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Anselm's Gottesbeweis

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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von GalaxyJinx » 22. Jun 2022, 08:31

Gott mit Eitkett hört sich dennoch lustig an :D

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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von seeker » 22. Jun 2022, 10:52

Hmm... ich denke schon.
Diagnostiker hat geschrieben:
21. Jun 2022, 20:56
Mit "Gott" meint Anselm aber nicht "schlicht Alles"
Was könnte denn noch etwas größeres als Alles sein?
Ich meine, er muss das hier zwingend mit Alles bzw. dem Allumfassenden gleichsetzen.

Schau, Anselm argumentiert da in seinem 2. ja analog, nur umgedreht:
1. Annahme des Gegenteils: Das, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann [d. i. Gott], existiert nicht in Wirklichkeit, sondern nur im Verstand.
2. Wenn (1), dann kann etwas gedacht werden, das größer ist als das, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann (nämlich ebendieses, jedoch mit der zusätzlichen Qualität, dass es auch in Wirklichkeit existiert, was dann größer ist als das lediglich Gedachte, welches nicht in der Wirklichkeit existiert).
https://de.wikipedia.org/wiki/Gottesbew ... Canterbury

Aber am Ende muss man auch sagen, dass auch gilt:
Nur weil man (niemand) Gott (oder Alles) nicht denken kann, beweist das noch nicht, dass es nicht existiert oder existieren kann. Das Gegenteil beweist es allerdings auch nicht.
Wichtig erscheint mir hier: Wir können es jedenfalls nicht denken und daher auch nicht (sinnvoll) darüber reden.

Aber vielleicht meinst du auch dasselbe.
Grüße
seeker


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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von Diagnostiker » 22. Jun 2022, 15:32

Hallo seeker,
Was könnte denn noch etwas größeres als Alles sein?
Der Schöpfer von allem, was geschaffen worden ist. Anselm argumentiert aus seinem ideengeschichtlichen Kontext heraus. Er begreift sich selber als Bestandteil der Schöpfung und benennt mit "Gott" gemäß seines Glaubens den Urheber der Schöpfung. Die Schöpfung ist etwas vom Schöpfer getrenntes, so dass alles, was man unter den Begriff "Welt" subsummiert geringer ist als der Schöpfer selbst. Man kann also der Welt mit allen Dingen, die sich darin finden, eine gewisse Größe zuschreiben, aber über diese Größe hinaus kann man noch den Schöpfer der Welt denken.

Das Vorhandensein der Schöpfung tangiert die Größe Gottes folglich nicht, fügt ihr nichts hinzu und nimmt ihr nichts weg, wenn sie fehlen würde. Die Schöpfung verweist zwar auf die Größe Gottes, aber Gott ist sich selbst genug und bedarf der Schöpfung nicht, um zu sein. Der Akt der Schöpfung ist dem freien Willen Gottes entsprungen - gewissermaßen als Experiment mit ungewissem Ausgang, wenn im Schöpfungsbericht steht, dass Gott nach jedem Schöpfungsakt feststellt, dass es gut war.

Der Mensch als Geschöpf Gottes ist aufgrund seiner Ebenbildlichkeit in der Lage, Gott zu erkennen und über die Betrachtung der Schöpfung auf sein Vorhandensein zu schließen (Ganz im Sinne von 1. Römer 20.). Anselm begreift sich selber also als ein Geschöpf, das Gott erkennen und finden kann, aber betrachtet sich nicht als etwas, was der Größe Gottes etwas hinzufügen oder von ihr wegnehmen kann. Darum ist das Argument mit dem "Etikett" hier unzutreffend. Der Begriff "Gott" fügt Gott nichts hinzu, weil ihm in seinem Sein nichts fehlt.

Mit "etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann" bezeichnet Anselm etwas, was die Schöpfung transzendiert, über sie hinausreicht und sich jenseits der Schöpfung befindet. Es ist also nicht "schlicht Alles", sondern etwas, was über das "schlicht Alles" der Welt hinausreicht, aber selber nicht Welt ist. Die Welt wird als Schöpfung begriffen und der Schöpfer als etwas Überweltliches, welches die Welt kraft seines Willens aus Nichts erschaffen hatte und auf diesem Wege aus sich hervorgehen ließ.

Wenn Anselm sich an den Toren wendet, der Gott leugnet, dann gebraucht er zunächst die Wendung "etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann", ohne den Begriff "Gott" zu verwenden. Diesen Ausdruck bzw. diese Wendung versteht der Tor - er kann sich darunter etwas vorstellen. Wenn er sich darunter etwas vorstellen kann, dann existiert diese Vorstellung von "etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann" im Verstand des Toren.

An dieser Stelle kommt dann der semantische Bruch: Wenn die Vorstellung von "etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann", im Verstand existiert - ist diese Vorstellung dann selber etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann? - Falls ja, dann wäre der Begriff selber das, was er bezeichnet und Gott wäre im Verstand des Toren existierend (extensionale Bedeutung). Falls nein, dann wäre nur der Begriff im Verstand des Toren existierend, aber nicht das, was er bezeichnet (intensionale Bedeutung).

Anselm vollzieht den semantischen Bruch von der Existenz des Begriffes im Verstand zur Existenz dessen, was durch den Begriff bezeichnet wird: Der Begriff wird ontologisiert (darum auch "ontologischer" Gottesbeweis!), so dass nun aus der Existenz von "etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann" im Verstand die Existenz desselben auch außerhalb des Verstandes abgeleitet wird, um einen Selbstwiderspruch zu vermeiden. Über die logischen Fallstricke dieses semantischen Bruchs hatten wir schon diskutiert, so dass wir das hier nicht noch einmal wiederholen müssen.

