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Ist Mathematik Sprache der Physik?

Mathematische Fragestellungen
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Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von Alberich » 30. Mai 2015, 22:02

Folgenden Text, der sicher Interesse erregt, fand ich in meinen Unterlagen:

Gib es mathematische Gesetze in der Natur?
Kein Komponist komponiert mit Tönen, deren Frequenzen im Bereich oberhalb 20 kHz oder unter 20 Hz liegen. Denn kein Ohr könnte sein Werk hören. Hörbare Töne werden von Menschen, Tieren und anderen Naturereignissen erzeugt, also der Umwelt.

Kein Maler malt mit „Farben" außerhalb des Farbenspektrums. Die mag es geben, aber wir bezeichnen sie per Definition nicht als Farben. Farben sind jene elektromagnetischen Schwingungen, für die das menschliche Auge empfindlich ist. Das Auge ist kein physikalischer Sensor, es hat sich vielmehr an das Sonnenspektrum angepasst.

All diese Aussagen gelten nicht für die Tierwelt: Hund und Fledermaus hören Ultraschall, Elefanten lnfraschall, Bienen sehen UV- und polarisiertes Licht. Das sind jeweils spezifische Anpassungen. Natürliche Signale und tierische Sinne sind jeweils Anpassungen, um zu kommunizieren oder die Umwelt zu erkennen.

Während Tiere in großem Umfang von lnstinkten oder Reflexen geleitet werden, hat der Mensch insbesondere die Fähigkeit, Ursache-Wirkung-Zusammenhänge rational zu erkennen. Das führt zu Abstraktionen wie Zahlen, und darauf aufbauend, zur Mathematik.
Mathematik bildet Mengen, Klassen und Funktionen. Sie sind ein Ordnungsprinzip, womit die Erkenntnisse über die Natur in Regeln zusammengefasst werden. Sie sind somit ein Verdichtung der Naturerkenntnisse.

Wäre die Natur nach anderen Gesetzen konstruiert, gäbe es auch eine andere Mathematik, was aber heute wegen unserer Prägung gar nicht erst vorstellbar ist.

Daher ist die Frage, wieso die Natur den bekannten physikalischen Gesetzen gehorcht, unsinnig. Ebenso wenig kann man fragen wieso sich das Auge gerade so entwickelt hat, dass es das Sonnenspektrum nutzen kann.

Es ist falsch, die Mathematik als Sprache und Basis der Natur anzusehen:

lm Mittelalter galt die Erde als Zentrum des Universums. Folglich mussten Planeten Bahnen beschreiben mit der Erde als Zentrum. Als mathematische Beschreibung galten die Epizyklen. Erst spätere Beobachtungen verlangten Korrekturen, die zu Newtons Gesetzen führten.

Jeder Solaringenieur ist vertraut mit der Transformation der Sonnenbewegung in ein Koordinatensystem, bestehend aus der Photozellenebene und seiner Normalen. Eine solche Funktion beschreibt in Abhängigkeit von Hausorientierung, Dachneigung und Tageszeit die einfallende Sonnenintensität. Das ist notwendig, ändert aber nichts am Lauf der Sonne.

Für die meisten Vorgänge in der Natur gelten nichtlineare Zusammenhänge, wodurch viele Verläufe nur schwierig voraussehbar sind, was erst spät mit der Entdeckung chaotischer Entwicklungen bekannt wurde. Hier waren Beobachtungen die primären Ereignisse.

Wie muss es uns erstaunen, wenn heute im Gegensatz zum Gesagten fleißige Mathematiker Systeme entwickeln, die die Natur beschreiben wollen. Nach hinreichend langem Denken werden dann die Ergebnisse interpretiert als alle Materie beinhaltende Singularität, vieldimensionale Räume, unendlich viele Universen, Reisen in vorausgegangene Universen durch Raum-Zeit-Wurmlöcher. Wo ist der Unterschied zum „Kaninchen aus dem Hut” oder der „zersägten Jungfrau"?

MfG
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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von deltaxp » 2. Jun 2015, 11:25

Ja Mathematik ist die Sprache der Physik.

Ist die Realität Mathematik ? Manche gehen soweit zu sagen, ja: die Natur könnte eine große algebraische Struktur sein (Max Tegmark).
Aber sagen wir so: Mathematik bietet den besten Baukasten zur Modellerstellung der Regeln der Natur. Ursache und Wirkung in Qualität und Quantität.
Kein andere Methodik konnte in Menschheitsgeschichte eine derartige Güte zur Modellerstellung der Realität aufweisen wie die Mathematik.

Warum es so ist, wissen wir nicht, wir wissen nur dass die Beschreibungen der Naturphänomene mittels der Mathematik, also darauf basierende Realitätsmodelle bestens mit den gemessen Ereignissen übereinstimmen (bisher).

Ist es denkbar Universen zu konstruieren, die ohne eineindeutige Regeln (Unitarität der Streumatrix) funktioniert? Ja sicher, nur unseres ist nach bisherigen Erkenntnissen unseres kein solches. Aber es gibt, und wird's vielleicht immer geben, Gebiete in denen das stets aufs neue überprüft werden muss: Das schwarze Loch-Informationsparadoxon ist z.B. noch nicht vollständig geklärt.

