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Schwarze Löcher, einfallende Materie

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tomS
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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von tomS » 13. Feb 2017, 07:58

Hallo seeker, ich denke, wir sind uns in weiten Bereichen einig.

Ja, man muss prinzipiell die universelle Gültigkeit von Naturgesetzen annehmen, aber dabei muss es sich nicht um die heute bekannten handeln, da man deren universelle Gültigkeit anzweifeln muss - Stichwort Singularitäten - und da deren ständige Überprüfung im Sinne eines konstruktiven Zweifelns gerade die wissenschaftliche Methode selbst definiert.

Ja, das Vertrauen in Extrapolationen in unbeobachtbare Bereiche oder Regime darf kleiner sein als das Vertrauen in experimentell gesicherte Vorhersagen. Ich möchte da aber dennoch eine (qualitative) Abstufung einführen: die Extrapolation jenseits des Sichtbarkeitshorizontes unseres beobachtbaren Universums ist sicher vertrauenswürdiger als die Extrapolation hin zu Multiversen. Dies liegt weniger an der Extrapolation selbst als vielmehr an den zu extrapolierenden Theorien.

Bzgl. deiner Aussage, die Existenz des Astronauten beträfe uns nicht und wirke nicht auf und, kann ich nur sagen "Und?". Wenn ich eine von uns unabhängige Realität ansetze, dann ist dies belanglos. Der Astronaut befindet sich auch nicht im "anderswo" und "anderswann". Zu dieser Einschätzung gelangst du, weil du den Ereignishorizont zu ernst nimmst. Er ist zunächst mal ein Artefakt einer ungeeigneten Koordinatenwahl; diese kann sehr einfach behoben werden. Dann erkennt man, dass zwar der frei fallende Astronaut nicht auf den externen Beobachter, jedoch sehr wohl der externe Beobachter auf den Astronauten einwirken kann. Da wir nun beide im Rahmen dieses Gedankenexperimentes hypothetisch annehmen, besteht kein Grund, dem externen Beobachter 'mehr Realität' zuzuschreiben als dem Astrobauten. Beide sind absolut gleichberechtigt.

Ich bin mir - im Gegensatz zu dir - absolut sicher, dass das 'Verschwinden' des Astronauten Naturgesetze verletzen würde, denn es geht hier nicht um Interpretation. Die ART besagt gerade, dass es zulässig ist, Alles auch aus Sicht dieses Astronauten zu beschreiben, oder aus Sicht eines mit ihm zusammen einfallenden Beobachters. Dann gehört der Astronaut zu dessen Welt, und dabei handelt es sich um ein völlig gleichberechtigten Standpunkt. Das Setzen des externen und statischen Beobachters als 'führend' ist willkürlich; bereits ein ebenfalls frei fallender Beobachter behebt die wesentlichen Schwierigkeiten der Beschreibung (das 'Verschwinden' des Astronauten verletzt u.a. die Energieerhaltung, beschrieben aus Sicht eines mit ihm einfallenden Beobachters).

Stell' dir Fische vor, die mittels kleiner Wasserwellen kommunizieren, und die in eine Strömung in Richtung eines Wasserfalls geraten, so dass die Fische selbst sowie die Wasserwellen nicht mehr gegen die Strömung ankommen. Der Flussabschnitt zum Wasserfall kann groß sein und viele Fische beinhalten. Warum sollte man den zurückgebliebenen Fischen das Privileg der alleinigen Deutungshoheit über das Geschehen zu haben? Warum sollte man im Sinne der vertrauenswürdigeren lokalen Beobachtung nicht gerade die mitschwimmenden Fische als diejenigen identifizieren, die wirklich wissen, was geschieht? Sie sind diejenigen, die einen größeren Ausschnitt aus der Realität wahrnehmen, nämlich sich selbst, ihre mitschwimmenden Artgenossen und die zurückgebliebenen Fische. Sie sind diejenigen, die feststellen, dass sie sich nicht gegen die Strömung stemmen können, weil keine Markierung am Boden des Flusses statisch bleibt, egal wie sehr sie sich anstrengen. Die Perspektive der zurückgebliebenen Fische einzunehmen und zulässig; aber aus dem Abreißen der Kommunikation zu den mitschwimmenden Fischen mehr zu folgern, als dass die Kommunikation abreißt, ist willkürlich, gerade weil die Perspektive der mitschwimmenden Fische genauso real und zulässig ist, und gerade weil aus deren Sicht die Kommunikation nicht abreißt.

Ich verstehe grundsätzlich nicht, wieso du gerade diesen externen Beobachter auszeichnest, obwohl dies weder durch die Theorie nahegelegt wird, noch deiner eigenen Sichtweise entspricht; im Gegenteil, es verstößt essentiell gegen deine Sichtweise, gemäß der du lokalen und durch Beobachtung überprüfbaren Aussagen mehr Vertrauen schenkst als unbeobachtbaren Extrapolationen; du müsstest gerade deswegen die Perspektive eines ebenfalls frei fallenden Beobachters einnehmen und dessen Beobachtung der Weiterexistenz des Astronauten mehr Gewicht beimessen als der ausbleibenden Beobachtung des zurückgebliebenen. Da es sich um ein Gedankenexperiment handelt und nicht um deine konkrete Situation, ist es mir absolut unklar, wieso du diese eine Perspektive bevorzugst, die deiner sonst bevorzugten Perspektive widerspricht.
Gruß
Tom

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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von seeker » 13. Feb 2017, 09:01

tomS hat geschrieben:
13. Feb 2017, 07:58
Zu dieser Einschätzung gelangst du, weil du den Ereignishorizont zu ernst nimmst. Er ist zunächst mal ein Artefakt einer ungeeigneten Koordinatenwahl
Ich denke wirklich darüber nach, ob ich den EH zu ernst nehme...
Die KS-Wahl Schwarzschild scheint mir nur dann ungeeignet zu sein, wenn ich a priori schon danach frage, was denn hinter dem EH sei.
Ansonsten finde ich die Wahl durchaus geeignet.
(Außerdem bieten die SchwSch-Koordinaten das einzige KS, wo man überhaupt einen statischen EH beschreiben kann, hab ich gelesen. Das muss ich dann später eh noch fragen, was das genau bedeutet.)
Sie sind jedenfalls hervorragend geeignet zu beschreiben, was der entfernte Beobachter sieht. (An dem Punkt sind wir uns ja einig.)
Und was dieser sieht ist für uns als sehr sicher zu bewerten, weil er uns davon prinzipiell berichten kann.
Ich kann mich auch darauf einlassen, die ganze Geschichte rein phänomologisch zu betrachten und Realitätsbegriffe ganz wegzulassen.

Sollen wir es so machen? Auch da habe ich noch jede Menge Dinge, die ich noch verstehen will.
tomS hat geschrieben:
13. Feb 2017, 07:58
Die ART besagt gerade, dass es zulässig ist, Alles auch aus Sicht dieses Astronauten zu beschreiben, oder aus Sicht eines mit ihm zusammen einfallenden Beobachters.
Das ist so, ja.
tomS hat geschrieben:
13. Feb 2017, 07:58
Das Setzen des externen und statischen Beobachters als 'führend' ist willkürlich
Aus der reinen Theorie heraus ja, keine Frage.
Aus Sicht der wiss. Gemeinde, die Erkenntnisse/Beobachtungsdaten haben will um die Theorie noch besser abzusichern und sich auf der Erde befindet nicht. Es gibt hier für mich kein "entweder-oder", sondern ein "sowohl-als-auch".
tomS hat geschrieben:
13. Feb 2017, 07:58
bereits ein ebenfalls frei fallender Beobachter behebt die wesentlichen Schwierigkeiten der Beschreibung (das 'Verschwinden' des Astronauten verletzt u.a. die Energieerhaltung, beschrieben aus Sicht eines mit ihm einfallenden Beobachters).
Gibt es einen ebenfalls freifallenden Beobachter, der den ersten Freifaller den EH überschreiten sieht und der uns davon in endlicher Zeit berichten kann?
Wieso verletzt das Verschwinden des freifallenden Astronauten den Energieerhaltungssatz? Aus Sicht Sicht des entfernten oder des entfernteren Beob. wächst dadurch der EH (also der im Kontrast 'sichtbare' Teil der Geschichte, der ja nach meinem Vorschlag alle physikalischen Eigenschaften tragen soll, wenigstens scheinbar/effektiv). Alles i.O. würde ich meinen.