Wichtig ist hier: Man muss Anselm aus dem ideengeschichtlichen Kontext heraus begreifen, den man nicht einfach per Abstraktion ignorieren darf, weil sonst Bedeutungsverschiebungen zustande kommen, die das, was Anselm tatsächlich schreibt, verfälschen und dann notwendigerweise zu Missverständnissen führen, wie sie hier offenbar geworden sind. Mich wundert also nicht, wenn sich Pippen darüber wundert, dass Anselms Beweisgang noch nicht so einer Kritik ausgesetzt wurde, wie er sie sich zurechtgestutzt hat. Mich wundert aber auch nicht, dass diese Art von Kritik nicht vorgebracht worden ist. Sie ist schlicht verfehlt und geht am eigentlichen Sachverhalt vorbei.

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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von seeker » 23. Jun 2022, 13:24

Hallo Diagnostiker,

mir ist die Lesart Anselms in seinem Kontext du dieser Zeit schon soweit klar geworden.
Und das haben wir ja auch schon erörtert und das schaut alles plausibel aus.
Diagnostiker hat geschrieben:
22. Jun 2022, 15:32
Wichtig ist hier: Man muss Anselm aus dem ideengeschichtlichen Kontext heraus begreifen,
Ja. Wenn man Anselm verstehen will, was zunächst als Basis wichtig ist.
Wir sind allerdings hier und heute nicht unbedingt darauf beschränkt.
D.h. uns sind darüber hinaus auch noch weitere Überlegungen und Kontexte möglich.

Was mir übrigens bei diesen klassischen Gottesbeweisen irgendwie auch auffällt:
Da wird zwar oft zunächst versucht einen philosophischen Gott zu beweisen oder zumindest zu begründen oder plausibel zu machen, es wird dann aber gerne "selbstverständlich" (aber unbewiesen) davon ausgegangen, dass dieser Gott dann ja auch gleich die Eigenschaften haben müsse, die ihm die Abrahamreligionen gewöhnlich zuschreiben.
Wobei das Eine mit dem Anderen überhaut nichts zu tun haben muss.

Aus unserem heutigen Kontext heraus noch ein paar Worte:
Diagnostiker hat geschrieben:
22. Jun 2022, 15:32
Was könnte denn noch etwas größeres als Alles sein?
Der Schöpfer von allem, was geschaffen worden ist. Anselm argumentiert aus seinem ideengeschichtlichen Kontext heraus. Er begreift sich selber als Bestandteil der Schöpfung und benennt mit "Gott" gemäß seines Glaubens den Urheber der Schöpfung. Die Schöpfung ist etwas vom Schöpfer getrenntes, so dass alles, was man unter den Begriff "Welt" subsummiert geringer ist als der Schöpfer selbst. Man kann also der Welt mit allen Dingen, die sich darin finden, eine gewisse Größe zuschreiben, aber über diese Größe hinaus kann man noch den Schöpfer der Welt denken.
Aus historischem Denk-Kontext heraus... OK.
Aus gegenwärtigem Denk-Kontext heraus ist das aber nicht schlüssig, denn "Alles" bezeichnet heute wirklich alles, incl. einem ggf. existierenden Gott und nicht nur eine gedachte diesseitige Welt, der eine jenseitige Welt und ein jenseitiger Gott gegenübersteht.
"Alles" bezeichnet hier per Definition "dasjenige, über das es hinaus nichts größeres geben kann".
Diagnostiker hat geschrieben:
22. Jun 2022, 15:32
Das Vorhandensein der Schöpfung tangiert die Größe Gottes folglich nicht, fügt ihr nichts hinzu und nimmt ihr nichts weg, wenn sie fehlen würde.
Es gibt hier tatsächlich ein mathematisches Analogon:
Wenn man z.B. eine Menge G aus aktual unendlich vielen Gegenständen hätte, dann könnte man dieser Menge beliebig viele Gegenstände hinzufügen oder entnehmen (auch je undendlich viele!) und daraus eine weitere Menge W bilden und es würde an der Menge G nichts ändern.
Jedoch gäbe es dann zwei Mengen G und W und eine Menge G' = [G, W]

Und "Alles" würde hier eigentlich die Menge G' bezeichnen müssen.
Blöd nur, dass es dann auch noch ein Menge G'' = [G', [G, W]] gäbe, usw.
Man kommt hier also in einen unendlichen Regress hinein.

Aber zugegeben, hier sprechen wir dann nicht mehr über Anselm und was er meinte und wollte, sondern über allgemeinere Dinge.
Grüße
seeker


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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von Diagnostiker » 23. Jun 2022, 15:37

Hallo seeker,
Wobei das Eine mit dem Anderen überhaut nichts zu tun haben muss.
Nein. Anselm geht selbstverständlich vom biblischen Gott aus, greift sich aber ein Charakteristikum heraus, um zunächst prinzipiell die Existenz Gottes aufzuzeigen. Erst im Anschluss daran kommt dann das, was außerdem noch über Gott gelehrt wird. Der "Proslogion" geht ja nach dem 2. Kapitel noch weiter.
"Alles" bezeichnet hier per Definition "dasjenige, über das es hinaus nichts größeres geben kann".
Nein, "Alles" bezeichnet eben alles (wobei man noch genauer bestimmen muss, ob es sich dabei um die Menge aller möglichen oder tatsächlichen oder denkbaren Dinge handelt, was dann z.B. Fabelwesen einschlösse), aber nicht "etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann". Das, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, ist zunächst einmal nur etwas Gedachtes und existiert zunächst nur als Vorstellung im Verstand des Denkenden. Der Denkende selber und dessen existierende Umwelt existiert nicht als Vorstellung im Verstand des Denkenden.

