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Wieder mal zum Anfang der Welt

Themen zur Kosmologie, Urknall, inflationärer Kosmologie, Expansion, Entwicklung und Zukunft des Universums
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Pippen
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Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von Pippen » 16. Jun 2017, 23:33

Viele kennen sicherlich das Problem: Die Welt muss einen Anfang haben, denn hätte sie keinen - reichte also ewig zurück in die Vergangenheit - dann könnte der jetzige Zeitpunkt nie erreicht werden, ganz so, wie niemand von den negativen ganzen Zahlen bis 0 zählen kann. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dieses Problem zu lösen. Man kann mit o.g. Argument behaupten, die Welt habe einen absoluten Anfang, man kann behaupten, wir können uns eine ewige Vergangenheit schlicht nicht korrekt denken, so dass sie vllt. für uns, aber nicht per se, unmöglich ist, man kann irgendwann für die Vergangenheit Kausalität leugnen oder irgendwelche zirkulären Modelle anbieten - die beiden letzteren Argumente verschieben das Problem freilich nur.

Was ist mit folgender Idee: Wir setzen einen Anfang A1 und gehen dann schrittweise immer weiter zurück, d.h. vor A1 setzen wir A2, dann A3, also die Folge An+1. Diese Folge des Zurücksetzens von Anfängen wäre bei einer ewigen Welt schlicht unendlich. Wir könnten sagen: Entweder bei einem An wäre Schluss oder es ginge immer so weiter. Beides wäre jetzt denkbar, denn wir hätten immer einen Anfang, der zur Gegenwart führt, wenn auch bei einer ewigen Welt unendliche viele solcher Anfänge. Man könnte die Folge sogar mit einer Uhr korrelieren, die schlicht jede Sekunde runterzählt (pro Sekunde gehen wir ein A zurück) und die nicht raumzeitgebunden zu denken wäre (sie wäre praktisch im Heute "eingefroren" zu denken trotz dessen sie immer weiter in die Vergangenheit reinzählt, auch über den Big Bang hinaus, sie wäre ja raumzeitungebunden) und die spannende Frage wäre dann: gäbe es irgendwann eine letzte/erste Sekunde?

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tomS
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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von tomS » 17. Jun 2017, 09:16

Pippen hat geschrieben:
16. Jun 2017, 23:33
Die Welt muss einen Anfang haben, denn hätte sie keinen - reichte also ewig zurück in die Vergangenheit - dann könnte der jetzige Zeitpunkt nie erreicht werden ...
Es gibt past-geodesically complete Lösungen der Einstein-Gleichungen, d.h. Modelle für Universen, in denen die Weltlinien aller Beobachter in die Vergangenheit zu unendlich fernen Eigenzeiten fortgesetzt werden können. D.h. diese Modelle sind möglich und denkbar, und man kann damit für einen Zeitpunkt "heute" vernünftige Physik betreiben.
Pippen hat geschrieben:
16. Jun 2017, 23:33
... ganz so, wie niemand von den negativen ganzen Zahlen bis 0 zählen kann.
Ich denke, das ist bereits der Kern des Problems. Die Zahl 1 existiert, obwohl ich die ganzen Zahlen zu beliebig negativen Zahlen fortsetzen kann, weil mich niemand zwingt, die 1 durch Abzählen ausgehend vom negativ Unendlichen zu definieren oder zu erreichen.
Pippen hat geschrieben:
16. Jun 2017, 23:33
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dieses Problem zu lösen.
Kein Physiker sieht darin ein Problem.
Pippen hat geschrieben:
16. Jun 2017, 23:33
... man kann mit o.g. Argument behaupten, die Welt habe einen absoluten Anfang ...
Wir können nicht einfach eine Behauptung aufstellen.
Pippen hat geschrieben:
16. Jun 2017, 23:33
... man kann behaupten, wir können uns eine ewige Vergangenheit schlicht nicht korrekt denken ...
Doch, können wir.
Pippen hat geschrieben:
16. Jun 2017, 23:33
... man kann irgendwann für die Vergangenheit Kausalität leugnen ...
Das wäre völlig willkürlich; niemand tut das.
Pippen hat geschrieben:
16. Jun 2017, 23:33
... oder irgendwelche zirkulären Modelle anbieten.
Wenn derartige Modelle diskutiert werden, dann als Konsequenz einer mathematischen Theorie, nicht als Postulat.

