifizierung der biologischen bzw. lebenden Strukturen durch. Dazu führe ich die genannte Projektion auf Komponenten durch, in denen bestimmte Bedingungen zutreffen. Ob ich dann nur eine Komponente als tatsächlich realisiert annehme - oder alle im Sinne von Everett - ist eine Frage jenseits dieses Algorithmus. Ich kann auch klassische Systeme mit ihren eigenen geschichtlichen Pfaden betrachten, indem ich die oben skizzierte Identifizierung für beliebig kleine Zeitintervalle durchführe; wichtig ist nur, dass ich immer den jeweiligen nicht-projizierten Zustand in der Zeit weitpropagieren, nicht den zur Auswertung projizierten (das entspricht in etwa der Interpretation der consistent histories).
seeker hat geschrieben:
13. Jan 2019, 23:04
3. Die Bestimmbarkeit: Du kannst nicht unendlich genau messen und du kannst nicht alles messen und du kannst nicht störungsfrei messen und du kannst nicht isoliert messen.

4. Die Berechenbarkeit: Du kannst nicht unendlich genau rechnen. Und du kannst nicht alle Gleichungen analytisch lösen.
Ich messe nicht, ich rechne.

Ja, du hast recht, die Berechnung ist natürlich praktisch nicht mit hinreichender Genauigkeit möglich. Das ist jedoch für die Fragestellung der prinzipiellen Reduzibilität irrelevant.
seeker hat geschrieben:
13. Jan 2019, 23:04
5. Die Begriffe: Es wird auch hier nicht unbedingt scharf und eindeutig-vollständig klar, wie aus den verwendeten physikalischen Begriffen die Begriffe der Biologie hervorgehen sollen.
Das ist Aufgabe der Biologie. Wenn sie das nicht leisten kann, ist zumindest die praktische Irreduzibilität gezeigt. Evtl. stellt man auch fest, dass eine prinzipielle Irreduzibilität vorliegt.
seeker hat geschrieben:
13. Jan 2019, 23:04
Dieses Problem betrifft wohl hauptsächlich den menschlichen Intellekt, überfordert ihn bzw. wird seiner Natur/Funktionsweise nicht gerecht, vielleicht ist es aber sogar noch tiefgehender.
Wie ich oben mehrfach erwähnt habe, bin ich mir ziemlich sicher, dass es den menschlichen Intellekt betrifft. Wie gesagt, unter der Annahme, es handele sich dabei um einen Algorithmus, ist dieser Algorithmus beweisbar nicht in der Lage, sich selbst vollständig zu erfassen.
seeker hat geschrieben:
13. Jan 2019, 23:04
6. Der Erkenntnisgewinn: Es ist nicht klar, ob man das, was dabei herauskäme, verstehen können würde. Das hängt u.a. auch mit 5. zusammen.
Es geht überhaupt nicht um die praktische Durchführung sondern um die Formalisierung. Natürlich kann ich die Schrödingergleichung dafür nicht praktisch lösen, aber ich kann sie trivialerweise formulieren. Wenn ich in der Lage bin, alle weiteren benötigten biologischen Observablen quantenmechanisch zu formalisieren - s.o. - dann habe ich ein Programm, mittels dessen ich die Reduzibilität prinzipiell testen könnte. D.h. die Reduzibilität kann dann an zwei Punkten scheitern:
a) ich bin nicht dazu in der Lage, diese Formalisierung durchzuführen
b) der Test auf Basis der Formalisierung liefert einen Widerspruch zwischen Testergebnis und Biologie
(b) würde ein Indiz liefern, dass die Biologie neue Physik oder nicht-Physikalisches enthält

Generell liefert die Diskussion dieses Programms hoffentlich Klarheit, was prinzipielle Reduzibilität ist, wie man sie formulieren und testen kann. Außerdem zeigt es, dass - vor einem Test sowie ohne neue Physik - kein prinzipielles Problem mit dieser Art der Reduzibilität auf Ebene (1) existiert, sondern dass Irreduzibilität im wesentlichen auf Ebene (2) beschränkt ist.
Gruß
Tom

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Re: Instabilität

Beitrag von seeker » 14. Jan 2019, 18:26

tomS hat geschrieben:
14. Jan 2019, 14:58
1. Die Anfangsbedingungen: Du kannst die korrekten Anfangsbedingungen immer nur in der Rückschau finden bzw. wählen, d.h. du kannst nicht prognostizieren.
Richtig, das ist auch nicht die Aufgabe. Ich bin darauf auch eingegangen.
Was meinst du?
Das hier (?):
Bei Wahl „vernünftiger“ quantenmechanischer Anfangsbedingungen |ψ(0)> für das frühe System Sonne – Erde – Mond sollte dieses nach einigen Milliarden Jahren in |ψ(t)> auch sämtliche gemäß der Quantenmechanik zulässigen biologischen Strukturen enthalten.
Dann:
7. Du kannst die Anfangsbedingungen nicht im Voraus vernünftig wählen.

Allgemein geht vieles in deinem Programm nur in der Rückschau.
D.h. du kannst maximal herausfinden, was ein Lebewesen war, aber nicht was ein Lebewesen ist oder sein wird, womit du etwas nicht ganz angemessen erfassen kannst. Wesentlich für ein Lebewesen ist nicht sein Ist-Zustand, sondern seine prozesshafte Dynamik.
tomS hat geschrieben:
14. Jan 2019, 14:58
Es gibt in diesem Bild keinen Zufall!

Das quantenmechanische System entwickelt sich streng deterministisch. Zu einem festen Zeitpunkt führe ich die oben skizzierte Identifizierung der biologischen bzw. lebenden Strukturen durch. Dazu führe ich die genannte Projektion auf Komponenten durch, in denen bestimmte Bedingungen zutreffen. Ob ich dann nur eine Komponente als tatsächlich realisiert annehme - oder alle im Sinne von Everett - ist eine Frage jenseits dieses Algorithmus. Ich kann auch klassische Systeme mit ihren eigenen geschichtlichen Pfaden betrachten, indem ich die oben skizzierte Identifizierung für beliebig kleine Zeitintervalle durchführe; wichtig ist nur, dass ich immer den jeweiligen nicht-projizierten Zustand in der Zeit weitpropagieren, nicht den zur Auswertung projizierten (das entspricht in etwa der Interpretation der consistent histories).
Ich schrieb hier: "Diese Wahl der Geschichtlichkeit, die sozusagen die Systeme im Rückgriff selbst treffen, ist nicht vorausberechenbar. Und um diese Wahl treffen zu können muss man das System selbst sein. Die Wahl der Interpretation der QM spielt dabei keine Rolle."

Außerdem musst du das hier durchführen können:
tomS hat geschrieben:
13. Jan 2019, 18:12
Wie würde nun eine solche Extraktion aussehen? Nehmen wir an, wir wüssten im Sinne von (2) bereits, was wir in |ψ(t)> erwarten. Suchen wir z.B. eine Arterie. Welche formalen Kriterien bzw. Muster erwarten wir? Eine flexible Röhre mit einem bestimmten Querschnitt, aus dem richtigen Material, Stofftransport, den richtige Stoff, … ein geschlossenes System von Arterien und Venen, … eine kontinuierlich-gepulsten Stofftransport, … Ich denke, das läuft bereits für ein kurzes Stückchen Arterie auf hunderte von Kriterien hinaus. All diese Kriterien müssen erfüllt sein, und zwar nicht irgendwie einzeln, sondern im richtigen Zusammenhang, an den passenden Orten und natürlich in einem gigantischen Kontext weiterer Bedingungen für den gesamten Organismus und das gesamte Ökosystem.

Alle diese Kriterien müsste man als quantenmechanische Observable formulieren und diese in |ψ(t)> „suchen“. Bsp. Stofftransport: Man betrachte die Impulsstromdichte j(x), berechnet den Erwartungswert für den gefunden Zustand, d.h. <ψ(t| j(x) |ψ(t)> und sucht sämtliche räumliche und zeitlichen Muster, die man aus der Biologie kennt. Insbs. muss der Stofftransport innerhalb kleiner Kreise stattfinden und außerhalb verschwinden, wobei sich die Kreise zu einer Röhre zusammenfügen müssen.
Hier setzt du schon eine Reduzierbarkeit voraus, die erst noch zu zeigen ist. Damit ergibt sich ein Zirkel und man kann mit deinem Programm nicht im Voraus schon feststellen, ob die Reduzierbarkeit prinzipiell ginge oder nicht.
tomS hat geschrieben:
14. Jan 2019, 14:58
Ich messe nicht, ich rechne.
D.h., du setzt voraus, dass du alle notwendigen Informationen schon hättest, selbst wenn es unendlich viele wären.
Es ist unsicher, ob das nicht selbst für ein gottgleiches Überwesen eine unerfüllbare Forderung wäre.
Es gibt gute Gründe hier eine prinzipielle Grenze zu vermuten.
tomS hat geschrieben:
14. Jan 2019, 14:58
Generell liefert die Diskussion dieses Programms hoffentlich Klarheit, was prinzipielle Reduzibilität ist, wie man sie formulieren und testen kann.
... wie es ein Überwesen möglicherweise formulieren und testen könnte, das ja. Mehr nicht.
tomS hat geschrieben:
14. Jan 2019, 14:58
Außerdem zeigt es, dass - vor einem Test sowie ohne neue Physik - kein prinzipielles Problem mit dieser Art der Reduzibilität auf Ebene (1) existiert, sondern dass Irreduzibilität im wesentlichen auf Ebene (2) beschränkt ist.
Das zeigt es möglicherweise, aber leider nicht sicher.

Allgemein bringt uns das Ganze aus meiner Sicht leider nicht viel weiter, weil zu viele Vorausannahmen in dem Programm stecken, die nicht sichergestellt wahr sind.

Es ist dabei aus meiner Sicht aber dennoch mit hoher Wahrscheinlichkeit immer noch so:

Entweder ist die Welt vollständig kausal, dann müssen sich emergente Erscheinungen/Gesetze aus dem bewegten Zusammenspiel aus Naturgesetzen und Anfangsbedingungen prinzipiell ableiten oder sie ist es nicht, dann leiten sich sie sich prinzipiell aus dem bewegten Zusammenspiel aus Naturgesetzen und Anfangsbedingungen und Zufall ab.
Dies hat nichts mit der Erkennbarkeit oder Beschreibbarkeit durch uns zu tun. Und "ableiten" ist auch nicht unbedingt dasselbe wie "Reduzierbarkeit".
"Ableiten" kann auch "hervortreten" von etwas bedeuten, das schon im Anfang des Gesamt-Universums angelegt war.
Grüße
seeker


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Re: Instabilität

Beitrag von tomS » 14. Jan 2019, 23:01

seeker hat geschrieben:
14. Jan 2019, 18:26
1. Die Anfangsbedingungen: Du kannst die korrekten Anfangsbedingungen immer nur in der Rückschau finden bzw. wählen, d.h. du kannst nicht prognostizieren.
Was meinst du?
Das hier (?):
Bei Wahl „vernünftiger“ quantenmechanischer Anfangsbedingungen |ψ(0)> für das frühe System Sonne – Erde – Mond sollte dieses nach einigen Milliarden Jahren in |ψ(t)> auch sämtliche gemäß der Quantenmechanik zulässigen biologischen Strukturen enthalten.
Dann:
7. Du kannst die Anfangsbedingungen nicht im Voraus vernünftig wählen.
Es mag für dich unbefriedigend sein, aber das ist nicht das Problem der Reduzibilität. Natürlich kann ich testen, ob ich vernünftige Anfangsbedingungen gewählt habe, indem ich prüfe, ob sie den Endzustand genügend präzise reproduzieren.
seeker hat geschrieben:
14. Jan 2019, 18:26
Allgemein geht vieles in deinem Programm nur in der Rückschau.
D.h. du kannst maximal herausfinden, was ein Lebewesen war, aber nicht was ein Lebewesen ist oder sein wird, womit du etwas nicht ganz angemessen erfassen kannst. Wesentlich für ein Lebewesen ist nicht sein Ist-Zustand, sondern seine prozesshafte Dynamik.
Dynamik und deren Test habe ich konkret beschrieben.
seeker hat geschrieben:
14. Jan 2019, 18:26
tomS hat geschrieben:
14. Jan 2019, 14:58
Es gibt in diesem Bild keinen Zufall!

Das quantenmechanische System entwickelt sich streng deterministisch. Zu einem festen Zeitpunkt führe ich die oben skizzierte Identifizierung der biologischen bzw. lebenden Strukturen durch. Dazu führe ich die genannte Projektion auf Komponenten durch, in denen bestimmte Bedingungen zutreffen. Ob ich dann nur eine Komponente als tatsächlich realisiert annehme - oder alle im Sinne von Everett - ist eine Frage jenseits dieses Algorithmus. Ich kann auch klassische Systeme mit ihren eigenen geschichtlichen Pfaden betrachten, indem ich die oben skizzierte Identifizierung für beliebig kleine Zeitintervalle durchführe; wichtig ist nur, dass ich immer den jeweiligen nicht-projizierten Zustand in der Zeit weitpropagieren, nicht den zur Auswertung projizierten (das entspricht in etwa der Interpretation der consistent histories).
Ich schrieb hier: "Diese Wahl der Geschichtlichkeit, die sozusagen die Systeme im Rückgriff selbst treffen, ist nicht vorausberechenbar. Und um diese Wahl treffen zu können muss man das System selbst sein. Die Wahl der Interpretation der QM spielt dabei keine Rolle."

Außerdem musst du das hier durchführen können:
tomS hat geschrieben:
13. Jan 2019, 18:12
Wie würde nun eine solche Extraktion aussehen? Nehmen wir an, wir wüssten im Sinne von (2) bereits, was wir in |ψ(t)> erwarten. Suchen wir z.B. eine Arterie. Welche formalen Kriterien bzw. Muster erwarten wir? Eine flexible Röhre mit einem bestimmten Querschnitt, aus dem richtigen Material, Stofftransport, den richtige Stoff, … ein geschlossenes System von Arterien und Venen, … eine kontinuierlich-gepulsten Stofftransport, … Ich denke, das läuft bereits für ein kurzes Stückchen Arterie auf hunderte von Kriterien hinaus. All diese Kriterien müssen erfüllt sein, und zwar nicht irgendwie einzeln, sondern im richtigen Zusammenhang, an den passenden Orten und natürlich in einem gigantischen Kontext weiterer Bedingungen für den gesamten Organismus und das gesamte Ökosystem.