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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von seeker » 2. Jun 2015, 18:29

Alberich hat geschrieben:Mathematik bildet Mengen, Klassen und Funktionen. Sie sind ein Ordnungsprinzip, womit die Erkenntnisse über die Natur in Regeln zusammengefasst werden. Sie sind somit ein Verdichtung der Naturerkenntnisse.
Wäre die Natur nach anderen Gesetzen konstruiert, gäbe es auch eine andere Mathematik, was aber heute wegen unserer Prägung gar nicht erst vorstellbar ist.
Ja, ich argwöhne schon eine Weile, dass unsere Mathematik und unsere Logik vielleicht am Ende auch nur empirisch sind, also im Kern auf Erfahrungswissen beruhen und wir somit nicht wissen können, ob unsere Logik auch wirklich logisch IST (in einem unabhängigen, objektiven Sinne).
Alberich hat geschrieben:Daher ist die Frage, wieso die Natur den bekannten physikalischen Gesetzen gehorcht, unsinnig.
Nun ja, so weit würde ich nicht gehen. Es könnte sich aber ein Kreis, ein Selbstbezug ergeben, ja.
Ich würde eher sagen, dass die Antwort auf diese Frage notorisch unklar bleiben muss.

Und man kann auch überlegen, ob hier nicht das anthropische Prinzip angewendet werden kann:
Es wäre möglich, dass nur in Welten, in denen ein hohes Maß an Ordnung, also Naturgesetzlichkeit herrscht, Leben überhaupt möglich ist, während in Welten, die ein zu großes Maß an Chaos/Nicht-Konstanz beinhalten eben kein Leben möglich ist und es dort dann auch keine Fragesteller und keine Mathematiker geben kann.

Um sich sich solche Welten auch nur halbwegs vorstellen zu können, sollte man sich folgende Frage stellen:
Wie müsste eine Welt beschaffen sein, die mathematisch fast nicht oder (als Extrem) sogar gar nicht mit unseren Mitteln beschreibbar wäre?
Kann es so eine Welt überhaupt geben? Ist sie denkbar? Wie müsste sie aussehen?
Ich meine, selbst dem gewöhnlichen Zufall gewinnen wir ja über Stochastik und dem Gesetz der großen Zahl noch etwas Struktur und damit mathematische Beschreibbarkeit ab... Von was also könnte dann mathematisch überhaupt nichts mehr erfasst werden?
Alberich hat geschrieben:Es ist falsch, die Mathematik als Sprache und Basis der Natur anzusehen:
Das würde ich auch nicht sagen. Es ist nur ungewiss, ob die Mathematik sozusagen Sprache und Basis der Natur ist.
"Falsch" würde implizieren, dass in dem Punkt Gewissheit herrschen würde.

Man kann aber mit gutem Grund darüber nachdenken, ob die Mathematik Sprache und Basis unserer Welt, unseres Universums, unserer Natur ist.
Diese Annahme bedeutet ja nicht, dass das dann gleich für jede Welt, jedes Universum, jede Natur gelten müsste.
Sie bedeutet auch nicht unbedingt, dass sie vollständige Basis und Sprache unserer Welt sein müsste.
Alberich hat geschrieben:Wie muss es uns erstaunen, wenn heute im Gegensatz zum Gesagten fleißige Mathematiker Systeme entwickeln, die die Natur beschreiben wollen. Nach hinreichend langem Denken werden dann die Ergebnisse interpretiert als alle Materie beinhaltende Singularität, vieldimensionale Räume, unendlich viele Universen, Reisen in vorausgegangene Universen durch Raum-Zeit-Wurmlöcher. Wo ist der Unterschied zum „Kaninchen aus dem Hut” oder der „zersägten Jungfrau"?
Ja, hier wird es auch aus meiner Sicht einfach schwierig: Je weiter man sich mathematisch von der uns bekannten Welt entfernt, desto größer wird die Ungewissheit und auch die Unsicherheit der von dort erhaltenen Ergebnisse/Aussagen.
Deshalb führt solches zwingend ins Reich der Spekulation, sei es mathematisch auch noch so schön oder folgerichtig.

Beste Grüße
seeker
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seeker


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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von tomS » 2. Jun 2015, 19:15

Theoretische Physik besteht darin, bekannte Phänomene zu beschreiben und neue vorherzusagen; dies jeweils quantitativ und (zumindest prinzipiell) experimentell überprüfbar. Je einfacher und universeller die Beschreibung ist, desto größer ist die Klasse der beschreibbaren Phänomene. Je spezieller die Beschreibung ist, desto eingeengter ist sie. Wenn die Theorie also neue Klassen von Phänomenen vorhersagt, dann ist das eine erwünschte Konsequenz der physikalischen Methode (bereits aus der Maxwellschen Theorie folgten neue, bis dahin unbekannte Phänomene).

Der Absatz "Wie muss es uns erstaunen, wenn heute im Gegensatz zum Gesagten fleißige Mathematiker Systeme entwickeln, die die Natur beschreiben wollen. Nach hinreichend langem Denken werden dann die Ergebnisse interpretiert als alle Materie beinhaltende Singularität, vieldimensionale Räume, unendlich viele Universen, Reisen in vorausgegangene Universen durch Raum-Zeit-Wurmlöcher. Wo ist der Unterschied zum „Kaninchen aus dem Hut” oder der „zersägten Jungfrau"?" scheint zu besagen, dass dies bei der Physik im Vordergrund stünde. Das ist keineswegs der Fall. 99.99% aller Physiker befassen sich wohl gerade nicht damit.