Nach allem was wir wissen ist ein Universum mit unendlich ferner Vergangenheit extrem künstlich. Vernünftige Modelle, die mit unseren Beobachtungen übereinstimmen, liefern einen Urknall in endlich ferner Vergangenheit. Die Erwartung ist, dass eine Theorie der Quantengravitation das Problem des Urknalls sowie die Entstehung der Zeit löst. Im von mir eröffneten Thread zu Hawking's und Vilenkin's Ideen wird die Möglichkeit von regulären Universen mit endlich ferner Vergangenheit jedoch ohne Urknall diskutiert.
Gruß
Tom

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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von Pippen » 17. Jun 2017, 13:04

tomS hat geschrieben:
17. Jun 2017, 09:16
Es gibt past-geodesically complete Lösungen der Einstein-Gleichungen, d.h. Modelle für Universen, in denen die Weltlinien aller Beobachter in die Vergangenheit zu unendlich fernen Eigenzeiten fortgesetzt werden können. D.h. diese Modelle sind möglich und denkbar, und man kann damit für einen Zeitpunkt "heute" vernünftige Physik betreiben.
Wie funktionieren diese Modelle? Das Problem unendlicher Vergangenheiten liegt darin, dass man nicht zur Gegenwart kommt, die aber augenscheinlich existiert. Das ist ein logisches Problen, kein physikalisches (wobei natürlich jedes logische Problem auch ein physikalisches ist). Man kann das auf die math. Aufgabe reduzieren/formalisieren, ob und wie die negativen Zahlen bis Null abzählbar sind. Eine solche Bijektion ist mE unmöglich, jedenfalls mit dem üblichen math. Werkzeug, weil sie keine Zahl als Startpunkt hat, von wo die Bijektion "losgehen" kann.

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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von tomS » 17. Jun 2017, 16:49

Zur physikalischen Modellbildung später.

Zur Bijektion: man bildet die Zahlen 0,1,-1,2,-2,3,-3,... auf 0,1,2,3,4,5,6,... ab; das ist trivial, für die physikalische Frage jedoch irrelevant.
Gruß
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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von Pippen » 17. Jun 2017, 17:49

tomS hat geschrieben:
17. Jun 2017, 16:49
Zur Bijektion: man bildet die Zahlen 0,1,-1,2,-2,3,-3,... auf 0,1,2,3,4,5,6,... ab; das ist trivial,
Es geht um die Abbildung nur der negativen Zahlen bis Null, also ..., -3, -2, -1, 0. Genau das simuliert nämlich eine ewige Vergangenheit, die in der Null als "Gegenwart" mündet. Mit normaler Hochsulmathematik dürfte da nix zu machen sein, evtl. ist das sogar total unlösbar. Dieses Problem muss dein o.g. Modell mitlösen, sonst schlägt es mE fehl oder löst die Frage nicht oder eine ganz Andere.

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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von tomS » 17. Jun 2017, 23:01

Die negativen Zahlen bis Null sind trivialerweise abzählbar: man bildet die Zahlen 0,-1,-2,-3,... auf 0,1,2,3,... ab; das ist für die physikalische Frage jedoch ebenfalls irrelevant.
Gruß
Tom

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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von seeker » 18. Jun 2017, 14:58

Pippen hat geschrieben:
16. Jun 2017, 23:33
Viele kennen sicherlich das Problem: Die Welt muss einen Anfang haben, denn hätte sie keinen - reichte also ewig zurück in die Vergangenheit - dann könnte der jetzige Zeitpunkt nie erreicht werden...
Dieses Problem ist offensichtlich kein Problem der Natur (denn sonst würden wir ja nicht existieren).
Es kann also überhaupt (falls überhaupt) nur ein Problem entweder in unserem logischen Denken oder in unseren wissenschaftlichen Modellbildungen existieren.
Man muss beides unterscheiden.
Innerhalb wiss. Modellbildungen existiert aus der dortigen pragmatischen Sicht kein Problem.
Innerhalb unserer Logik ist das Problem altbekannt und es wurde früher auch schon versucht einen Gottesbeweis daraus zu konstruieren.
Dieses logische Problem nun mathematisch lösen zu wollen, halte ich nicht für den richtigen Weg (denn dazu müsste man die Mathematik über die Logik stellen, das ist schwierig, Zirkel sind m.E. unvermeidbar).

Logische Auswege sind vorhanden, z.B. durch Qualitätsänderungen (aus Nicht-Zeit entsteht oder emergiert Zeit, einen Anfang für Nicht-Zeit setzen/erfragen zu wollen ist sinnlos) oder durch die Negation von Zeit (Zeit existiert real gar nicht, alle Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft existieren gleichermaßen/ewig) -> das Problem verschiebt sich dann zu der teiferliegenden Frage: "Warum ist dann überhaupt etwas und nicht Nichts?"
Grüße
seeker


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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von tomS » 18. Jun 2017, 15:13

Pippen hat geschrieben:
17. Jun 2017, 13:04
tomS hat geschrieben:
17. Jun 2017, 09:16
Es gibt past-geodesically complete Lösungen der Einstein-Gleichungen, d.h. Modelle für Universen, in denen die Weltlinien aller Beobachter in die Vergangenheit zu unendlich fernen Eigenzeiten fortgesetzt werden können. D.h. diese Modelle sind möglich und denkbar, und man kann damit für einen Zeitpunkt "heute" vernünftige Physik betreiben.
Wie funktionieren diese Modelle? Das Problem unendlicher Vergangenheiten liegt darin, dass man nicht zur Gegenwart kommt, die aber augenscheinlich existiert. Das ist ein logisches Problen, kein physikalisches.
Wenn man zuerst gedanklich einen Anfang setzt und anschließend logisch überlegt, wie man von einer unendlich fernen Vergangenheit zur Gegenwart gelangt, erscheint letzteres unter der zuerst getroffenen Annahme unlogisch. Wenn man umgekehrt zunächst gedanklich eine unendlich ferne Vergangenheit zulässt und anschließend logisch über einen Anfang nachdenkt, von dem aus man zur Gegenwart gelangt, erscheint wiederum letzteres unter der zuerst getroffenen Annahme unlogisch. D.h. dass etwas unlogisch erscheint ist insbs. vom Kontext abhängig.