Alle diese Kriterien müsste man als quantenmechanische Observable formulieren und diese in |ψ(t)> „suchen“. Bsp. Stofftransport: Man betrachte die Impulsstromdichte j(x), berechnet den Erwartungswert für den gefunden Zustand, d.h. <ψ(t| j(x) |ψ(t)> und sucht sämtliche räumliche und zeitlichen Muster, die man aus der Biologie kennt. Insbs. muss der Stofftransport innerhalb kleiner Kreise stattfinden und außerhalb verschwinden, wobei sich die Kreise zu einer Röhre zusammenfügen müssen.
Hier setzt du schon eine Reduzierbarkeit voraus, die erst noch zu zeigen ist. Damit ergibt sich ein Zirkel und man kann mit deinem Programm nicht im Voraus schon feststellen, ob die Reduzierbarkeit prinzipiell ginge oder nicht.
Nein, ich setze die Reduzibilität gerade nicht voraus.

Die Reduzibilität enthält - wie ich oben aufgeführt habe - verschiedene Aspekte. Einer davon besteht darin, Kriterien für Leben, Organismen, Stoffwechsel, diverse weitere Prozesse zu formalisieren. Wenn dies nicht gelingt, ist die Reduzibilität an diesem Punkt gescheitert.

Nochmal: Reduzibilität sehe ich auf zwei Ebenen:
(1) zum einen kann ich fragen, ob die Quantenmechanik - nach den Gesetzen die wir kennen - biologische Strukturen und deren Dynamik hervorbringen kann
(2) und zum anderen kann ich fragen, ob wir diese Strukturen und Prozesse erkennen und verstehen können

Es kann durchaus sein, dass ersteres möglich ist, während letzteres scheitert. Wenn der von dir zuletzt kritisierte Punkt scheitert, dann bedeutet dies, dass wir nicht in der Lage sind, die Testkriterien für die Existenz lebender Organismen auf die Quantenmechanik zurückzuführen. Insofern scheitern wir (2) bei der Reduzibilität. Das bedeutet keineswegs, dass die Quantenmechanik bzgl. (1) scheitert - wir sind lediglich nicht in der Lage, das zu prüfen.

Meine ganze Überlegungen läuft darauf hinaus, dass die schlichte Behauptung „Biologie ist nicht auf Quantenmechanik reduzierbar“ überhaupt keine intrinsische Eigenschaft der Biologie ist, sondern eine Beschränkung unseres Verstandes, denn für sämtliche Aspekte, bei denen das Vorhaben der Reduzibilität möglicherweise scheitert, bringst du kein einziges Argument, das nicht auf unsere eigene Beschränktheit verweist.
seeker hat geschrieben:
14. Jan 2019, 18:26
tomS hat geschrieben:
14. Jan 2019, 14:58
Generell liefert die Diskussion dieses Programms hoffentlich Klarheit, was prinzipielle Reduzibilität ist, wie man sie formulieren und testen kann.
... wie es ein Überwesen möglicherweise formulieren und testen könnte, das ja. Mehr nicht.
Nein, genau darum geht es nicht.

Es geht nicht darum, dieses Programm in die Praxis umzusetzen, sondern darum, zu zeigen, dass alle Argumente gegen die Reduzibilität lediglich nur Argumente gegen die Durchführbarkeit dieses Programms sind. Die Schlussfolgerung lautet demnach nicht „Biologie ist nicht auf Quantenmechanik reduzierbar“ sondern „ein Programm zum Test der Reduzibilität ist von Menschen zwar konstruierbar, jedoch nicht praktisch durchführbar“. Damit erreiche ich mein Ziel, nämlich zu zeigen, dass eure Argumente pro Irreduzibilität lediglich Argumente contra Durchführung der Reduzibilität durch den Menschen sind. Sie sagen nichts bzgl. der Irreduzibilität an sich, lediglich, dass wir dazu nicht in der Lage sind.
seeker hat geschrieben:
14. Jan 2019, 18:26
tomS hat geschrieben:
14. Jan 2019, 14:58
Außerdem zeigt es, dass - vor einem Test sowie ohne neue Physik - kein prinzipielles Problem mit dieser Art der Reduzibilität auf Ebene (1) existiert, sondern dass Irreduzibilität im wesentlichen auf Ebene (2) beschränkt ist.
Das zeigt es möglicherweise, aber leider nicht sicher.

Allgemein bringt uns das Ganze aus meiner Sicht leider nicht viel weiter, weil zu viele Vorausannahmen in dem Programm stecken, die nicht sichergestellt wahr sind.
Es bringt uns sehr viel weiter, weil es im Gegensatz zum reinen Glauben an die Irreduzibilität ein konkreter Vorschlag ist, wie die von mir angenommene Reduzibilität getestet werden kann, in welcher Form sie scheitern kann, und welche Erkenntnisse für unserer eigene Beschränktheit oder die prinzipielle Irreduzibilität folgen. Und es zeigt, dass bisher keine logischen Argumente für die prinzipielle Irreduzibilität vorliegen, sondern lediglich Zweifel daran, ob die praktische Reduzierung von Biologie auf Physik von uns durchführbar ist.
seeker hat geschrieben:
14. Jan 2019, 18:26
Es ist dabei aus meiner Sicht aber dennoch mit hoher Wahrscheinlichkeit immer noch so:

Entweder ist die Welt vollständig kausal, dann müssen sich emergente Erscheinungen/Gesetze aus dem bewegten Zusammenspiel aus Naturgesetzen und Anfangsbedingungen prinzipiell ableiten oder sie ist es nicht, dann leiten sich sie sich prinzipiell aus dem bewegten Zusammenspiel aus Naturgesetzen und Anfangsbedingungen und Zufall ab.
Dies hat nichts mit der Erkennbarkeit oder Beschreibbarkeit durch uns zu tun. Und "ableiten" ist auch nicht unbedingt dasselbe wie "Reduzierbarkeit".
"Ableiten" kann auch "hervortreten" von etwas bedeuten, das schon im Anfang des Universums angelegt war.
Das verstehe ich nicht.

Meine Schlussfolgerung lautet weiterhin,
1) dass es prinzipiell möglich erscheint, dass biologische Systeme und Prozesse nicht qualitativ verschieden sind von physikalischen Prozessen,
2) dass wir Menschen jedoch zur praktischen Beschreibung und zum Verständnis andere, biologische Gesetze benötigen,
3) dass es uns jedoch aufgrund unserer praktischen Limitierung nicht gelingt, diese biologische Gesetze auf physikalische zurückzuführen
4) dass (3) lediglich ein Argument für unsere praktische Beschränkung darstellt, nicht für eine prinzipielle Andersartigkeit von Biologie und Physik.

D.h.
A) ich sehe bisher kein logisch stichhaltiges Argument pro prinzipielle Irreduzibilität, lediglich
B) contra praktische Reduzibilität aufgrund unserer menschlichen Limitierungen
Gruß
Tom

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Re: Instabilität

Beitrag von seeker » 15. Jan 2019, 01:37

Wie lautet deine eigentliche Frage?
Du bist auf die Reduzierbarkeit eingegangen, aber ich glaube, das ist nur ein Zwischenschritt.
Die eigentlich interessante Frage lautet aus meiner Sicht:

Ist das, was wir in komplexen Systemen erkennen, fundamental, ist es zumindest ein Hinweis auf 'neue Physik' oder ist es das nicht?

Ist das deine Frage?
tomS hat geschrieben:
14. Jan 2019, 23:01
Meine Schlussfolgerung lautet weiterhin,
1) dass es prinzipiell möglich erscheint, dass biologische Systeme und Prozesse nicht qualitativ verschieden sind von physikalischen Prozessen,
2) dass wir Menschen jedoch zur praktischen Beschreibung und zum Verständnis andere, biologische Gesetze benötigen,
3) dass es uns jedoch aufgrund unserer praktischen Limitierung nicht gelingt, diese biologische Gesetze auf physikalische zurückzuführen
4) dass (3) lediglich ein Argument für unsere praktische Beschränkung darstellt, nicht für eine prinzipielle Andersartigkeit von Biologie und Physik.
Meine Haltung dazu ist weiterhin:

1) Ja. Möglich erscheint vieles. Aber man weiß es eben nicht: Die prinzipielle Frage erscheint mindestens derzeit unbeantwortbar. Und jede Antwort, die wir darauf prinzipiell überhaupt finden können, wird immer perspektivabhängig* sein.
2) Ja, sicher, mindestens teilweise. Das sagt uns jedoch nichts über 1)
3) Ja, auch das ist sicher, dass es mindestens so ist. Auch das sagt nichts über 1)
4) Ja, zunächst. Auch das sagt nichts über 1)

Aus all dem folgt allerdings nicht, dass 1) tatsächlich der Fall ist. Und empirisch sehe ich bisher leider keine wirklichen Indizien, die das stützen würden - im Gegenteil, denn zwischen teilweiser Reduzierbarkeit (die niemand bestreitet) und vollständiger besteht ein erheblicher Unterschied.
Wenn ich vor die Wahl gestellt werde entweder der Empirie oder der Theorie den Vorzug geben zu müssen, dann entscheide ich selbst mich für die Empirie zum heutigen Stand.
Das ist aber nur meine pers. Einstellung, jeder darf da andere Präferenzen setzen. Aber darum geht es nicht, es geht darum, dass so lange sich an der empirischen Lage nichts ändert, alles hierzu Spekulation bleibt. Wir müssen einsehen: Wir wissen es alle nicht, keiner kann seine Position beweisen, noch für alle genügend stichhaltig stützen. Das liegt schon daran, dass die Perspektiven auf die Welt verschieden sind und keiner den Anspruch erheben darf, zu sagen, seine sei die allein richtige. Das wäre Unsinn. Was wir stattdessen bei komplexen Systemen brauchen ist fachübergreifende kommunikative Zusammenarbeit und Dialog.

*: Aus Perspektiven folgen immer Einschränkungen der Erkenntnisfähigkeit. Ich halte es nicht für zielführend bzw. verfehlt zu glauben oder daran festzuhalten, man könne auch nur prinzipiell wirklich alles unter nur einer Perspektive schon hinreichend gut beschreiben bzw. erklären, denn was 'hinreichend' ist, unterliegt ebenso der Perspektive. Das wäre eine m.E. ideologisch gefärbte Einstellung, zumindest ein Vorurteil. Den Wunsch danach kann ich dabei aus dem Wunsch nach Einheit heraus wiederum verstehen.
tomS hat geschrieben:
14. Jan 2019, 23:01
D.h.
A) ich sehe bisher kein logisch stichhaltiges Argument pro prinzipielle Irreduzibilität, lediglich
B) contra praktische Reduzibilität aufgrund unserer menschlichen Limitierungen
So weit waren wir schon: Keiner kann hier wirklich stichhaltige Argumente vorlegen. Auch du nicht, schon weil du zu viele Vorausannahmen in Kombination treffen musst, die nicht sichergestellt sind.
seeker hat geschrieben:7. Du kannst die Anfangsbedingungen nicht im Voraus vernünftig wählen.
tomS hat geschrieben:
14. Jan 2019, 23:01
Es mag für dich unbefriedigend sein, aber das ist nicht das Problem der Reduzibilität. Natürlich kann ich testen, ob ich vernünftige Anfangsbedingungen gewählt habe, indem ich prüfe, ob sie den Endzustand genügend präzise reproduzieren.
Das kannst du nur, wenn du hinterher auch positive Ergebnisse erhält. Ob das gelingen wird, kannst du aber im Voraus nicht wissen, nur hoffen, dass du zufällig einen Treffer landest. Also kannst du prinzipiell nur Rückschau machen, das ist eine Einschränkung.
Und was sind genügend präzise Endzustände bei solchen Systemen? Und: Es geht nicht um Zustände, es geht um Prozesse!
Und wenn die gesuchte Reduzierung -wenn überhaupt- nur in der dynamischen Kombination aus Anfangsbedingungen plus Naturgesetze zu finden ist (was ich für sicher halte)? Dann landest du notgedrungen teilweise in den Anfangsbedingungen und musst diese noch herleiten/reduzieren/erklären, um wirklich fertig zu werden.
tomS hat geschrieben:
14. Jan 2019, 23:01
Nein, ich setze die Reduzibilität gerade nicht voraus.

Die Reduzibilität enthält - wie ich oben aufgeführt habe - verschiedene Aspekte. Einer davon besteht darin, Kriterien für Leben, Organismen, Stoffwechsel, diverse weitere Prozesse zu formalisieren. Wenn dies nicht gelingt, ist die Reduzibilität an diesem Punkt gescheitert.
Eben! Ein Programm vorzuschlagen, das prinzipiell nicht gelingen kann, wäre sinnlos.
In deinem Programm gehst du schon reduktiv vor, indem du vorschlägst, das Leben als die Summe von einzelnen (quantenmechanischen) Kriterien zu formalisieren.
Also: Unter der Voraussetzung, dass dein Programm prinzipiell überhaupt gelingen können kann, muss das voraussetzbar sein, was du aber erst nach erfolgreichem Abschluss dieses Programms wissen kannst. Also weiß man im Voraus nicht, ob dein Programm sinnvoll ist.

Daher kannst du daraus nicht im Voraus schon schlussfolgern oder als Indiz werten ...
tomS hat geschrieben:
14. Jan 2019, 23:01
1) dass es prinzipiell möglich erscheint, dass biologische Systeme und Prozesse nicht qualitativ verschieden sind von physikalischen Prozessen,
... jedenfalls nicht verallgemeinernd für alle anderen, die vielleicht andere Perspektiven einnehmen und andere Vorausannahmen plausibler finden.
Prinzipiell möglich erscheinen kann dir das dennoch, aber nicht aus obigem Programm heraus begründet, weil das ein Zirkel ist:
Wenn das Programm Erfolg haben kann (bzw. hat), ist es sinnvoll. Wenn es sinnvoll ist, kann es Erfolg haben.

