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Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Themen zur Kosmologie, Urknall, inflationärer Kosmologie, Expansion, Entwicklung und Zukunft des Universums
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Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von tomS » 31. Jul 2010, 16:49

Hallo zusammen,

Vor über zehn Jahren wurde durch exakte Vermessung weit entfernter Galaxien bzw. der dort explodierenden Supernovae festgestellt, dass sich die Expansion des Universums offensichtlich beschleunigt. Seither wurde diese Ansicht immer wieder bekräftigt, und es wurden zahlreiche Theorien entwickelt, die diese beschleunigte Expansion beschreiben könnten. Das heutige Standardmodell der Kosmologie - ΛCDM genannt - liefert die einfachste Erklärung durch eine sogenannte kosmologische Konstante Λ, ein Zusatzterm in der Einsteinschen Theorie, wodurch absolut leerer Raum eine schwache und daher nur auf extrem großen Distanzen messbare abstoßende Gravitationswirkung entfaltet. Es ist unklar, woher diese kosmologische Konstante Λ kommen könnte, d.h. ob es sich einfach nur um einen freien Parameter handelt, oder ob es eine Erklärung über exotische Energieformen, sogenannte Dunkle Energie, geben könnte. Für letztere gibt es recht abenteuerliche Spekulationen (Phantom Matter, Chaplygin-Gas, ...), aber keine gesicherten Theorien (existierende Theorien liefern entweder einen Wert von exakt Null oder einen absurd hohen Wert, den man dann künstlich wiederum auf Null setzen muss).

Bereits seit längere wird außerdem die sogenante Dunkle Materie (CDM = cold dark matter) diskutiert, eine ausschließlich gravitativ wirkende Materieform (die z.B. nicht strahlt und nicht elektromagnetisch wechselwirkt - daher dunkel) , die insbs. zur Galaxienbildung beigetragen haben soll, so dass die ersten Galaxien bereits sehr früh nach dem Urknall entstehen konnten. Außerdem soll die DM erklären, warum sich in Galaxien offensichtlich mehr Materie befindet, als wir über direkte Beobachtungen (Leuchtkraft der Sterne, Staub, ...) direkt feststellen können. Dieser Materieüberschuss zeigt sich darin, dass Sterne in Galaxien offensichtlich schneller rotieren, als sie es eigentlich dürften, d.h. dass eine größere gravitativ wirkende Masse vorhanden sein muss, als sich uns über direkte Beoachtungen zunächst zeigt. Kandidaten für die Dunkle Materie gibt es, allerdings nicht im etablierten Standardmodell SM der Elementarteilchenphyik, sondern erst in den sogenannten supersymmetrischen Erweiterungen, insbs. dem MSSM. Diese führen neue, sogenannte supersymmetrische Teilchen ein, wobei insbs. die sogenannten Neutralinos ein Kandidat für die DM sein könnten. Alleine - bis heute gibt es absolut keinen Hinweis auf diese supersymmetrischen Teilchen (die nicht nur die Kosmologen sondern auch die Elementarteilchenphyiker am LHC gerne finden würden).

Und nun?`

Sowohl die kosmologische Konstante Λ als auch die kalte dunkle Materie CDM werden inzwischen immer häufiger in Frage gestellt.

So gibt es einige neuer Beobachtungen, die sich mit der Simulation von Bildung und Bewegung von Zwerggalaxien in der lokalen Gruppe (d.h. der näheren Nachbarschaft unserer Milchstraße) beschäftigen, und aus denen wohl hervorgeht, dass falls die CDM tatsächlich in dem vom Standardmodell vorhergesagten Maße existiert, wesentlich mehr dieser Zwerggalaxien existieren müssten. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass es evtl. ein Argument gegen die CDM gibt.