Wenn (*) wir in einem Universum ohne Anfang leben, dann ist es logisch unsinnig, über einen Anfang für bzw. in diesem Universum nachzudenken.
(*) Nach allem was wir wissen, leben wir jedoch in einem Universum mit Anfang, d.h. mit Urknall oder einer geeigneten Verallgemeinerung im Rahmen einer Quantengravitation o.ä.

Das einfachste geodätisch vollständige Universum ist das (leere und damit langweilige) Minkowski-Universum (entsprechend der SRT). In diesem Universum sind die (mittels Poincare-Transformationen verbundenen) Minkowski-Koordinatenzeiten auch Eigenzeiten gedachten inertialer Beobachter, wobei diese Eigenzeiten ein zulässigen Wertebereich von ]-∞, +∞[ haben; d.h. alle Weltlinien beliebiger Beobachter sind geodätisch vollständig.

Es gibt weitere geodätisch vollständige Modelle, wobei wir nach Penrose und Hawking wissen, dass die Klasse der physikalisch relevanten Modelle mit Materie und Strahlung viele geodätisch unvollständige Universen enthält; geodätisch vollständige Modelle müssen gewisse Energiebedingungen verletzen.
Gruß
Tom

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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von ralfkannenberg » 19. Jun 2017, 09:31

Pippen hat geschrieben:
16. Jun 2017, 23:33
ganz so, wie niemand von den negativen ganzen Zahlen bis 0 zählen kann.
Hallo Pippen,

man darf bei solchen Analogien nicht pi mal Daumen argumentieren: selbstverständlich kannst Du jede beliebige negative ganze Zahl zur Null hinaufzählen !

Du nimmst also den Topf mit allen negativen Zahlen, ziehst eine beliebige daraus heraus und ich zeige Dir, wie man die zur Null hinaufzählt.

Also das brauche ich Dir gar nicht zu zeigen, das kann ich Dir auch allgemein angeben: sei z diese beliebige negative Zahl, dann brauchst Du nur |z| mal den Nachfolgeoperator anzuwenden, dann bist Du bei der 0.

Was ich sagen will: die Wortwahl "von den negativen ganzen Zahlen bis 0 zählen" ist irreführend und als sprachliche Analogie ungeeignet. Du willst ja auf etwas völlig anderes hinaus, nämlich von "-oo" per Nachfolgeoperator die 0 erreichen, und das geht tatsächlich nicht. Das hängt aber damit zusammen, dass "-oo" als "Zahl" gar nicht definiert ist, sondern Du die negativen Zahlen dazu "missbrauchst", einen nicht-konvergenten Grenzwert lim {n in IN}(-n) einzuführen; insbesondere ist "-oo" auch keine ganze Zahl und auch keine negative Zahl. Ebensowenig wie die 0 eine positive Zahl ist. Wenn Du "-oo" irgendwie charakterisieren möchtest, dann nicht als "negative Zahl mit maximalem Absolutbetrag", denn eine solche gibt es nicht, sondern eher als "Neutralelement" des Nachfolgeoperators. Um so argumentieren zu können musst Du aber weitere Axiome fordern !


Wenn Du also irgendwie das Unendliche hineinbringen willst, dann reicht eine simple sprachliche Analogie nicht aus.


Freundliche Grüsse, Ralf


Nachsatz von der Forenmoderation entfernt

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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von Pippen » 24. Jun 2017, 00:39

tomS hat geschrieben:
17. Jun 2017, 23:01
Die negativen Zahlen bis Null sind trivialerweise abzählbar: man bildet die Zahlen 0,-1,-2,-3,... auf 0,1,2,3,... ab; das ist für die physikalische Frage jedoch ebenfalls irrelevant.
Das ist eine Abzählung von Null, nicht bis Null! Wir brauchen eine Abzählung der Art: ..., -3, -2, -1, 0 und zwar genau in dieser Richtung. Null stünde für die sicher existente Gegenwart, jede negative Zahl stünde für eine Ursache bzw. Bedingung des Nachfolgers und jede Abzählung für die Realisation der jeweiligen Ursache/Bedingung und den weiteren Schritt zum Nachfolger.