Man muss hier also trennen: Der Denkende und die Welt, in der er lebt, ist das eine. Die Vorstellung von "etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann", ist das andere. Im Rahmen dieser Vorstellung, kann sich der Denkende und die Welt, in der er lebt, zwar als Vorstellung mit einbeziehen, aber diese Vorstellung ist dann immer noch etwas anderes als der Denkende selbst und die Welt, in der er lebt. Das, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, ist daher notwendigerweise verschieden von dem Denkenden, der diese Vorstellung entwickelt.
... hier sprechen wir dann nicht mehr über Anselm und was er meinte und wollte, sondern über allgemeinere Dinge.
Ja, aber anhand solcher mathematischen Modelle und Konstruktionen merkt man auch, wie weit sie tragen und wie weit sie reichen, so dass man dann daraus ableiten kann, dass die Entkräftung von Anselms Beweisgang eben doch nicht auf metaphysische Annahmen verzichten kann.

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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von Pippen » 23. Jun 2022, 16:33

@seeker: Deinen Einwand habe ich zwischenzeitlich eingelöst, die ganze Zahlentheorie diente ja nur der Veranschaulichung. Das hast du wahrscheinlich übersehen, weil es mittendrin in der Diskussion geschah.

@Diagnostiker: Wie der Beweis zeigt, gibt es (für uns) nichts Größtdenkbarmögliches - ich zeige sogar ein Verfahren, wie man aus jedem angeblich Größtdenkbarmöglichen ein Doch-nicht-Größtdenkbarmögliches macht - so dass jeder Name, der sich darauf bezieht auf eine Leerstelle zeigt und sich damit selbst widerlegt.

Der finale Beweis:
Anselm beginnt seinen Beweis mit folgender (P)rämisse: Gott ist das, über welches nichts Größeres gedacht werden kann.

Fall 1: P ist ein Postulat/Axiom. Dann wird Anselm‘s Beweis trivial, denn er postuliert damit in 1. bereits Gott, was überdies nichts beweist, weil man das Axiom - ebenso begründungslos wie es aufgestellt - ablehnen kann.

Fall 2: P ist eine Definition. Dann ist „Gott“ der Name für ein Objekt mit der Eigenschaft, dass darüber hinaus nichts Größeres gedacht werden können soll. „Gott“ und damit seine Eigenschaft des Größtdenkbarmöglichen wird also noch nicht postuliert (sonst Fall 1), womit i.Ü. die allgemeinen Regeln der Logik weiter gelten. Dort kann man aber zu jedem Objekt z noch eine Konjunktion mit z bilden (z & z), also immer etwas Größeres hinzudenken. Die Eigenschaft des Größtdenkbarmöglichen ist also unmöglich, „Gott“ mithin ein Name für (buchstäblich) nichts, also sogar widerlegt.

Es gibt keinen möglichen weiteren (vernünftigen) Fall, wie P zu verstehen sei.

Daher beweist Anselm entweder Gott nur trivial oder widerlegt ihn gar unabsichtlich selbst.
Und mein Problem war ja, warum dieser Beweis nie kommt, sondern viel schwierigere Argumentationen mit viel mehr ontologischem Ballast. Warum so kompliziert, wenn man Anselm einfach (rein formal) beikommen kann?

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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von Diagnostiker » 23. Jun 2022, 17:09

@ Pippen:
Wie der Beweis zeigt, gibt es (für uns) nichts Größtdenkbarmögliches - ich zeige sogar ein Verfahren, wie man aus jedem angeblich Größtdenkbarmöglichen ein Doch-nicht-Größtdenkbarmögliches macht - so dass jeder Name, der sich darauf bezieht auf eine Leerstelle zeigt und sich damit selbst widerlegt.
Wie ich gezeigt habe, hast Du das eben nicht gezeigt. Du hast zwar etwas anderes gezeigt, aber das ist eben nicht das, was auf Anselms Beweisgang anwendbar ist. Anselms Beweisgang ist etwas anderes als das, was Du Dir daraus abstrahierend zurechtgeschustert hast. Dass das, was Du Dir zurechtgeschustert hast, etwas ist, was man dann mittels Zahlentheorie als nicht gangbar belegen kann, ist das eine. Anselms Beweisgang hingegen ist etwas anderes, so dass man hier separieren muss zwischen dem, was Anselm schreibt und dem, was Du schreibst.
Und mein Problem war ja, warum dieser Beweis nie kommt ...
Dieses Problem löst sich in Nichts auf, wenn man versteht, dass Anselm mit "etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann", kein Volumen oder keine Anzahl meint, sondern etwas Qualitatives, was sich durch seine Größe (man kann hier auch "Großartigkeit" sagen) von der Größe alles anderen Denkbaren durch seine Unüberbietbarkeit unterscheidet. Und dieser "Größe" kommst Du mit Deinen Logikspielchen nun mal nicht bei, auch wenn Du sie als "alternativlos" hier apostrophierst.
Warum so kompliziert, wenn man Anselm einfach (rein formal) beikommen kann?
Das liegt einfach daran, dass fraglich ist, ob man Anselm einfach (rein formal) beikommen kann. Deine Frage ist also falsch gestellt, weil eine Tatsachenbehauptung suggestiv transportierend. Und nein, die Entkräftung von Anselms Beweisgang ist nicht kompliziert. Sie wurde schon von seinen Zeitgenossen vorgenommen, so dass Thomas von Aquin rund 150 Jahre später Anselms Beweisgang gar nicht in seine "Summa theologiae" aufnahm. Es ist also doch nicht so simpel, wie Du Dir das alles so zurechtlegst.