tomS hat geschrieben:
13. Feb 2017, 07:58
Stell' dir Fische vor, die mittels kleiner Wasserwellen kommunizieren, und die in eine Strömung in Richtung eines Wasserfalls geraten, so dass die Fische selbst sowie die Wasserwellen nicht mehr gegen die Strömung ankommen. Der Flussabschnitt zum Wasserfall kann groß sein und viele Fische beinhalten. Warum sollte man den zurückgebliebenen Fischen das Privileg der alleinigen Deutungshoheit über das Geschehen zu haben? Warum sollte man im Sinne der vertrauenswürdigeren lokalen Beobachtung nicht gerade die mitschwimmenden Fische als diejenigen identifizieren, die wirklich wissen, was geschieht? Sie sind diejenigen, die einen größeren Ausschnitt aus der Realität wahrnehmen, nämlich sich selbst, ihre mitschwimmenden Artgenossen und die zurückgebliebenen Fische. Sie sind diejenigen, die feststellen, dass sie sich nicht gegen die Strömung stemmen können, weil keine Markierung am Boden des Flusses statisch bleibt, egal wie sehr sie sich anstrengen. Die Perspektive der zurückgebliebenen Fische einzunehmen und zulässig; aber aus dem Abreißen der Kommunikation zu den mitschwimmenden Fischen mehr zu folgern, als dass die Kommunikation abreißt, ist willkürlich, gerade weil die Perspektive der mitschwimmenden Fische genauso real und zulässig ist, und gerade weil aus deren Sicht die Kommunikation nicht abreißt.
Bei dieser Geschichte gibt es einen grundsätzlichen Unterschied: Die Fische, die den Wasserfall hinunterfallen, tun das auch in der Beobachtung der zurückgebliebenen Fische in endlicher Zeit.
Und wie gesagt sind wir nunmal die zurückgebliebenen Fische. Wir können so tun, als wären wir auch die herunterfallenden Fische, kein Problem, das ist sinnvoll. Nur bringt dieses 'so tun' eine zusätzliche Unsicherheit in den den Aussagen der zurückgebliebenen mit sich. Darum geht es mir: Um das sichere Wissen der zurückgebliebenen. Und bezüglich unseres sicheren Wissens gibt es eben so etwas, wie einen bevorzugten Standpunkt, den die Natur sozusagen willkürlich mit uns gewählt hat, das macht ihn aber für uns nicht nichtig, wie gesagt: "sowohl-als-auch"!

Da ist eh ein Punkt, an dem ich noch hänge:
Wie ist das denn nun beim SL, wenn der Stationäre dem Freifaller Signale hinterherschickt und die Reflektionen davon auffängt?
Ich hab das mit Tim angefangen zu diskutieren, aber konnte das aus meiner Sicht nicht so klären, dass ich es verstehe.
Gibt es für den stationären nun einen Zeitpunkt (also in seiner endlichen Eigenzeit), ab dem er prinzipiell keine reflektierten Signale mehr auffangen kann (weil die hinterher geschickten Signale den Freifaller nicht mehr einholen oder zurückkommen) oder nicht?
Das ist für mich wirklich ein wichtiger Punkt, weil mir reflektierte Signale noch mehr Sicherheit bei den daraus möglichen Aussagen zu bieten scheinen, als nur von dem Einfaller selbsttätig ausgesandte Signale:
Sobald der stationäre kein reflektiertes Signal mehr erhielte (= negativer Befund), wäre auch er gezwungen zu sagen, dass es auch für ihn nun so ausschaut, als wäre der Freifaller im SL.
Grüße
seeker


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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von seeker » 13. Feb 2017, 14:07

Noch kurz hierzu:
tomS hat geschrieben:
13. Feb 2017, 07:58
Ja, das Vertrauen in Extrapolationen in unbeobachtbare Bereiche oder Regime darf kleiner sein als das Vertrauen in experimentell gesicherte Vorhersagen. Ich möchte da aber dennoch eine (qualitative) Abstufung einführen: die Extrapolation jenseits des Sichtbarkeitshorizontes unseres beobachtbaren Universums ist sicher vertrauenswürdiger als die Extrapolation hin zu Multiversen. Dies liegt weniger an der Extrapolation selbst als vielmehr an den zu extrapolierenden Theorien.
Ich würde da auch einen Unterschied sehen der mehr an den entsprechenden Theorien liegt (und wie gut diese schon abgesichert sind), allerdings mehr einen graduellen, nicht einen prinzipiellen. Und wo man dann die Grenzlinie zieht (und ob überhaupt) scheint mir dann auch einigermaßen willkürlich zu sein, oder anders gesagt: Das ist eine Entscheidung von uns Menschen, die nicht in der Natur der Sachlage selbst liegt.
Die Frage, die wir dabei entscheiden, lautet salopp gesagt: "Wie sicher wollen wir es denn haben, um etwas als wahr zu akzeptieren?"
Grüße
seeker


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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von deltaxp » 14. Feb 2017, 11:37

interessanter wird es sogar noch, wenn man holographische Prinzip mit einbezieht. der externe beobachter sieht den freifallenden knapp vorm ereignishorizont verbrennen, weil dort die hawkingstrahlung sehr energiereich ist, der freifallende beobachter aber merkt gar nix. das ist dann schon verwirrend. einerseits verbrennt er , anderseits fliegt er locker weiter. wer hat recht :P gemäss dem holgraphischen Prinzip beide, weil sich beide Standpunkte komplementär verhalten. man kann nur einzusatand feststellen, denn es gibt keine möglichkeit des beidseitigen informationsaustausches

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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von seeker » 14. Feb 2017, 12:32

Ich möchte mein Kernargument nochmals herausstellen:
seeker hat geschrieben:
13. Feb 2017, 09:01
tomS hat geschrieben:Das Setzen des externen und statischen Beobachters als 'führend' ist willkürlich
Aus der reinen Theorie heraus ja, keine Frage.
Aus Sicht der wiss. Gemeinde, die Erkenntnisse/Beobachtungsdaten haben will um die Theorie noch besser abzusichern und sich auf der Erde befindet nicht. Es gibt hier für mich kein "entweder-oder", sondern ein "sowohl-als-auch".
D.h., wir haben hier zwei ganz verschiedene Perspektiven vorliegen!

(I.) Die Perspektive aus der Theorie selbst heraus,
wo der Beobachter hinter dem EH selbstverständlich genauso existiert wie alle anderen Beobachter.
Wichtig dabei: Diese Perspektive hat die Grundannahme, dass die Theorie vollumfänglich richtig ist und bijektiv die Realität abbildet, d.h. alles was die Theorie vorhersagt, wird zunächst einmal auch als real gegeben angenommen.
Aus dieser Perspektive heraus greifen all dein Argumente, Tom, und die Sache ist klar.

(II.) Die erkenntnistheoretische Perspektive
Aus dieser Perspektive heraus wird eine ganz andere Frage gestellt, nämlich: Mit welcher Sicherheit können wir einer Theorie wo wie sehr vertrauen?
Und: Ab welchem Maß an Vertrauen wollen wir das, was die Theorie vorhersagt, "real" nennen?

Hintergrund:
Eine absolute Sicherheit bezüglich der absoluten, vollständigen Richtigkeit einer Theorie gibt es nicht.
Und: Alle Theorie ist Näherung! (Bei diesem Satz überlege ich auch, ob ich ihn mir nicht ausdrucke, einrahme und übers Bett hänge, damit ich ihn nie mehr vergesse. :) ) Bzw.: Physikalische Gleichungen sind immer Näherungen!
Deshalb können wir einer Theorie immer nur mehr oder minder vertrauen, wobei das Vertrauen nie 100% sein kann, egal was man an Argumenten, Beobachtungen, Berechnungen, konsistenten mathematischen Beschreibungen, usw. herbeischafft. Und das betrifft nicht nur die Theorie allgemein, sondern auch verschiedene Bereiche, die die Theorie abbildet: Empirisch abgesicherte Bereiche sind mit höherer Gewissheit als richtig bzw. als 'die realen Verhältnisse richtig abbildend' zu bewerten als nicht-empirisch abgesicherte Bereiche.
Dabei ist aber ebenso klar: Je mehr man an Argumenten, Beobachtungen, Berechnungen, konsistenten mathematischen Beschreibungen herbeibringt, desto größer ist unser berechtigtes Vertrauen in die Theorie. (Es geht hier auch ganz konkret um die Grenzen einer Theorie: Wie weit bzw. bis wohin kann man ihr vertrauen?)

Wenn wir nun Überlegungen zu einem SL und einfallenden Beobachtern anstellen, dann handelt es sich eh um eine recht theoretische Diskussion auf Grundlage der ART und wo bisher nur wenige, indirekte Beobachtungen zu SLs selbst vorliegen. Und so lange man die ART hier vollumfänglich akzeptiert (I.) ist die Sache klar.