Jetzt kommen zwei Schocker: Wir wissen ja (durch unsere Existenz in der Gegenwart, für welche die Null steht), dass die Aufzählung der o.g. Folge funktioniert. Dann folgt, 1., dass es etwas außerhalb unserer Folge geben muss (Abzählungsvorschrift) und 2. dass es in dieser Folge nicht unendlich viele negative Zahlen geben kann. Übersetzt: Unser Universum ist raumzeitlich nicht unbegrenzt (und damit im Falle seiner Flachheit nicht unendlich) und muss in irgendwas Höheres eingebettet sein! Damit wären Multiversen stichhaltig und nicht nur via statistischem Feinabstimmungsargument bewiesen! :shock:

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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von tomS » 24. Jun 2017, 08:20

Deine Argumentation lautet verkürzt wie folgt: weil wir jetzt in der Gegenwart existieren, und weil diese Gegenwart aus der Vergangenheit erreicht worden ist, kann die Vergangenheit nicht unendlich sein.

Die Argumentation ist m.E. genauso irrelevant wie Zenons Paradoxon mit Achill und Schildkröte.

Du interpretierst den zweiten Teil deines Satzes implizit als "und weil dies Gegenwart aus der Vergangenheit in endlicher Zeit erreicht worden ist ...". Das ist logisch nicht notwendig; es entspringt lediglich deiner Vorstellung.

Siehe auch meine obige Argumentation:
tomS hat geschrieben:
18. Jun 2017, 15:13
Wenn man zuerst gedanklich einen Anfang setzt und anschließend logisch überlegt, wie man von einer unendlich fernen Vergangenheit zur Gegenwart gelangt, erscheint letzteres unter der zuerst getroffenen Annahme unlogisch. Wenn man umgekehrt zunächst gedanklich eine unendlich ferne Vergangenheit zulässt und anschließend logisch über einen Anfang nachdenkt, von dem aus man zur Gegenwart gelangt, erscheint wiederum letzteres unter der zuerst getroffenen Annahme unlogisch.
Was spricht logisch gegen das flache Minkowski-Universum als einfachste Lösung der ART? In diesem Universum reicht die Zeit bis in die unendlich ferne Vergangenheit. Zu jedem Zeitpunkt, zu jedem Ereignis und zu jeder Beobachtung lässt sich eine Vergangenheit finden. Wenn du deine Forderung "und weil dies Gegenwart aus der Vergangenheit erreicht in endlicher Zeit erreicht worden ist ..." fallen lässt, dann ist dieses Weltmodell wunderbar logisch konsistent. Es handelt sich also um deine Forderung, die im Kontext dieses Weltmodells problematisch bzw. nicht mit ihm verträglich ist. Deine Forderung alleine, jedoch auch das Weltmodell für sich genommen sind logisch (letzteres auch mathematisch) konsistent
Gruß
Tom

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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von Pippen » 24. Jun 2017, 11:12

tomS hat geschrieben:
24. Jun 2017, 08:20
Wenn du deine Forderung "und weil dies Gegenwart aus der Vergangenheit erreicht in endlicher Zeit erreicht worden ist ..." fallen lässt,
Das geht nicht, da bekommst du sofort Widersprüche. Wie soll ein Zeitpunkt erreicht werden, wenn vorher unendlich viele Zeitpunkte durchlaufen werden müssen? Bei Zenons Schildkröte war die Pointe, dass die unendliche Reihe eine endliche Summe hatte, das passiert hier nicht, weil's hier nicht um Infinitesimales geht (und wenn dann liefe das schlicht auf einen Anfang der Welt hinaus). Du hast die folgende Kette: Gegenwart <- Ursache <- Ursache <- Ursache <- ... und jede Ursache der Kette muss einmal der Fall sein, damit sie den Nachfolger bewirken kann und wir so schließlich zur Gegenwart kommen. Diese Kette muss einen Anfang haben, dieser Anfang kann keine normale Ursache sein und die Kette muss irgendwo eingebettet sein, sie kann sich nicht selbst erhalten. Diese Überlegungen gelten mE a priori für jedes physikalische Modell.

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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von Timm » 24. Jun 2017, 11:46

tomS hat geschrieben:
24. Jun 2017, 08:20
Was spricht logisch gegen das flache Minkowski-Universum als einfachste Lösung der ART?
Nichts außer der Beobachtung. Es war ja überraschend, daß diese einfachste Lösung, das "leere" FRW Universum (das in diesen Koordinaten expandiert), mit der Minkowski-Raumzeit des Milne Modells per Koordinatentransformation äquivalent ist. Und daß die Vorhersagen dieses Modells gar nicht so weit von der Beobachtung entfernt sind, wie man vielleicht intuitiv vermuten würde.

Die Theorie der chaotischen Inflation, die derzeit favorisiert wird, geht, soweit ich mich erinnere, von einem Vakuumzustand aus, aus dem Universen aufpoppen und sich abkapseln. Dieser Vakuumzustand wird als ewig angesehen. Überlegungen, ob er geometrisch einer Minkowski-Raumzeit entspricht, sind wahrscheinlich müßig.