Andere Arbeiten beschäftigen sich mit der Fragestellung, ob die Dynamik des Kosmos mit der Annahme der absoluten Gleichverteilung von Materie wirklich realsistisch ist. Sie kommen zu der Erkenntnis, dass unter der Annahme, dass sich unser Milchstraßensystem nahe des Zentrums eines riesigen kosmischen Leeraumes mit leicht unterdurchschnittlicher Materiedichte befindet, eine Art optische Täuschung auftritt, die uns Effekte wie sie auch eine kosmologische Konstanet bewirkt, vorgaukeln. Zudem können sie erklären, warum sich aus der kosmischen Hintergrundstrahlung die Drift unseres Universums hin zu einem außerhalb des sichtbaren Universums befindlichen Gebietes ergibt. Dies läge einfach daran, dass wir uns eben nicht exakt im Zentrum des Leeraumes befinden, so dass die fehlende Symmetrie uns einen weiteren Effekt - "Dark Flow" genannt - vortäuscht. D.h. dass sich Effekte ähnlich denen der Dunklen Energie einfach dadurch erklären lassen könnten, dass die Näherung der Homogenität und Isotropie (also der absoluten Gleichförmigkeit des Universums) erst auf wesentlich größeren Längenskalen zuträfe, und dass wir statt dessen von großräumigen Dichtefluktuationen ausgehen sollten.

***** edit 30.10.2010 *****

Und nicht zuletzt gibt es die Idee, dass sich die vom kosmologischen Prinzip geforderte Homogenität auf größeren (als den den beobachtbaren) Skalen gar nicht gibt, sondern dass es immer größer werdende Strukturen von Clustern, Superclustern, ... gibt, gewisermaßen wie ein umgekehrtes, ins Unendliche wachsende Fraktal. Möglicherweise ergeben sich dadurch neue, weniger "esoterische" Erklärungsmuster.

Es stellt sich die Frage ob es sein kann, dass die Kosmologen sich Jahrzehntelang auf dunkle Holzwege (dark matter, dark energy, dark flow, ... more to come) begeben haben, anstatt erstmal im Sinne der maximalen Einfachheit naheliegende Lösungen zu erkunden?
Gruß
Tom

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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von belgariath » 1. Aug 2010, 13:17

@ tomS: ;i

Von der Idee, dass die lokale Gruppe in 'nem riesigen Leerraum liegt hab' ich auch mal in der Zeit gelesen. Die Idee finde ich spannend. Ich frage mich aber folgendes:
Es gibt doch Messungen, die die Filamantstruktur des Universums zeigen, wie z.B. diese hier http://apod.nasa.gov/apod/ap071107.html Ist dieser Ausschnitt dann alles der Innenbereich des postulierten riesigen Leerraums?
Wäre unser gesamtes beobachtbares Universum dann innerhalb dieses riesigen Leerraums?
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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von tomS » 1. Aug 2010, 17:15

Die Autoren gehen von einer "large Gpc" Skala aus, d.h. mindestens einige 10[up]12[/up] Lichtjahre für einen Leeraum.
Gruß
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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von Maclane » 1. Aug 2010, 19:36

Ja und wie ist denn das jetzt mit der Energie im Universum?
Eben hieß es noch 70% der Gesamtenergie wäre Dunkle Energie, 25% wär Dunkle Materie und 5% Leuchtende Materie (so Pi mal Daumen).
Und nu fällt die DE weg. Dann teilen wir's also neu auf und machen 5/6 DM und 1/6 LM?

Einfach so?

Und da meckert keiner?

Gruß
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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von tomS » 1. Aug 2010, 22:49

Es gibt zwei verschiedene Forschungsrichtungen; nach der einen fällt die DE weg, über die DM wird nichts gesagt; nach der anderen fällt die DM weg, über die DE wird nichts gesagt (beides sind Aussagen auf unterschiedlichen Skalen).

Ergo lassen wir beides wegfallen und hören auf, nach einer Fata Morgana zu suchen.
Gruß
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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von seeker » 2. Aug 2010, 09:24

tomS hat geschrieben:Es stellt sich die Frage ob es sein kann, dass die Kosmologen sich Jahrzehntelang auf dunkle Holzwege (dark matter, dark energy, dark flow, ... more to come) begeben haben, anstatt erstmal im Sinne der maximalen Einfachheit naheliegende Lösungen zu erkunden?
Ein systematischer Messfehler, hervorgerufen durch falsche Grundannahmen...
Der Gedanke ist verlockend und so, wie das hier beleuchtet wird, scheint das die einfachste Lösung zu sein.
Vielleicht ist dies der richtige Weg.