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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von Pippen » 23. Jun 2022, 17:27

Diagnostiker hat geschrieben:
23. Jun 2022, 17:09
Und dieser "Größe" kommst Du mit Deinen Logikspielchen nun mal nicht bei, auch wenn Du sie als "alternativlos" hier apostrophierst.
Wir haben nur die Logik als das Regelwerk unseres Denkens. Jeder Beweis setzt sie als Prämisse voraus. Wenn also Anselms Argumentation tatsächlich mit Logik nicht beizukommen sein soll, dann ist sie nicht widerlegbar, allerdings beweist sie dann auch nichts.

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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von Diagnostiker » 23. Jun 2022, 17:34

Pippen hat geschrieben:
23. Jun 2022, 17:27
Diagnostiker hat geschrieben:
23. Jun 2022, 17:09
Und dieser "Größe" kommst Du mit Deinen Logikspielchen nun mal nicht bei, auch wenn Du sie als "alternativlos" hier apostrophierst.
Wir haben nur die Logik als das Regelwerk unseres Denkens. Jeder Beweis setzt sie als Prämisse voraus. Wenn also Anselms Argumentation tatsächlich mit Logik nicht beizukommen sein soll, dann ist sie nicht widerlegbar, allerdings beweist sie dann auch nichts.
Wie hier gezeigt wurde, ist Anselms Beweisgang sehr wohl entkräftbar, da er in seiner Argumentation einen semantischen Bruch vornimmt, wenn er sagt, dass "etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann", im Verstand des Toren ist, sobald er diesen sprachlichen Ausdruck verstanden hat. Das ist zwar keine Widerlegung des Beweises, aber dafür eine Widerlegung der Beweiskraft des Beweisgangs. Mit der Widerlegung der Beweiskraft des Beweisgangs ist der Beweis entkräftet und damit nichtig. Der Beweis beweist nicht das, was er beweisen soll. Das genügt.

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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von seeker » 23. Jun 2022, 18:51

Also ich bin mit dem Inhalt Pippens Fassung nun eigentlich ganz zufrieden, auch wenn ich selber es etwas anders sagen würde.
Ergänzend herausstellen würde ich noch, dass Anselm in seinem Beweis eben den Unterschied zwischen 1. und 2. übergeht und damit einen Kategorienfehler begeht (1. und 2. sind verschiedene Kategorien), womit sein Beweis nichtig wird.
Im Grunde ist das auch das, worauf Diagnostiker u.a. immer wieder (in etwas anderen Worten) hinweist, Pippen.

@Diagnostiker:

Unter "Alles" verstehe ich folgendes:

Die Gesamtheit von allem, das es tatsächlich gibt.

Dazu gehören:

a) objektive Realitäten (-> unabhängig von uns): Materie, Energie, Raum, Zeit, Bewegung, ... Sterne, Planenten, Tiere, Pflanzen, Menschen, ...
b) subjektive Realitäten (-> individuell): Empfindungen, Wahrnehmungen, Gefühle, Gedanken, Vorstellungen, Phantasien, ...
c) intersubjektive Realitäten (-> kollektiv): Begriffe, Geld, Staaten, Mythen, Sagen, Legenden, ...

Gott, Engel, Teufel und Dämonen, Einhörner, ... gehören je nach Seinsweise und so sie denn jeweils existieren zu a) und/oder b) und/oder c).

Gott gehört mindestens zu (bzw. existiert in) b) und zu (in) c).
Das sollte unstrittig sein, dass Gott sowohl für Einzelne als auch für Kollektive zumindest als Begriff und Vorstellung und Glaubensinhalt zweifellos existiert.
Gottesbeweise zielen hier darauf ab, zu beweisen oder glaubhaft zu machen, dass Gott auch zu a) gehört, also auch objektiv existiert.
Diagnostiker hat geschrieben:
23. Jun 2022, 15:37
Der Denkende selber und dessen existierende Umwelt existiert nicht als Vorstellung im Verstand des Denkenden.
In gewisser Weise doch: Der Denkende selber existiert als "Ich" im Verstand des Denkenden, seine Umwelt als die Welt, die er bewusst erfährt und empfindet.