Wenn man nun fragt, wie sicher die ART bzw. die Aussagen aus ihr denn nach unserem heutigem Wissen wo konkret sind (II.), dann stellt man fest, dass Aussagen die sich auf Bereiche vor dem EH von SL beziehen sicherer sind als diejenigen hinter dem EH (in der Singularität selbst werden ihre Aussagen dann eh nach allgemeinem Konsens schon sehr unsicher, um nicht zu sagen "falsch").
Dass das so ist, kann man auch daran erkennen, dass es Diskussionen gibt, ob denn nicht am EH von SLs eine Firewall existiert oder ob ein SL nicht ein makroskopisches Quantenobjekt sei, etc.?

Und wenn man nun entscheiden würde (und das kann man, diese Wahl treffen wir Menschen, nicht die Natur), dass daher unsere Sicherheit bezüglich der vollumfänglichen Richtigkeit der ART im Bereich auf und hinter dem EH zumindest derzeit nicht ausreichend sei, um ihn 'real' zu nennen (ganz einfach weil empirische Daten fehlen oder prinzipell immer fehlen werden), dann ist die Sache auch klar, wie ich meine.
Man kann also an dem Punkt trefflich darüber streiten, ob -und falls ja- wo eine solche Grenze bezüglich unseres ausreichenden Vertrauens zu ziehen sei, aber dass das dann auf jeden Fall eine menschliche Entscheidung ist, darüber kann man nicht diskutieren.


Ganz kurz:
Die eine Perspektive (I.) fragt nach der Welt 'an sich', die andere Perspektive (II.) fragt nach unserem Wissen von der Welt.
Man kann beides "real" nennen, aber es sind zwei verschiedene Realitäten: "Realität" ist sowohl ein Ding an sich als auch ein menschlicher Begriff.

Der EH eines SLs ist vielleicht, evtl. auch wahrscheinlich keine physikalische Grenze, aber er ist mit sehr, sehr hoher Sicherheit eine Grenze der direkten empirischen Erkenntnis der Menscheit auf der Erde und damit eine Grenze unseres direkt zugänglichen Wissens über die Welt.

Ableitung:
Es kann Sinn machen ein SL auch einmal rein von außen zu betrachten/beschreiben, sozusagen rein effektiv, dort wo wir sehr sicher sind, dass die ART vollumfänglich gültig ist.
Grüße
seeker


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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von tomS » 14. Feb 2017, 13:50

seeker hat geschrieben:
13. Feb 2017, 09:01
Zu dieser Einschätzung gelangst du, weil du den Ereignishorizont zu ernst nimmst. Er ist zunächst mal ein Artefakt einer ungeeigneten Koordinatenwahl
Ich denke wirklich darüber nach, ob ich den EH zu ernst nehme...
Die KS-Wahl Schwarzschild scheint mir nur dann ungeeignet zu sein, wenn ich a priori schon danach frage, was denn hinter dem EH sei.
Ansonsten finde ich die Wahl durchaus geeignet.
Die Schwarzschildmetrik ist insbs. deswegen relevant, weil sie historisch als erstes da war und weil sie mathematisch am einfachsten ist. Dass hinter dem EH etwas Besonderes oder auch nichts sein solle ist lediglich ein historisch bedingtes Vorurteil.
seeker hat geschrieben:
13. Feb 2017, 09:01
(Außerdem bieten die SchwSch-Koordinaten das einzige KS, wo man überhaupt einen statischen EH beschreiben kann, hab ich gelesen. Das muss ich dann später eh noch fragen, was das genau bedeutet.)
Das ist falsch. Man kann in jeder mir bekannten Metrik einen statischen Beobachter beschreiben. Der einzig interessante Punkt bei der Schwarzschildmetrik ist, dass hier der statische Beobachter selbst das lokale Koordinatensystem definiert. Aber man kann durchaus Raindrop-Koordinaten verwenden und dr = dΩ = 0 setzen.
seeker hat geschrieben:
13. Feb 2017, 09:01
tomS hat geschrieben:
13. Feb 2017, 07:58
Das Setzen des externen und statischen Beobachters als 'führend' ist willkürlich
Aus der reinen Theorie heraus ja, keine Frage.
Aus Sicht der wiss. Gemeinde, die Erkenntnisse/Beobachtungsdaten haben will um die Theorie noch besser abzusichern und sich auf der Erde befindet nicht.
Wenn du dich auf die Reise zu einem SL begibst und dich dort frei fallend auf den EH zu bewegst (und rechtzeitig abbremst) dann bist du kein statischer Beobachter und verwendest nicht die Schwarzschildmetrik.
seeker hat geschrieben:
13. Feb 2017, 09:01
tomS hat geschrieben:
13. Feb 2017, 07:58
bereits ein ebenfalls frei fallender Beobachter behebt die wesentlichen Schwierigkeiten der Beschreibung (das 'Verschwinden' des Astronauten verletzt u.a. die Energieerhaltung, beschrieben aus Sicht eines mit ihm einfallenden Beobachters).
Gibt es einen ebenfalls freifallenden Beobachter, der den ersten Freifaller den EH überschreiten sieht und der uns davon in endlicher Zeit berichten kann?
Ja, aber er muss unterhalb von ihm fallen; und du musst dich selbst auch in den freien fall ins SL begeben.

Anyway, ob du die Perspektive eines frei fallenden oder eines statischen Beobachters einnimmst ist erst dann relevant, wenn du sie tatsächlich einnimmst. Solange wir hier nur theoretisieren gibt es keinen Grund, eine Perspektive zu bevorzugen.

Und ich wiederhole es gerne nochmal: das Koordinatensystem des frei fallenden Beobachters ist dem des statischen Beobachters überlegen, da es beide Beobachter enthält und beide Beobachtungen beschreiben kann; das des statischen Beobachters dagegen nicht.
seeker hat geschrieben:
13. Feb 2017, 09:01
Wieso verletzt das Verschwinden des freifallenden Astronauten den Energieerhaltungssatz? Aus Sicht Sicht des entfernten oder des entfernteren Beob. …
Die Energieerhaltung ist in der ART eine lokale, kovariante Aussage, die mittels Feldern formuliert werden muss. Dass wir dies hier mittels Geodäten und punktförmig idealisierten Beobachtern diskutieren ist eine Vereinfachung. Die lokale Energie-Impuls-Erhaltung gilt am Horizont nur dann, wenn der Horizont nicht als Rand aufgefasst wird.
seeker hat geschrieben:
13. Feb 2017, 09:01
Da ist eh ein Punkt, an dem ich noch hänge:
Wie ist das denn nun beim SL, wenn der Stationäre dem Freifaller Signale hinterherschickt und die Reflektionen davon auffängt?
Ich hab das mit Tim angefangen zu diskutieren, aber konnte das aus meiner Sicht nicht so klären, dass ich es verstehe.
Gibt es für den stationären nun einen Zeitpunkt (also in seiner endlichen Eigenzeit), ab dem er prinzipiell keine reflektierten Signale mehr auffangen kann (weil die hinterher geschickten Signale den Freifaller nicht mehr einholen oder zurückkommen) oder nicht?
Es gibt hier für jedes Lichtsignal drei Koordinatenzeiten, nämlich Tsend < Treflect < Treceive. Die erste und die letzte Zeit entsprechen dabei den Eigenzeiten des stationären Beobachters, zu denen er das Signal sendet bzw. wieder empfängt; die zweite Zeit, zu der das Signal reflektiert wird, ist eine reine Koordinatenzeit, die er dem Reflexionsereignis zuordent, die jedoch nichts mit der Eigenzeit des reflektierenden Freifallers zu tun hat.

Die Koordinatenzeit in Schwarzschildkoordinaten, für die ein frei fallendes Lichtsignals den EH überquert, ist unendlich; d.h. Treflect divergiert, wenn der reflektierende Freifaller sich dem EH nähert. Damit ist divergiert Treceive > Treflect sicher auch.

Diese Argumentation verwendet im Wesentlichen Koordinatenzeiten. Da die erste und die letzte Zeit jedoch auch Eigenzeiten sind, gilt die Aussage in jedem beliebigen Bezugsystem. Formuliert man das Problem z.B. im Koordinatensystem des Freifallers, so entspricht die zweite Zeit dessen Eigenzeit, die erste und die dritte Zeit sind keine Koordinatenzeiten mehr. Aber ihre Werte als Eigenzeiten sind invariant unter Wechsel des Koordinatensystems.