Und wenn es die Konsequenz einer ansonsten extrem erfolgreiche Theorie ist, dann muss man auch diese Erkenntnisse ernst nehmen, d.h. z.B. versuchen, sie zu falsifizieren. Einfach die Augen verschließen hilft nicht weiter.
Gruß
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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von Alberich » 2. Jun 2015, 23:31

Ich betone: Das ist nicht mein Artikel! Nur war er so bemerkenswert, dass ich ihn vor Jahren aus dem Internet geladen habe. Trotz aller Bemühungen konnte ich den Autor nicht mehr finden!!
deltaxp hat geschrieben:Aber sagen wir so: Mathematik bietet den besten Baukasten zur Modellerstellung der Regeln der Natur. Ursache und Wirkung in Qualität und Quantität.
Kein andere Methodik konnte in Menschheitsgeschichte eine derartige Güte zur Modellerstellung der Realität aufweisen wie die Mathematik.
Dem stimme ich zu. Aber das beste Modell bleibt Modell, es ist nicht identisch mit der Realität.
Die Stringtheorie ist eine Theorie. Sollten Modelle nicht dinghaft sein?
deltaxp hat geschrieben:Das schwarze Loch-Informationsparadoxon ist z.B. noch nicht vollständig geklärt.
Was bedeutet das sehr exakt? Könnte das SL einen ultradichten Materiekern enthalten? Statt Singularität? Wie lüftet man den Vorhang? Ist Singularität ein mathematischer Grenzwert?
seeker hat geschrieben:ob unsere Logik auch wirklich logisch IST (in einem unabhängigen, objektiven Sinne)
Wo und was ist der unabhängige objektive Sinn? Haben wir eine Wahl?
tomS hat geschrieben: 99.99% aller Physiker befassen sich wohl gerade nicht damit.
Die bewundernswerten Entwicklungen jener Physikergilde (Informatik, Medizin, Raumfahrt u.a.) verleihen der Physik großes Ansehen. Umso ärgerlicher sind jene Phantasien, die die Grenzgebiete der Physik, insbesondere Kosmologie ( nicht Astronomie, Astrophysik u.ä.) zum Panoptikum werden lassen.
tomS hat geschrieben:Und wenn es die Konsequenz einer ansonsten extrem erfolgreiche Theorie ist, dann muss man auch diese Erkenntnisse ernst nehmen, d.h. z.B. versuchen, sie zu falsifizieren. Einfach die Augen verschließen hilft nicht weiter.

Wie könnte ich Multiversen falsifizieren? 10 Dimensionen? Bojowalds inverse Welt vor dem Urknall?
Sollten wir uns nicht gelegentlich an die Anfänge der Erkenntnistheorie erinnern?
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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von tomS » 3. Jun 2015, 01:30

Man muss nicht jede Vorhersage einer funktionierenden Theorie falsifizieren können; dies muss nur für eine "genügend große Klasse" von Vorhersagen möglich sein. Anders gesagt: eine im Wesentlichen funktionierende Theorie darf auch nicht-falsifizierbare Vorhesagen enthalten, um weiterhin akzeptabel zu bleiben.

In den o.g. Beispielen scheitern nicht die Multiversen, sondern der Nachweis des Inflatonfeldes; es scheitern nicht die 10 Dimensionen, sondern die Stringtheorie (bisher als Ganzes); usw.

Und es ist keineswegs so, dass hier nur die Phantasien ins Kraut schießen (ja, das tun sie bisweilen, und das ist ärgerlich), sondern es ist einfach so, dass eine ansonsten erfolgreiche Theorie eben auch derartige Dinge vorhersagen kann; das kannst du der Theorie schlecht verbieten, oder?

Was erwartest du von einer Theorie, z.B. die Quantengravitation beinhaltet? Sie wird sicher auch nicht bzw. nicht praktisch falsifizierbare Vorhersagen machen? Ist deswegen gleich jede derartige Theorie Hokuspokus?
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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von deltaxp » 3. Jun 2015, 06:56

Alberich hat geschrieben: Dem stimme ich zu. Aber das beste Modell bleibt Modell, es ist nicht identisch mit der Realität.
Ja was anderes können wir nicht tun: selbst unsere Darstellung der Welt in unserem Gehirn aufgrund unserer Sinneswahrnehmung ist nur ein Modell der Realität
Alberich hat geschrieben:
deltaxp hat geschrieben:Das schwarze Loch-Informationsparadoxon ist z.B. noch nicht vollständig geklärt.
Was bedeutet das sehr exakt? Könnte das SL einen ultradichten Materiekern enthalten? Statt Singularität? Wie lüftet man den Vorhang? Ist Singularität ein mathematischer Grenzwert?
um die Singularität geht ist es schwarz-loch informationsparadoxon primär nicht, sondern um das was am Horizont und mit der hawkingstrahlung passiert.
im unteforum schwarze löcher steht eine menge dazu. ansonsten empfehle ich "black whole wars" von Leonard susskind

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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von tomS » 3. Jun 2015, 12:06

Das Informationsparadoxon besagt ganz grob, dass ein "reiner Quantenzustand" der Materie vor dem Kollaps in einen thermischen, "gemischten Zustand" der Hawkingstrahlung nach dem Kollaps übergeht; dies verletzt die unitäre Zeitentwicklung der QM und ist daher nach deren Regeln verboten.