Und ich bleibe dabei:
Es ist hier per Definition ganz prinzipiell nichts denkbar, auch keine Qualität, die größer oder umfassender als dieses Alles sein könnte, bzw. jenseits davon sein könnte.
Wenn man nun postuliert, dass es Gott gibt UND dass dieser Gott das Allergrößte sein soll, dann muss eben dieser Gott mit "Alles" gleichgesetzt werden.
Es bringt hier nichts zu postulieren, es gäbe ein Allergrößtes, nämlich Gott G und zusätzlich noch eine Welt W, weil in dem Fall "Alles" mindestens G' wäre, mit G' = [G, W] und das eben je nach Lesart größer als G wäre oder mindestens genauso groß wie G, keinesfalls aber kleiner als G sein kann:
Wenn Gott existiert, dann muss er zu allem gehören, das existiert, also zu Alles, da kommt man nicht drum herum; maximal kann er Alles selber sein.
Diagnostiker hat geschrieben:
23. Jun 2022, 15:37
Man muss hier also trennen: Der Denkende und die Welt, in der er lebt, ist das eine. Die Vorstellung von "etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann", ist das andere. Im Rahmen dieser Vorstellung, kann sich der Denkende und die Welt, in der er lebt, zwar als Vorstellung mit einbeziehen, aber diese Vorstellung ist dann immer noch etwas anderes als der Denkende selbst und die Welt, in der er lebt. Das, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, ist daher notwendigerweise verschieden von dem Denkenden, der diese Vorstellung entwickelt.
Ja:
Und selbst wenn wir über die Welt nachdenken, ist die Welt, über die wir nachdenken, natürlich nicht identisch mit der Welt, in der wir nachdenken. … Wenn wir also über die Welt nachdenken, ist dasjenige, was wir erfassen, etwas anderes als das, was wir erfassen wollten.

Und:
Es gibt gar keine wirkliche Vorstellung von "etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann". Man kann sich das nicht vorstellen, es geht ganz prinzipiell nicht, für niemanden. Wir tun manchmal nur so, als ob wir es uns doch vorstellen könnten oder stellen uns vor, dass wir es uns vorstellen könnten und geben diesem dann ein Wort an die Seite und nennen das Wort dann "Begriff", leider ohne irgendetwas zu begreifen...
Genau betrachtet sind das dann leere Worthülsen.

P.S.:
Was bedeutet es eigentlich, "etwas zu denken" (z.B. das Allergrößte, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann)?
Es bedeutet doch wohl, dass jemand etwas in b) abbildet, das es in a) (womöglich) gibt, bzw. in b) ein geistiges Modell von etwas in a) zu erstellen?
(Zu a), b), c): siehe oben, mit den verschiedenen Realitäten.)

Diagnostiker hat geschrieben:
23. Jun 2022, 15:37
Ja, aber anhand solcher mathematischen Modelle und Konstruktionen merkt man auch, wie weit sie tragen und wie weit sie reichen, so dass man dann daraus ableiten kann, dass die Entkräftung von Anselms Beweisgang eben doch nicht auf metaphysische Annahmen verzichten kann.
Ja, das ist wohl so. Auch schon deshalb, weil man immer solche Annahmen braucht, man wird sie nie und nimmer ganz los.
Grüße
seeker


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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von Diagnostiker » 23. Jun 2022, 20:12

Wie ist es mit der Existenz des Nichtexistierenden? Existiert das oder existiert das nicht?

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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von Pippen » 23. Jun 2022, 23:19

@seeker: Aber mein Beweis braucht keine (weitergehenden) metaphysischen Annahmen, oder? Er basiert ausschließlich auf Annahmen, die wir sowieso brauchen, um Anselms Idee zu erfassen:

-formale (Modal-) Logik (es existiert, kann, nicht, wahr/falsch, …),
-Sprache (Axiom, Definition, Größeres, …),
-Wahrnehmung (Anselms geschriebene Zeilen müssen wir lesen, damit wir wissen, worum sein Argument geht).

Ich brauche insbesondere keine Annahme über die sonstige Natur Gottes (Unerkennbarkeit), wie bei Thomas, oder Existenz als Nicht-Prädikat, wie bei Kant, oder die Unterscheidung zwischen Existenz-im-Denken vs. realer Existenz oder deine Gabriel-esque Welt-Anschauung. Mein Beweis scheint daher stärker, weil er von weniger Annahmen abhängt.

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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von seeker » 24. Jun 2022, 07:49

Pippen hat geschrieben:
23. Jun 2022, 23:19
Aber mein Beweis braucht keine (weitergehenden) metaphysischen Annahmen, oder?
Doch, da stecken auch welche drin. Es gibt eben welche, "die wir sowieso brauchen", wie du sagst... aber von denen wir auch nie ganz sicher wissen können, ob sie tatsächlich "alternativlos" sind. Und wenn man tiefer bohrt, kommen meist noch mehr zum Vorschein, als man zuerst dachte.
Am Ende spannst du immer, bei allem was du sagst, egal was du sagst, sozusagen auch einen Sinnrahmen bzw. ein Sinnfeld als Kontext auf, in dem das Gesagte dann erst Bedeutung und Sinn erhält - relativ dazu und NUR dazu.

Aber du zielst eher auf die Frage ab, ob deine Formulierung sparsam genug ist. Das würde ich bejahen. Ob - und falls ja - inwiefern sie "besser" oder auch nur die sparsamste ist, bedürfte sehr weitreichender Analysen. Schwer zu sagen. Und das hängt auch von den Intentionen und Zielen, also dem Fokus und der Perspektive bei so etwas ab. Und neben Sparsamkeit gibt es ja auch noch weitere Qualitäten einer Aussage.
Diagnostiker hat geschrieben:
23. Jun 2022, 20:12
Wie ist es mit der Existenz des Nichtexistierenden? Existiert das oder existiert das nicht?
Verschiedene Seinsweisen...
Schauen wir es uns noch einmal an:
Die Gesamtheit von allem, das es gibt:

a) objektive Realitäten (-> unabhängig von uns): Materie, Energie, Raum, Zeit, Bewegung, ... Sterne, Planeten, Tiere, Pflanzen, Menschen, ...
b) subjektive Realitäten (-> individuell): Empfindungen, Wahrnehmungen, Gefühle, Gedanken, Vorstellungen, Phantasien, ...
c) intersubjektive Realitäten (-> kollektiv): Begriffe, Geld, Staaten, Mythen, Sagen, Legenden, Geschichten...
Das "Nichtexistierende" existiert in b) und in c), als Wort, als Begriff, als Idee, als (kollektive) Vorstellung.
Aber es existiert nicht in a), es fehlt dort. Schon weil "nicht zu existieren" keine Eigenschaft bzw. Qualität ist.
Darüber hinaus handelt es sich um eine Universalie, bei denen allgemein strittig ist, ob es solche in a) gibt (siehe Universalienstreit).
Grüße
seeker