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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von tomS » 24. Jun 2017, 13:25

Pippen hat geschrieben:
24. Jun 2017, 11:12
Wie soll ein Zeitpunkt erreicht werden, wenn vorher unendlich viele Zeitpunkte durchlaufen werden müssen?
Indem sie durchlaufen wurden.

Du nimmst implizit einen Startpunkt an. Wenn du das tust, entstehen logische Widersprüche zu einem Modell ohne Startpunkt. Wenn du das nicht tust, ist das Modell logisch und mathematisch konsistent. Die Inkonsiszenz entsteht also erst durch die Kombination des Modells mit deiner Zusatzannahme.
Pippen hat geschrieben:
24. Jun 2017, 11:12
Diese Kette muss einen Anfang haben ...
Warum? Ich empfinde das nicht als logisch zwingend.

Aber gut, hier sprichst du diese Annahme explizit aus. Danke.
Pippen hat geschrieben:
24. Jun 2017, 11:12
Diese Überlegungen gelten mE a priori für jedes physikalische Modell.
Warum?

Schauen wir uns die Quantenmechanik an. Diese besagt für einen Zustand f zum Zeitpunkt t', dass dieser aus einem Zustand f zu früheren Zeitpunkten t abgeleitet werden kann:

|f,t'> = U(t',t) |f,t>

Wenn ich heute |f,t'> beobachte, dann weiß ich, dass früher einmal |f,t> vorgelegen haben muss; das gilt für beliebige t.

Dieses Modell ist in sich logisch konsistent.
Gruß
Tom

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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von seeker » 24. Jun 2017, 15:14

tomS hat geschrieben:
24. Jun 2017, 13:25
das gilt für beliebige t
Für beliebige, nicht für mehr, nicht für (aktual) unendlich viele. Das ist der Dreh- und Angelpunkt.
tomS hat geschrieben:
24. Jun 2017, 08:20
Deine Argumentation lautet verkürzt wie folgt: weil wir jetzt in der Gegenwart existieren, und weil diese Gegenwart aus der Vergangenheit erreicht worden ist, kann die Vergangenheit nicht unendlich sein.
Und diese Argumentation steht im Grunde auch.
Es kann nur darum gehen: Was bedeutet das?
Pippen hat geschrieben:
24. Jun 2017, 00:39
Jetzt kommen zwei Schocker: Wir wissen ja (durch unsere Existenz in der Gegenwart, für welche die Null steht), dass die Aufzählung der o.g. Folge funktioniert. Dann folgt, 1., dass es etwas außerhalb unserer Folge geben muss (Abzählungsvorschrift) und 2. dass es in dieser Folge nicht unendlich viele negative Zahlen geben kann. Übersetzt: Unser Universum ist raumzeitlich nicht unbegrenzt (und damit im Falle seiner Flachheit nicht unendlich) und muss in irgendwas Höheres eingebettet sein! Damit wären Multiversen stichhaltig und nicht nur via statistischem Feinabstimmungsargument bewiesen!
Das eben nicht!

Wir haben hier zunächst nur einen Widerspruch in unserem (so konstruierten) Denken, das die Natur treffen soll, nicht in der Natur selber.
Also sind hier keine Schlüsse über die Natur abzuleiten, stattdessen ist der Fehler bzw. die Begrenzungen in der logischen Argumentation zu suchen.

Der logische Fehler rührt daher (und das wurde ja auch schon von verschiedener Seite im Grunde angemerkt):

1. Annahme:
Sei gegeben ein Zeitpunkt "unendlich ferne Vergangenheit".

2. Ableitung:
a) Es ist unmöglich von diesem Zeitpunkt in endlich vielen Schritten zur Gegenwart (Zeitpunkt "Null") zu kommen.
b) Es ist möglich von diesem Zeitpunkt in unendlich vielen Schritten zur Gegenwart (Zeitpunkt "Null") zu kommen.

Dann, pippen, wird 2.b) von dir als nicht-existent abgelehnt, mit der Begründung, dass unendlich viele Schritte nicht möglich seien.
(Was die Ablehnung der Existenz einer aktualen Unendlichkeit impliziert, also die Nicht-Existenz einer solchen fordert!)
Gleichzeitig wird aber in 1. die Möglichkeit der Existenz einer Unendlichkeit postuliert.
(Was wiederum die Existenz einer aktualen Unendlichkeit impliziert/fordert!)

---> Widerspruch zwischen 1. und Nicht-2.b)! Der Fehler steckt in der Annahme 1.; ein Zeitpunkt "unendlich ferne Vergangenheit" ist widersprüchlich, existiert somit nicht - oder er existiert doch, dann aber auch 2.b).

Also:

Entweder gilt 1. UND 2.b)

oder es gilt Nicht-1. UND Nicht-2.a)

...daraus lässt sich aber leider nichts Konkretes über das real existierende Universum ableiten.
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von Gepakulix » 24. Jun 2017, 16:31

seeker hat geschrieben:
24. Jun 2017, 15:14
1. Annahme:
Sei gegeben ein Zeitpunkt "unendlich ferne Vergangenheit".