Dann:
tomS hat geschrieben:
14. Jan 2019, 23:01
Nochmal: Reduzibilität sehe ich auf zwei Ebenen:
(1) zum einen kann ich fragen, ob die Quantenmechanik - nach den Gesetzen die wir kennen - biologische Strukturen und deren Dynamik hervorbringen kann
(2) und zum anderen kann ich fragen, ob wir diese Strukturen und Prozesse erkennen und verstehen können
Ja.
Zu (1): Es ist sicher, dass die QM das nur in richtiger Kombination mit den passenden Anfangsbedingungen kann. Der Rest ist und bleibt kompliziert.
zu (2): Meine Einschätzung ist, dass wir das teilweise können und dass wir unter dieser Einschränkung, für möglichst vollumfassendes Verständnis, verschiedene Perspektiven benötigen.
tomS hat geschrieben:
14. Jan 2019, 23:01
Meine ganze Überlegungen läuft darauf hinaus, dass die schlichte Behauptung „Biologie ist nicht auf Quantenmechanik reduzierbar“ überhaupt keine intrinsische Eigenschaft der Biologie ist, sondern eine Beschränkung unseres Verstandes
Ja, das ist klar geworden. Und das ist möglich. Wir wissen es nur nicht. Und auch deine Überlegungen helfen uns aus diesem Unwissen nicht wirklich heraus. Deshalb meinte ich, dass es uns in der Hinsicht nicht wirklich viel weiter bringt. Etwas anderes wäre es, wenn du ein praktisch durchführbares Programm auf den Tisch legen könntest.

Ich wäre viel mehr dafür uns auf das zu konzentrieren was wir heute wissen und prüfen können.
Deshalb mein wiederholter Vorschlag uns auch einmal die Computersysteme anzuschauen, denn einiges an komplexen Systemen ist, so denke ich, durchaus sicher reduzierbar und so auch verstehbar (nur eben nicht alles). Und wo die Knackpunkte sind, versteht man m.E. am besten, wenn man konkret anschaut und versteht, wo sie nicht sind.
Grüße
seeker


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Re: Instabilität

Beitrag von tomS » 15. Jan 2019, 23:32

seeker hat geschrieben:
15. Jan 2019, 01:37
Wie lautet deine eigentliche Frage?
Du bist auf die Reduzierbarkeit eingegangen, aber ich glaube, das ist nur ein Zwischenschritt.
Die eigentlich interessante Frage lautet aus meiner Sicht:

Ist das, was wir in komplexen Systemen erkennen, fundamental, ist es zumindest ein Hinweis auf 'neue Physik' oder ist es das nicht?
Ich habe zunächst gar keine Frage.

Meine Aussage ziemlich zu Beginn war, dass es keine Hinweise gibt, dass die Biologie nicht vollständig kausal determiniert wäre, oder dass die Biologie prinzipiell nicht auf Physik und Chemie reduzibel wäre. Die bisherige Diskussion zeigt, dass - nach meinem Verständnis - lediglich praktische Argumente gegen die Reduzibilität angeführt werden können. Die weitere Diskussion hat dazu geführt, dass diese Aussage bzgl. der prinzipiellen Reduzibilität eine vernünftige Hypothese darstellt, die man anhand eines konkreten Programms kritisch überprüfen kann. Als Nebenprodukt erhält man auch Erkenntnisse bzgl. der praktischen Reduzibilität - wie diese anzugehen wäre, und wo sie nicht umsetzbar ist.
seeker hat geschrieben:
15. Jan 2019, 01:37
Aus all dem folgt allerdings nicht, dass 1) tatsächlich der Fall ist. Und empirisch sehe ich bisher leider keine wirklichen Indizien, die das stützen würden - im Gegenteil, denn zwischen teilweiser Reduzierbarkeit (die niemand bestreitet) und vollständiger besteht ein erheblicher Unterschied.
Wenn ich vor die Wahl gestellt werde entweder der Empirie oder der Theorie den Vorzug geben zu müssen, dann entscheide ich selbst mich für die Empirie zum heutigen Stand.
Du entscheidest dich für das Festhalten am Status Quo und explizit gegen eine kritische Prüfung meiner Hypothese bzgl. der Reduzibilität.

Das mag in meinem Fall ja OK sein, teilw. kommst du damit in der Physik nicht weiter. Oft bilden prinzipielle Überlegungen die Basis für rein praktischen Fortschritt.

Umgekehrt liefert Empirie = Beobachtung natürlich Leitplanken für Entwicklungen von Theorien oder Hypothesen, andererseits existieren aber prinzipielle Fragen, bei denen die Empirie nicht viel weiterhilft - Irreduzibilität ist so Fragestellung.
seeker hat geschrieben:
15. Jan 2019, 01:37
Aber darum geht es nicht, es geht darum, dass so lange sich an der empirischen Lage nichts ändert, alles hierzu Spekulation bleibt.
Nein. Ich habe ein Programm entworfen, mittels dessen eine logische Prüfung möglich ist, zumindest eine logische Widerlegung.

Empirie = Beobachtung wird dir nie sagen, ob eine Theorie auf eine andere zurückgeführt werden kann.
seeker hat geschrieben:
15. Jan 2019, 01:37
... keiner kann seine Position beweisen, noch für alle genügend stichhaltig stützen.
Nochmal: nach Popper geht es bei der kritischen Überprüfung einer Hypothese nicht um deren Beweis, sondern um deren Widerlegung. So ist mein Programm zu verstehen: man versucht, es zum Scheitern zu führen - oder man hält die Hypothese weiter aufrecht.
seeker hat geschrieben:
15. Jan 2019, 01:37
So weit waren wir schon: Keiner kann hier wirklich stichhaltige Argumente vorlegen. Auch du nicht, schon weil du zu viele Vorausannahmen in Kombination treffen musst, die nicht sichergestellt sind.
dito
seeker hat geschrieben:
15. Jan 2019, 01:37
In deinem Programm gehst du schon reduktiv vor, indem du vorschlägst, das Leben als die Summe von einzelnen (quantenmechanischen) Kriterien zu formalisieren.
Also: Unter der Voraussetzung, dass dein Programm prinzipiell überhaupt gelingen können kann, muss das voraussetzbar sein, was du aber erst nach erfolgreichem Abschluss dieses Programms wissen kannst. Also weiß man im Voraus nicht, ob dein Programm sinnvoll ist.
dito
seeker hat geschrieben:
15. Jan 2019, 01:37
Daher kannst du daraus nicht im Voraus schon schlussfolgern oder als Indiz werten ...
tomS hat geschrieben:
14. Jan 2019, 23:01
1) dass es prinzipiell möglich erscheint, dass biologische Systeme und Prozesse nicht qualitativ verschieden sind von physikalischen Prozessen,
... jedenfalls nicht verallgemeinernd für alle anderen, die vielleicht andere Perspektiven einnehmen und andere Vorausannahmen plausibler finden.
Meine Annahmen sind Annahmen, wie sie viele Physiker bzgl. ihrer Theorien treffen. Die Annahmen oder die darauf aufbauende Theorie können natürlich falsch sein.

Und wie auch immer, ihr dürft meine Annahmen gerne kritisieren, dann lernen wir, wo wir stehen. Oder ihr dürft andere Annahmen treffen, die wir dann kritisch prüfen können.
seeker hat geschrieben:
15. Jan 2019, 01:37
Prinzipiell möglich erscheinen kann dir das dennoch, aber nicht aus obigem Programm heraus begründet, weil das ein Zirkel ist:
Es geht auch nicht darum, diese Hypothese logisch zu begründen, sondern darum, sie
1) wie zig vergleichbare physikalische Hypothesen ernst zu nehmen
2) kritisch zu prüfen
seeker hat geschrieben:
15. Jan 2019, 01:37
tomS hat geschrieben:
14. Jan 2019, 23:01
Nochmal: Reduzibilität sehe ich auf zwei Ebenen:
(1) zum einen kann ich fragen, ob die Quantenmechanik - nach den Gesetzen die wir kennen - biologische Strukturen und deren Dynamik hervorbringen kann
(2) und zum anderen kann ich fragen, ob wir diese Strukturen und Prozesse erkennen und verstehen können
Ja.
Zu (1): Es ist sicher, dass die QM das nur in richtiger Kombination mit den passenden Anfangsbedingungen kann. Der Rest ist und bleibt kompliziert.
zu (2): Meine Einschätzung ist, dass wir das teilweise können und dass wir unter dieser Einschränkung, für möglichst vollumfassendes Verständnis, verschiedene Perspektiven benötigen.
Ich halte (1) für einen irrelevanten Nebenkriegsschauplatz. Die Festkörperphysik ist auf die QED reduzierbar, aber nur bei den passenden Anfangsbedingungen; andernfalls erhält man stattdessen z.B. eine Blume ;-)
seeker hat geschrieben:
15. Jan 2019, 01:37
tomS hat geschrieben:
14. Jan 2019, 23:01
Meine ganze Überlegungen läuft darauf hinaus, dass die schlichte Behauptung „Biologie ist nicht auf Quantenmechanik reduzierbar“ überhaupt keine intrinsische Eigenschaft der Biologie ist, sondern eine Beschränkung unseres Verstandes
Ja, das ist klar geworden. Und das ist möglich. Wir wissen es nur nicht. Und auch deine Überlegungen helfen uns aus diesem Unwissen nicht wirklich heraus. Deshalb meinte ich, dass es uns in der Hinsicht nicht wirklich viel weiter bringt. Etwas anderes wäre es, wenn du ein praktisch durchführbares Programm auf den Tisch legen könntest.
Ich denke, es hat uns weitergebracht.

Ich stelle prinzipielle Fragen, und ich suche prinzipielle Antworten. Praktische Durchführbarkeit ist sekundär. Weder die Gödelisiering noch die Turingmaschine sind praktisch relevant.
seeker hat geschrieben:
15. Jan 2019, 01:37
Ich wäre viel mehr dafür uns auf das zu konzentrieren was wir heute wissen und prüfen können.
Deshalb mein wiederholter Vorschlag uns auch einmal die Computersysteme anzuschauen, denn einiges an komplexen Systemen ist, so denke ich, durchaus sicher reduzierbar und so auch verstehbar (nur eben nicht alles). Und wo die Knackpunkte sind, versteht man m.E. am besten, wenn man konkret anschaut und versteht, wo sie nicht sind.
Gegen ein praktisches Vorhaben ist nichts einzuwenden, das könnte tatsächlich sinnvolle Erkenntnisse liefern.

Aber warum möchtest du das anhand von Computersystemen tun? Nach allem was ich sehe, sind nicht-lineare partielle Differentialgleichungssysteme besser geeignet - die dann auf den Computer gebracht werden?

Noch eine grundsätzliche Anmerkung: du scheinst ein tiefes Misstrauen gegen prinzipielle Diskussion zu haben. Damit gelangst du natürlich nie zu prinzipiellen Erkenntnissen. Prinzipielle Hypothesen bzw. Diskussionen haben zwei wesentliche Eigenschaften:
i) sie sind zwar teilweise mathematisch, jedoch nie physikalisch beweisbar; sie sind jedoch physikalisch widerlegbar
ii) sie liefern häufig eher no-go Resultate
Beides ist OK, insbs. auch letzteres. Ich halte es für eine großartige Erkenntnis, wenn wir sicher wissen, wie sich die Natur nicht verhält - siehe meine Argumente bzgl. Gehirn/Geist.
Gruß
Tom

Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab.
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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 16. Jan 2019, 09:42

tomS hat geschrieben:
15. Jan 2019, 23:32
Meine Aussage ziemlich zu Beginn war, dass es keine Hinweise gibt, dass die Biologie nicht vollständig kausal determiniert wäre, oder dass die Biologie prinzipiell nicht auf Physik und Chemie reduzibel wäre.
Und das konntest du nach meiner kritischen Prüfung eben nicht zeigen. Du konntest nur zeigen, dass wir bisher keine klaren prinzipiellen Beweise dazu liefern konnten. Und du konntest zeigen, dass aus deiner Perspektive heraus keine Hinweise vorliegen.
Mir ist dabei wichtig diese Perspektivabhängigkeit soweit es geht etwas aufzubrechen.

Was du zeigen konntest ist das:
tomS hat geschrieben:
15. Jan 2019, 23:32
dass diese Aussage bzgl. der prinzipiellen Reduzibilität eine vernünftige Hypothese darstellt, die man anhand eines konkreten Programms kritisch überprüfen kann. Als Nebenprodukt erhält man auch Erkenntnisse bzgl. der praktischen Reduzibilität - wie diese anzugehen wäre, und wo sie nicht umsetzbar ist.
Du konntest zeigen, dass unter den Grundannahmen, die du getroffen hast, uns zumindest kein direkt aufälliger logischer Widerspruch ins Auge stach, sondern nur Einschränkungen der Gültigkeit genannt werden konnten.
Du konntest aber nicht zeigen, dass Gegenpositionen keine vernünftige Hypothesen sind.
Und das ist mir wichtig festzuhalten.
tomS hat geschrieben:
15. Jan 2019, 23:32
Du entscheidest dich für das Festhalten am Status Quo und explizit gegen eine kritische Prüfung meiner Hypothese bzgl. der Reduzibilität.
Ganz und gar nicht, überhaupt nicht! Und was ist denn der Status Quo?
Im Gegenteil überkommt auch mich gerade dieser Eindruck bei dir, dass du am Status Quo "vollständige Reduzibilität" unter allen Umständen festhalten möchtest.
Hier liegt möglicherweise ein tiefes beidseitiges Missverstehen vor.
tomS hat geschrieben:
15. Jan 2019, 23:32
Das mag in meinem Fall ja OK sein, teilw. kommst du damit in der Physik nicht weiter. Oft bilden prinzipielle Überlegungen die Basis für rein praktischen Fortschritt.
Eben drum: Was man nicht ausschließen kann, muss man weiterverfolgen. Es steht hier aber nach wie vor prinzipiell mehr als EIN Weg zur Verfügung.
Darum geht es mir, ALL diese Wege weiterzuverfolgen.