Nur:
Bekommen wir damit nicht eine Art "Dark Spacetime"? Treiben wir damit nicht sozusagen den Teufel mit dem Beelzebub aus?
Wie kann man einen Raum mit geringerer Materiedichte dieser Größenordnung erklären? Wie groß wird dann das Universum insgesamt?

Ich denke, wir brauchen mehr Daten. Es bleibt spannend.

Grüße
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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von tomS » 2. Aug 2010, 10:01

Wenn man annimmt, dass das Universum offen und unendlich ist, dann ist es doch naheliegend, dass sich die filamentartige Struktur quasi fraktalähnlich hin zu größeren Skalen fortsetzt. Damit wären Fluktuationen auf jeder beliebeigen Größenordnung natürlich - und nicht unnatürlich. Auch dass das Universum wesentlich größer ist als das sichtbare Universum halte ich für natürlich. Wenn man die ggw. vorligenenden Daten ernst nimmt, wird ein geschlossenes / endliches Universum mit nahezu vollständiger Sicherheit ausgeschlossen.
Gruß
Tom

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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von seeker » 2. Aug 2010, 10:45

Diesem Bild wohnt auch eine gewisse Schönheit inne...
Wie will man die Genese eines solchen Universums erklären?
Andauernde Inflation?

Ich habe (wie du weißt) so meine Probleme mit real verwirklichten, aktualen Unendlichkeiten.

Grüße
seeker
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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von tomS » 2. Aug 2010, 12:49

Das aktual Unendliche muss man wie gesagt hier voraussetzen werden; nicht wegen der Filamentstruktur, sondern alleine wegen der Tatsache, dass wir heuet von einem unendlich ausgedehneten Universum ausgehen. Die Filamentstruktur kann man heute bereits recht gut simulieren, wobei man da meist mit DM rechnen, weil die Galaxien- und Strukturbildung sonst zu langsam läuft.

Es ist also (Stand heute) sicher nicht alles ohne DE und DM erklärbar, aber es lohnt sich, auch mal verstärkt in diese Richtungen zu forschen, da man hier nur bekannte Theorien besser verstehen und ausreizen muss (eine Garantie gibt es sicher nicht), anstelle des Postulierens völlig unbekannter Teilchen, Felder usw.
Gruß
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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von Maclane » 2. Aug 2010, 12:57

tomS hat geschrieben:Wenn man annimmt, dass das Universum offen und unendlich ist, dann ist es doch naheliegend, dass sich die filamentartige Struktur quasi fraktalähnlich hin zu größeren Skalen fortsetzt. Damit wären Fluktuationen auf jeder beliebeigen Größenordnung natürlich - und nicht unnatürlich.
Da wäre aber die Frage, wie sich bei dem bekannten Alter des Universums solch große Strukturen bilden konnten. Ich denke, es muss nach oben hin, was die Größe der filamentartigen Strukturen angeht, eine Obergrenze geben.
Um die zu kennen, müsste man natürlich die Strukturbildung genauer untersuchen. Erst dann kann man sagen, dass es möglich oder unmöglich ist, dass wir in einem "Leerraum" leben.
Seh ich das richtig?

Gruß
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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von belgariath » 2. Aug 2010, 13:47

Aber wie kommst du darauf, dass es eine Obergrenze für die Filamentstruktur geben sollte?
Ich hab' eher Probleme mit der Vorstellung, dass das Universum heute unendlich sein soll. Wie passt das zusammen mit der Annahme, dass es beim Urknall unendlich klain war?

Nochwas:
Es werden ja zu allen Themen der Physik die wildesten Theorien vorgeschlagenen. Wird diese Theorie, dass wir in 'nem riesigen Leerraum sitzen eigentlich von mehreren Fachleuten vertreten oder ist das eher "nur eine geistige Ausdünstung eines Freaks"? Anders gefragt: Ist die Theorie schon etabliert oder noch eher eine Nische?
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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von tomS » 2. Aug 2010, 14:08

Zunächst mal habt ihr recht, die Strukturbildung ist genauer zu untersuchen.