Die Auflösung des Paradoxons kann nicht in einem "kleinen" ultradichten Materiekern liegen; die erforderlichen Quantenkorrekturen der Hawkingstrahlung zur Rettung der Unitarität sind groß, d.h. man muss davon ausgehen, dass das SL bis zum EH ein "makroskopisches Quantenobjekt" (*) ist, das Gesetzen der noch zu entwickelnden Quantengravitation unterliegt. Eine Singularität läge damit natürlich auch nicht mehr vor.

Ich kenne zwei konkrete Ansätze:

1) nach dem fuzzball-proposal der Stringtheorie entspricht (*) einem Überlagerungszustand verschiedener Strings, die mikroskopisch die selbe Anzahl an Freiheitsgraden repräsentieren wie vor dem Kollaps; gemäß der Stringtheorie ist das einfach deswegen möglich, weil alle Freiheitsgrade sowohl vor als auch nach dem Kollaps immer Strings sind; makroskpisch und außerhalb des EH sieht das SL wie die bekannte klassische Lösung der ART aus

2) nach dem Ansatz der LQG (Schleifenquantengravitation) entspricht das SL einem makroskopischen Spinnetzwerk; die Zustände sind inzwischen ziemlich genau bekannt; unklar ist m.W.n. jedoch, wie die Freiheitsgrade der Materie vor dem Kollaps auf entsprechende Freiheitsgrade der Spinnetzwerke nach dem Kollaps abgebildet werden
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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von Pippen » 3. Jun 2015, 22:40

deltaxp hat geschrieben:Ja Mathematik ist die Sprache der Physik.

Ist die Realität Mathematik ? Manche gehen soweit zu sagen, ja: die Natur könnte eine große algebraische Struktur sein (Max Tegmark).
Aber sagen wir so: Mathematik bietet den besten Baukasten zur Modellerstellung der Regeln der Natur. Ursache und Wirkung in Qualität und Quantität.
Kein andere Methodik konnte in Menschheitsgeschichte eine derartige Güte zur Modellerstellung der Realität aufweisen wie die Mathematik.

Warum es so ist, wissen wir nicht,
Doch das wissen wir. Weil nämlich die Mathematik unser präzisestes Denkinstrument ist. Trotzdem ist die Mathematik höchstwahrscheinlich schlicht falsch. So sagt zB das Unendlichkeitsaxiom: Es gibt eine Menge A, die die leere Menge und mit jedem Element x auch die Menge x v {x} enthält. Es ist aber geradezu sicher, dass es eine Menge gibt, wo schlicht niemand (Mensch oder Computer) im Universum die Vereinigung bilden könnte, weil diese Menge einfach zu groß ist, um sie unterscheidbar von anderen Mengen auch nur hinzuschreiben oder sich vorzustellen (und dann eine Vereinigung mit {x} zu bilden). Wenn uns kein allmächtiger Gott rettete, dann wäre das Axiom durch (empirische) Widerlegung falsch und damit ZFC. Und da hilft es dann auch nichts, wenn wir "so tun als ob etwas Falsches wahr wäre". Mathematik ist einfach nützlich und funktioniert. Höhere oder tiefere Erkenntnisse liefert sie uns wahrscheinlich genausowenig.

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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von tomS » 4. Jun 2015, 07:41

Pippen hat geschrieben:
deltaxp hat geschrieben:Ja Mathematik ist die Sprache der Physik.

Aber sagen wir so: Mathematik bietet den besten Baukasten zur Modellerstellung der Regeln der Natur. Ursache und Wirkung in Qualität und Quantität.
Kein andere Methodik konnte in Menschheitsgeschichte eine derartige Güte zur Modellerstellung der Realität aufweisen wie die Mathematik.

Warum es so ist, wissen wir nicht,
Doch das wissen wir. Weil nämlich die Mathematik unser präzisestes Denkinstrument ist. Trotzdem ist die Mathematik höchstwahrscheinlich schlicht falsch. So sagt zB das Unendlichkeitsaxiom: Es gibt eine Menge A, die die leere Menge und mit jedem Element x auch die Menge x v {x} enthält. Es ist aber geradezu sicher, dass es eine Menge gibt, wo schlicht niemand (Mensch oder Computer) im Universum die Vereinigung bilden könnte, weil diese Menge einfach zu groß ist, um sie unterscheidbar von anderen Mengen auch nur hinzuschreiben oder sich vorzustellen (und dann eine Vereinigung mit {x} zu bilden). Wenn uns kein allmächtiger Gott rettete, dann wäre das Axiom durch (empirische) Widerlegung falsch und damit ZFC. Und da hilft es dann auch nichts, wenn wir "so tun als ob etwas Falsches wahr wäre". Mathematik ist einfach nützlich und funktioniert. Höhere oder tiefere Erkenntnisse liefert sie uns wahrscheinlich genausowenig.
Das ist aus vielen Gründen falsch.
Weil nämlich die Mathematik unser präzisestes Denkinstrument ist
Das erklärt nicht, warum das Universum mathematischen Regeln folgt.
Trotzdem ist die Mathematik höchstwahrscheinlich schlicht falsch
Das ist sie höchstwahrscheinlich NICHT, denn sonst hätten die Mathematiker wohl bereits widersprüchliche Aussagen entdeckt; haben sie aber nicht.
... dann wäre das Axiom durch (empirische) Widerlegung falsch
Ein Axiom kann nicht empirisch widerlegt werden.