2. Ableitung:
a) Es ist unmöglich von diesem Zeitpunkt in endlich vielen Schritten zur Gegenwart (Zeitpunkt "Null") zu kommen.
b) Es ist möglich von diesem Zeitpunkt in unendlich vielen Schritten zur Gegenwart (Zeitpunkt "Null") zu kommen.
Meine Erfahrung über 'Logik' ist relativ einfach:
Sie ist nur soviel wert, wie die Annahmen auf denen sie beruht.
Entscheidend: Dabei sind auch jene Annahmen gemeint, welche man intuitiv macht und gar nicht mehr bewusst wahrnimmt.


Das sieht man sehr gut an einer Annahme wie dieser:
Es ist unmöglich in endlich vielen Schritten aus der Unendlichkeit (Zeitachse) zur Gegenwart (Zeitpunkt "Null") zu kommen.

Es ist nämlich mathematisch sehr wohl moeglich.
Nämlich wenn man die (intuitiv und unbewusst) gemachte Annahme weglässt, dass keiner der Schritte unendlich gross sein darf.

Gerade diese Annahme (Zeit geht in gleichmässigen Schritten vorwärts) ist aber möglicherweise nicht angebracht (vgl ART: Zeit im Gravitationsfeld).
In einem Raumschiff, welches sich dem Ereignishorizont nähert hat, schreitet die Zeit (fuer einen entfernten Beobachter) nicht mehr in gleichmässigen Schritten vorwärts.


Somit komme ich zu dem (aus meiner Sicht) entscheidenden Punkt im ganzen Thread hier:
Welche Definition der Zeit wird hier in dieser Diskussion verwendet?
- die Definition nach Physik: Zeit ist das, was an der Uhr abgelesen wird
- oder mehr philosophisch: Zeit ist eher ein platonisches Objekt, und jeder hier in der Diskussion versteht etwas anderes darunter

Damit meine ich: Ein schwieriges Thema wie das von Pippen hier, benötigt dringend eine klare Definition vom Objekt (also dem Begriff "Zeit").

ralfkannenberg
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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von ralfkannenberg » 24. Jun 2017, 22:16

Pippen hat geschrieben:
24. Jun 2017, 00:39
tomS hat geschrieben:
17. Jun 2017, 23:01
Die negativen Zahlen bis Null sind trivialerweise abzählbar: man bildet die Zahlen 0,-1,-2,-3,... auf 0,1,2,3,... ab; das ist für die physikalische Frage jedoch ebenfalls irrelevant.
Das ist eine Abzählung von Null, nicht bis Null! Wir brauchen eine Abzählung der Art: ..., -3, -2, -1, 0 und zwar genau in dieser Richtung.
Hallo Pippen,

es ist jetzt ein guter Zeitpunkt, Deine Idee mit der Bijektion zu verwerfen. Einer Bijektion ist es völlig "egal", ob die Elemente der zu betrachtenden Menge noch alle mit (-1) multipliziert werden sollen.

Und wie ich schon geschrieben habe: Du kannst eine beliebige negative Zahl auswählen und von der in endlich vielen Schritten zur 0 hochzählen. Und es gibt keine einzige negative Zahl, für die das nicht gehen würde.


Freundliche Grüsse, Ralf

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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von tomS » 25. Jun 2017, 13:32

Gepakulix hat geschrieben:
24. Jun 2017, 16:31
Meine Erfahrung über 'Logik' ist relativ einfach:
Sie ist nur soviel wert, wie die Annahmen auf denen sie beruht.
Entscheidend: Dabei sind auch jene Annahmen gemeint, welche man intuitiv macht und gar nicht mehr bewusst wahrnimmt.
Richtig.

Aber es geht hier um Physik, nicht nur um Logik.
Gepakulix hat geschrieben:
24. Jun 2017, 16:31
Das sieht man sehr gut an einer Annahme wie dieser:
Es ist unmöglich in endlich vielen Schritten aus der Unendlichkeit (Zeitachse) zur Gegenwart (Zeitpunkt "Null") zu kommen.

Es ist nämlich mathematisch sehr wohl moeglich.
Nämlich wenn man die (intuitiv und unbewusst) gemachte Annahme weglässt, dass keiner der Schritte unendlich gross sein darf.