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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von Diagnostiker » 24. Jun 2022, 13:42

Hallo seeker,
Das "Nichtexistierende" existiert in b) und in c), als Wort, als Begriff, als Idee, als (kollektive) Vorstellung.
O.K., aber etwas nicht Existierendes ist ja dadurch charakterisiert, dass es nicht existiert, also weder in a), noch in b) oder c). Trotzdem sagst Du, es existiert als Vorstellung in b) und in c), was in sich widersprüchlich ist. Das bedeutet demnach, dass auch in sich widersprüchliche Vorstellungen existieren, obwohl sie nicht existieren, sobald man einen sprachlichen Ausdruck dafür gefunden hat.

Dann kann man die Definition von "Alles" dahingehend erweitern, dass sie nicht nur erfasst, was existiert, sondern auch, was nicht existiert, denn ich kann das ja in eine sprachliche Form bringen, so dass alles, was nicht existiert dann doch existiert. Das Kriterium wäre dann, dass "Alles" alles umfasst, was sich sprachlich in eine mitteilbare Form bringen lässt - einschließlich dessen, was sich sprachlich nicht in eine mitteilbare Form bringen lässt, denn dies lässt sich ja dann wiederum in eine sprachlich mitteilbare Form bringen, nämlich dahingehend, dass es sich nicht in eine sprachlich mitteilbare Form bringen lässt, was dann in einen infiniten Regress mündet.

Offenbar kann man also "Alles" nicht darauf festlegen, dass es die Gesamtheit von allem ist, was es tatsächlich gibt, weil es in einen infiniten Regress mündet. "Alles" überschreitet folglich alle Grenzen, die denkbar sind, so dass man damit nicht als Begriff operieren kann. Wenn Anselm also die Wendung von "etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann" gebraucht, dann ist es folglich NICHT "Alles", sondern "Etwas" in Abgrenzung zu etwas Anderem - z.B. zu Anselm selbst, der sich selbst nicht als dieses "Etwas" begreift, sondern als jemand, der über dieses "Etwas" spricht.

Man muss hier also wirklich genau hinschauen, was der Beweisgang Anselms enthält und wie sich das auf modernere Weise übertragen lässt.

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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von seeker » 24. Jun 2022, 16:32

Diagnostiker hat geschrieben:
24. Jun 2022, 13:42
O.K., aber etwas nicht Existierendes ist ja dadurch charakterisiert, dass es nicht existiert, also weder in a), noch in b) oder c). Trotzdem sagst Du, es existiert als Vorstellung in b) und in c), was in sich widersprüchlich ist.
Bilbo Beutlin, Darth Vader und Drachen existieren soweit wir wissen auch nicht in a), Geld existiert auch nicht in a).
Dennoch exsistiert all das, halt auf andere Weise, eben als Konstrukt oder Fiktion in unseren Köpfen, individuell oder kollektiv oder beides.
Ich sehe da keinen Widerspruch.

Wobei: Nichts, als ein Nicht-Begriff existiert natürlich auch nicht in b) und c). Aber darüber kann man auch nicht reden, insbesondere bezeichnet das Wort "Nichts" nicht dieses, sondern ein Etwas, eben einen Begriff.
Diagnostiker hat geschrieben:
24. Jun 2022, 13:42
Das bedeutet also, dass auch in sich widersprüchliche Vorstellungen existieren, obwohl sie nicht existieren, sobald man einen sprachlichen Ausdruck dafür gefunden hat.
Sobald man einen sprachlichen Ausdruck gefunden hat, existiert ein Wort in b) und c), ein dazu passendes Ding kann ober muss nicht in a) existieren.

Ein scheinbarer Widerspruch entsteht erst, wenn du die Kategorien unsachgemäß vermischst und damit dann einen Katergorienfehler begehst.
a), b) und c) sind verschiedene Kategorien!