Zusammenfassung: wenn ein stationärer Beobachter die Zeitdauer = Eigenzeit misst, die zwischen dem Aussenden von Signalen und dem Empfangen der von Freifallern reflektierten Signalen vergeht, dann stellt er fest, dass diese Zeit divergiert, wenn sich der Freifaller dem EH nähert.
Gruß
Tom

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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von ralfkannenberg » 14. Feb 2017, 14:04

tomS hat geschrieben:
13. Feb 2017, 07:58
Stell' dir Fische vor, die mittels kleiner Wasserwellen kommunizieren, und die in eine Strömung in Richtung eines Wasserfalls geraten, so dass die Fische selbst sowie die Wasserwellen nicht mehr gegen die Strömung ankommen. Der Flussabschnitt zum Wasserfall kann groß sein und viele Fische beinhalten. Warum sollte man den zurückgebliebenen Fischen das Privileg der alleinigen Deutungshoheit über das Geschehen zu haben? Warum sollte man im Sinne der vertrauenswürdigeren lokalen Beobachtung nicht gerade die mitschwimmenden Fische als diejenigen identifizieren, die wirklich wissen, was geschieht? Sie sind diejenigen, die einen größeren Ausschnitt aus der Realität wahrnehmen, nämlich sich selbst, ihre mitschwimmenden Artgenossen und die zurückgebliebenen Fische. Sie sind diejenigen, die feststellen, dass sie sich nicht gegen die Strömung stemmen können, weil keine Markierung am Boden des Flusses statisch bleibt, egal wie sehr sie sich anstrengen. Die Perspektive der zurückgebliebenen Fische einzunehmen und zulässig; aber aus dem Abreißen der Kommunikation zu den mitschwimmenden Fischen mehr zu folgern, als dass die Kommunikation abreißt, ist willkürlich, gerade weil die Perspektive der mitschwimmenden Fische genauso real und zulässig ist, und gerade weil aus deren Sicht die Kommunikation nicht abreißt.
Hallo Tom,

ein sehr schönes Beispiel, das viel öfter zur besseren Veranschaulichung genannt werden sollte.

Besten Dank, denn ich kannte es noch nicht !


Freundliche Grüsse, Ralf

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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von Timm » 14. Feb 2017, 15:16

tomS hat geschrieben:
14. Feb 2017, 13:50
Zusammenfassung: wenn ein stationärer Beobachter die Zeitdauer = Eigenzeit misst, die zwischen dem Aussenden von Signalen und dem Empfangen der von Freifallern reflektierten Signalen vergeht, dann stellt er fest, dass diese Zeit divergiert, wenn sich der Freifaller dem EH nähert.
Dazu noch ergänzend, es gibt in der Eigenzeit eines stationären Beobachters einen Zeitpunkt, an dem sein Signal den Freifaller am EH erreicht, später geschickte erreichen ihn jenseits dessen und werden deshalb nicht mehr nach außen reflektiert, sondern landen in der Singularität, s. weiter oben.

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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von seeker » 14. Feb 2017, 17:04

tomS hat geschrieben:
14. Feb 2017, 13:50
Die Schwarzschildmetrik ist insbs. deswegen relevant, weil sie historisch als erstes da war und weil sie mathematisch am einfachsten ist. Dass hinter dem EH etwas Besonderes oder auch nichts sein solle ist lediglich ein historisch bedingtes Vorurteil.
Unter Perspektive (I.) ist das schlüssig.
tomS hat geschrieben:
14. Feb 2017, 13:50
(Außerdem bieten die SchwSch-Koordinaten das einzige KS, wo man überhaupt einen statischen EH beschreiben kann, hab ich gelesen. Das muss ich dann später eh noch fragen, was das genau bedeutet.)
Das ist falsch. Man kann in jeder mir bekannten Metrik einen statischen Beobachter beschreiben. Der einzig interessante Punkt bei der Schwarzschildmetrik ist, dass hier der statische Beobachter selbst das lokale Koordinatensystem definiert. Aber man kann durchaus Raindrop-Koordinaten verwenden und dr = dΩ = 0 setzen.
Das ist ein anderes Thema, deshalb in Klammern. Es ging dabei nicht darum, ob man einen statischen Beobachter beschreiben kann, sondern ob und wie man einen statischen EH (konstanter Radius) beschreiben kann.
tomS hat geschrieben:
14. Feb 2017, 13:50
Gibt es einen ebenfalls freifallenden Beobachter, der den ersten Freifaller den EH überschreiten sieht und der uns davon in endlicher Zeit berichten kann?
Ja, aber er muss unterhalb von ihm fallen; und du musst dich selbst auch in den freien fall ins SL begeben.

Anyway, ob du die Perspektive eines frei fallenden oder eines statischen Beobachters einnimmst ist erst dann relevant, wenn du sie tatsächlich einnimmst. Solange wir hier nur theoretisieren gibt es keinen Grund, eine Perspektive zu bevorzugen.
Also lautet die Antwort nein, es gibt keinen, der uns auf der Erde davon berichten kann - oder?
Es geht hier mir um das erkenntnistheoretische Argument (II.), nicht um (I.), dort ist wie gesagt alles klar.
tomS hat geschrieben:
14. Feb 2017, 13:50
Das Setzen des externen und statischen Beobachters als 'führend' ist willkürlich
Aus der reinen Theorie heraus ja, keine Frage.
Aus Sicht der wiss. Gemeinde, die Erkenntnisse/Beobachtungsdaten haben will um die Theorie noch besser abzusichern und sich auf der Erde befindet nicht.
Wenn du dich auf die Reise zu einem SL begibst und dich dort frei fallend auf den EH zu bewegst (und rechtzeitig abbremst) dann bist du kein statischer Beobachter und verwendest nicht die Schwarzschildmetrik.
Richtig, ich muss daher präzisiseren: Erkenntnistheoretisch (II.) sind für uns alle Beobachter 'bevorzugt', die in der Lage sind uns ihre Beobachtungen/Messdaten mitzuteilen, sodass wir auf der Erde von ihnen wissen können. Unter (I.) existiert kein Unterschied.
tomS hat geschrieben:
14. Feb 2017, 13:50
Die Energieerhaltung ist in der ART eine lokale, kovariante Aussage, die mittels Feldern formuliert werden muss. Dass wir dies hier mittels Geodäten und punktförmig idealisierten Beobachtern diskutieren ist eine Vereinfachung. Die lokale Energie-Impuls-Erhaltung gilt am Horizont nur dann, wenn der Horizont nicht als Rand aufgefasst wird.
Das sollten wir später noch betrachten, klingt interessant.
tomS hat geschrieben:
14. Feb 2017, 13:50
Da ist eh ein Punkt, an dem ich noch hänge:
Wie ist das denn nun beim SL, wenn der Stationäre dem Freifaller Signale hinterherschickt und die Reflektionen davon auffängt?
Ich hab das mit Tim angefangen zu diskutieren, aber konnte das aus meiner Sicht nicht so klären, dass ich es verstehe.
Gibt es für den stationären nun einen Zeitpunkt (also in seiner endlichen Eigenzeit), ab dem er prinzipiell keine reflektierten Signale mehr auffangen kann (weil die hinterher geschickten Signale den Freifaller nicht mehr einholen oder zurückkommen) oder nicht?
Es gibt hier für jedes Lichtsignal drei Koordinatenzeiten, nämlich Tsend < Treflect < Treceive. Die erste und die letzte Zeit entsprechen dabei den Eigenzeiten des stationären Beobachters, zu denen er das Signal sendet bzw. wieder empfängt; die zweite Zeit, zu der das Signal reflektiert wird, ist eine reine Koordinatenzeit, die er dem Reflexionsereignis zuordent, die jedoch nichts mit der Eigenzeit des reflektierenden Freifallers zu tun hat.

Die Koordinatenzeit in Schwarzschildkoordinaten, für die ein frei fallendes Lichtsignals den EH überquert, ist unendlich; d.h. Treflect divergiert, wenn der reflektierende Freifaller sich dem EH nähert. Damit ist divergiert Treceive > Treflect sicher auch.

Diese Argumentation verwendet im Wesentlichen Koordinatenzeiten. Da die erste und die letzte Zeit jedoch auch Eigenzeiten sind, gilt die Aussage in jedem beliebigen Bezugsystem. Formuliert man das Problem z.B. im Koordinatensystem des Freifallers, so entspricht die zweite Zeit dessen Eigenzeit, die erste und die dritte Zeit sind keine Koordinatenzeiten mehr. Aber ihre Werte als Eigenzeiten sind invariant unter Wechsel des Koordinatensystems.