Gerade diese Annahme (Zeit geht in gleichmässigen Schritten vorwärts) ist aber möglicherweise nicht angebracht (vgl ART: Zeit im Gravitationsfeld).
In einem Raumschiff, welches sich dem Ereignishorizont nähert hat, schreitet die Zeit (fuer einen entfernten Beobachter) nicht mehr in gleichmässigen Schritten vorwärts.
Aber lokal betrachtet schreitet die Zeit immer in beliebig kleinen (infinitesimale) Schritten voran. Und sie schreitet insbs. nie in unendlich großen Schritten voran.
Gepakulix hat geschrieben:
24. Jun 2017, 16:31
Welche Definition der Zeit wird hier in dieser Diskussion verwendet?
- die Definition nach Physik: Zeit ist das, was an der Uhr abgelesen wird
- oder mehr philosophisch: Zeit ist eher ein platonisches Objekt, und jeder hier in der Diskussion versteht etwas anderes darunter
Ich verstehe darunter eine physikalisch messbare Zeit. In der ART ist das die Eigenzeit tau. In der nicht-rel. QM, die ich oben kurz verwendet habe, gibt es keine Unterscheidung.
Gepakulix hat geschrieben:
24. Jun 2017, 16:31
Damit meine ich: Ein schwieriges Thema wie das von Pippen hier, benötigt dringend eine klare Definition vom Objekt (also dem Begriff "Zeit").
Ja.

Aber das Grundproblem ist ein anderes: die Mathematik sagt uns, dass es problematisch ist, ausgehend vom negativen Unendlichen die Null zu erreichen. Aber die Physik sagt uns, dass dies irrelevant ist, weil alle bekannten physikalischen Theorien und Modelle anders funktionieren; diese besagen nämlich entweder, dass i) zu jedem beliebigen Zeitpunkt t' eine Vergangenheit mit t < t' existiert, oder dass ii) eine Singularität bei endlicher Anfangszeit vorliegt. Pippen möchte nun logisch beweisen, dass immer (ii) und nie (i) zutrifft. Dazu darf er jedoch nicht einen Anfang setzen, er muss ihn aus der Theorie herleiten. Wenn dies für (i) nicht funktioniert, dann funktioniert es eben nicht. Und damit resultiert eine logische Inkonsistenz nicht aus der Theorie, sondern daraus, das er entgegen den Resultaten der Theorie dennoch einen Anfang setzt.
Gruß
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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von tomS » 25. Jun 2017, 14:51

Übrigens hat Pippen die Lösung des Rätsels schon im Titel des Threads versteckt:

Wieder mal zum Anfang der Welt

Es geht also darum, zum Anfang der Welt zurückzuschreiten; je nach konkreten Modell mit oder ohne Anfang wird das gelingen - oder auch nicht.

Es geht nicht darum, unter allen Umständen von einen Anfang der Welt - den es möglicherweise nicht gegeben hat - bis heute zu gelangen.
Gruß
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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von Gepakulix » 25. Jun 2017, 19:37

tomS hat geschrieben:
25. Jun 2017, 14:51
Aber lokal betrachtet schreitet die Zeit immer in beliebig kleinen (infinitesimale) Schritten voran.
Das klingt (aus meiner Sicht) nach einer intuitiven Annahme.
- Für die philosophische Version der Zeit-Definition mag das eine brauchbare Annahme sein.
- Bei der physikalischen Zeit-Definition kann man die Aussage aber direkt logisch überprüfen

Definition der Zeit in der Physik: Zeit ist das, was an der Uhr abgelesen wird.

Bei der Uhr muss es sich nicht zwingend um eine Rolex oder eine Atomuhr handeln: Grundsätzlich kann jedes System als Uhr verwendet werden, das eine Sequenz von dekohärenten Zuständen durchläuft.
  • Ich kann auch den Verwesungsstand einer Katze als Uhr verwenden: Mit der hohen Zahl von Molekühlen, welche bei diesem Umwandlungsprozess ihren Zustand sequenziell ändern, hat solch eine Uhr eine sehr hohe Auflösung (sehr kleine unterscheidbare Zeit-Schritte). Trotzdem handelt sich dabei aber nicht um "beliebig kleine (infinitesimale) Schritte".
  • Dagegen kann ich die Schrödinger-Katze nicht als Uhr verwenden: Ich kann erst eine Zeit ablesen, wenn der Deckel geöffnet ist und die Dekohärenz eingetreten ist. Erst durch die Dekohärenz hat sich das system irreversibel verändert (und somit einen Zeitschritt gemacht (Betonung auf Schritt)).
Für mich entscheidend: In einem voellig leeren System, wo auch keine Hintergrundstrahlung herrscht, existiert nichts was als Uhr gelten kann.
Somit herrscht dort auch keine Zeit (basierend auf der physikalischen Definition der Zeit).
Wenn man diesem System trotzdem eine Zeit zuordnet, dann ist es (aus meiner Sicht) nicht mehr nach der physikalischen Definition von Zeit

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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von ralfkannenberg » 25. Jun 2017, 22:43

Gepakulix hat geschrieben:
25. Jun 2017, 19:37
tomS hat geschrieben:
25. Jun 2017, 14:51
Aber lokal betrachtet schreitet die Zeit immer in beliebig kleinen (infinitesimale) Schritten voran.
Das klingt (aus meiner Sicht) nach einer intuitiven Annahme.
- Für die philosophische Version der Zeit-Definition mag das eine brauchbare Annahme sein.
Hallo Gepakulix,

eigentlich brauchst Du hierfür keine Philosophie bemühen und auch keine Zeit.