Von einer der Kategorien a), b) und c) zur anderen gibt es nur einen richtigen Bezug: als Verweis, als ein "zeigen".
Man sagt dann z.B. der Begriff "Stein" in c), zeigt auf ein Objekt in a), wo ein dazu passender materieller Stein existiert, den ich auch gerade in b) wahrnehme, womit auch zu b) ein Bezug hergestellt ist. Der Bezug ist aber nicht notwendig!
Es ist nicht nötig, dass ein Objekt in a) existiert, nur weil es in b) oder c) existiert, umgekehrt genausowenig.
Diese drei Bereiche überlappen sich zwar, aber sie sind nicht deckungsgleich.
Man muss immer betrachten WO etwas existiert (in welchem Bereich) und damit auch WIE (als WAS, welche Seinsweise?):
Diagnostiker hat geschrieben:
24. Jun 2022, 13:42
Dann kann man also die Definition von "Alles" dahingehend erweitern, dass sie nicht nur erfasst, was existiert, sondern auch, was nicht existiert, denn ich kann das ja in eine sprachliche Form bringen, so dass alles, was nicht existiert dann doch existiert.
Nein, s.o.
"Alles" umfasst bzw. meint nur auch Elemente in b) und c), die in a) nicht existieren - und darüber hinaus auch umgekehrt.
Diagnostiker hat geschrieben:
24. Jun 2022, 13:42
Das Kriterium wäre dann, dass "Alles" alles umfasst, was sich sprachlich in eine mitteilbare Form bringen lässt - einschließlich dessen, was sich sprachlich nicht in eine mitteilbare Form bringen lässt, denn dies lässt sich ja dann wiederum in eine sprachlich mitteilbare Form bringen, nämlich dahingehend, dass es sich nicht in eine sprachlich mitteilbare Form bringen lässt, was dann in einen infiniten Regress mündet.
Du musst jeweils beachten, was was ist. Ein Ding in a) ist etwas anderes als ein Begriff oder eine Fiktion in c).
Das Ding Stein ist nicht dasselbe wie der Begriff "Stein".
Das Ding Nichts ist nicht dasselbe wie der Begriff "Nichts". "Nichts" kann existieren, ohne dass Nichts existiert.
Das Ding Alles ist nicht dasselbe wie der Begriff "Alles". "Alles" kann existieren, ohne dass Alles existiert.

Es gibt hier noch keinen infiniten Regress. Es gibt nur mindestens eine infinite Menge an möglichen Begriffsbildungen.
Diagnostiker hat geschrieben:
24. Jun 2022, 13:42
Offenbar kann man also "Alles" nicht darauf festlegen, dass es die Gesamtheit von allem ist, was es tatsächlich gibt, weil es in einen infiniten Regress mündet. "Alles" überschreitet also alle Grenzen, die denkbar sind, so dass man damit nicht als Begriff operieren kann.
"Alles" als Begriff in c) versucht auf etwas in a)+b)+c) zu zeigen, das beweisbar unendlich groß ist bzw. über alle Grenzen anwächst.
Insofern, ja: "Alles" ist eine Worthülse, ein Scheinbegriff, der behauptet etwas zu greifen, das er nicht wirklich greifen kann und dessen Existenz nicht sichergestellt ist.
Diagnostiker hat geschrieben:
24. Jun 2022, 13:42
Wenn Anselm also die Wendung von "etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann" gebraucht, dann ist es also NICHT "Alles", sondern "Etwas" in Abgrenzung zu etwas Anderem - z.B. zu Anselm selbst, der sich selbst nicht als dieses "Etwas" begreift, sondern als jemand, der über dieses "Etwas" spricht.
Dieselbe Argumentation die du hier gegen den Begriff "Alles" anwendest kann man genauso gegen Anselms Begriff "Gott" als "dasjenige, über das hinaus..." anwenden.
Also gibt es auch hier keinen Unterschied zwischen "Alles" und "Gott".
Diagnostiker hat geschrieben:
24. Jun 2022, 13:42
Wenn Anselm also die Wendung von "etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann" gebraucht, dann ist es also NICHT "Alles", sondern "Etwas" in Abgrenzung zu etwas Anderem - z.B. zu Anselm selbst, der sich selbst nicht als dieses "Etwas" begreift, sondern als jemand, der über dieses "Etwas" spricht.
Insofern wäre dann aber Alles für Anselm gleich groß wie Gott.
...denn an der Stelle kommt dann ja auch folgende Argumentation:
Diagnostiker hat geschrieben:
22. Jun 2022, 15:32
Das Vorhandensein der Schöpfung tangiert die Größe Gottes folglich nicht, fügt ihr nichts hinzu und nimmt ihr nichts weg, wenn sie fehlen würde.
Und wenn wir dieser Argumentaion nicht folgen, dann ist Alles größer als Gott, insofern wir Gott als etwas von der Welt Getrenntes sehen.
Diagnostiker hat geschrieben:
24. Jun 2022, 13:42
Man muss hier also wirklich genau hinschauen, was der Beweisgang Anselms enthält und wie sich das auf modernere Weise übertragen lässt.
Das ja. Da Anselm für mich genügend abgehandelt ist, versuche ich halt etwas drüber hinauszugehen. Aber man muss aufpassen, ja.
Grüße
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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von Diagnostiker » 24. Jun 2022, 16:45

Hallo seeker,
Ich sehe da keinen Widerspruch.
Ich schon, denn "Nichtexistierendes" kann ich so definieren, dass es weder in a), noch in b) oder c) existiert. Ich kann es noch präzisieren als "nicht existierender Sachverhalt" oder "nicht existierendes Ding", wobei "Ding" dann wieder Sachverhalte bezeichnet, die in a), b) und c) aufgelistet sind. Dann habe ich einen Begriff, der einen Begriff bezeichnet, der nicht in a), b) und c) vorkommt, aber dennoch als Begriff gedacht worden ist - und somit die drei Kategorien überschreitet - und damit dann das, was Du als "Alles" bezeichnet hattest.
"Alles" ist eine Worthülse, ein Scheinbegriff, der behauptet etwas zu greifen, das er nicht wirklich greifen kann und dessen Existenz nicht sichergestellt ist.
Das würde dann bedeuten, dass es alles (also das, was der Begriff "Alles" bezeichnet) gar nicht gibt?
Dieselbe Argumentation die du hier gegen den Begriff "Alles" anwendest kann man genauso gegen Anselms Begriff "Gott" als "dasjenige, über das hinaus..." anwenden.
Nur dann, wenn man diesen Begriff als Quantität nimmt, und auch dann nur, wenn man die Quantität als endliche Größe nimmt, die sich dann beliebig vergrößern oder vervielfältigen lässt. Sonst eben nicht.
Insofern wäre dann aber Alles für Anselm gleich groß wie Gott.
Nein, in diesem Fall ist Anselm als Nicht-Gott und die Welt in ihrer Eigenschaft als Nicht-Gott etwas Geringeres als Gott, der über das, was Nicht-Gott ist, hinausragt und nichts hat, was über ihn hinausragen könnte. Gott ist dann nicht Alles, sondern das Großartigste, was man sich überhaupt denken kann, gegen den alles andere in deren jeweiliger Großartigkeit (sowohl in den Einzeldingen wie auch in der Summe aller Einzeldinge) verblasst und geringer ist.