Nochmal, grundsätzlich:
tomS hat geschrieben:
15. Jan 2019, 23:32
Ich halte es für eine großartige Erkenntnis, wenn wir sicher wissen, wie sich die Natur nicht verhält - siehe meine Argumente bzgl. Gehirn/Geist.
Grundsätzlich, ja, natürlich! Wenn du/wir das auch hier hättest zeigen können, dann wäre das ein großartiger Erfolg gewesen. Aber so war es nicht.
Und darauf weise ich hin.
tomS hat geschrieben:
15. Jan 2019, 23:32
Nochmal: nach Popper geht es bei der kritischen Überprüfung einer Hypothese nicht um deren Beweis, sondern um deren Widerlegung. So ist mein Programm zu verstehen: man versucht, es zum Scheitern zu führen - oder man hält die Hypothese weiter aufrecht.
Daraus folgt, dass deine metaphysikalische Hypothese weiter aufrecht erhalten werden kann. Das habe ich von Anfang an auch nie bestritten, schon vor der Vorstellung deines Programms nicht - im Gegenteil.
Daraus folgt aber nicht, dass man konträre Positionen nicht aufrecht erhalten kann.
Also sind wir an dem Punkt nicht wirklich weiter gekommen, insofern keine Entscheidung getroffen werden konnte.
tomS hat geschrieben:
15. Jan 2019, 23:32
Es geht auch nicht darum, diese Hypothese logisch zu begründen, sondern darum, sie
1) wie zig vergleichbare physikalische Hypothesen ernst zu nehmen
2) kritisch zu prüfen
Das tue ich doch!
tomS hat geschrieben:(1) zum einen kann ich fragen, ob die Quantenmechanik - nach den Gesetzen die wir kennen - biologische Strukturen und deren Dynamik hervorbringen kann
seeker hat geschrieben:Zu (1): Es ist sicher, dass die QM das nur in richtiger Kombination mit den passenden Anfangsbedingungen kann. Der Rest ist und bleibt kompliziert.
tomS hat geschrieben:
15. Jan 2019, 23:32
Ich halte (1) für einen irrelevanten Nebenkriegsschauplatz.
Und möglicherweise ist es so. Aber das ist nicht sicher! Das allein genügt mir eben schon, auch diesen Punkt ernst zu nehmen und für interessant und lohnend zu halten, ihn weiterzuverfolgen. Ich vermute genaugenommen sogar, dass es sich hier nicht um einen Nebenkriegsschauplatz handelt, sondern um einen ganz zentralen Punkt, wenn man im Verständnis vorankommen möchte. Einige Gründe dafür habe ich schon angegeben.
tomS hat geschrieben:
15. Jan 2019, 23:32
Oder ihr dürft andere Annahmen treffen, die wir dann kritisch prüfen können.
Du weißt ganz genau, was du da forderst, wenn du dazu aufforderst ein ein ähnliches aber konträres Programm aufzustellen. Du hattest es dabei leichter, denn du konntest dabei auf die letzten 400 Jahre zurückgreifen.
Aber das soll auch geschehen! Aber ob wir das hier leisten können...? Mit viel Einlesen, Arbeit und Glück und Mühe, können wir hier vielleicht Grundzüge eines Vorschlags angeben. Es gibt dafür prinzipiell zig Möglichkeiten. Vielleicht. Mal sehen...
tomS hat geschrieben:
15. Jan 2019, 23:32
Noch eine grundsätzliche Anmerkung: du scheinst ein tiefes Misstrauen gegen prinzipielle Diskussion zu haben. Damit gelangst du natürlich nie zu prinzipiellen Erkenntnissen.
Ich denke, da gehst du völlig fehl. Ich lege hierbei meinen Fokus nur immer auch gerne auf die Grenzen/Vorausannahmen bei solchen Dingen.
Denn dadurch lässt sich feststellen, als wie sicher das gewertet werden kann, was herauskommt, wenn etwas herauskommt.
Denn sonst gilt: "Prinzipiell ist prinzipiell alles möglich!"

Allgemein scheint mir, dass wir momentan nicht recht weiterkommen, die Diskussion fährt sich fest.
Mir scheint, wir wiederholen uns seit geraumer Zeit.
Grüße
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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 16. Jan 2019, 22:35

seeker hat geschrieben:
16. Jan 2019, 09:42
tomS hat geschrieben:
15. Jan 2019, 23:32
Meine Aussage ziemlich zu Beginn war, dass es keine Hinweise gibt, dass die Biologie nicht vollständig kausal determiniert wäre, oder dass die Biologie prinzipiell nicht auf Physik und Chemie reduzibel wäre.
Und das konntest du nach meiner kritischen Prüfung eben nicht zeigen. Du konntest nur zeigen, dass wir bisher keine klaren prinzipiellen Beweise dazu liefern konnten. Und du konntest zeigen, dass aus deiner Perspektive heraus keine Hinweise vorliegen.
Erstens will ich zunächst nichts zeigen, sondern “nur” eine Hypothese aufstellen, die wir kritisch prüfen können.

Und zweitens sage ich lediglich, “dass es keine Hinweise gibt, ... dass die Biologie prinzipiell nicht auf Physik und Chemie reduzibel wäre.” Und das muss ich nicht zeigen; ich sehe keine Hinweise für eine prinzipielle Irreduzibilität - und ihr habt auch keine genannt - lediglich Hinweise für praktische Irreduzibilität. Wenn du einen derartigen Hinweis auf prinzipielle Irreduzibilität nennen kannst, dann akzeptiere ihn gerne.

seeker hat geschrieben:
16. Jan 2019, 09:42
Du konntest zeigen, dass unter den Grundannahmen, die du getroffen hast, uns zumindest kein direkt aufälliger logischer Widerspruch ins Auge stach, sondern nur Einschränkungen der Gültigkeit genannt werden konnten.
Du konntest aber nicht zeigen, dass Gegenpositionen keine vernünftige Hypothesen sind.
Sorry, was ist den eure Gegenpositionen? Ich sehe hauptsächlich den Zirkelschluss, die Biologie sei irreduzibel, weil sie qualitativ verschieden sei ... Das ist noch keine sehr valide Gegenpositionen.

Wir benötigen diese Gegenpositionen aber auch nicht zwingend. Es genügt, meine Hypothese zu prüfen und zum Scheitern zu bringen. Das würde eure Position sofort stärken bzw. beweisen. Das ist für uns alle ausreichend, um voran zu kommen.

seeker hat geschrieben:
16. Jan 2019, 09:42
Im Gegenteil überkommt auch mich gerade dieser Eindruck bei dir, dass du am Status Quo "vollständige Reduzibilität" unter allen Umständen festhalten möchtest.
Ja, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: ich habe eine Hypothese aufgestellt; ich habe klargemacht, dass es sich um eine völlig normale physikalische Hypothese handelt; ich habe einen Weg aufgezeigt, wie man sie schrittweise - jedoch wohl nie vollständig - belegen kann; und ich habe mehrfach betont, dass man sie entlang dieses Weges auch widerlegen könnte.

Ich werde zumindest solange an meiner Hypothese festhalten, solange ihr nicht ernsthaft versucht, meinen Weg zum Scheitern zum führen.

seeker hat geschrieben:
16. Jan 2019, 09:42
Es steht hier aber nach wie vor prinzipiell mehr als EIN Weg zur Verfügung.
Darum geht es mir, ALL diese Wege weiterzuverfolgen.
Sorry, aber ich sehe hier ggw. nur einen Weg, nämlich meinen. Ich sehe von dir keinen eigenständigen Weg, lediglich eine Position.

Aber das macht nichts, weil du meinen Weg gehen und zum Scheitern bringen könntest. Damit wäre mein Weg auch sofort dein Weg.

seeker hat geschrieben:
16. Jan 2019, 09:42
Daraus folgt aber nicht, dass man konträre Positionen nicht aufrecht erhalten kann.
Also sind wir an dem Punkt nicht wirklich weiter gekommen, insofern keine Entscheidung getroffen werden konnte.
Nochmal: ich beharre nicht auf einer Position, sondern auf dem skizzierten Weg zur Bestätigung oder Widerlegung.

seeker hat geschrieben:
16. Jan 2019, 09:42
Du weißt ganz genau, was du da forderst, wenn du dazu aufforderst ein ein ähnliches aber konträres Programm aufzustellen. Du hattest es dabei leichter, denn du konntest dabei auf die letzten 400 Jahre zurückgreifen.
Ich denke, wir können mein Programm so formulieren, dass er uns beiden nützt.

Ihr habt es sogar leichter als ich. Mein Programm führt dann und nur dann zum Beweis der Reduzibilität, wenn man es vollständig umsetzen kann. Dies wird evtl. unmöglich sein, so dass ich zwar Indizien sammeln, jedoch keinen endgültigen Beweis erbringen kann - was meine Position stärken jedoch nicht beweisen kann. Mein Programm führt jedoch sofort zur Widerlegung der Reduzibilität, wenn ihr nur ein einziges Gegenbeispiel konstruieren könnt.
seeker hat geschrieben:
16. Jan 2019, 09:42
Allgemein scheint mir, dass wir momentan nicht recht weiterkommen, die Diskussion fährt sich fest.
Mir scheint, wir wiederholen uns seit geraumer Zeit.
Ja. Deswegen weise ich gerne nochmal darauf hin, dass mein Weg uns beiden dienen kann, und du evtl. gar keinen alternativen Ansatz benötigst.
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 17. Jan 2019, 00:15

Seufz... :?

Grundsätzlich: Wir sind hier klar im Bereich der Metaphysik.

Dein Vorgehen ist das hier, wie in dem Schaubild, im Prinzip ganz wie in der Mathematik:
https://de.wikipedia.org/wiki/Beweis_(Mathematik)

Richtig?

Nun gibt es zwei Möglichekiten:

1) Man untersucht, ob in der Kette ein direkter Fehler gefunden werden kann oder ein Reductio ad absurdum angegeben werden kann.
Wie schon gesagt, so etwas zu finden wäre natürlich das beste, ich konnte nur bisher keinen finden, zumindest nicht eindeutig identifizieren und nachweisen. (Den stärksten Angriffspunkt den ich dabei im Moment sehe, ist die Sache mit der Begrifflichkeit. Möchtest du darüber reden?)
Außerdem: Fände man dennoch einen, dann könnte man hier die Prämissen entsprechend anpassen und sich so immunisieren.
Ich meine: Immerhin würde ein Erfolg bei 1) womöglich den Reduktionismus an sich widerlegen, das haben größere schon lange vor uns versucht.
Ich halte den Reduktionismus bzw. reduktionistische Programme/Positionen, wenn sie sauber gestrickt sind, für prinzipiell nicht widerlegbar, genausowenig wie viele andere Positionen.

2) Man kann so etwas hier aber auch dadurch angreifen, indem man die Prämissen untersucht und auf Plausibilität und Sicherheit prüft.
Das habe ich getan, aber eine wirkliche Diskussion darüber kam aus meiner Sicht nicht zustande, weil du meiner Wahrnehmung nach auf 1) beharrst und dich auf 2) anscheinend nicht wirklich einlassen willst. Was willst du noch? Wie soll daraus eine gute Diskussion werden? Siehst du selbst einen möglichen Weg 1) zu erreichen? Können wir einmal ernsthaft über 2) reden?

Wenn nicht, sehe ich nicht, wie das an diesem Punkt noch weitergen soll, wohin das führen soll, das wird dann einfach nur noch ungut. Da hätte ich dann keine Lust drauf und würde mir lieber andere Aspekte zum Thema Komplexität noch anschauen, die ich spannend finde und die ich sowieso noch im Kopf habe.
Grüße
seeker


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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 17. Jan 2019, 00:38

seeker hat geschrieben:
17. Jan 2019, 00:15
Grundsätzlich: Wir sind hier klar im Bereich der Metaphysik.
Meiner Meinung nach eigtl. nicht. Ich möchte das nicht künstlich überhöhen.
seeker hat geschrieben:
17. Jan 2019, 00:15
Dein Vorgehen ist das hier, wie in dem Schaubild, im Prinzip ganz wie in der Mathematik:
https://de.wikipedia.org/wiki/Beweis_(Mathematik)

Richtig?
Auch, aber nicht nur.

Wenn ich behaupte, Biologie sei prinzipiell auf Physik reduzierbar, dann behaupte ich lediglich, dass biologische Entitäten wie Eigenschaften, Zustände, Prozesse und Phänomene auf physikalische Entitäten zurückgeführt werden können. Damit betreibe ich letztlich Physik, verwende ihre Methoden, respektiere ihre Grenzen etc.

All dies kann natürlich auch gegen mich verwendet werden, d.h. man kann meine These unter Verwendung physikalischer einschließlich mathematischer Methoden zu widerlegen versuchen:
i) die Reduktion scheitert, weil ein biologischer Sachverhalt sich der Übersetzung entzieht
ii) oder aber die begriffliche Reduktion funktioniert, jedoch führt eine experimentelle Überprüfen auf Widersprüche
iii) die Reduktion scheitert zumindest bzgl. der etablierten Physik
iv) ...
Nun muss man noch die prinzipielle von der praktischen Irreduzibilität unterscheiden.

Wir können ja als warm-up eine einfachere These betrachten: “die Thermodynamik ist auf die statistische Mechanik reduzierbar.”
seeker hat geschrieben:
17. Jan 2019, 00:15
1) Man untersucht, ob in der Kette ein direkter Fehler gefunden werden kann oder ein Reductio ad absurdum angegeben werden kann.
Ja, das wäre (i).
seeker hat geschrieben:
17. Jan 2019, 00:15
Den stärksten Angriffspunkt den ich dabei im Moment sehe, ist die Sache mit der Begrifflichkeit.
Wir können das gerne diskutieren, aber grundsätzlich ist es doch die Begrifflichkeit der Physik. Inwiefern sollte diese einen Angriffspunkt darstellen? Das müsste doch bereits an sich und one das Problem der Reduzibilität der Biologie ein Problem darstellen.
seeker hat geschrieben:
17. Jan 2019, 00:15
Fände man dennoch einen, dann könnte man hier die Prämissen entsprechend anpassen und sich so immunisieren.
Jein. Man kann und darf die Prämissen nicht beliebig verbiegen, sonst wird das Vorhaben unglaubwürdig. Aber das sehe ich erstmal nicht.
seeker hat geschrieben:
17. Jan 2019, 00:15
Ich meine: Immerhin würde ein Erfolg bei 1) womöglich den Reduktionismus an sich widerlegen, das haben größere schon lange vor uns versucht.
Physikalisch?
seeker hat geschrieben:
17. Jan 2019, 00:15
Ich halte den Reduktionismus bzw. reduktionistische Programme/Positionen, wenn sie sauber gestrickt sind, für prinzipiell nicht widerlegbar, genausowenig wie viele andere Positionen.
Dann wäre dies keine wissenschaftliche Hypothese, denn als solche muss sie widerlegbar sein.

Das ist aber ein interessanter Aspekt, denn genauso könnte auch die Position der Irreduzibilität gestrickt sein. Wenn dem so wäre, dann wäre das ganze tatsächlich Metaphysik, und evtl. sollte man das ganze damit beenden. Aber das sehe ich erstmal nicht.
seeker hat geschrieben:
17. Jan 2019, 00:15
2) Man kann so etwas hier aber auch dadurch angreifen, indem man die Prämissen untersucht und auf Plausibilität und Sicherheit prüft.
Das habe ich getan, aber eine wirkliche Diskussion darüber kam aus meiner Sicht nicht zustande, weil du meiner Wahrnehmung nach auf 1) beharrst und dich auf 2) anscheinend nicht wirklich einlassen willst.
Jein.