1) Ein Axiom kann im Kontext eines Axiomensystems zu widersprüchlichen Aussagen führen; dann ist aber nicht ein Axiom empirisch falsch, sondern das Axiomensystem logisch widersprüchlich
2) Ein Axiomensystem kann sich als empirisch nicht anwendbar erweisen; damit ist es aber nicht falsch oder widersprüchlich, sondern lediglich nicht anwendbar.
Gruß
Tom

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Siggi

Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von Siggi » 5. Jun 2015, 02:31

Hallo,

ich denke es ist der Versuch die Natur in gewisse Strukturen zu pressen um eine Vorhersage über zukünftige Ereignisse zu treffen. Erinnert mich irgendwie an Astrologie und Nostradamus im Mittelalter.
Ob wir damit richtig liegen liegt wenn ich Dich richtig verstehe wird immer im Auge bzw. Sinne des Betrachters liegen.
Sorry, ich muss mal etwas ausführlicher ausholen:
Wir sehen definitiv das Universum aus der Vergangenheit, weil uns die Photonen oder Elektronen Gamma- und Röntgenstrahlung uns nach etlichen von Mrd. Jahren erreichen. Wenn wir mal Zeit und deren Krümmung beiseite schieben, beziehen wir das was wir in weiter Ferne beobachten auf uns selbst. Aber es ist wie immer ein Trugschluss.
Ich sehe etwas und beziehe es auf meine Zeit, aber es ist durch und durch nicht real, weil das Licht welches uns ereicht immerhin schon Mrd. oder auch LJ Jahre alt ist.
Sind wir wieder beim Thema von Zeit und Raum. Ich kann aufgrund meiner Wahrnemung nicht auf den jetzigen Zustand einer z.B. Galaxie schliessen. (man kann es schon aufgrund theoretischer Berechnungen) aber ist es wirklich so? Und der Eigenbewegung der Systeme ganz weit weg immer noch so?

Ich habe mal eine dumme Frage: wenn alles was wir sehen nur noch die Vergangenheit ist, existieren dann überhaupt noch Galaxien, ausser in unserer unmittelbaren Umgebung? Sind diese nicht schon verschwunden oder endeten in einem SL?.

lg

Siggi :wn:

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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von Pippen » 5. Jun 2015, 02:55

tomS hat geschrieben: Das ist sie höchstwahrscheinlich NICHT, denn sonst hätten die Mathematiker wohl bereits widersprüchliche Aussagen entdeckt; haben sie aber nicht.
Das hat nichts zu sagen.
Ein Axiom kann nicht empirisch widerlegt werden.
Doch das kann es. Nimm zB das Axiom, nach welchem jede nat. Zahl einen Nachfolger hat. Was ist, wenn wir nun den sogar plausiblen Fall annehmen, dass niemand (kein menschliches Gehirn, kein Computer, kein Gott) auf der Welt jeder nat. Zahl einen Nachfolger zuweisen kann, weil das einfach aufgrund der unendlich vielen Zahlen nicht machbar ist. Dann ist das Axiom schlicht falsch.

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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von tomS » 5. Jun 2015, 06:40

Das ist Quatsch. Mathematik ist nicht an praktische Ausführbarkeit gebunden.
tomS hat geschrieben:Ein Axiom kann nicht empirisch widerlegt werden.

1) Ein Axiom kann im Kontext eines Axiomensystems zu widersprüchlichen Aussagen führen; dann ist aber nicht ein Axiom empirisch falsch, sondern das Axiomensystem logisch widersprüchlich.
2) Ein Axiomensystem kann sich als empirisch nicht anwendbar erweisen; damit ist es aber nicht falsch oder widersprüchlich, sondern lediglich nicht anwendbar.
In deinem Beispiel trifft Fall (2) zu.
Gruß
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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von Fuzzlix » 5. Jun 2015, 16:45

Ich denke, die Eingangsfrage ist etwas zu weit gefasst und deshalb schwehr bis gar nicht zu beantworten. Wollte ich es versuchen, so müsste ich mit JA und NEIN antworten:

Ja! Denn bestimmte Aussagen über unserre Umwelt lassen sich sehr gut mathematisch formulieren.
NEIN! Denn NICHT ALLE Aussagen über unsere Umwelt lassen sich mathematisch formulieren.

Damit ist das Thema eigentlich beendet und die Frage so gut es geht beantwortet.

Bleiben nur die Fragen:
Welche Aussagen über unsere Umwelt lassen sich mathematisch formulieren und warum ist das so?
Welche Aussagen über unsere Umwelt lassen sich NICHT mathematisch formulieren und warum ist das so?

Mathematik ist eine Sprache unter vielen, mit Eigenschaften die erlauben, bestimmte Beobachtungen präziser und mit weniger "Gelaber" zu formulieren als andere Sprachen. Trotzdem ist Mathematik nur eine Sprache und somit unterliegen deren Aussagen den gleichen Einschränkungen wie alle anderen Aussagen auch. ( Stichwort: Gödel)

Fuzzlix.
Sagt das eine Nichts zum anderen "Ich bin nicht du."

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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von tomS » 5. Jun 2015, 17:21

Wenn sich nicht alle Aussagen über unsere Umwelt mathematisch formulieren lassen, dann muss das nicht unbedingt eine relevante Einschränkung sein. Es genügt, wenn sich alle logisch konsistenten Aussagen mathematisch formulieren lassen.

