Sorry, aber das stimmt so nicht. Ich hatte das oben in einer Antwort geschrieben.seeker hat geschrieben: ↑5. Jan 2019, 13:57Hier scheint mir die Sache völlig klar und wir sollten leicht Einigkeit erreichen: Es geht nicht!2. Die erkenntnistheoretisch-beschreibende Frage:
Ist die Natur von uns wenigstens prinzipiell vollständig richtig formal beschreibbar?
Und damit -wenigstens im Prinzip- auch vollständig berechenbar und prognostizierbar?
Weder geht es in der QM-Welt noch geht es bei komplexen Systemen, weder messtechnisch noch rechnerisch.
Völlig exakte Beschreibungen und Vorhersagen sind eh unmöglich, ungefähre Vorhersagen sind über längere Zeiträume nur bei einfachen Systemen möglich. Genau dasselbe, wenn man den Blick rückwärts in die Zeit richtet.
Die Natur kann durchaus vollständig formalisierbar sein, ohne dass sie dadurch automatisch berechenbar und prognostizierbar sein müsste.
Z.B. könnte das heutige Universum eine universelle Turingmaschine sein, die auf Daten arbeitet, die einen bestimmten Algorithmus sowie bestimmte Anfangsbedingungen kodieren. Eine universelle Turingmaschine können wir problemlos konstruieren, ebenso wie sämtliche zulässige Algorithmen bis zu einer festen, jedoch beliebigen Länge. Damit ist das Universum von dieser Turingmaschine berechenbar - Schritt für Schritt, jedoch nicht mehr. Insbs. existiert für geeignete Algorithmen keine „Abkürzung“, d.h. man kann sicher nicht vorhersagen, wie sich das Universum verhalten wird; Universum ist selbst der effizienteste Algorithmus zur Berechnung seiner selbst. Darüberhinaus ist das Universum mittels Beobachtung innerhalb desselben nicht vollständig erkennbar, denn dazu wäre die vollständige Kenntnis aller Daten notwendig, die jedoch nicht als Teilmenge in den Daten enthalten sein kann. Dennoch könnte der grundlegende Mechanismus, nämlich dass überhaupt eine Turingmaschine vorliegt, geschlussfolgert werden.
Damit haben wir das Modell eines universellen, logisch in sich geschlossenen, vollständig formalisierten und vollständig deterministischen Universums, mit einer präzise definierten Struktur und Mikrokausalität, das wir als solches prinzipbedingt nicht erkennen können.
Ich bin keineswegs davon überzeugt, dass dieses Modell zutrifft, aber ich halte es gerade wegen all dieser Eigenschaften und seiner logischen Einfachheit für viel interessanter als irgendwelche nebulösen Konstrukte. Es ist nämlich einerseits präzise definiert, erscheint jedoch andererseits dennoch undurchschaubar und rätselhaft - ohne dass man letzteres noch dazudichten müsste - mehr Emergenz geht kaum: ⧉
Das kann so sein, muss aber nicht.seeker hat geschrieben: ↑5. Jan 2019, 13:57Dieser Punkt treibt mich auch sehr um, wenn ich sehe, was in der Welt so geschieht.3. Die gesellschaftliche Frage:
Welche Auswirkungen haben die gewählten Positionen in 1. und 2. auf unsere Gesellschaft, unser Handeln und unsere Zukunft?
Vielleicht täusche ich mich, mag sein, aber ich habe den Eindruck, dass dieses "vollkausale, vollberechenbare Weltbild", das aus der Physik herkommend in die Köpfe der Menschen dringt, eine gesellschaftlich schädliche Wirkung hat.
Ich bin mir nicht mehr sicher, ich denke, die folgende Argumentation stammt aus
http://www.schmidt-salomon.de/jvgub/home1.htm
Jenseits von Gut und Böse - Warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind
In einem rein physikalischen Weltbild sind sämtliche gesellschaftliche Einflüsse letztlich auf physikalische Prozesse zurückführbar. Prägung ist einerseits durch Genetik, anderseits durch Erziehung bedingt. Letzteres sind physikalische Einflussgrößen, die unsere Gehirnstruktur bestimmen. Dies spricht den Straftäter oder Terroristen zunächst von Schuld frei und verbietet jegliche Strafe im Sinne der Rache. Allerdings erfordert dieses Weltbild unmittelbar die Herstellung von positiven Einflussfaktoren sowohl präventiv in der Erziehung als auch rehabilitierend und wiedereingliedernd z.B. während des Strafvollzugs.
Natürlich erscheint das eine Zumutung zu sein - man denke an die Verbrechen der Nationalsozialisten oder des ISIS, für die man sich ganz spontan eine Strafe im Sinne von Rache wünscht. Andererseits könnte es schlichtweg wahr sein, und muss deswegen - egal welcher Philosophie oder Religion man anhängt - aus moralischen Gründen betrachtet werden, schon um auszuschließen, dass man einem unschuldigen Mörder (!) kein Unrecht antut. Das Leugnen eines derartigen materialistischen Weltbildes seitens diverser Richtungen der Philosophie ist unverzeihlich, vorurteilsbeladen und letztlich dumm: ⧉
Es ist sicher schwer, für dieses Weltbild Akzeptanz zu erhalten, es muss damit jedoch keine negativen Folgen haben, denn es fordert positive Anreize ja unmittelbar ein. Betrachtet man die Praxis, so verschiebt sich der Fokus automatisch auf das, was auch Ethiker, Juristen u.a. immer wieder fordern. Und es ist auch nicht negativer als ein Weltbild, in dem Gut und Böse moralische Qualia sind - die dann zu 9/11, Irak-Kriegen, Massakern des ISIS im Namen Gottes, zu Abu Ghraib, Guantanamo usw. führen.