Die Frage nach der Unendlichkeit des Universums und der unendlichen Kleinheit am Anfang kann man leider nur mathematisch beantworten. Die entsprechende Metrik liefert das Ergebnis, dass das Volumen des Universums heute unendlich ist, bzw. dass es Punkte mit beliebig großem Abstand gibt (d.h. egal welchen Abstand ich mir ausdenke, er ist für ein geeignet gewähltes Punktepaar realisierbar; es gibt keine Obergrenze). Andererseits kann man diese zwei so gewählten Punkte in ihrer Historie rückwärts verfolgen; man stellt dann fest, dass der Abstand für zwei beliebige Punkte beim Urknall immer Null ist. Das mag widersinnig klingen, ist aber so.

Zur Frage, ob diese Theorie (dass wir in 'nem riesigen Leerraum sitzen) von Fachleuten oder Freaks vertreten wird bzw. ob die Theorie schon etabliert ist: nein, sie ist sicher noch nicht etabliert; die DE ist noch nicht "tot"; es gibt auch Zweifel daran, dass die Berechnungen mit diesen Leeräumen die DE / Lambda tatsächlich komplett erklären können. Aber es ist ein interssanter Ansatz, den man weiterfolgen muss, und der m.E. Aufwertung ggü. den spekulativen Theorien verdient.
Gruß
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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von belgariath » 2. Aug 2010, 18:50

Hmm, am Ende landet man als immer beim Problem "Metrik". :evil:

Ich hab' jetzt doch noch den leicht verständlich geschriebenen Zeit-Artikel gefunden: http://www.zeit.de/2009/52/N-Universum
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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von tomS » 2. Aug 2010, 20:26

Danke für den Link
Gruß
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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von AlTheKingBundy » 3. Aug 2010, 07:27

Ich bin der Meinung, dass die größte Eselei Einsteins einer seiner genialsten Gedankenzüge war. Die kosmologishce Konstante, egal wodurch sie erklärt werden kann, ist ein wichtiger Bestandteil der Einsteinschen Feldgleichungen.
Gruß Al

Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.

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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von tomS » 3. Aug 2010, 08:26

Die Frage ist, ob es leichter ist, zu erklären, warum sie exakt Null ist (und gleichzeitig einen konservativen Ansatz zu konstruieren, der die ihr zugeschriebenen Effekte erklärt), als ihren winzig kleinen aber eben von Null verschiedenen Wert selbst zu erklären. Ich gebe dir aber insofern recht, als dass man durchaus die kosmologische Konstante (genauso wie die Gravitationskonstante) als Konstante der Theorie akzeptieren kann, ohne gleich nach ihrer Erklärung oder ihrem mikrophysikalischen Ursprung zu fragen - tut man bei der Gravitationskonstante ja auch nicht. Heute wird ja versucht, die Dunkle Energie als Vakuumenergie zu erklären - wobei man kontinuierlich scheitert. Man könnte auch andersherum diskutieren, warum der Beitrag der Vakuumenergie exakt Null ist und eine kleine kosmologische Konstante eben einfach "da" ist.

Übrigens gibt es im "asymptotic safety scenario" der Quantengravitation Ansätze, die sowohl die Nicht-Renormierbarkeit der ART als auch die Werte der Konstanten zu umgehen bzw. zu erklären versuchen. Mal sehen, wann ich Zeit habe, mehr darüber zu schreiben.
Gruß
Tom

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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von Skeltek » 4. Aug 2010, 05:38

Hat man schonmal versucht wegen der zu hohen Umlaufgeschwindigkeit der äußeren Spiralarme zu berücksichtigen, wie hoch der Einfluss der Materie in der Galaxie in Relation zum Einfluß des äußeren Universums zu setzen?
Mir erscheint es völlig natürlich, dass die durchschnittliche Materiedichte von ausserhalb der Galaxie viel kleiner ist als der Einfluss der Masse innerhalb der Galaxie.