Zusammenfassung:
Wenn ein stationärer Beobachter die Zeitdauer = Eigenzeit misst, die zwischen dem Aussenden von Signalen und dem Empfangen der von Freifallern reflektierten Signalen vergeht, dann stellt er fest, dass diese Zeit divergiert, wenn sich der Freifaller dem EH nähert.
Dass diese Zeit divergiert (also immer größer wird, gegen unendlich geht) ist völlig schlüssig. Die Frage ist, ob sie bereits zu einer endlichen Eigenwartezeit des Statiönären divergiert (also 'Unendlich' sozusagen erreicht) oder ob das erst in dessen unendlichen Zukuft geschieht? Wie kann man sich das klarmachen, was jetzt Sache ist?
Timm hat geschrieben:
14. Feb 2017, 15:16
Dazu noch ergänzend, es gibt in der Eigenzeit eines stationären Beobachters einen Zeitpunkt, an dem sein Signal den Freifaller am EH erreicht, später geschickte erreichen ihn jenseits dessen und werden deshalb nicht mehr nach außen reflektiert, sondern landen in der Singularität, s. weiter oben.
Falls das so ist: Wie/wo kann man sich das klarmachen (Diagramm, Rechnung,...)?
Grüße
seeker


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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von Timm » 14. Feb 2017, 17:48

seeker hat geschrieben:
14. Feb 2017, 17:04
Timm hat geschrieben:
14. Feb 2017, 15:16
Dazu noch ergänzend, es gibt in der Eigenzeit eines stationären Beobachters einen Zeitpunkt, an dem sein Signal den Freifaller am EH erreicht, später geschickte erreichen ihn jenseits dessen und werden deshalb nicht mehr nach außen reflektiert, sondern landen in der Singularität, s. weiter oben.
Falls das so ist: Wie/wo kann man sich das klarmachen (Diagramm, Rechnung,...)?
Das hatte ich dir weiter oben geschrieben, Stichwort Raumzeit-Diagramm. Abgesehen davon ist klar, daß der Freifaller in seiner Eigenzeit ein bestimmtes Signal vom statischen Beobachter (das dieser zu einem bestimmten Zeitpunkt (i) in seiner Eigenzeit gesendet hat) am EH empfangen hat, wenn er darüberhinaus kontinuierlich gesendete Signale bis zum Erreichen der Singularität empfängt. Wenn ihn nach (i) gesendete Signale innerhalb des EH erreichen, werden sie deshalb nicht mehr nach außen reflektiert. Es ist wirklich so einfach.

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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von seeker » 14. Feb 2017, 18:08

Welches RZ-Diagramm meinst du denn?
Das hier (?): viewtopic.php?f=7&t=3454&start=123
Damit krieg ich das nicht hin.
Und bei deinen indirekten Argumenten klingt das zwar zunächst schlüssig, aber ich bin da einfach noch etwas vorsichtig, weil SL seltsam sind, da kann es doch manche Überraschung geben.
Ich hätte es eben gerne direkt gehabt. Ich such mal selber, vielleicht finde ich eines.
Grüße
seeker


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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von Timm » 14. Feb 2017, 20:48

seeker hat geschrieben:
14. Feb 2017, 18:08
Welches RZ-Diagramm meinst du denn?
Das hier (?): viewtopic.php?f=7&t=3454&start=123
Damit krieg ich das nicht hin.
Und bei deinen indirekten Argumenten klingt das zwar zunächst schlüssig, aber ich bin da einfach noch etwas vorsichtig, weil SL seltsam sind, da kann es doch manche Überraschung geben.
Ja, dieses und doch, das kriegst du hin. Du mußt nur von A ausgehende parallele gerade verlaufende Null Geodäten ab Abspringpunkt von C einzeichnen. Anfänglich schneiden diese noch C's Weltlinie, dann schneidet genau eine Null Geodäte C's Weltlinie am Ereignis u (hier überquert C gerade den EH), dann nicht mehr.

Die indirekten Argumente sind direkte Argumente. Nochmal vereinfacht: Du fährst von A über B nach C und jemand schickt dir kontinuierlich Signale hinterher. Wenn du nach B noch Signale empfängst, muß du auch bei B ein bestimmtes zu einem bestimmten Zeitpunkt gesendetes Signal empfangen haben. Daß deine Zeit aus der Sicht des Senders langsamer vergeht, macht nichts. Wenn nun B der EH ist, kommt hinzu, daß nach B keine Signale zurück zum Sender geschickt werden können. Es geht hier nur um die relative Zuordnung von Ereignissen, Senden, Empfangen und die Frage geht Zurückschicken noch oder nicht mehr. Vor lauter tiefschürfenden Gedanken scheint dir die Einfachheit dieser Überlegungen zu entgehen. Oder anders, du machst es dir völlig unnötig viel zu schwer.

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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von tomS » 14. Feb 2017, 22:49

seeker hat geschrieben:
14. Feb 2017, 17:04
Es ging dabei nicht darum, ob man einen statischen Beobachter beschreiben kann, sondern ob und wie man einen statischen EH (konstanter Radius) beschreiben kann.
Genauso gut; in Raindrop-Koordinaten mit r = const., in anderen Koordinatensystemen mit f(r,t) = condt.
seeker hat geschrieben:
14. Feb 2017, 17:04
Richtig, ich muss daher präzisiseren: Erkenntnistheoretisch (II.) sind für uns alle Beobachter 'bevorzugt', die in der Lage sind uns ihre Beobachtungen/Messdaten mitzuteilen, sodass wir auf der Erde von ihnen wissen können. Unter (I.) existiert kein Unterschied.
Ich halte das angesichts unserer Situation für Haarspalterei.

Hier und jetzt auf der Erde sind wir in keiner Weise in der Situation, überhaut irgendeine reale Perspektive zu einem SL einzunehmen; wir können und tun das rein praktisch nicht. Wenn wir es könnten und täten, stünde es uns frei, jede beliebige physikalisch mögliche Perspektive einzunehmen: keine ist bevorzugt.
seeker hat geschrieben:
14. Feb 2017, 17:04
Dass diese Zeit divergiert (also immer größer wird, gegen unendlich geht) ist völlig schlüssig. Die Frage ist, ob sie bereits zu einer endlichen Eigenwartezeit des Statiönären divergiert (also 'Unendlich' sozusagen erreicht) oder ob das erst in dessen unendlichen Zukuft geschieht? Wie kann man sich das klarmachen, was jetzt Sache ist?
Für jede endliche Eigenzeit des stationär Wartenden hat das Lichtsignal einen Freifaller oberhalb des EH in endlicher Koordinatenzeit erreicht und wurde von dort aus wiederum in endlicher Koordinatenzeit reflektiert. Anders formuliert, jedes endliche Intervall mit

[Rreflect > RSchwarzschild, Rsend = receive > Rreflect]

führt auf endliche Wartezeiten Twait = Tsend - receive.

Wieder anders formuliert: wenn die Reflexion außerhalb des EH erfolgt, dann ist die Wartezeit endlich.
Gruß
Tom

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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von tomS » 15. Feb 2017, 00:28

seeker hat geschrieben:
14. Feb 2017, 18:08
Welches RZ-Diagramm meinst du denn?
Das hier (?): viewtopic.php?f=7&t=3454&start=123
Damit krieg ich das nicht hin.
Und bei deinen indirekten Argumenten klingt das zwar zunächst schlüssig, aber ich bin da einfach noch etwas vorsichtig, weil SL seltsam sind, da kann es doch manche Überraschung geben.
Ich hätte es eben gerne direkt gehabt. Ich such mal selber, vielleicht finde ich eines.
Ich denke, ich hatte das hier mal diskutiert:

http://www.physikerboard.de/lhtopic,21352,0,0,asc,.html
http://www.physikerboard.de/lhtopic,37109,0,0,asc,.html
Gruß
Tom

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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von seeker » 15. Feb 2017, 01:40

tomS hat geschrieben:
14. Feb 2017, 22:49
Für jede endliche Eigenzeit des stationär Wartenden hat das Lichtsignal einen Freifaller oberhalb des EH in endlicher Koordinatenzeit erreicht und wurde von dort aus wiederum in endlicher Koordinatenzeit reflektiert. Anders formuliert, jedes endliche Intervall mit

[Rreflect > RSchwarzschild, Rsend = receive > Rreflect]

führt auf endliche Wartezeiten Twait = Tsend - receive.

Wieder anders formuliert: wenn die Reflexion außerhalb des EH erfolgt, dann ist die Wartezeit endlich.
Wenn ich das recht sehe, widerspricht das in dem Sinn dem, was Tim sagt - oder?