Wie gesagt, ich sehe das im engeren Sinne als physikalische These, deswegen sollten auch entsprechende Kriterien gelten.
seeker hat geschrieben:
17. Jan 2019, 00:15
Können wir einmal ernsthaft über 2) reden?
Wir können es gerne versuchen, aber wir sollten dabei im Rahmen der etablierten Naturwissenschaften bleiben. Sonst reden wir dann über etwas ganz anderes.
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 17. Jan 2019, 08:43

Insgesamt: Einverstanden!
tomS hat geschrieben:
17. Jan 2019, 00:38
Den stärksten Angriffspunkt den ich dabei im Moment sehe, ist die Sache mit der Begrifflichkeit.
Wir können das gerne diskutieren, aber grundsätzlich ist es doch die Begrifflichkeit der Physik. Inwiefern sollte diese einen Angriffspunkt darstellen? Das müsste doch bereits an sich und one das Problem der Reduzibilität der Biologie ein Problem darstellen.
Gut. Und ja!

Zum Einstieg möchte ich dich bitten dies hier durchzulesen und mir zu sagen was du davon hälst:
https://de.wikipedia.org/wiki/Definition#Karl_R._Popper

Ich verstehe das selbst noch nicht zur Gänze. Deshalb würde ich es gerne diskutieren, auch - falls Popper hier Recht hat - ob wir damit möglicherweise etwas anfangen können. Und bitte sei fair, versuche selbst u.a. auch mitzuhelfen 1) anzugreifen, lass uns Polarisierungen vermeiden, ich werde entsprechend u.a. auch versuchen 1) zu verteidigen. Aber hauptsächlich geht es mir bei diesem Einstieg darum zu verstehen was uns Popper da genau sagt.
Falls das zu umfangreich wird, können wir auch gerne einen eigenen Thread daraus machen.

Die anderen Punkte, die du zuletzt genannt hast, würde ich dann danach bearbeiten wollen.
Grüße
seeker


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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 17. Jan 2019, 10:34

Doch noch gleich ein weiterer Punkt, als Einschub:

Du gehst davon aus, dass wir uns hier nicht rein im Bereich der Metaphysik befinden.
tomS hat geschrieben:
17. Jan 2019, 00:38
Ich halte den Reduktionismus bzw. reduktionistische Programme/Positionen, wenn sie sauber gestrickt sind, für prinzipiell nicht widerlegbar, genausowenig wie viele andere Positionen.
Dann wäre dies keine wissenschaftliche Hypothese, denn als solche muss sie widerlegbar sein.

Das ist aber ein interessanter Aspekt, denn genauso könnte auch die Position der Irreduzibilität gestrickt sein. Wenn dem so wäre, dann wäre das ganze tatsächlich Metaphysik, und evtl. sollte man das ganze damit beenden. Aber das sehe ich erstmal nicht.
tomS hat geschrieben:
17. Jan 2019, 00:38
Wie gesagt, ich sehe das im engeren Sinne als physikalische These, deswegen sollten auch entsprechende Kriterien gelten.
Wir sollten das untersuchen.
Nach Popper gilt: "Ein empirisch-wissenschaftliches System muss an der Erfahrung scheitern können."

Nun sind wir mit deinem Programm zunächst auf der prinzipiellen Ebene. Wir müssen also nachweisen, dass es prinzipiell an der Erfahrung scheitern können kann, wenn wir nachweisen wollen, dass es sich nicht um reine Metaphysik handelt.

Wichtig scheint mir hier: Für eine Falsifikation reicht ein nicht-Befund nicht aus.* Es reicht nicht, "dass nichts dabei herausgekommen ist" bzw. "dass es prinzipiell möglich ist, dass nichts dabei herauskommt", es muss stattdessen prinzipiell einen positiven Befund geben können, der der Theorie bzw. dem Ansatz/Programm widerspricht bzw. dort nicht eingeordnet werden kann. Wo hälst du den für möglich? Kannst du ein Beispiel geben? Ich habe darüber nachgedacht, ich finde ihn nicht. Es reicht m.E. nicht aus, zu sagen: "Es ist prinzipiell möglich, dass der Biologe dabei versagt, die notwendigen exakten Angaben zu liefern." Denn daraus scheint mir, dass sich dann nur ein nicht-Befund ergibt.

*: Beispiel:
Wenn wir z.B. die Existenz von Tachyonen im Rahmen einer Theorie postulieren, dann reicht es für eine Falsifikation nicht aus (jedenfalls nicht vollständig), wenn wir in der empirischen Untersuchung keine Tachyonen nachweisen können, stattdessen muss man irgend etwas tatsächlich nachweisen (also positive Befunde beibringen), das der Theorie aus der sich Tachyonen ergeben widerspricht.
Grüße
seeker


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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von Skeltek » 17. Jan 2019, 12:23

Zu Definitionen und K.R.Popper: Die Bedeutung von Worten leitet sich aus den Zuammenhängen und Relationen dieser untereinander her. Eine Definition macht nur Sinn, wenn man darauf vertraut, daß der Gesprächspartner eine zumindest ähnliche Vorstellung der Bedeutung der Wörter hat, welche diese Zusammenhänge beschreiben. Manche verbinden unbewusst und auf elementarster Ebene das Wort 'gehen' mit der physischen Aktivität, manche verbinden es mit der Bewegung auf ein Ziel zu, manche haben am ehesten die Geschwindigkeit im Sinn (ähnlich wie der 1. Gang beim Auto) und andere assoziieren wieder eine andere Bedeutung. Es ist sinnlos eine Definition exakt festnageln zu wollen, da auch die beschreibenden Begriffe (wie 'gehen' in diesem Fall) eine nur schwammige Bedeutung haben, welche jeder Mensch individuel durch Kovarianzlernen gelernt hat dem Wort zuzuordnen.
Bei künstlichen neuronalen Netzen gibt beispielsweise bei Sprachübersetzern analog eine Zwischenschicht, welche die Übersetzung zunächst von der Bedeutung her zuordnet und danach erst aus der ungefähren Bedeutung die Umsetzung in die andere Sprache durchführt. So ist bei der Zwischenschicht die Bedeutung der verschiedenen Sprachen auch nur ungefähr im selben mehrdimensionalen Raum abgebildet und niemals exakt dieselbe. Selbst innerhalb derselben Sprache gibt es nur eine ungefähre Zuordnung zu einem Bereich, in welchem die möglichen Bedeutungen nah beieinander liegen.

Zur Emergenz: Es ist glaube ich grundsätzlich nicht mögich alle bereits (vorher) vorhandenen Eigenschaften eines Systems zu erfassen, indem man sich die Summe der Einzelteile anschaut. Ein Versuch oder Glaube, man könne durch die Einzelteile eine emergente Eigenschaft begründen oder herleiten, ist zum Scheitern verurteilt.
Das widerspricht (nebenbei bemerkt) irgendwie völlig dem Instinkt des Menschen die Ursachen, Ziele oder Sinn in etwas höherem zu suchen.
Die meisten Strukturen und Einzelteile bilden sich durch das Splitten, Aufteilen oder Fraktalisierung eines größeren Gebildes oder Zusammenhanges.

Beispiel: Der Drang vom Niederentropischen zum Höherentropischen war bereits da, die Lebewesen haben sich irgendwann entlang dieses relativ konstanten Potentialgefälles gebildet indem die Entropieumsetzung Strukturen herausgebildet hat. Dabei ist die derzeitige Evolution nur eine von vielen möglichen Ausprägungen der Entropieumsetzung. Man hätte am Anfang der Evolution nicht sagen können, was für Strukturen sich langfristig bilden bei dem Versuch, die Entropie umzusetzen. Es waren viele verschiedene Abläufe möglich (Vergleich: Erde und Mars), wobei dann irgendein möglicher Ablauf mit seinen Strukturen (wie z.B. Wasserkreislauf oder Lebewesen) emergiert ist.
Es bleibt nur zu zeigen, ob oder ob nicht man aus der Ausprägung durch die Einzelteile, die Ursache des ursprünglichen Potentialgefälles herleiten oder begründen kann. Möglicherweise macht auch die Frage keinerlei Sinn, nur wir erkennen es an dieser Stelle nicht.

Lässt sich ein größeres Gebilde in Einzelteile splitten und danach aus den Einzelteilen die Existenz und alle Eigenschaften des größeren Gebildes durch die Einzelteile herleiten? Ich sehe es eher so, dass die nachzuweisende emergente Eigenschaft eigentlich vorher schon da war - nur eben noch nicht emergiert bzw realisiert.
Biologie ist nach meiner Meinung nur eine von vielen möglichen Implementationen, das bereits vorher vorhandene Bestreben der Entropieumsetzung zu verwirklichen. Es ist möglicherweise unsinnig, Biologie oder Bewusstsein auf seine Einzelteile reduzieren zu wollen, da die Ursache für die emergierte Eigenschaft eher 'oben' in den makroskopischeren Zusammenhängen zu suchen ist, als in den Einzelteilen 'unten'.

Ob sich alle Eigenschaften eines Systems aus diesem heraus hereiten lassen können, hat Gödel ja bereits gezeigt. Die Ursachenkette für die Ausbildung von Strukturen ist eigentlich Top-Down, während die Auswahl der genauen Ausprägung der Strukturen Bottom-Up durch Kippen des Systems durch ein zufälliges Ereignis passiert.
Auch wenn irgendein Element des Einzelteile-Systems für das Kippen des Gesamtsystems in irgendeine Ausprägung hinein verantwortlich ist, kann denke ich die Existenz des ursprüngichen Potentials für das Ausprägen einer Eigenschaften nicht allein von den Einzelteilen selbst begründet werden.

Zusammengefasst:
1. Die Existenz einer noch nicht emergierten Eigenschaft ist aus dem System heraus durch Einzelteile nicht begründbar.
2. Die Einzelteile sind für die Auswahl einer Ausprägung der Eigenschaft verantwortlich, welche dann emergiert.
3. Welche Ausprägung emergiert ist oft nicht vorausseh- oder berechenbar.
(4. Voraussetzung für obige Annahmen ist, dass sich mikroskopischere Strukturen durch z. B. selbstverstärkende Fluktuationsschwankungen aus den makroskopischeren Strukturen heraus bilden. Top-Down-Ursachenkette)

Wobei beim Punkt 4 eben betont werden sollte, dass zwar die makroskopischeren Zusammenhänge zuerst da waren, aber die mikroskopischen Zusammenhänge für die Selektion eines Entwicklungsveraufs verantwortlich sind. Sowohl die makroskopischeren Zusammenhänge als auch die Anlage für die Emergenz einer zunächst latenten Eigenschaft sind bereits vor der Genese mikroskopischerer Strukturen vorhanden.
Die Reduzibilität oder Irreduzibilität einer Eigenschaft zu beweisen oder zu falsifizieren ist nicht für alle Eigenschaften eines Systems möglich, vor allem dann nicht, wenn die Ursache dieser nicht innerhalb der Systembestandteile liegt.
Wenn die Ursache für die emergente Eigenschaft durch die Bestandteile des Systems zustande kommt, so wäre eine Falsifikation oder ein Beweis durchaus denkbar. Falls die Systembestandteile als auch die noch nicht emergierte Eigenschaft dieselbe 'makroskopischere' Ursache haben, so sehe ich keine Möglichkeit, die Existenz der emergenten Eigenschaft heraus zu begründen (bzw den Grund ihrer Existenz in den Bestandteilen zu finden). Man kann höchstens ihre Existenz feststellen. Man kann beweisen oder belegen, wie es zu einer bestimmten Ausprägung der Eigenschaft kam, nicht jedoch, wieso diese überhaupt irreduzibel existiert.
Somit wäre die Irreduzibilität dadurch begründet, dass die Systembestandteile nicht die Ursache für die emergierte Eigenschaft sind, sondern beide lediglich eine gemeinsame Ursache haben.
Gödel für Dummies:
  • Unentscheidbarkeit - Dieser Satz ist wahr.
  • Unvollständig - Aussage A: Es existiert nur ein Element A.
  • Widersprüchlich - Dieser Satz ist falsch.

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 17. Jan 2019, 14:34

@seeker:

Man muss vorsichtig sein, dass man sich nicht in reine Sprachphilosophie und Semiotik verirrt, sondern dass man beim gesunden Menschenverstand bleibt. Popper ist da gewöhnlich ein Fan davon, der Wikipedia-.Artikel wird dem ganzen m.E. nicht gerecht.

Eine Anekdote von Feynman:

In the Graduate College dining room at Princeton everybody used to sit with his own group. I sat with the physicists, but after a bit I thought: It would be nice to see what the rest of the world is doing, so I'll sit for a week or two in each of the other groups.

When I sat with the philosophers I listened to them discuss very seriously a book called Process and Reality by Whitehead. They were using words in a funny way, and I couldn't quite understand what they were saying. Now I didn't want to interrupt them in their own conversation and keep asking them to explain something, and on the few occasions that I did, they'd try to explain it to me, but I still didn't get it. Finally they invited me to come to their seminar.

They had a seminar that was like, a class. It had been meeting once a week to discuss a new chapter out of Process and Reality - some guy would give a report on it and then there would be a discussion. I went to this seminar promising myself to keep my mouth shut, reminding myself that I didn't know anything about the subject, and I was going there just to watch.

What happened there was typical - so typical that it was unbelievable, but true. First of all, I sat there without saying anything, which is almost unbelievable, but also true. A student gave a report on the chapter to be studied that week. In it Whitehead kept using the words "essential object" in a particular technical way that presumably he had defined, but that I didn't understand.

After some discussion as to what "essential object" meant, the professor leading the seminar said something meant to clarify things and drew something that looked like lightning bolts on the blackboard. "Mr. Feynman," he said, "would you say an electron is an 'essential object'?"

Well, now I was in trouble. I admitted that I hadn't read the book, so I had no idea of what Whitehead meant by the phrase; I had only come to watch. "But," I said, "I'll try to answer the professor's question if you will first answer a question from me, so I can have a better idea of what 'essential object' means.

What I had intended to do was to find out whether they thought theoretical constructs were essential objects. The electron is a theory that we use; it is so useful in understanding the way nature works that we can almost call it real. I wanted to make the idea of a theory clear by analogy. In the case of the brick, my next question was going to be, "What about the inside of the brick?" - and I would then point out that no one has ever seen the inside of a brick. Every time you break the brick, you only see the surface. That the brick has an inside is a simple theory which helps us understand things better. The theory of electrons is analogous. So I began by asking, "Is a brick an essential object?"
Then the answers came out. One man stood up and said, "A brick as an individual, specific brick. That is what Whitehead means by an essential object."