Hmm, schwer zu umschreiben welches Gebilde ich im Kopf habe. Ich versuchs mal stark zu vereinfachen:
Wäre die Spiralgalaxie allein im Universum, würde sie sich nicht drehen. Es ist relativ ob sich das Universum um die Galaxie oder die Galaxie im Universum dreht. Ist der Abstand zum Rest des Universums sehr groß und die durchschnittliche Materiedichte des Universums sehr klein, wäre es so, als ob diese einzelne Galxie ihr eigenes Universum bildet(das Koordinatensystem des Universums wäre das der Galaxie) und alles andere würde sich relativistisch drumherum drehen.

So gesehen "denkt" die Materie am Rande einer Spiralgalaxie, dass die Raumzeit des Universums sich etwas mit ihr in dieselbe Richtung um den Galaxienmittelpunkt dreht.

->Wenn man selbst am Rande einer Spiralgalaxie sitzen würde und entscheiden müsste, wie das "feste" Koordinatensystems des Universums verläuft, würde man den Einfluss der Materiedichte zu allen Seiten hin berücksichtigen müssen. Der Einfluss eines Materiepartikels im Universums auf den Spiralarm der Galaxie ist abhängig von der Entfernung des Materiepartikels. Da der Einfluss der Materiedichte des Universums zum Galaxienmittelpunkt hin viel stärker ist, ist dort im Spiralarm lokal ein anderes Koordinatensystem als statisches Bezugssystem gültig.(Ist das vielleicht der Draggingeffekt?)

Also aus dem Spiralarm heraus betrachtet dreht sich das innere der Galaxie im Uhrzeigersinn und mögliche weit entfernte Galaxien, die man als bisher als statisch positioniert in die Rechnung hatte einfließen lassen drehen sich in Wirklichkeit gegen den Uhrzeigersinn.

So gesehen ist es nicht richtig, die Orbitalgeschwindigkeit von Spiralarmen zu bestimmen, solange man nicht vorher die Spindifferenz des dortigen statischen Bezugssystems in Verhältniss zu unserem hier gültigen gesetzt hat.

Bisher haben wir zum ermitteln eines Koordinatenbezugssystems immer extrem weit entfernte "Fixgalaxien(Fixsterne wäre hier ja der falsche Begriff)" verwendet. Vermutlich war genau dieser Ansatz falsch.
Die sich drehende Masse im Galaxieninneren legt nahe dass sich ihr "drehendes" Bezugssystem als Koordinatenbezugssystem durch setzt und dagegen wirkt das Koordinatenbezugssystem des restlichen Universums gegen.

Welches Bezugssystem wählt man also wenn man die Winkelgeschwindigkeit einer Sonne im Spiralarm um den Galaxienmittelpunkt herum bestimmen möchte?
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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von tomS » 4. Aug 2010, 07:20

Zunächst mal ist die Materiedichte außerhalb der galaktischen Scheibe extrem klein.

Zum zweite gilt in der ART (zumindest näherungsweise; exakt in der Newtonschen Mechanik), dass die außerhalb einer bestimmten Kugel liegenden Materie die Dynamik innerhalb der Kugel nur über ihre Inhomogenitäten beeinflusst. Wenn die Materieverteilung einer Galaxie exakt kugelförmig wäre, dann würde sich bei einem Stern mit Abstand R vom Zentrum der Einfluss der Materie im Bereich R' > R exakt aufheben; da keine exakte Kugelsymmetrie vorliegt, ist dies nicht der Fall, allerdings spielen höchstens die höheren Multipolmomente eine Rolle.

Ich glaube auch nicht, das man relativisisch rechnen muss, dazu ist das Gravitationspotential zu klein.