Tim, ich hab mir das RZ-Diagramm angeschaut: Man kann dort sehr schön sehen, was mit auslaufenden Lichtstrahlen passiert, dass siese für A zunehmend rotverschoben werden, bzw. dass der Beobachtungsabstand zwischen zwei Signalen für A gegen unendlich wächst, je näher C dem EH kommt (und am EH unendlich erreicht).
Aber bei einfallenden Signalen bin ich echt unsicher, ob und wie man die in dem Diagramm einzeichnen darf und ob das dann physikalisch korrekt die Frage beantwortet, u. a. weil in der Darstellung ja schon ein direkter Bezug der Gleichzeitigkeit zwischen A und C nahegelgt wird (wenn man die Linien von unten nach oben verfolgt), was mich misstrauisch stimmt.
Du meinst ja wohl, dass man zur Darstellung der einlaufenden Lichtsignale von der senkrechten Linie A einfach im 45°-Winkel Verbindungslinien zur Linie von C ziehen kann, oder waagerechte Linien oder wie? Und dann sieht man, dass schon vor dem Zeitpunkt u keine Verbindungslinie von A nach C mehr möglich ist?
Ich bin verwirrt...
tomS hat geschrieben:
14. Feb 2017, 22:49
Richtig, ich muss daher präzisiseren: Erkenntnistheoretisch (II.) sind für uns alle Beobachter 'bevorzugt', die in der Lage sind uns ihre Beobachtungen/Messdaten mitzuteilen, sodass wir auf der Erde von ihnen wissen können. Unter (I.) existiert kein Unterschied.
Ich halte das angesichts unserer Situation für Haarspalterei.
...
Ich nicht. Ich halte auch die Perspektive II. für schlüssig. Wir haben auch bereits einige wenige indirekte Beobachtungen von SL und es gibt dort auch noch vieles herauszufinden, manches werden wir wohl nie herausbekommen. Es gibt dabei aber immer einen aktuellen Status Quo des Vertrauens.
Wie gesagt kann aus meiner Sicht bei II. nur um folgendes diskutiert werden:
seeker hat geschrieben:
14. Feb 2017, 12:32
Man kann also an dem Punkt trefflich darüber streiten, ob -und falls ja- wo eine solche Grenze bezüglich unseres ausreichenden Vertrauens zu ziehen sei, aber dass das dann auf jeden Fall eine menschliche Entscheidung ist, darüber kann man nicht diskutieren.
Du kannst also in der Richtung argumentieren, dass du es für vernünftig hälst zu entscheiden, diese Grenze erst bei der Singularität zu ziehen.
Da werde ich dir sogar zuneigen. Das ändert aber nichts am Prinzip und macht Perspektive II. nicht nichtig. Und für mich sind solche Metabetrachtungen/Analysen eben auch interessant: Beim Maß unseres Vertrauens in unser Wissen wo und wie um die Welt, gibt es immer Grauschattierungen. Manchmal ist das Grau dabei vielleicht fast schwarz, aber auch das interessiert mich eben.

Wie gesagt können wir das mit dem "real" aus meiner Sicht auch demnächst gerne abschließen/einmal so stehen lassen und die rein phänomenologische Seite weiter anschauen, das ist interessant genug.
tomS hat geschrieben:
15. Feb 2017, 00:28
Ich denke, ich hatte das hier mal diskutiert:

http://www.physikerboard.de/lhtopic,21352,0,0,asc,.html
http://www.physikerboard.de/lhtopic,37109,0,0,asc,.html
Danke!
Grüße
seeker


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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von tomS » 15. Feb 2017, 06:57

Anbei ein Vergleich zur Anwendung verschiedener Koordinatensysteme mit drei verschiedenen Koordinatenzeiten, jedoch identischer Radialkoordinate (Schwarzschild, 2 * Eddington-Finkelstein). Man erkennt jeweils die ein- und auslaufenden Lichtstrahlen sowie den Ereignishorizont bei r = 1. Freifaller sind nicht dargestellt; man darf sie sich als Weltlinien innerhalb des Vorwärtslichtkegels vorstellen. Ein statischer Beobachter sitzt in allen drei Fällen bei r = const > 1.

Man sieht, dass dem Ereignis des Überquerens des EHs jeweils unterschiedliche (physikalisch irrelevante) Koordinatenzeiten zugeordnet werden. Im Falle der Schwarzschildkoordinaten divergieren beide Koordinatenzeiten für ein- und auslaufende Lichtstrahlen, für Eddington-Finkelstein bleibt eine Koordinatenzeit endlich. Die Koordinatenzeit auf der y-Achse entspricht nur für Schwarzschildkoordinaten direkt der Koordinatenzeit eines statischen Beobachters, für Eddington-Finkelstein ist noch eine Umrechnung notwendig.

Für die Frage, wann Divergenz vorliegt ist dies jedoch irrelevant. Man erkennt, dass in allen drei Fällen die relevante Koordinatenzeitdifferenz zwischen Aussenden und Empfangen endlich bleibt, wenn die Reflexion außerhalb des EH stattfindet, d.h. dass die Koordinatenzeitdifferenz exakt für die Reflexion am EH divergiert. Die Umrechnung von Koordinaten- in Eigenzeitdifferenzen für Eddington-Finkelstein liefert nur einen endlichen Faktor.

Man erkennt außerdem, dass in geeigneten Eddington-Finkelstein-Koordinaten (mittleres Bild) das Überqueren des EHs für einfallende Lichtstrahlen und Beobachter beschreibbar ist, und dass die Divergenz der Wartezeit geometrisch darin begründet liegt, dass auslaufende Lichtstrahlen den Horizont bei r = 1 nicht verlassen können.

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Black hole spacetime - coordinates
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Gruß
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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von Timm » 15. Feb 2017, 10:50

seeker hat geschrieben:
15. Feb 2017, 01:40
Du meinst ja wohl, dass man zur Darstellung der einlaufenden Lichtsignale von der senkrechten Linie A einfach im 45°-Winkel Verbindungslinien zur Linie von C ziehen kann, oder waagerechte Linien oder wie? Und dann sieht man, dass schon vor dem Zeitpunkt u keine Verbindungslinie von A nach C mehr möglich ist?
Ich bin verwirrt...
Ja, von A's Weltlinie ausgehende parallele Linien (Null Geodäten) im Winkel von 45° nach rechts oben (s. das mittlere Diagramm in Tom's letzter Post, nur hier seitenverkehrt). Die erste am Absprungpunkt von C beginnende Linie (Absprung von C und Senden dieses Lichtsignals erfolgt gleichzeitig am selben Ort) erreicht, wie es auch gar nicht anders sein kann, den EH vor C. Später gesendete Signale schneiden C's Weltlinie und holen ihn somit zunächst noch vor dem EH ein, während er sich diesem nähert. Bis schließlich ein Signal ihn exakt am EH erreicht (Ereignis u im Diagramm). Noch später gesendete Signale schneiden C's Weltlinie noch kurzzeitig innerhalb des SLes, dann nicht mehr.

Nach meiner Meinung sind diese RZ-Diagramme für das Verständnis sehr wertvoll. In "General Relativity" von Robert Geroch sind viele interessante Szenarien mit einfachen und gut verständlichen Erläuterungen dargestellt, darunter auch das gerade von mir nun nochmal ausführlicher und umständlich beschriebene mit einfallenden Lichtsignalen, die einem Freifaller hinterher geschickt werden. Dieses kleine Buch wendet sich an den Laien und ist sehr zu empfehlen. Das von mir fotografierte Diagramm (D springt C nach) findet sich inzwischen bei 'Bilder Raumzeitdiagramme', keine Ahnung wie es den Weg dorthin gefunden hat.

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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von Pippen » 15. Feb 2017, 11:07

tomS hat geschrieben:
13. Feb 2017, 07:58
Stell' dir Fische vor, die mittels kleiner Wasserwellen kommunizieren, und die in eine Strömung in Richtung eines Wasserfalls geraten, so dass die Fische selbst sowie die Wasserwellen nicht mehr gegen die Strömung ankommen. Der Flussabschnitt zum Wasserfall kann groß sein und viele Fische beinhalten. Warum sollte man den zurückgebliebenen Fischen das Privileg der alleinigen Deutungshoheit über das Geschehen zu haben? Warum sollte man im Sinne der vertrauenswürdigeren lokalen Beobachtung nicht gerade die mitschwimmenden Fische als diejenigen identifizieren, die wirklich wissen, was geschieht? Sie sind diejenigen, die einen größeren Ausschnitt aus der Realität wahrnehmen, nämlich sich selbst, ihre mitschwimmenden Artgenossen und die zurückgebliebenen Fische. Sie sind diejenigen, die feststellen, dass sie sich nicht gegen die Strömung stemmen können, weil keine Markierung am Boden des Flusses statisch bleibt, egal wie sehr sie sich anstrengen. Die Perspektive der zurückgebliebenen Fische einzunehmen und zulässig; aber aus dem Abreißen der Kommunikation zu den mitschwimmenden Fischen mehr zu folgern, als dass die Kommunikation abreißt, ist willkürlich, gerade weil die Perspektive der mitschwimmenden Fische genauso real und zulässig ist, und gerade weil aus deren Sicht die Kommunikation nicht abreißt.
Und was, wenn wir uns einen Beobachter vorstellen, der alles und ganz genau sieht, weil er außerhalb des Wasser steht? Genau diese "göttliche Perspektive" ist doch unsere Vorstellung von Realität oder Wirklichkeit, der Rest sind doch nur Perspektiven. ME sollte man da auch in der Physik wieder hinkommen: warum nicht die Welt von einer gedachten Außenperspektive betrachten, wo eine Uhr geht und ein Beobachter alles und in beliebiger Schärfe sieht? Und wir versuchen dann herauszufinden, was dieser "göttliche" Beobachter so sähe, denn so und genau so wäre es.