Another man said, "No, it isn't the individual brick that is an essential object; it's the general character that all bricks have in common - their 'brickiness' - that is the essential object."
Another guy got up and said, "No, it's not in the bricks themselves. 'Essential object' means the idea in the mind that you get when you think of bricks." Another guy got up, and another and I tell you I have never heard such ingenious different ways of looking at a brick before. And, just like it should in all stories about philosophers, it ended up in complete chaos. In all their previous discussions they hadn't even asked themselves whether such a simple object as a brick, much less an electron is an "essential object."


Ich denke, Sinn und Bedeutung von Begriffen erschließen sich aus deren konsistenten Verwendung und sozusagen „gesundem Menschenverstand“. Insofern ist „Elektron“ ein Bündel von Bedeutungen, im Sinne von Phänomenen bzw. dahinter verorteten Ursachen, theoretischen Konzepten sowie Symbolen. Darüber herrscht in der Physik sozusagen Einigkeit.

Ich denke, ich muss evtl. meine Hypothese zusammen mit den zugrundeliegenden Annahmen nochmal präzise definieren. Dann sollten wir zu einem gemeinsamen Verständnis gelangen, so dass wir zwar nicht bzgl. des Wahrheitsgehaltes jedoch bzgl. der Bedeutung übereinstimmen.

Meine Hypothese umfasst dabei zwei Ebenen, nämlich 1) reale Eigenschaften, Vorgänge und Prozesse sowie 2) Gesetze, unsere Verständnis, der Sinn von Begriffen usw. Ich sehe das Problem insbs. bei der Ebene (2). Darüber hinaus muss man das Problem Gehirn/Geist sowie damit zusammenhängende Themen ausklammern; dass ich meine Hypothese darauf nicht ausweiten kann, habe ich mehrfach erklärt.

Wenn wir darüber ganz grob übereinstimmen, würde ich versuchen, meine Hypothese präzisiere zu formulieren. Anschließend sollten wir zu einem echten gemeinsamen Verständnis der Voraussetzungen sowie der Bedeutung der Hypothese kommen. Zuletzt könne wir dann diskutieren, in wie weit die Hypothese zutreffend ist.
Gruß
Tom

Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab.
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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 17. Jan 2019, 15:36

seeker hat geschrieben:
17. Jan 2019, 10:34
Du gehst davon aus, dass wir uns hier nicht rein im Bereich der Metaphysik befinden.
tomS hat geschrieben:
17. Jan 2019, 00:38
Ich halte den Reduktionismus bzw. reduktionistische Programme/Positionen, wenn sie sauber gestrickt sind, für prinzipiell nicht widerlegbar, genausowenig wie viele andere Positionen.
Dann wäre dies keine wissenschaftliche Hypothese, denn als solche muss sie widerlegbar sein.

Das ist aber ein interessanter Aspekt, denn genauso könnte auch die Position der Irreduzibilität gestrickt sein. Wenn dem so wäre, dann wäre das ganze tatsächlich Metaphysik, und evtl. sollte man das ganze damit beenden. Aber das sehe ich erstmal nicht.
tomS hat geschrieben:
17. Jan 2019, 00:38
Wie gesagt, ich sehe das im engeren Sinne als physikalische These, deswegen sollten auch entsprechende Kriterien gelten.
Wir sollten das untersuchen.
Nach Popper gilt: "Ein empirisch-wissenschaftliches System muss an der Erfahrung scheitern können."
Ja.
seeker hat geschrieben:
17. Jan 2019, 10:34
Nun sind wir mit deinem Programm zunächst auf der prinzipiellen Ebene. Wir müssen also nachweisen, dass es prinzipiell an der Erfahrung scheitern können kann, wenn wir nachweisen wollen, dass es sich nicht um reine Metaphysik handelt.
Evtl. können wir das recht einfach anhand einiger konkreter Beispiele des Scheiterns festmachen; ob prinzipiell oder praktisch bzw (1) oder (2) bliebe dann noch zu diskutieren.
- für einen biologischen Begriff existiert keine physikalische Entsprechung, oder wir können uns nicht auf eine Definition einigen
- bei der Reduktion geht - nach Meinung der Biologen - der wesentliche Sinn und Gehalt einer Aussage verloren
- eine physikalische Theorie macht experimentell widerlegbare Aussagen
seeker hat geschrieben:
17. Jan 2019, 10:34
Wichtig scheint mir hier: Für eine Falsifikation reicht ein nicht-Befund nicht aus.* Es reicht nicht, "dass nichts dabei herausgekommen ist" bzw. "dass es prinzipiell möglich ist, dass nichts dabei herauskommt", es muss stattdessen prinzipiell einen positiven Befund geben können, der der Theorie bzw. dem Ansatz/Programm widerspricht bzw. dort nicht eingeordnet werden kann.
Bin mir nicht sicher, ob ich das verstehe.
seeker hat geschrieben:
17. Jan 2019, 10:34
Kannst du ein Beispiel geben? Ich habe darüber nachgedacht, ich finde ihn nicht. Es reicht m.E. nicht aus, zu sagen: "Es ist prinzipiell möglich, dass der Biologe dabei versagt, die notwendigen exakten Angaben zu liefern." Denn daraus scheint mir, dass sich dann nur ein nicht-Befund ergibt.
Nehmen wir als konkretes Beispiel, dass eine im Augenwinkel wahrgenommene Bewegung zur Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf dieses Objekt und zu einer Ausweichbewegung führt. Ich denke, man kann dies rein physikalisch durch elektro-chemische Reizleitung usw. erklären; dabei sollte der Biologe helfen, und das wird wohl klappen. Das zeitgleiche Bewusstwerden "oh, ein Fußball" werden wir dagegen nicht reduktionistisch erklären können, da es die Ebene Gehirn/Geist tangiert, auf die sich meine Hypothese nicht erstreckt. Ich denke, dass es auf Ebene (1) eben gerade keine Widerlegung geben wird und dass dies im Zuge der Diskussion auch klar wird. Andernfalls hätten wir einen biologischen Begriff, der sich der physikalischen Repräsentation entzieht; nun können wir streiten, ob wir neue Physik benötigen, ob die Biologie hier einfach unpräzise ist, oder ob eben tatsächlich Irreduzibilität vorliegt etc. Das machen wir, wenn es soweit ist.

Gleichzeitig glaube ich, dass der Biologe mehr und mehr zum Eindruck gelangen wird, dass bei der Reduktion im Sinne von (1) die Bedeutung des Ganzen im Sinne von (2) verloren gehen wird, was keine Auswirkung auf (1) haben muss.
seeker hat geschrieben:
17. Jan 2019, 10:34
Wenn wir z.B. die Existenz von Tachyonen im Rahmen einer Theorie postulieren, dann reicht es für eine Falsifikation nicht aus (jedenfalls nicht vollständig), wenn wir in der empirischen Untersuchung keine Tachyonen nachweisen können, stattdessen muss man irgend etwas tatsächlich nachweisen (also positive Befunde beibringen), das der Theorie aus der sich Tachyonen ergeben widerspricht.
Wir müssen da nochmal scharf nachdenken.

Die Hypothese "Tachyonen existieren" wird durch keinerlei Indizien gestützt; eine Bestätigung wäre der konkrete Nachweis (d.h. statistisch signifikante Indizien); eine Widerlegung ist nicht abschließend möglich.

Die Hypothese "Biologie ist reduzibel" wird durch diverse Indizien gestützt; eine Bestätigung ist nicht abschließend möglich; eine Widerlegung wäre der konkrete Nachweis der Irreduzibilität eines biologische Begriffs.

Deswegen passt das nicht so ganz.
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 17. Jan 2019, 19:23

Hallo ATGC,
Toms Idee eines prinzipiellen Programms besagt (soweit ich das verstanden habe) ganz kurz gefasst folgendes:
(Tom, gerne kannst du mich berichtigen oder ergänzen, aber wir sollten das möglichst kurz und knapp darstellen. Den Originalbeitrag findet man hier: tomS » 13. Jan 2019, 18:12)

Wir nehmen einen vernünftigen Anfangszustand a, aus dem sich prinzipiell Leben entwickeln kann.
Dann verfolgen wir diesen Zustand rückblickend mithilfe der bekannten physikalischen Naturgesetze von einem (jetzigen) Zeitpunkt t bis zu a - und zwar in allen Variationen, die sich daraus prinzipiell ergeben können - Zufall hin oder her: Wirklich alle!
Daraus erhalten wir zunächst einen unüberschaubaren, aber vollständigen Wust von allen möglichen Entwicklungsfäden von a nach x.
Nun sortieren wir rückblickend alle Fäden aus, die nicht zu Leben geführt haben.
An der Stelle kommt der Biologe ins Spiel: Er muss dem Physiker in genaue Kriterien aufgelöst genau sagen, worauf zu achten ist, wonach unter "Leben" zu suchen ist. Der Physiker übersetzt das in einen Formalismus, mit dem er dann aussortiert.
Übrig bleiben nur die Fäden/Pfade, die Leben ergeben haben. Die sind dann aber vollständig formal erfasst.
Also ist das Leben formal erfasst und damit reduktiv erklärt.
Grüße
seeker


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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 17. Jan 2019, 19:49

Hallo Tom,

zu Popper:
Schöne Anekdote! :)
tomS hat geschrieben:
17. Jan 2019, 14:34
Man muss vorsichtig sein, dass man sich nicht in reine Sprachphilosophie und Semiotik verirrt, sondern dass man beim gesunden Menschenverstand bleibt. Popper ist da gewöhnlich ein Fan davon, der Wikipedia-.Artikel wird dem ganzen m.E. nicht gerecht.
Ja, da stimme ich zu. Wenn man in den Dschungel erst einmal hineingerät, findet man womöglich nicht mehr heraus...

Bei Popper stachen mir folgende Punkte ins Auge, die man -so denke ich- durchaus beachten kann, ohne sich zu verirren. Lass uns das nicht übergehen, sondern untersuchen:
Nicht durch die Definition wird die Anwendung eines Begriffes festgelegt, sondern die Verwendung des Begriffes legt das fest, was man seine ‚Definition‘ oder seine ‚Bedeutung‘ nennt. Anders ausgedrückt: Es gibt nur Gebrauchsdefinitionen.
...
Die Begriffe der empirischen Wissenschaft sind immer nur implizit definiert, und zwar durch die Sätze, in denen sie auftreten. Diese implizite Definition ist als solche nur eine logisch-formale; sie gibt den implizit definierten Termen keine bestimmte Bedeutung (implizit definierte Terme sind Variable). Eine „bestimmte Bedeutung“ und zwar eine empirische „Bedeutung“ erhalten die implizit definierten Terme erst durch den empirischen Gebrauch der Sätze, in denen sie auftreten.
...
„Die Grundsätze der Theorien (nichtempirischer wie empirischer) können als implizite Definitionen der auftretenden Grundbegriffe aufgefasst werden. Das ist für nichtempirische Theorien anerkannt; bei empirischen Theorien ist man jedoch meist der Meinung, dass die Grundbegriffe als nichtlogische Konstanten oder dergleichen aufzufassen sind und dass ihnen irgend etwas in der Wirklichkeit zugeordnet ist. Diese Auffassung ist in dieser Form unhaltbar (insbesondere die angegebene Auffassung von den Zuordnungsdefinitionen). Denn dass ein Grundbegriff seinem Gegenstand in der Wirklichkeit zugeordnet werden kann, würde besagen, dass Allgemeinbegriffe aufweisbare Gegenstände bezeichnen (das heißt die These ‚universalia sunt realia‘ in primitivster Form).
...
Der naive induktivistische Empirismus hält die Sätze für Abbildungen der Wirklichkeit. Er glaubt also, dass die Sätze das darstellen, was hier als „Tatsachen“ bezeichnet wird; und er übersieht also den Unterschied zwischen „Sachverhalt“ und „Tatsache“. Er hält nicht die Tatsachen, sondern die Sachverhalte für in irgendeinem Sinne „gegeben“ oder „beobachtbar“. Ein weniger naiver Standpunkt, der Sachverhalt und Tatsache unterscheidet, steht, wenn er induktivistisch vorgeht, vor dem Rätsel, wie sich aus den irrationalen Tatsachen die rationalen Sachverhalte abheben.
...
Für den Deduktivismus besteht hier keine grundsätzliche Schwierigkeit. Seine Theorienansätze sind durchweg rationale Konstruktionen. Dass ein Sachverhalt sich als rationales Teilmoment einer Tatsache erweist, bedeutet für ihn nichts anderes als die Möglichkeit, dass die Tatsachen rationalen Sachverhalten widersprechen können – anders ausgedrückt, und zwar biologisch-pragmatisch: dass Reaktionen sich als zweckmäßig und unzweckmäßig erweisen können.

„Die Grundsätze der Theorien (nichtempirischer wie empirischer) können als implizite Definitionen der auftretenden Grundbegriffe aufgefasst werden. Das ist für nichtempirische Theorien anerkannt; bei empirischen Theorien ist man jedoch meist der Meinung, dass die Grundbegriffe als nichtlogische Konstanten oder dergleichen aufzufassen sind und dass ihnen irgend etwas in der Wirklichkeit zugeordnet ist. Diese Auffassung ist in dieser Form unhaltbar (insbesondere die angegebene Auffassung von den Zuordnungsdefinitionen). Denn dass ein Grundbegriff seinem Gegenstand in der Wirklichkeit zugeordnet werden kann, würde besagen, dass Allgemeinbegriffe aufweisbare Gegenstände bezeichnen (das heißt die These ‚universalia sunt realia‘ in primitivster Form).

Die Sache verhält sich so, dass auch die Grundbegriffe der empirischen Wissenschaften implizit definiert sind. Die Zuordnung zur Wirklichkeit geschieht nicht für die Grundbegriffe, sondern für die Theorie als Ganzes, mit allen ihren Begriffen (dadurch, dass angegeben wird unter welchen Umständen sie als widerlegt anzusehen ist). Anders ausgedrückt: Die Zuordnung geschieht durch die Methode der Entscheidung über die besonderen Folgesätze der Theorie, durch Entscheidung über die abgeleiteten Prognosen, in denen die Grundbegriffe gar nicht mehr auftreten. (Die Zuordnung ist Anwendung der Theorie, ist Praxis, sie beruht auf praktischen Entschlüssen; – eine Bemerkung, die eine Auseinandersetzung des Unterschiedes der transzendentalen und der erkenntnispsychologischen Betrachtungsweise dringlich macht.).“
https://de.wikipedia.org/wiki/Definition#Karl_R._Popper

Die Frage, die mir dabei in den Kopf kam, war:
Wenn Popper Recht hat, dann scheint es so zu sein, dass die in deinem vorgeschlagenen Programm angenommene Übersetzung dessen was der Biologe in seinen Begriffen dem Physiker in dessen Begriffen für seine formale Auswahl mitteilen müsste in vollständiger Form prinzipiell unmöglich ist.