Was du ins Spiel bringst, klingt so etaws nach dem Machschen Prinzip. Aber müsste man das nicht erst recht hier auf der Erde nachweisen können?
Gruß
Tom

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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von gravi » 4. Aug 2010, 19:40

Zu diesem Thema lohnt ein Blick in die aktuelle "Spektrum der Wissenschaft",
auch hierzu etwas online:

http://www.spektrum.de/artikel/1037414&_z=798888

Gruß
gravi
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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von tomS » 30. Okt 2010, 15:07

In der Hoffnung, dass Ray (wilkommen zurück!) wieder häufiger vorbeischaut: kannst du den ersten Beitrag dieses Threads mal kurz kommentieren?
- Erklärung der beschleunigten Expansion durch großräumige Voids
- dadurch evtl. Verzicht auf die DE
- Verzicht auf das kosmologische Prinzip der Homogenität (die es auf den beobachtbaren Skalen sowieso nicht gibt)
- statt dessen anwachsende Übverstrukturen, d.h. Cluster, Supercluster, etc.
Gruß
Tom

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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von Ray Light » 31. Okt 2010, 19:53

Lieber Tom

Du fragst, ob sich die Kosmologen jahrzehntelang auf dunkle Holzwege begeben haben, anstatt im Sinne der maximalen Einfachheit naheliegende Lösungen zu erkunden.

Diese Frage würde ich verneinen. Physiker streben eigentlich immer Modelle mit maximaler Einfachheit an und testen sie an der Natur. Aus Versuch und Irrtum wurde dann klar, dass die Natur es dem menschlichen Geist nicht einfach macht. So gibt es z.B. keine absolute Zeit, es gibt offenbar genau drei Flavours in der Teilchenphysik und die gewöhnliche Materie, wie wir sie kennen, ist offenbar im Universum eher eine Ausnahmeerscheinung. Dominierend für die Strukturbildung ist die Dunkle Materie. Dominierend für die Zukunft des Universums ist die Dunkle Energie.

In den Anfängen der modernen Kosmologie vor etwa hundert Jahren hatte Einstein auch maximale Einfachheit angestrebt. Doch der statische Kosmos - die Kosmologie, die damals sexy und verträglich mit Beobachtungen war - war nicht vereinbar mit den Gleichungen seiner Allgemeinen Relativitätstheorie. Daher führte er seinen Lambda-Term (= kosmologische Konstante) ein, der Modelle eines statischen Universums schön erklärte. Es ist ja bekannt, was dann geschah: Die kosmische Expansion wurde entdeckt und Lambda wurde als unnötige Komplexität wieder von Einstein himself beiseite gewischt. Interessanterweise erlebte sie etwa 70 Jahre später ihr Revival.

1998 wurde nämlich die beschleunigte Expansion des Universums in Beobachtungen von Supernovae Typ Ia entdeckt. Dieses experimentelle Faktum kann sehr gut mit einer neuen Energieform namens Dunkler Energie erklärt werden. Die weiteren Beobachtungen der kosmischen Hintergrundstrahlung und von Galaxienhaufen legen nahe, dass Einsteins kosmologische Konstante als eine Variante von Dunkler Energie am besten verträglich ist mit den Beobachtungen. Astronomen können nämlich die Eigenschaften der Dunklen Energie messen, genauer gesagt: ihre Zustandsgleichung. Sie hat einen w-Parameter von exakt eins und ein w‘ von null (w‘ = dw/dz beschreibt die Abhängigkeit der Zustandsgleichung von der kosmologischen Rotverschiebung; anders gesagt ihre zeitliche Abhängigkeit. w‘ = 0 bedeutet keine zeitliche Variation; es wäre dann eine Naturkonstante).

Aber vergessen wir nicht, dass weder Dunkle Energie, noch Dunkle Materie in irdischen Experimenten nachgewiesen werden konnten. Es sind bislang ausschließlich astronomische Beobachtungen, die – aber das ist das Überzeugende - voneinander unabhängig sind.

Manchmal spricht man bei der Dunklen Energie gerne von einem neuen Äther. Zur Jahrhundertwende ins 20. Jahrhundert war der Äther das Trägermedium, in dem sich Licht ausbreiten solle. Noch so ein einfaches Modell, das doch wunderbare Analogien zum Schall, der sich in Luft ausbreitet, aufwies. Doch auch hier belehrte uns die Natur eines Besseren. Licht benötigt kein Ausbreitungsmedium! Es ist (klassisch) eine elektromagnetische Welle, die sich sozusagen ständig selbst erzeugt. Mittlerweile wissen wir, dass selbst dieses Modell höherer Komplexität noch getoppt wird, denn Licht ist ein Quantenphänomen und von maximaler Einfachheit weit entfernt.