Vertritt man einen extremen Materialismus / Reduktionismus, so wäre eine Aussage wie "Alice liebt Bob" nicht sinnvoll, so lange man diese nicht auf widerspruchsfreie, mathenatische Ausagen über Gehirnzustände zurückführen kann. Insofern ist die Existenz nicht-mathematisierbarer Aussagen eine metaphysische Fragestellung.
Gruß
Tom

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Siggi

Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von Siggi » 5. Jun 2015, 17:37

@Tom,

ah, Du hast es gesehen? Darin spielt Lesch den "Hausmeister".

lg

Siggi

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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von Pippen » 5. Jun 2015, 18:40

tomS hat geschrieben: Mathematik ist nicht an praktische Ausführbarkeit gebunden.
Aber natürlich ist sie das, sie macht ja Existenzaussagen über gedanklich-abstrakte Objekte! Wenn diese gedanklichen Objekte aber so in der Welt gar nicht existieren können (und damit auch nicht in unserer Vorstellung!!!), wie das Axiom beschreibt, dann ist es falsch. Wenn es auf der Welt keine einzige unendliche Menge an Dingen gibt, dann gibt es keine, auch nicht in unserer Vorstellung oder im logischen Raum oder wo auch immer sich der Mathematiker hinflüchten wollte. Dass was wir uns dann unter unendlicher Menge vorstellen wäre das Trugbild einer meinetwegen sehr großen und für uns unendlich scheinenden Menge, die aber in Wirklichkeit endlich wäre. Wenn jede nat. Zahl einen Nachfolger haben soll, aber niemand und nichts im Universum das je für alle IN tun könnte, dann ist das Axiom falsch. Auch hier wäre unser Axiom letztlich eine Illusion.

Axiome haben doch folgende Form: Entweder "a -> b" oder "es existiet ein a, ...". Beide (nicht-tautologische) Formen können problemlos falsch sein, nämlich wenn wahr ist: ~(a -> b) und ~("es existiert ein a, ..."). Dein Fall 2 ist mE der untaugliche Versuch die mögliche Falschheit von Axiomen schön- bzw. weg zu reden. Ein widersprüchliches Axiom ist falsch und Axiome, die etwas beschreiben, was nicht ist, sind widersprüchlich zur Realität und damit ebenfalls falsch.

Hier noch ein konkretes Gedankenexperiment, weil es mir gerade einfällt: Gott hat uns Menschen so geschaffen, dass wir nur bis zu einer Zahl E denken und zählen können. Diese Zahl ist unvorstellbar groß (die Graham'sche Zahl ist dazu im Verhältns wie ein String zum Universum) und nach ihr hat es Gott so eingerichtet, dass wir - ähnlich einem HALT-Befehl - einfach nicht weiterzählen können, egal wie sehr wir es auch wollen; wir können es einfach nicht, quasi wie jmd., dem die Stimme versagt, aber hier wäre die Stimme das Denken. Nehmen wir an, ein Mensch käme irgendwann zu dieser Zahl E. Dann könnte er trotz Peano 2 keinen Nachfolger von E zählen und damit wäre das Axiom falsch (weil in Widerspruch zur Realität). Ich hoffe das macht noch einmal deutlicher was ich meine.

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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von tomS » 5. Jun 2015, 22:21

Das folgende ist schlichtweg falsch:
Pippen hat geschrieben:Wenn es auf der Welt keine einzige unendliche Menge an Dingen gibt, dann gibt es keine, auch nicht in unserer Vorstellung oder im logischen Raum oder wo auch immer sich der Mathematiker hinflüchten wollte.
Es gibt keine Notwendigkeit irgendeiner Beziehung zwischen dem, was die Mathematik abstrakt formuliert, und dem, was real existiert. Ob beides zueinander überhaupt in einer Beziehung steht oder nicht, ist nicht Sache der Mathematik. Ob in der Realität unendliche Mengen existieren oder nicht, ist für die Mathematik völlig irrelevant.

Ich weiß nicht einmal, ob es in der Natur Unendlichkeiten gibt oder nicht; niemand weiß das. Aber ich kann die Axiomatik der natürlichen Zahlen verwenden, und ich kann damit rechnen. Also existieren die natürlichen Zahlen für mich, und für jeden Mathematiker.

Ich habe zunehmend den Eindruck, dass du nicht wirklich verstehst, wovon du redest. In dem Fall solltest du deine Formulierungen evtl. von dogmatischen Behauptungen hin zu (kritischem) Fragen ändern; das wäre angemessen.
Gruß
Tom

Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab.
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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von Pippen » 6. Jun 2015, 02:43

tomS hat geschrieben:Das folgende ist schlichtweg falsch:
Ob in der Realität unendliche Mengen existieren oder nicht, ist für die Mathematik völlig irrelevant.
Die Realität zerfällt in zwei Teile: unsere Innenwelt (Denken) und Außenwelt. Ich meine hier natürlich im mathematischen Kontext die reale Innenwelt, also das, was wir wirklich denken können im Gegensatz zu dem, was wir glauben denken zu können (vorgestellte Innenwelt). Wir haben gar keinen Zugang zur realen Innenwelt, sondern nur zu unserer vorgestellten Innenwelt. Wenn aber etwas real für uns undenkbar ist, wir aber glauben, dass es denkbar ist, dann irren wir uns und unser Glaube ist genauso falsch, wie wenn es um die empirische Realität ginge.