Betrachte einfach eine Gerade, die hat dieselben Eigenschaften: die kommt irgendwie aus dem unendlichen und verschwindet wieder im Unendlichen, einfach in der "anderen" Richtung. Der "Fortgang" auf einer Geraden erfolgt in beliebig kleinen (infinitesimalen) Schritten.

Zwar kann man nicht "einfach so" vom Anfang der Geraden aus dem Unendlichen zu dem Punkt, an dem wir diese Gerade betrachten, gelangen, aber das scheint auch gar nicht nötig. Zumindest ich kenne niemanden, der einer mathematischen Geraden die Existenz absprechen würde.


Freundliche Grüsse, Ralf

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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von tomS » 25. Jun 2017, 23:50

Gepakulix hat geschrieben:
25. Jun 2017, 19:37
tomS hat geschrieben:
25. Jun 2017, 14:51
Aber lokal betrachtet schreitet die Zeit immer in beliebig kleinen (infinitesimale) Schritten voran.
Das klingt (aus meiner Sicht) nach einer intuitiven Annahme.
Es ist einfach das, was die Gleichungen der Physik besagen.
Gepakulix hat geschrieben:
25. Jun 2017, 19:37
Definition der Zeit in der Physik: Zeit ist das, was an der Uhr abgelesen wird.
Legt man das alleine zugrunde, ist zunächst nicht erkennbar, warum die Zeit einen Anfang haben sollte oder nicht. Man benötigt weitere Modele.
Gepakulix hat geschrieben:
25. Jun 2017, 19:37
Für mich entscheidend: In einem voellig leeren System existiert nichts was als Uhr gelten kann.
Ja.
Gruß
Tom

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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von seeker » 26. Jun 2017, 00:34

...wobei die Gleichungen der Physik auf Annahmen bzw. Konstruktionen der Mathematik beruhen, z.B. der Annahme/Konstruktion es gäbe ein Kontinuum.
Gepakulix hat geschrieben:
25. Jun 2017, 19:37
Definition der Zeit in der Physik: Zeit ist das, was an der Uhr abgelesen wird.
Messtechnisch/Beobachtungstechnisch/Empirisch gesehen würde ich auch sagen: Genau das!
Gepakulix hat geschrieben:
25. Jun 2017, 19:37
Für mich entscheidend: In einem voellig leeren System, wo auch keine Hintergrundstrahlung herrscht, existiert nichts was als Uhr gelten kann.
Somit herrscht dort auch keine Zeit (basierend auf der physikalischen Definition der Zeit).
Wenn man diesem System trotzdem eine Zeit zuordnet, dann ist es (aus meiner Sicht) nicht mehr nach der physikalischen Definition von Zeit
Interessanter Aspekt. Allerdings wissen wir von den Gleichungen her, dass auch einer leeren Raumzeit eine Zeit zugeordnet werden kann, wenn diese nämlich expandiert oder kontrahiert - und das tun leere Raumzeiten, sie können nicht statisch sein.
Normalerweise ist die Argumentation an der Stelle die: Füge eine paar Probeteilchen in dein System (hier deine leere Raumzeit) ein, die das System nur vernachlässigbar verändern, dann hast du deine Uhr, da sich der Abstand dieser Teilchen verändert.
An der Stelle bin ich aber gerade unsicher, ob die Zugabe dieser Probeteilchen hier wirklich vernachlässigbar ist oder ob gerade ihre Anwesenheit etwas wesentliches verändert, ob sie die Zeit hier nicht geradezu in die Existenz heben würden.
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von tomS » 26. Jun 2017, 00:41

seeker hat geschrieben:
26. Jun 2017, 00:34
Allerdings wissen wir von den Gleichungen her, dass auch einer leeren Raumzeit eine Zeit zugeordnet werden kann, wenn diese nämlich expandiert oder kontrahiert.
Normalerweise ist die Argumentation an der Stelle die: Füge eine paar Probeteilchen in dein System (hier deine leere Raumzeit) ein, die das System nur vernachlässigbar verändern, dann hast du deine Uhr, da sich der Abstand dieser Teilchen verändert.
Du müsstest Lichtsignale zwischen den Teilchen austauschen und die zunehmende Laufzeit messen. Das wäre deine Lichtuhr. Dazu benötigst du jedoch keine Expansion oder Kontraktion, eine Lichtuhr funktioniert bereits in der SRT.
Gruß
Tom

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Re: Wieder mal zum Anfang der Welt

Beitrag von tomS » 26. Jun 2017, 00:43

Zur Erinnerung:

Es geht um diese Aussage:
Pippen hat geschrieben:
16. Jun 2017, 23:33
Die Welt muss einen Anfang haben, denn hätte sie keinen - reichte also ewig zurück in die Vergangenheit - dann könnte der jetzige Zeitpunkt nie erreicht werden ...
Diese Aussage ist m.E. logisch, mathematisch und physikalisch nicht haltbar.
Gruß
Tom

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