Es ist bekannt, dass Einstein den Lichtäther grandios verbannte, indem er seine Spezielle Relativitätstheorie 1905 veröffentlichte, die ohne Lichtäther auskommt. Einsteins Theorie wurde seither glänzend mehrfach experimentell bestätigt. Sie basiert auf der Lorentzinvarianz, eine Symmetrieeigenschaft, die ebenfalls weit weg ist von maximaler Einfachheit, weil die Raum und Zeit kompliziert miteinander verknüpft. (Übrigens wissenschaftshistorisch gesehen, dachten die Physiker auch hier zunächst im Sinne der Einfachheit und jahrhundertelang war die Galileiinvarianz die beherrschende Symmetrie der klassischen Mechanik.)

Die Dunkle Energie als neuer Äther, der bei der letzten Jahrhundertwende ins 21. Jahrhundert auf den Tisch kam, wären wir lieber heute als morgen wieder los – da sind wir uns wohl einig. Aber ganz offensichtlich ist auch hier die Natur nicht so einfach, wie wir es gerne hätten.

Im Jahr 2004 wurde eine ansehnlich beachtete (knapp 100 Zitierungen) Arbeit des theoretischen Kosmologen Rock Kolb und Kollegen bei Phys. Rev. D veröffentlicht (Preprint unter http://arxiv.org/abs/hep-ph/0409038). Sie betrachteten die Einflüsse von Inhomogenitäten auf die kosmische Expansion. Diese Arbeit ebnete den Weg für weitere Forschungen, die den Ansatz verfolgen, dass die kosmisch beschleunigte Expansion ohne Dunkle Energie auskommt und vielmehr durch Inhomogenitäten in der Materieverteilung verursacht würde. Dazu gehört auch die Arbeit von Leith et al. aus 2007 (Preprint unter http://arxiv.org/abs/0709.2535), die als ApJ-Letter mit knapp 40 Zitierungen nicht mehr so wahnsinnig viel Beachtung fand. Dazu hatte ich ja Ende 2007 etwas gebloggt, siehe http://www.kosmologs.de/kosmo/blog/eins ... einbildung

Stand der Dinge ist jedenfalls, dass wir immer noch nicht viel weiter sind. Die beschleunigte Expansion ist offenkundig ein Faktum. Das Dilemma ist, dass es eine Vielzahl theoretischer Modelle auf dem Markt gibt:
-Standard-ART mit Dunkler Energie in einem homogenen Kosmos (Konkordanzmodells, also mainstream);
-Standard-ART ohne Dunkle Energie, aber in einem inhomogenen Kosmos;
-oder gar eine der vielen modifizierten Gravitationstheorien (Brane worlds, LQG, f(R)-Theorien, TeVeS-Theorien uvm.)

Jetzt sind also die Beobachter gefragt. Weitere experimentelle Fakten dürfen wir von folgenden Experimenten erwarten:
-Pan-STARRS (Website: http://pan-starrs.ifa.hawaii.edu), einer Beobachtungskampagne mit extrem großen Digitalkameras (1,4 Gigapixel) an der Universität Hawaii, die anhand von beobachteten Galaxienclustern die Parameter w und w‘ präziser messen wird (Das Projekt dient übrigens durch die Entdeckung von Near-Earth Objects, NEOs, auch der professionellen „Asteroidenabwehr“.).
-Dem PLANCK-Satelliten der ESA, der hervorragend funktioniert und in gut einem Jahr erste Resultate von Datenanalysen liefern wird. Zu erwarten sind hier genauere Daten des Satzes kosmologischer Parameter (Hubble-Konstante, Anteil gewöhnlicher Materie, Anteil Dunkler Materie, Anteil Dunkler Energie etc.).
-Dem LHC, der in 1-2 Jahren eine der beiden dunklen Komponenten, nämlich Dunkle Materie in Gestalt von supersymmetrischen Teilchen detektieren könnte – falls nicht: auch spannend!
-Auf einer langfristigen Zeitskala dürfen wir auf das Wide Field Infrared Survey Telescope (WFIRST; hieß vormals JDEM, Joint Dark Energy Mission), derzeit Prio-A-Mission der NASA sowie den Dark Energy Survey (DES) und die Realisierung von EUCLID hoffen.