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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von tomS » 15. Feb 2017, 15:11

Pippen hat geschrieben:
15. Feb 2017, 11:07
Und was, wenn wir uns einen Beobachter vorstellen, der alles und ganz genau sieht, weil er außerhalb des Wasser steht? Genau diese "göttliche Perspektive" ist doch unsere Vorstellung von Realität oder Wirklichkeit, der Rest sind doch nur Perspektiven. ME sollte man da auch in der Physik wieder hinkommen: warum nicht die Welt von einer gedachten Außenperspektive betrachten, wo eine Uhr geht und ein Beobachter alles und in beliebiger Schärfe sieht? Und wir versuchen dann herauszufinden, was dieser "göttliche" Beobachter so sähe, denn so und genau so wäre es.
Wir können diese globale Perspektive im Rahmen der ART einnehmen (Hawking, Penrose, ... tun dies). seeker wollte das aber eher empirisch und auf den einzelne Beobachter bezogen angehen, deswegen hier seine Perspektive.

Ich sehe das so wie du: die ART liefert die Werkzeuge für eine globale Beschreibung sowie die Ableitung lokaler, beobachterabhängiger Perspektiven. Das ist für mich die sinnvole Vorgehensweise. Aber seeker möchte das eben aus einer anderen Perspektive darstellen.
Gruß
Tom

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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von tomS » 15. Feb 2017, 16:44

Timm hat geschrieben:
15. Feb 2017, 10:50
Nach meiner Meinung sind diese RZ-Diagramme für das Verständnis sehr wertvoll.
Richtig.

Man muss jedoch beachten, dass es sich um koordinatensystemabhängige Darstellungen handelt; deswegen sollte man immer verschiedene derartige Darstellungen für den selben Sachverhalt betrachten, um zu vermeiden, dass man koordinatensystemabhängige Schlussfolgerungen zieht.
Gruß
Tom

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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von tomS » 15. Feb 2017, 23:40

Hier nochmal das selbe Szenario in Kruskal-Szekeres-Koordinaten: in blau die Singularität, in hellgrün der Ereignishorizont, auslaufende Lichtstrahlen in rot (alle Lichtstrahlen in 45-Grad-Winkeln zu den Achsen; einlaufende Lichtstrahlen ggf. auslaufenden um 90 Grad gedreht); in schwarz und pink zwei einfallende Beobachter; in grau gestrichelt stationäre Beobachter bei konstantem Schwarzschild-Radialkoordinate.

Noch etwas sehr wichtiges: der pinke Beobachter, der hinter dem schwarzen Beobachter ins SL fällt, kann vom schwarzen Beobachter radial auswärts emittierte Lichtsignale empfangen. D.h. der schwarzen Beobachter wird zwar für die bei konstantem r außerhalb sitzenden grauen Beobachter unsichtbar, nicht jedoch für andere frei fallende Beobachter. Das Unsichbar werden des schwarzen Beobachters liegt also ganz wesentlich an den grauen Beobachtern und kann überwunden werden.

Analysiert man die Geometrie des Gravitationskollapses eines Sterns nach Oppenheimer und Snyder, so stellt man fest, dass die schwarze Linie auch die Oberfläche des kollabierenden Sterns repräsentiert. Im Außenraum bleibt das Diagramm demnach gültig (im Innenraum = links der schwarzen Linie nicht). Daraus folgt, dass ein mit dem kollabierenden Stern frei fallender pinker Beobachter die Oberfläche des Sterns während des Kollaps auch innerhalb des sich bildenden Ereignishorizont sieht.

(meine obige Antwort war nicht ganz korrekt, die Klasse der pinken Beobachter, die den schwarzen sehen können, ist größer als oben beschrieben; sowohl schwarze als auch pinke Beobachter sind jedoch für graue Beobachter unsichtbar)
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Gruß
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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von Timm » 16. Feb 2017, 16:22

tomS hat geschrieben:
15. Feb 2017, 16:44
Man muss jedoch beachten, dass es sich um koordinatensystemabhängige Darstellungen handelt; deswegen sollte man immer verschiedene derartige Darstellungen für den selben Sachverhalt betrachten, um zu vermeiden, dass man koordinatensystemabhängige Schlussfolgerungen zieht.
Und insbesondere solche Diagramme betrachten, die bei r=2m nicht die Koordinatensingularität zeigen, die mit den asymptotisch einlaufenden licht- und zeitartigen Geodäten (dem "kleben bleiben") viele Leute verwirren. Dabei finde ich Eddington-Finkelstein- intuitiver als Kruskal-Szekeres-Koordinaten.
tomS hat geschrieben:
15. Feb 2017, 16:44
der pinke Beobachter, der hinter dem schwarzen Beobachter ins SL fällt, kann vom schwarzen Beobachter radial auswärts emittierte Lichtsignale empfangen.
Genau das trifft die Situation, in dem weiter oben diskutierten Eddington-Finkelstein-Diagramm. Hier, wie in dem von dir gezeigten Kruskal-Szekeres-Diagramm sieht der 2. Freifaller den ersten von Beginn an und auch noch eine gewisse Eigenzeit innerhalb des EH, aber, wie man leicht sieht, nicht bis zur Singularität. Die Darstellung ist verschieden, die Aussage dieselbe.
tomS hat geschrieben:
15. Feb 2017, 16:44
sowohl schwarze als auch pinke Beobachter sind jedoch für graue Beobachter unsichtbar
Damit's keine Verwirrung gibt, du meinst hier innerhalb des EH.

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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von seeker » 18. Feb 2017, 10:29

So, jetzt wieder... hab die Grippe, hoffentlich bekomm ich das trotzdem eingermaßen hin...
tomS hat geschrieben:
15. Feb 2017, 06:57
Anbei ein Vergleich zur Anwendung verschiedener Koordinatensysteme mit drei verschiedenen Koordinatenzeiten, jedoch identischer Radialkoordinate (Schwarzschild, 2 * Eddington-Finkelstein). Man erkennt jeweils die ein- und auslaufenden Lichtstrahlen sowie den Ereignishorizont bei r = 1. Freifaller sind nicht dargestellt; man darf sie sich als Weltlinien innerhalb des Vorwärtslichtkegels vorstellen. Ein statischer Beobachter sitzt in allen drei Fällen bei r = const > 1.

Man sieht, dass dem Ereignis des Überquerens des EHs jeweils unterschiedliche (physikalisch irrelevante) Koordinatenzeiten zugeordnet werden. Im Falle der Schwarzschildkoordinaten divergieren beide Koordinatenzeiten für ein- und auslaufende Lichtstrahlen, für Eddington-Finkelstein bleibt eine Koordinatenzeit endlich. Die Koordinatenzeit auf der y-Achse entspricht nur für Schwarzschildkoordinaten direkt der Koordinatenzeit eines statischen Beobachters, für Eddington-Finkelstein ist noch eine Umrechnung notwendig.

Für die Frage, wann Divergenz vorliegt ist dies jedoch irrelevant. Man erkennt, dass in allen drei Fällen die relevante Koordinatenzeitdifferenz zwischen Aussenden und Empfangen endlich bleibt, wenn die Reflexion außerhalb des EH stattfindet, d.h. dass die Koordinatenzeitdifferenz exakt für die Reflexion am EH divergiert. Die Umrechnung von Koordinaten- in Eigenzeitdifferenzen für Eddington-Finkelstein liefert nur einen endlichen Faktor.

Man erkennt außerdem, dass in geeigneten Eddington-Finkelstein-Koordinaten (mittleres Bild) das Überqueren des EHs für einfallende Lichtstrahlen und Beobachter beschreibbar ist, und dass die Divergenz der Wartezeit geometrisch darin begründet liegt, dass auslaufende Lichtstrahlen den Horizont bei r = 1 nicht verlassen können.
Bild
Ja, genau, Freifaller sind leider nicht dargestellt. Die müssten wir noch einzeichnen.
Ja, die Koordinatenzeit auf der y-Achse entspricht nur für Schwarzschildkoordinaten direkt der Koordinatenzeit eines statischen Beobachters. Je nach Fragestellung bieten sich Schwarzschildkoordinaten also schon an.

Ich möchte zuerst noch ein paar Gedankenexperimente darstellen, wo man die KS brauchen kann. Es soll dabei allein darauf geschaut werden, was beobachtet wird, auf weitergehende Interpretationen soll zunächst verzichtet werden.