Was meinst du dazu? Wie siehst du das?

Den Rest, was du in diesem deinem Beitrag sagst, möchte ich der Übersichtlichkeit halber nur kurz kommentieren: OK! :)

P.S.: Sorry, dass ich den zweiten Faden zur Frage der Metaphysik gleichzeitig auch noch aufgemacht habe. Ich würde das im Moment noch kurz vermerken und zurückstellen wollen und später erst verfolgen, sonst wird es hier völlig unübersichtlich.
Gleiches gilt für deinen Beitrag Skeltek, der viele Dinge anspricht. Danke!
Grüße
seeker


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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von Skeltek » 17. Jan 2019, 21:55

Kurzer Zwischeneinschub einer Frage für spätere mögliche Diskussion, damit ich es später nicht vergesse:
Gibt es eine mathematische Norm, deren Berechnung durch Unschärfe der Bedingungen, fraktalförmige Anordnung seiner unendlichen Komponenten oder sonstigen Gründen nicht berechenbar, nicht nachweisbar oder nicht entscheidbar(bei Abbildung auf true/false) ist?
Ist auch eine Norm vorstellbar, welche prinzipiell nicht berechenbar ist, trotz Kenntniss einiger Unternormwerte?
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  • Unentscheidbarkeit - Dieser Satz ist wahr.
  • Unvollständig - Aussage A: Es existiert nur ein Element A.
  • Widersprüchlich - Dieser Satz ist falsch.

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 17. Jan 2019, 23:05

ATGC hat geschrieben:
17. Jan 2019, 20:45
Kurz: Nein, das überzeugt mich nicht.
Hallo ATGC,
ich bin da grundsätzlich auf deiner Seite. :beer:
Aber wir müssen es halt auch zu zeigen versuchen.
Das ist ja gerade das, wo ich die ganze Zeit dran bin. Aber wir müssen offen sein und uns zwingen neutral zu beurteilen.
Es ist z.B. auch möglich, dass das rein eine Beschränkung unserer Erkenntnis bzw. Beschreibungsfähigkeiten ist.
Grüße
seeker


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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 18. Jan 2019, 00:32

1)
seeker hat geschrieben:
17. Jan 2019, 19:23
Wir nehmen einen vernünftigen Anfangszustand a, aus dem sich prinzipiell Leben entwickeln kann.
Dann verfolgen wir diesen Zustand rückblickend mithilfe der bekannten physikalischen Naturgesetze von einem (jetzigen) Zeitpunkt t bis zu a - und zwar in allen Variationen, die sich daraus prinzipiell ergeben können.
Daraus erhalten wir zunächst einen unüberschaubaren, aber vollständigen Wust von allen möglichen Entwicklungsfäden von a nach x.
Nun sortieren wir rückblickend alle Fäden aus, die nicht zu Leben geführt haben.
Im wesentlichen ja, wobei - auch für die Quantenmechanik - bei der zeitlichen Entwicklung noch keine Ausdifferenzierung nach Entwicklungsfäden erfolgt.

2)
seeker hat geschrieben:
17. Jan 2019, 19:23
An der Stelle kommt der Biologe ins Spiel: Er muss dem Physiker in genaue Kriterien aufgelöst genau sagen, worauf zu achten ist, wonach unter "Leben" zu suchen ist. Der Physiker übersetzt das in einen Formalismus, mit dem er dann aussortiert.
Übrig bleiben nur die Fäden/Pfade, die Leben ergeben haben. Die sind dann aber vollständig formal erfasst.
Also ist das Leben formal erfasst und damit reduktiv erklärt.
Genau.
ATGC hat geschrieben:
17. Jan 2019, 20:45
Also ist das Leben formal erfasst und damit reduktiv erklärt.
Das sehe ich nicht so, denn die Organisation der Abläufe in einem Lebewesen wird damit überhaupt nicht erfasst. Diese lassen sich nicht auf Elementarteilchen reduzieren, sondern stellen eine eigene Klasse von Wechselwirkungen dar, die sich erst über die Entstehung von Organismen selbst in das Dasein rufen. Das heißt: Man kann vielleicht aus einer Zusammenstellung aller Teilchen des Systems Sonne-Erde-Mond die Prozesse modellieren, die sich innerhalb dieses Systems vollziehen mögen, aber das sind dann auch nur die Prozesse, die die physikalischen Grundlagen betreffen - meinetwegen bis hin zum Wasserkreislauf der Erde - aber nicht die Organisation von Prozessen, die das Leben ausmachen.

Kurz: Nein, das überzeugt mich nicht.
Die Frage ist, ob bzgl. (1) oder (2), wenn man das Programm durchführt. An welcher Stelle scheitert man, wie scheitert man, und welche Schlussfolgerung zieht man daraus. Man muss (1) und (2) als vernünftige und zunächst akzeptable sowie testbare Hypothesen formulieren, die man dann zum Scheitern führt.
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 18. Jan 2019, 00:36

seeker hat geschrieben:
17. Jan 2019, 19:49
Wenn Popper Recht hat, dann scheint es so zu sein, dass die in deinem vorgeschlagenen Programm angenommene Übersetzung dessen was der Biologe in seinen Begriffen dem Physiker in dessen Begriffen für seine formale Auswahl mitteilen müsste in vollständiger Form prinzipiell unmöglich ist.
Das sehe ich - zunächst - nicht.

Der Begriff Leben umfasst ja genügend Eigenschaften und Prozesse, die sicher reduzibel sind. Wenn, dann kann dies nur für eine Untermenge biologischer Begriffe gelten.

Dennoch Hinweis von meiner Seite: wenn - in diesem Sinne - Irreduzibilität vorliegt, dann widerspricht dies nicht meiner mehrfach geäußerten These:

Reduzibilität sehe ich auf zwei Ebenen:
1) zum einen kann ich fragen, ob die Physik biologische Strukturen und deren Dynamik hervorbringen kann
2) und zum anderen kann ich fragen, ob wir diese Strukturen und Prozesse erkennen und verstehen können

Es kann durchaus sein, dass (1) möglich ist, während (2) scheitert. Z.B. kann es sein, dass wir nicht in der Lage sind, die Testkriterien für die Existenz lebender Organismen physikalisch zu formulieren. Insofern scheitern wir bei (2). Das bedeutet keineswegs, dass die Physik bzgl. (1) scheitert - wir sind lediglich nicht in der Lage, das zu prüfen.

Meine ganze Überlegungen läuft darauf hinaus, dass die schlichte Behauptung „Biologie ist nicht auf Physik reduzierbar“ überhaupt keine intrinsische Eigenschaft der Biologie ist, sondern eine Beschränkung unseres Verstandes.

Wenn die Physik (Quantenmechanik) die Dynamik jedes einzelnen Teilchens (quantenmechanischen Objektes) vollständig, exakt und deterministisch beschreibt, dann gilt dies nach den Regekn der Quantenmechanik auch für makroskopische Systeme: jeder Zustand, jede Form - die letztlich einer Anordnung von Teilchen (Konfiguration quantenmechanischen Objekte) entspricht, jede physikalisch irgendwie messbare Eigenschaft, jeder Prozess - an dem Teilchen (quantenmechanischen Objekte) beteiligt, ... sind muss dann zwingend diesen Gesetzen folgen; die Quantenmechanik lässt schlichtweg keinen Spielraum. Dies entspricht der Reduzibilität im Sinne von (1), d.h. die Quantenmechanik bringt die biologischen Systeme vollständig hervor.

Irreduzibilität im Sinne von (2) besagt schlicht, dass wir nicht in der Lage sind, diesen Schritt so durchzuführen, dass wir genügend Kriterien physikalisch formalisieren können, so dass wir daraus unser Verständnis von Leben zurückgewinnen.
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 18. Jan 2019, 01:09

Hier ein präzise Axiomatisierung:

Quantenmechanik
  1. Die mathematische Repräsentation eines physikalisches Systems erfolgt mittels eines separablen Hilbertraumes
  2. Ein Zustand eines physikalischen Systems wird mittels einen normierten Vektor als Element dieses Hilbertraumes repräsentiert
  3. Die Zeitentwicklung eines isolierten Systems wird durch einen unitären Zeitentwicklungsoperator U(t) = exp[-iHt] repräsentiert; (C) ist vollständig äquivalent zur Schrödingergleichung mit den Hamiltonian H
  4. Eine beobachtbare Größe, d.h. eine Observable eines Systems, wird durch eine selbstadjungierten Operator repräsentiert, der auf die Zustandsvektoren wirkt
  5. Der Erwartungswert der Beobachtung einer Observablen an diesem System wird mittels des Erwartungswertwertes des selbstadjungierten Operators repräsentiert; das Vorliegen einer Eigenschaft wird mittels des entsprechenden Projektors = eines speziellen selbstadjungierten Operators repräsentiert
Biologie = testbare Hypothesen
  1. Die vollständige mathematische Repräsentation eines biologischen Systems sowie seiner vollständigen Dynamik erfolgt wie in (A - C)
  2. Biologische Begriffe werden als Klassen von Observablen mit entsprechenden selbstadjungierten Operatoren im Sinne von (D, E) repräsentiert
Die beiden Axiome adressieren direkt die beiden Fragen,
1) ob die Physik biologische Strukturen und deren Dynamik hervorbringen kann
2) ob und wie wir diese Strukturen und deren Dynamik erkennen und verstehen können

Meine oben diskutierte Meinung bzgl. der Reduzibilität im Sinne von (1) sowie der Irreduzibilität von (2) bedeutet, dass 1. prinzipiell zutrifft, dass wir jedoch nicht in der Lage sind, 2. praktisch durchzuführen = die relevanten biologischen Observablen als selbstadjungierte Operatoren zu modellieren (dies trifft zu, obwohl wir in der Lage sind, alle selbstadjungierten Operatoren des o.g. Systems zu konstruieren; wir scheitern also nicht an der Konstruktion an sich, wir scheitern daran, die relevanten Operatoren zu identifizieren).

Übertragen bedeutet dies, dass sich biologische System, ihre Strukturen und deren Prozesse nicht der prinzipiellen Zurückführung auf die Physik (Quantenmechanik) entziehen, sondern dass wir daran scheitern, unsere Begriffe bzgl. biologischer Systeme, ihren Strukturen und Prozessen und damit unser Verständnis der Biologie auf die Physik zurückzuführen.

@ATGC: ich hoffe, dass du deine ablehnende Haltung differenziert bzgl. (1) und (2) darstellen kannst.
Gruß
Tom

Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab.
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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 18. Jan 2019, 08:08

tomS hat geschrieben:
18. Jan 2019, 00:36
seeker hat geschrieben:Wenn Popper Recht hat, dann scheint es so zu sein, dass die in deinem vorgeschlagenen Programm angenommene Übersetzung dessen was der Biologe in seinen Begriffen dem Physiker in dessen Begriffen für seine formale Auswahl mitteilen müsste in vollständiger Form prinzipiell unmöglich ist.


Das sehe ich - zunächst - nicht.

Der Begriff Leben umfasst ja genügend Eigenschaften und Prozesse, die sicher reduzibel sind. Wenn, dann kann dies nur für eine Untermenge biologischer Begriffe gelten.
Ja, das wir keiner bestreiten. Aber dort gälte es dann. Entscheidend ist hier die Frage nach der Vollständigkeit.
tomS hat geschrieben:
18. Jan 2019, 00:36
Dennoch Hinweis von meiner Seite: wenn - in diesem Sinne - Irreduzibilität vorliegt, dann widerspricht dies nicht meiner mehrfach geäußerten These:
Selbstverständlich nicht.
Das ist nicht die Frage.
Die Frage lautet: Beweist es deine These oder stützt es deine These wenigstens?
tomS hat geschrieben:
18. Jan 2019, 00:36
Reduzibilität sehe ich auf zwei Ebenen:
1) zum einen kann ich fragen, ob die Physik biologische Strukturen und deren Dynamik hervorbringen kann
2) und zum anderen kann ich fragen, ob wir diese Strukturen und Prozesse erkennen und verstehen können
Ja. 1) ist die ontologische Frage nach dem Sein, was tatsächlich der Fall ist, 2) die Frage nach Erkenntnis und Beschreibung
Mich interessiert dabei dann auch noch der weitere Zusammenhang und ich komme dann noch auf Fragen 3) Die angewand-praktische und technische Frage und 4) Die gesellschaftliche Frage (muss man aber im Moment nicht besprechen).

Zu jeder Fragestellung 1) - 4) kann man aufschlüsseln:

a) Was ist der Fall bzw. kann alles der Fall sein?
b) Ist die Frage entscheidbar, können wir das sicher wissen?
c) Falls nein: Was sollen wir vernünftigerweise annehmen bzw. glauben? Was müssen wir annehmen, was können wir offen lassen?
d) Welche Folgen hat das?
tomS hat geschrieben:
18. Jan 2019, 00:36
Meine ganze Überlegungen läuft darauf hinaus, dass die schlichte Behauptung „Biologie ist nicht auf Physik reduzierbar“ überhaupt keine intrinsische Eigenschaft der Biologie ist, sondern eine Beschränkung unseres Verstandes.
Das ist mir klar.
Ich bin immer noch sicher, dass die Antwort lautet: Es ist nicht wirklich sicher wissbar!
Im Moment geht es m.E. dabei um die Details: Wie sicher wissbar ist es dennoch/immerhin?
tomS hat geschrieben:
18. Jan 2019, 00:36
Wenn die Physik (Quantenmechanik) die Dynamik jedes einzelnen Teilchens (quantenmechanischen Objektes) vollständig, exakt und deterministisch beschreibt, dann gilt dies nach den Regekn der Quantenmechanik auch für makroskopische Systeme: jeder Zustand, jede Form - die letztlich einer Anordnung von Teilchen (Konfiguration quantenmechanischen Objekte) entspricht, jede physikalisch irgendwie messbare Eigenschaft, jeder Prozess - an dem Teilchen (quantenmechanischen Objekte) beteiligt, ... sind muss dann zwingend diesen Gesetzen folgen; die Quantenmechanik lässt schlichtweg keinen Spielraum. Dies entspricht der Reduzibilität im Sinne von (1), d.h. die Quantenmechanik bringt die biologischen Systeme vollständig hervor.
Ich weiß. Und das ist ein starkes Argument. Jedoch ist diese Prämisse in dieser Schärfe ungesichert. Und es ist eine Perpektive (bzw. ein System), die insbsondere einige Begriffe in ihrem formalen Kern nicht enthält, die in anderen Perspektiven aber vorkommen, z.B. den Begriff "Bedeutung". Das ist m. E. ein zentrales Problem: Unübersetzbarkeit. Aus Unübersetzbarkeit folgt nun leider nicht nur 2), sondern auch Unwissen/Unsicherheit bezüglich 1).
tomS hat geschrieben:
18. Jan 2019, 00:32
Die Frage ist, ob bzgl. (1) oder (2), wenn man das Programm durchführt. An welcher Stelle scheitert man, wie scheitert man, und welche Schlussfolgerung zieht man daraus. Man muss (1) und (2) als vernünftige und zunächst akzeptable sowie testbare Hypothesen formulieren, die man dann zum Scheitern führt.
Ich habe ja schon versucht zu argumentieren, dass das Programm bezüglich 1) im empirischen Sinn nicht scheitern kann.
Jetzt muss ich doch den anderen Faden wieder aufnehmen:
tomS hat geschrieben:
17. Jan 2019, 15:36
Die Hypothese "Tachyonen existieren" wird durch keinerlei Indizien gestützt; eine Bestätigung wäre der konkrete Nachweis (d.h. statistisch signifikante Indizien); eine Widerlegung ist nicht abschließend möglich.