Beste Grüße,
Ray

PS: Eine der neuen Zusammenfassungen zum Forschungsstand bei der Dunklen Energie von Alain Blanchard (CNRS) unter http://arxiv.org/abs/1005.3765
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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von belgariath » 1. Nov 2010, 11:46

;i

Trotzdem eine Frage bzgl.:
Ray Light hat geschrieben:Astronomen können nämlich die Eigenschaften der Dunklen Energie messen, genauer gesagt: ihre Zustandsgleichung. Sie hat einen w-Parameter von exakt eins [...]
Ich dachte immer die kosmologische Konstante hätte w = -1, so steht es auch auf http://www.wissenschaft-online.de/astro ... 3.html#lam
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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von Ray Light » 1. Nov 2010, 14:34

Oh, richtig, das war ein Tippfehler. Einsteins Lambda hat w = -1. Danke!

Beste Grüße,
Ray
Wir haben verlernt uns zu wundern.

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Re: Kosmologie auf dunklen Holzwegen?

Beitrag von tomS » 2. Nov 2010, 07:41

Hallo Ray,

danke für deinen ausführlichen Beitrag. Ich will ja nun nicht dogmatisch gegen DM und DE argumentieren, aber ich werfe der Astrophysik / Kosmologie da ein bisschen Betriebsblindheit vor. Zunächst mal sind DM und DE für mich theoretische Modelle, die helfen, bestimmte Daten zu fitten. Sie sind jedoch sicher keine experimentell nachgewiesenen physikalischen Enttäten - auch wenn das oft so hingestellt wird!

Zum gesicherten Nachweis der DM gehört m.E. letztlich ein Nachweis eines entsprechenden Teilchens, also unabhängig von der astrophysikalischen Überlegung. Bevor dies nicht abgesichert ist, ist die DM für mich - wie oben gesagt - ein Modell.

Einen gesicherten "Nachweis" der DE wird es wohl nie geben. Eine theoretisch befriedigende Erklärung (eine keine, jedoch nicht-verschwindende kosmologische Konstante) ist nicht absehbar (auch wenn es dazu viele spekulative Ideen gibt).

Daher sind alternative Modelle für mich notwendiger denn je. Das Standardmodell als Bestandteil des Mainstreams wird aber oft als quasi gesicherte Erkenntnis verkauft, was es aber sicherlich nicht ist (da habe ich bei der DM weniger Probleme, da ein experimenteller Nachweis zumindets prinzipiell in Sicht ist). Genau das war für micht der Grund, die auf Inhomogenitäten beruhenden Modelle ernst zu nehmen, da sie mit minimaem Input auskommen. Due Erkenntnis, das Einsteins Gleichungen auf ganz anderem Wege ähnliche Phänomene erklären können, kommt für mich einer Revolution gleich.

Grund: Wenn ich zwei spekulative Ideen, die ich letztlich nicht experimentell absichern kann (weder ist die DE selbst experimentell zugänglich, noch scheint die Vermessung der Dichtestrukturen im Universum heute abschließend zielführend zu sein), gilt für mich das einfachere Modell als das bessere - und das wäre das Modell ohne DE (den die Dichtestrukturen beobachtet man ja). Außerdem scheint mir dieses Modell grundsätzlich besser falsifizerbar zu sein, da es letztlich mehr auf beobachtbaren Daten beruht (wenn auch die Dichtestrukturen der DM nicht direkt sichtbar sind).

Es gibt also ein einfacheres Modell, mit weniger Grundannahmen und besserer Falsifizierbarkeit. Die Tatsache, dass dieses Modell nicht in den Mittelpunkt der Forschung rückt, bezeichne ich als Betriebsblindheit und zumindest teilweise unwissenschaftlich. Der Vorteil des auf der DE beruhenden Modells ist doch nicht unbedingt, dass es besser passt, sondern dass es früher da war ...
Gruß
Tom

Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab.
Sir Karl R. Popper

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