1. Szenario:
Zwei Beobachter S und F befinden sich zusammen, stationär und entfernt vom SL.
S macht mit F aus, dass sich F ins SL fallen lassen soll und dabei 1x pro Minute (Eigenzeit F) ein Blitz-Signal in Richtung S senden soll.
Nehmen wir weiterhin an, dass F den EH des SLs in 1000,5 Minuten Eigenzeit erreicht und die Singularität dann entsprechend später.
Was sieht S, nachdem sich F fallen gelassen hat?

Ich würde sagen, dass sich zur Beantwortung hier Eddington-Finkelstein-Koordinaten (mittleres Diagramm) am besten eignen.
S sieht, dass die Signale von F zunehmend rotverschobener werden und stellt außerdem fest, dass der zeitliche Abstand zwischen dem Ankommen von zwei Signalen ebenso zunimmt.
(Das kann man im mittleren Diagramm anhand er roten, auslaufenden Lichtstrahlen sehen. Würde man F einzeichnen würde der nen Bogen machen, statt ner Geraden mit 45°, wie die Lichtstrahlen, aber das ändert nichts am Prinzip.)
Außerdem wird S exakt 1000 Signale messen und dann nichts mehr, auch nicht mit perfekter Messtechnik, ganz einfach, weil das 1001ste Signal schon hinter dem EH ausgesendet wird.
Diese Erkenntnis finde ich wichtig! Denn selbst wenn F 1x pro Sekunde oder 1x pro ms, usw. Signale aussendet ändert das nichts am Prinzip: S wird stets nur endlich viele Signale messen können, da F in seiner endlichen Eigenzeit bis zum EH nur endlich viele Signale losschicken kann.


2.Szenario:
Zwei Beobachter S und F befinden sich zusammen, stationär und entfernt vom SL.
F lässt sich ins SL fallen. S schickt nun sofort ein Blitz-Signal hinterher, das von F reflektiert wird und zu S zurückkehrt.
Sofort, wenn F ein reflektiertes Signal empfangen hat, schickt er das nächste los, usw.
Was sieht S, nachdem sich F fallen gelassen hat? Wie viele reflektierte Signale empfängt er (endlich viele oder potentiell unendlich viele)?

Ich würde sagen, dass sich zur Beantwortung hier Schwarzschildkoordinaten am besten eignen (linkes Schaubild).
Klar ist, dass auch hier S feststellen wird, dass die empfangenen Signale zunehmend rotverschoben bei ihm ankommen und auch der Signalabstand zunimmt.
Mir ist hier allerdings leider immer noch nicht 100% klar, ob S bereits keine Signale mehr empfängt, wenn F noch deutlich vor dem EH ist.
Wieso bin ich da immer noch unsicher? Weil z.B. auch eine 'steilere' Kurve 1/x² eine andere 'weniger steile' Kurve 1/x immer vor x=0 schneiden (= 'einholen') wird.
Klar ist ja auch, dass die von S geschickten Lichtblitze (blaue Linien im linken Diagramm) einen steileren Bogen machen als F, diesen also eventuell doch alle noch vor dem EH erreichen könnten. Es geht hier immer noch um die Frage, bis wohin (r) die Signale von S den Freifaller F noch einholen. Dazu müsste man wie gesagt F in dieses Schaubild einzeichnen.
Festgehalten haben wir ja bereits, dass alle Signale, die F noch vor dem EH erreichen, auch in endlicher Eigenzeit S wieder zu S zurückkehren werden.
Was man m. E. auf jeden Fall im Diagramm sehen kann, ist, dass alle Signale, die S in Richtung F losschickt, diesen direkt auf dem EH erreichen.
(Die blauen Linien im linken Diagramm fallen alle am EH zusammen, bei Eigenzeit S: t = unendlich.)
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von tomS » 18. Feb 2017, 12:53

seeker hat geschrieben:
18. Feb 2017, 10:29
1. Szenario:
Ja.
seeker hat geschrieben:
18. Feb 2017, 10:29
2.Szenario:
Zwei Beobachter S und F befinden sich zusammen, stationär und entfernt vom SL.
F lässt sich ins SL fallen. S schickt nun sofort ein Blitz-Signal hinterher, das von F reflektiert wird und zu S zurückkehrt.
Sofort, wenn F ein reflektiertes Signal empfangen hat, schickt er das nächste los, usw.
Was sieht S, nachdem sich F fallen gelassen hat? Wie viele reflektierte Signale empfängt er (endlich viele oder potentiell unendlich viele)?
Kann man aus den Diagrammen m.E. nicht direkt ablesen, muss man berechnen.
seeker hat geschrieben:
18. Feb 2017, 10:29
Ich würde sagen, dass sich zur Beantwortung hier Schwarzschildkoordinaten am besten eignen (linkes Schaubild).
Nee. Du kannst nie wirklich auseinanderhalten, welche Artefakte dir die Koordinatensingularität vorgaukelt und welche real sind.
seeker hat geschrieben:
18. Feb 2017, 10:29
Klar ist, dass auch hier S feststellen wird, dass die empfangenen Signale zunehmend rotverschoben bei ihm ankommen und auch der Signalabstand zunimmt.
Außer dass die Signale von F zu anderen Eigenzeiten ausgesandt = reflektiert werden hat sich ggü. Szenario 1 nichts geändert - möchte man meinen.

Fakt ist aber, dass F die Signale, die mit Frequenz f von S ausgehen, mit einer gewissen Frequenzverschiebung, d.h. neuer Frequenz f' empfängt (in f' ist eine gravitative Blauverschiebung plus Doppler-Rotverschiebung enthalten), dass F diese mit exakt der selben Frequenz f' wieder zu S reflektiert, und dass die Blauverschiebung, nicht jedoch die Dopplerverschiebung, exakt kompensiert wird. Bereits die Berechnung der Frequenz f' ist nicht straight forward; es ist a priori unklar, ob f' ggü. rot- oder blauverschoben ist.
seeker hat geschrieben:
18. Feb 2017, 10:29
Mir ist hier allerdings leider immer noch nicht 100% klar, ob S bereits keine Signale mehr empfängt, wenn F noch deutlich vor dem EH ist.
Diese Frage ist zunächst mal nicht sinnvoll, weil da diesen zeitliche "wenn" steht. Bzgl. der Eigenzeit von S = der Schwarzschildkoordinatenzeit befindet sich F immer außerhalb des Horizontes.
Gruß
Tom

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Re: Schwarze Löcher, einfallende Materie

Beitrag von tomS » 18. Feb 2017, 13:13

Ich denke, ich weiß, wie man ohne Rechnung argumentiert.

Man berechnet die Geodäte GF von F, der bei t=T ab dem Ort von S bei Radius R frei fällt. Man berechnet eine lichtartige Geodäte G ausgehend von S zu einem etwas späteren Zeitpunkt t=T. Man berechnet den Schnittpunkt der beiden Geodäten GF und G; dies liefert in Schwarzschildkoordinaten (i) eine Koordinatenzeit T', oder (ii) keine Lösung, wenn der Schnittpunkt bereits innerhalb des Ereignishorizontes liegt (*). Das reflektierte Signal wird von S bei R zur Eigenzeit T'' = 2T' empfangen. Nun startet man die Berechnung mit T'' anstelle von T neu usw.

2') Nehmen wir zunächst an, S sendet die Lichtsignale zu konstanten Zeitintervallen seiner Eigenzeit hinter F her. Da sich F von S entfernt, werden die Eigenzeiten von F, zu denen F diese Signale empfängt, anwachsen. Da F jedoch in endlicher Eigenzeit den EH überquert, kann er bis dahin nur endlich viele derartige Signale von S empfangen.

2) Nun sendet S jedoch die Lichtsignale nicht in konstanten sondern in wachsenden Zeitintervallen seiner Eigenzeit. Grund ist wiederum, dass F sich von S entfernt, d.h. dass offensichtlich die Eigenzeitintervalle von S zwischen dem Aussenden und dem Empfangen eines reflektierten Signals anwachsen müssen; gleich bleiben könnten sie nur, wenn F bei konstantem Radius verharren würde. D.h. S sendet im Vergleich zum Szenario (2'), in dem er die Signale zu konstanten Eigenzeitintervallen absendet, weniger (oder höchstens gleich viele) Signale im selben seiner Eigenzeitintervalle. Wenn jedoch bereits im Szenario (2') nur endlich viele Signale bei F noch außerhalb des EH ankommen, dann werden im Szenario (2) sicher weniger (oder höchstens gleich viele) Signale noch außerhalb des EH bei F ankommen und wieder zu S reflektiert werden.

S empfängt demnach nur endlich viele reflektierte Signale.


(*)in anderen Koordinaten erhält man eine Lösung, aber das ist irrelevant, weil es uns ja nur um Signale geht, die wieder zu S reflektiert werden).
Gruß
Tom

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