...

Deswegen passt das nicht so ganz.
Ja. Tachyonen sind auch nur ein Platzhalter x. Dann nehmen wir halt x = Strings. Vielleicht wird es dann klarer was ich meine.
tomS hat geschrieben:
18. Jan 2019, 00:32
Die Hypothese "Biologie ist reduzibel" wird durch diverse Indizien gestützt; eine Bestätigung ist nicht abschließend möglich; eine Widerlegung wäre der konkrete Nachweis der Irreduzibilität eines biologische Begriffs.
Ja. Meine These ist hier, dass weder eine Bestätigung noch eine Widerlegung möglich ist. Daraus folgt Unentscheidbarkeit von 1).
tomS hat geschrieben:
17. Jan 2019, 15:36
Ich denke, dass es auf Ebene (1) eben gerade keine Widerlegung geben wird und dass dies im Zuge der Diskussion auch klar wird. Andernfalls hätten wir einen biologischen Begriff, der sich der physikalischen Repräsentation entzieht; nun können wir streiten, ob wir neue Physik benötigen, ob die Biologie hier einfach unpräzise ist, oder ob eben tatsächlich Irreduzibilität vorliegt etc. Das machen wir, wenn es soweit ist.
Ja.
tomS hat geschrieben:
18. Jan 2019, 01:09
Hier ein präzise Axiomatisierung:
Ich denke, die Axiomatisierung hilft hier auch nicht weiter, weil:
Die Sache verhält sich so, dass auch die Grundbegriffe der empirischen Wissenschaften implizit definiert sind. Die Zuordnung zur Wirklichkeit geschieht nicht für die Grundbegriffe, sondern für die Theorie als Ganzes, mit allen ihren Begriffen (dadurch, dass angegeben wird unter welchen Umständen sie als widerlegt anzusehen ist). Anders ausgedrückt: Die Zuordnung geschieht durch die Methode der Entscheidung über die besonderen Folgesätze der Theorie, durch Entscheidung über die abgeleiteten Prognosen, in denen die Grundbegriffe gar nicht mehr auftreten.
Karl Popper

Und:
Der naive induktivistische Empirismus hält die Sätze für Abbildungen der Wirklichkeit. Er glaubt also, dass die Sätze das darstellen, was hier als „Tatsachen“ bezeichnet wird; und er übersieht also den Unterschied zwischen „Sachverhalt“ und „Tatsache“. Er hält nicht die Tatsachen, sondern die Sachverhalte für in irgendeinem Sinne „gegeben“ oder „beobachtbar“.
Karl Popper

D.h.: Dein Vorgehen bzw. dein Programm ist m.E. nicht mehr auf dem Boden der empirischen Wissenschaft "Physik", sondern befindet sich im Bereich der Metaphysik. Wir wissen, dass dort vieles unentschiedbar wird, so auch hier.

Noch konkret ein Gedanke (ich muss Schluss machen):

ATGC hat uns sehr schön gezeigt wie das mit dem Genom ist, dass man das nicht als "Shanonnschen Informationsspeicher" begreifen kann, weil in den Genen nicht vollständig festgelegt ist, welches Protein daraus jeweils gebaut wird. Das heißt aber m.E.: Das Gesamtsystem erzeugt hier schon so etwas wie 'Bedeutung', in jedem Einzelfall neu. Es ist, wie wenn ich ein Buch hätte in dem Handlungsanweisungen als Zeichen stehen, die aber bei jedem Ablesen zu unterschiedlichen Handlungen führen. Wo ist die Information? Sie ist nicht abtrennbar, verortbar, sie ist verschlungen im Gesamtsystem.
Es ist gar keine Information, es ist Bedeutung für das System im System.
So etwas ist m.E. sicher nicht reduktiv so abbildbar, dass dadurch unser Verständnis vermehrt wird. D.h.: Wir würden die Abbildung nicht besser verstehen als das Original. Dies betrifft zunächst "nur" 2), aber dort trifft es. 1) betrifft es indirekt wieder, weil es Unsicherheit im Wissen bezgl. 1) erzeugt.
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 18. Jan 2019, 10:44

Ich möchte noch etwas zum besseren Verständnis ergänzen:
tomS hat geschrieben:
18. Jan 2019, 01:09
Meine oben diskutierte Meinung bzgl. der Reduzibilität im Sinne von (1) sowie der Irreduzibilität von (2) bedeutet, dass 1. prinzipiell zutrifft, dass wir jedoch nicht in der Lage sind, 2. praktisch durchzuführen = die relevanten biologischen Observablen als selbstadjungierte Operatoren zu modellieren (dies trifft zu, obwohl wir in der Lage sind, alle selbstadjungierten Operatoren des o.g. Systems zu konstruieren; wir scheitern also nicht an der Konstruktion an sich, wir scheitern daran, die relevanten Operatoren zu identifizieren).

Übertragen bedeutet dies, dass sich biologische System, ihre Strukturen und deren Prozesse nicht der prinzipiellen Zurückführung auf die Physik (Quantenmechanik) entziehen, sondern dass wir daran scheitern, unsere Begriffe bzgl. biologischer Systeme, ihren Strukturen und Prozessen und damit unser Verständnis der Biologie auf die Physik zurückzuführen.
Ich halte das für eine vernünftige und logisch vertretbare Position, die aus einer bestimmten Perspektive auch schon fast zwingend ist.
Mir geht es allein darum zu zeigen, dass das nicht die einzig vernünftig mögliche Perspektive ist.
Schon deshalb, weil wir daran scheitern die dafür nötige ontologische Grundlage sicher entscheiden zu zu können.
Grüße
seeker


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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 18. Jan 2019, 16:09

ATGC hat geschrieben:
17. Jan 2019, 15:02
Das Programm scheitert meiner Meinung nach z.B. bei den Rückkopplungen, die den RNA-Nucleotid-Tripletts die "Bedeutung" für eine konkrete Aminosäure eines Peptids zuweisen, ...

Weiterhin scheitert das Programm meiner Meinung nach bei der biologischen Evolution, wo Selektionsdrücke den Verlauf der Evolution jeweils konkret von Zufallsprozessen abhängig machen, ...

Was sich [nicht] beschreiben lässt, sind meiner Meinung nach ... nicht die Prozesse, die in ihm ablaufen, so dass sich ein organisierter Ablauf ergibt, der die Autopoiesis bewirkt. Leben ist ... darüber hinaus auch organisierte Chemie.
Möchte ich gerne anhand meiner Axiomatisierung durchführen. Parallel muss ich mich jedoch in einige Themen einlesen.
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 18. Jan 2019, 16:29

Hallo seeker,

vielen Dank; schön, dass wir in vielen Bereichen Übereinstimmung bzw. zumindest Annäherung haben.

Einige wesentliche Punkte:
seeker hat geschrieben:
18. Jan 2019, 08:08
tomS hat geschrieben:
18. Jan 2019, 00:36
Wenn die Physik (Quantenmechanik) die Dynamik jedes einzelnen Teilchens (quantenmechanischen Objektes) vollständig, exakt und deterministisch beschreibt, dann gilt dies nach den Regekn der Quantenmechanik auch für makroskopische Systeme: jeder Zustand, jede Form - die letztlich einer Anordnung von Teilchen (Konfiguration quantenmechanischen Objekte) entspricht, jede physikalisch irgendwie messbare Eigenschaft, jeder Prozess - an dem Teilchen (quantenmechanischen Objekte) beteiligt, ... sind muss dann zwingend diesen Gesetzen folgen; die Quantenmechanik lässt schlichtweg keinen Spielraum. Dies entspricht der Reduzibilität im Sinne von (1), d.h. die Quantenmechanik bringt die biologischen Systeme vollständig hervor.
Ich weiß. Und das ist ein starkes Argument. Jedoch ist diese Prämisse in dieser Schärfe ungesichert. Und es ist eine Perpektive (bzw. ein System), die insbsondere einige Begriffe in ihrem formalen Kern nicht enthält, die in anderen Perspektiven aber vorkommen, z.B. den Begriff "Bedeutung". Das ist m. E. ein zentrales Problem: Unübersetzbarkeit. Aus Unübersetzbarkeit folgt nun leider nicht nur 2), sondern auch Unwissen/Unsicherheit bezüglich 1).
Du hast recht, und dennoch möchte ich das zunächst ausklammern. Siehe unten zur Metaphysik.

seeker hat geschrieben:
18. Jan 2019, 08:08
tomS hat geschrieben:
18. Jan 2019, 00:32
Die Frage ist, ob bzgl. (1) oder (2), wenn man das Programm durchführt. An welcher Stelle scheitert man, wie scheitert man, und welche Schlussfolgerung zieht man daraus. Man muss (1) und (2) als vernünftige und zunächst akzeptable sowie testbare Hypothesen formulieren, die man dann zum Scheitern führt.
Ich habe ja schon versucht zu argumentieren, dass das Programm bezüglich 1) im empirischen Sinn nicht scheitern kann.
Kannst du das nochmal darstellen?

Ich gehe konform, dass es wohl nicht praktisch scheitern kann, da es aus technischen Gründen kaum in genügender Tiefe umsetzbar ist. Ist es das, was du meinst? Oder noch etwas anderes?
seeker hat geschrieben:
18. Jan 2019, 08:08
tomS hat geschrieben:
18. Jan 2019, 01:09
Hier ein präzise Axiomatisierung:
Ich denke, die Axiomatisierung hilft hier auch nicht weiter, weil ... Karl Popper
Nichts gegen Popper, aber ... siehe unten.

seeker hat geschrieben:
18. Jan 2019, 08:08
D.h.: Dein Vorgehen bzw. dein Programm ist m.E. nicht mehr auf dem Boden der empirischen Wissenschaft "Physik", sondern befindet sich im Bereich der Metaphysik.
Ich denke, du definierst es so hin, meinerseits ist es das zunächst nicht.
seeker hat geschrieben:
18. Jan 2019, 10:44
tomS hat geschrieben:
18. Jan 2019, 01:09
Meine oben diskutierte Meinung bzgl. der Reduzibilität im Sinne von (1) sowie der Irreduzibilität von (2) bedeutet, dass 1. prinzipiell zutrifft, dass wir jedoch nicht in der Lage sind, 2. praktisch durchzuführen = die relevanten biologischen Observablen als selbstadjungierte Operatoren zu modellieren (dies trifft zu, obwohl wir in der Lage sind, alle selbstadjungierten Operatoren des o.g. Systems zu konstruieren; wir scheitern also nicht an der Konstruktion an sich, wir scheitern daran, die relevanten Operatoren zu identifizieren).

Übertragen bedeutet dies, dass sich biologische System, ihre Strukturen und deren Prozesse nicht der prinzipiellen Zurückführung auf die Physik (Quantenmechanik) entziehen, sondern dass wir daran scheitern, unsere Begriffe bzgl. biologischer Systeme, ihren Strukturen und Prozessen und damit unser Verständnis der Biologie auf die Physik zurückzuführen.
Ich halte das für eine vernünftige und logisch vertretbare Position, die aus einer bestimmten Perspektive auch schon fast zwingend ist.
Mir geht es allein darum zu zeigen, dass das nicht die einzig vernünftig mögliche Perspektive ist.
Schon deshalb, weil wir daran scheitern die dafür nötige ontologische Grundlage sicher entscheiden zu zu können.
Dass andere Perspektiven möglich sind, ist klar; aber deinen Einwand bzgl. Metaphysik, Ontologie und Axiomatisierung möchte ich zunächst mal ablehnen.

Ich möchte mein Programm = meine Axiomatisierung im Rahmen eines konventionellen Physikverständnisses durchführen bzw. prüfen. Ich möchte nicht die Physik an sich hinterfragen, sondern diese als solche akzeptieren. Ich weiß natürlich, dass dies eine bestimmte Perspektive und einen bestimmte Rahmen festlegt, der auch unpassend sein könnte.

Mein Argument, warum die Axiomatisierung zunächst tragfähig ist, ist schlichtweg folgende:

Diese Axiomatisierung ist im Rahmen eines konventionellen Physikverständnisses unumstritten; sie trägt auch für angewandte Physik, sicher für Teilbereiche der Chemie, wohl auch organische Chemie; warum soll ich dann nicht pragmatisch an die Sache herangehen und das Vorhaben auch für die Biologie auf dieser Basis bzgl. Vorgehensweise und Begrifflichkeiten präzisieren? Eine Prüfung der Reduzibilität der Physik der Supraleitung wäre anhand dieses Programms möglich. Eine Aussage, dieses Programm trage nicht für die Biologie, nimmt implizit nicht gesicherte Ergebnisse vorweg, die ich doch erst gewinnen muss; sie nimmt implizit von vorne herein, dass die Biologie qualitativ verschieden ist von der Physik, und dass das Programm deswegen nicht tragfähig sein kann.

Deswegen: erst Verständnis gewinnen, warum dies Programm für Teilbereiche der Physik funktioniert, anschließend Prüfung, ob - und wenn ja wo und warum - es für die Biologie nicht funktioniert, zuletzt Kritik am Programm selbst und Erweiterung bzw. Verschiebung des Fokus.
Gruß
Tom

Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab.
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