Woher weißt du, dass unendliche Mengen wirklich denkbar sind und wir uns nicht nur selbst betrügen? Eigentlich kann man sogar beweisen, dass unendliche Mengen undenkbar sind, in dem man dazu auffordert, die Menge vollständig anzugeben. Dann sieht man, dass man sich höchstens einige Elemente und die rekursive Konstruktionsvorschrift vorstellen kann. Doch die kann täuschen, nochmal: Vielleicht hat ein Gott uns Menschen so geschaffen, dass wir nur bis zu einer Zahl E denken und zählen können. Diese Zahl ist unvorstellbar groß und nach ihr hat es Gott so eingerichtet, dass wir - ähnlich einem HALT-Befehl - einfach nicht weiterzählen können, egal wie sehr wir es auch wollen. Dann wäre Peano 2 ein falsches Axiom und IN wäre keine unendliche Menge. Diese Szenarien kann ich dir über alle Axiome der Mathematik hinweg konstruieren. Damit steht fest, dass Axiome falsch sein können, weil sie in Wirklichkeit für uns gar nicht so denkbar sind, wie wir glauben sie denken zu können.

Du siehst: Mathematik kann falsch sein, selbst wenn sie widerspruchlos wäre (hier: widerspruchslos in unserer vorgestellten Innenwelt, aber natürlich dann widersprüchlich zur realen Innenwelt). Mathematiker verdrängen das gern, aber das ist nichts anderes als den Kopf in den Sand zu stecken.

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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von tomS » 6. Jun 2015, 07:02

Die Unterscheidung zwischen realer und vorgestellter Innenwelt ist schon irgendwie seltsam.
Pippen hat geschrieben:Woher weißt du, dass unendliche Mengen wirklich denkbar sind und wir uns nicht nur selbst betrügen?
Woher wissen wir (die Mathematiker), dass unendliche Mengen denkbar sind? In dem wir es tun, und indem wir uns gegenseitig mittels Formalismen darüber Rechenschaft ablegen. Wir stimmen also in unserem Tun überein.

Wir legen uns auch darüber Rechenschaft ab, ob eine Menge konstruierbar oder sogar endlich konstruierbar ist; oder ob sie es nicht ist. Wir trennen jedoch (die meisten) zwischen den Begriffen Existenz und (endlicher) Konstruierbarkeit. Wir verwenden teilweise explizit nicht-konstruktive Existenzbeweise.
Pippen hat geschrieben:Mathematiker verdrängen das gern, aber das ist nichts anderes als den Kopf in den Sand zu stecken.
Ich weiß nicht, wie du zu dieser seltsamen Behauptung kommst. Mit welchem Mathematiker hast du darüber geredet? Welche Lehrbücher und Veröffentlichungen hast du dazu gelesen? Gerade die Diskussionen um und nach Hilbert (Brouwer, Weyl, Gödel, von Neumann, ... Cohen u.v.a.m.) zeigt, dass die Mathematiker keineswegs die Augen verschließen.
tomS hat geschrieben:Ich habe zunehmend den Eindruck, dass du nicht wirklich verstehst, wovon du redest. In dem Fall solltest du deine Formulierungen evtl. von dogmatischen Behauptungen hin zu (kritischem) Fragen ändern; das wäre angemessen.
Gruß
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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von seeker » 6. Jun 2015, 11:31

tomS hat geschrieben:Es gibt keine Notwendigkeit irgendeiner Beziehung zwischen dem, was die Mathematik abstrakt formuliert, und dem, was real existiert.
Mag sein. Dennoch existiert immer ein Bezug, da kommt man nicht ganz raus.

Denn Mathematik ist ja nicht nur einfach "so da", sie muss gemacht werden, sie muss betrieben werden.
So wie sich der Beobachter zu physikalischen Welt verhält, so verhält sich der Kontrukteur/Entdecker (der Mathematiker) zur mathematischen Welt.
Das heißt aber, dass bevor Mathematik überhaupt betrieben werden kann, muss ein Mensch da sein, der mit seinem Gehirn nunmal physikalischen Gegebenheiten unterliegt.
D.h.: Wir können nicht unbedingt so völlig frei denken, wie wir es vielleicht gerne wollten und wir können nicht unbedingt jede Mathematik betreiben, die prinzipiell möglich sein könnte...

Wie findet man eigentlich heraus, ob Axiome sinnvoll sind, ob Axiomensysteme widerspruchsfrei sind, ob Beweise gültig sind, usw.?
Ich behaupte: Durch Konvention!
Und das hat schon etwas Empirisches: Eine "harte" Konvention, kommt dann zustande, wenn sich empirisch zeigt, dass alle Leute, die etwas davon verstehen, zu demselben Schluss, zu derselben Einsicht kommen, z.B. "Der Beweis ist fehlerfrei/gültig!"
Wir können dabei aber leider nicht 100%ig wissen, ob das tatsächlich so ist ("ohne uns", Induktionsproblem!), denn prinzipiell könnten wir ja einem kollektiven Irrtum unterlegen sein, hervorgerufen durch eine gemeinsame Genetik, durch sehr ähnlich arbeitende Gehirne, durch unsere gemeinsame menschliche Kultur und erlernte Denkweise, etc.
tomS hat geschrieben:Woher wissen wir (die Mathematiker), dass unendliche Mengen denkbar sind? In dem wir es tun, und indem wir uns gegenseitig mittels Formalismen darüber Rechenschaft ablegen. Wir stimmen also in unserem Tun überein.
Genau! Wie ich oben sagte: Konvention!

Was man vielleich noch bedenken sollte: "Ohne uns" kann es auch kein "richtig" und "falsch" mehr geben.


Beste Grüße
seeker
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von Pippen » 6. Jun 2015, 15:00

Mich interessiert, was ihr zu meinem kleinen Gedankenexperiment sagt, zeigt es doch mE ganz konkret & plastisch und ohne vorherige allgemeine mathematisch-philosophische Überlegungen, dass und wie Axiome falsch sein können:

Wir nehmen an, ein Gott hätte uns Menschen so geschaffen, dass wir nur bis zu einer Zahl E denken und zählen können. E ist unvorstellbar groß und Gott hat es so eingerichtet, dass wir - ähnlich einem HALT-Befehl bei einem Computerprogramm - danach einfach nicht weiterzählen können, egal wie sehr wir es auch wollen. Dann wäre doch Peano 2 ein falsches Axiom, denn E wäre eine natürliche Zahl, hätte aber keinen Nachfolger (Realität dessen was für uns denkbar ist = reale Innenwelt) und das widerspricht der Aussage von Peano 2 (unsere Vorstellung, was für uns denkbar ist = vorgestellte Innenwelt). Wir merken freilich diesen Widerspruch nicht oder nicht so einfach, wie Widersprüche, die sich allein bereits aus unserer vorgestellten Innenwelt ergeben (= praktisch alle Widersprüche, die wir als solche kennen).

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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von tomS » 6. Jun 2015, 17:52

Ich kann aber über unendliche Mengen nachdenken, d.h. zumindest für mich ist das Axiom wahr!

Ich denke auch nicht, dass es für dich falsch ist, ich denke lediglich, dass du es nicht verstehst. Chinesisch ist für mich auch nicht falsch, sondern nur jenseits dessen was ich weiß, kann und gelernt habe.
Gruß
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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von Alberich » 6. Jun 2015, 23:58

@pippen
Erlaube mir, dass ich das Thema verfremde.
Du spielst sicher Schach
Am Anfang stehen Axiome für alle Figuren und Regeln, wie sie sich bewegen dürfen. Bei richtiger Anwendung der Regeln können sich nahezu unendlich viele Stellungen ergeben. Alles das sind Sätze, die der Mathematiker als wahr bezeichnet.
Fällt irgendwann auf, dass beide Läufer z.B. auf weiß stehen, dann ist das auch ein Satz, aber ein unwahrer Satz.
Schachspieler notieren die Züge, so dass man finden kann, wo der Fehler passierte. Die Regeln könnten aber auch rückwärts vollzogen werden. Ein wahrer Satz ist somit immer reduzierbar bis zu den Axiomen,
Axiome und Regeln sind Basis für das richtige Spiel. Dabei ist egal, wie lange das Spiel dauert. Wichtig sind nur die Axiome und Regeln, die streng einzuhalten sind.
Angenommen, wir vereinbarten dass bei unserem nächsten Spiel der König immer zwei Züge machen müsste, falls er gezogen wird, dann hätten wir ein anderes Axiom und andere Regel für den König. Wäre ein blödes Spiel, aber prinzipiell möglich.
Axiome sind willkürlich; Frage ist nur, ob sie nützlich sind und im Fall mehrerer Axiome miteinander verträglich sind.
Du kannst deine Vorstellung formalisieren, wenn du grundsätzlich alle Zahlen oberhalb deiner Zahl E als E' = E (mod E) deklarierst. Dann hast du aber ein anders Axiomemsystem. Ohne diesen Zusatz sehe ich keinen Grund, die Bildungsregel irgendwann abzubrechen.

Ich kann mir weder einen unendlichen Raum, eine unendliche Zeit oder einen unendlich langen Zahlenstrahl vorstellen; aber sehr wohl eine Vorschrift, jede Zahl ums 1 zu erhöhen.
Google mal "Hilberts Hotel". Die Logik ist richtig. Aber selbst die Emirate könnten es nicht bauen.
MfG
Alberich
Kühner als das Unbekannte zu erforschen, kann es sein, das Bekannte zu bezweifeln
(Alexander von Humboldt)
Denken, statt denken lassen.

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Re: Ist Mathematik Sprache der Physik?

Beitrag von Fuzzlix » 7. Jun 2015, 08:54

@Alberich
Ich finde Deinen Post sehr anschaulich und gut geeignet, über die die Eigenschaften der Unendlichkeit (etwas unendlichen?) Gedanken zu machen:
Vermutlich hat jeder von uns eine Vorstellung davon, was "unendlich" bedeutet und wofür es steht. z.B. kann jeder von und leicht über jede ihm vorgelegte Zahl sagen, dass sie kleiner als unendlich ist, da er weiss, dass "Unendlich" irgendwo hinter noch größeren Zahlen liegen muss. Frage ich Euch nun aber, welche Zahl denn nun die Eigenschaft von Unendlich erfüllt, so müsst Ihr (und ich auch) passen. Es ist UNMÖGLICH eine solche Zahl anzugeben.
So wie ich es sehe ist diese UNMÖGLICHKEIT, Unendlichkeit konkret zu fassen, als DIE inherente und wichtigste Eigenschaft von allem Unendlichen. Diesem Unendlichen können wir uns nur über Näherungsverfahren versuchen anzunähern. Wer es noch genauer will, dem seien zur Warnung die Krankenakten von Cantor und Gödel anempfohlen.

Was wir über Unendlichkeit sagen können ist lediglich, was Unendlichkeit NICHT ist und dass bestimmte Dinge NICHT unendlich sind.

Fuzzlix.
Sagt das eine Nichts zum anderen "Ich bin nicht du."

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