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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von seeker » 24. Jun 2022, 17:18

Diagnostiker hat geschrieben:
24. Jun 2022, 16:45
Ich schon, denn "Nichtexistierendes" kann ich so definieren, dass es weder in a), noch in b) oder c) existiert.
So würde ich es auch zu definieren versuchen.
Aber man kann es nicht direkt benennen, weil das Wort "Nichtexistierendes" ein Wort ist und nicht nichts.
Man muss hier zwischen dem Wort selber und dem Ding, auf das das Wort verweist oder verweisen soll, unterscheiden.
Diagnostiker hat geschrieben:
24. Jun 2022, 16:45
Dann habe ich einen Begriff, der einen Begriff bezeichnet, der nicht in a), b) und c) vorkommt, aber dennoch als Begriff gedacht worden ist - und somit die drei Kategorien überschreitet - und damit dann das, was Du als "Alles" bezeichnet hattest.
Hier muss man aufpassen, ob man damit wirklich einen Begriff hat oder nur eine leere Worthülse, die nur vorgibt etwas zu bezeichnen, das sie gar nicht bezeichnet und auch gar nicht bezeichnen kann?
Wohin soll der Begriff zeigen? Es ist ja gar nichts da, worauf er zeigen könnte...
Diagnostiker hat geschrieben:
24. Jun 2022, 16:45
Ich kann es noch präzisieren als "nicht existierender Sachverhalt" oder "nicht existierendes Ding", wobei "Ding" dann wieder Sachverhalte bezeichnet, die in a), b) und c) aufgelistet sind.
Es gibt auch keine nicht existierende Sachverhalte oder nicht existierende Dinge, worauf du mit einem Begriff zeigen könntest.
Du kannst nur nicht darauf zeigen. Wenn du auf nichts zeigst, dann hast du auch keinen Begriff.

Am Ende wird man zugeben müssen, dass man über "das (absolute) Nichts" nicht sinnvoll sprechen kann.
Insofern, also absolut verstanden, sind "Nichts" und "Nichtexistierendes" unsinnige Begriffe, also Nicht-Begriffe.
Grüße
seeker


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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von Diagnostiker » 24. Jun 2022, 17:24

Hallo seeker,
Wohin soll der Begriff zeigen? Es ist ja gar nichts da, worauf er zeigen könnte...
Na doch, der Begriff zeigt auf den Begriff "nicht existierendes Ding".

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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von seeker » 24. Jun 2022, 17:28

Diagnostiker hat geschrieben:
24. Jun 2022, 16:45
Das würde dann bedeuten, dass es alles (also das, was der Begriff "Alles" bezeichnet) gar nicht gibt?
In gewisser Weise... würde ich sagen: Ja!
Man muss sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem man auf ihr hinaufgestiegen ist... :)
Diagnostiker hat geschrieben:
24. Jun 2022, 16:45
Dieselbe Argumentation die du hier gegen den Begriff "Alles" anwendest kann man genauso gegen Anselms Begriff "Gott" als "dasjenige, über das hinaus..." anwenden.
Nur dann, wenn man diesen Begriff als Quantität nimmt, und auch dann nur, wenn man die Quantität als endliche Größe nimmt, die sich dann beliebig vergrößern oder vervielfältigen lässt. Sonst eben nicht.
Ich glaube, auch dann.
Und auch wenn du versuchst nur in zusätzlichen Qualitäten zu denken, dann kann ich ja diese auch zählen.
Diagnostiker hat geschrieben:
24. Jun 2022, 16:45
Insofern wäre dann aber Alles für Anselm gleich groß wie Gott.
Nein, in diesem Fall ist Anselm als Nicht-Gott und die Welt in ihrer Eigenschaft als Nicht-Gott etwas Geringeres als Gott, der über das, was Nicht-Gott ist, hinausragt und nichts hat, was über ihn hinausragen könnte. Gott ist dann nicht Alles, sondern das Großartigste, was man sich überhaupt denken kann, gegen den alles andere in deren jeweiliger Großartigkeit (sowohl in den Einzeldingen wie auch in der Summe aller Einzeldinge) verblasst und geringer ist.
Na... das scheint mir dann aber doch tief in die Trickkiste gegriffen zu sein und mit Wörtern hantierend, die auch alle einer genauen Definition bedürften... Ich glaube dieser Sumpf würde tief und schmutzig... :)
Aber ja, zu Anselms Zeit mag das OK gewesen sein. Und seine Intention war ja eh eine ganz andere. Aber das war ja bereits abgehakt, meine ich.
Grüße
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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von seeker » 24. Jun 2022, 17:30

Diagnostiker hat geschrieben:
24. Jun 2022, 17:24
Na doch, der Begriff zeigt auf den Begriff "nicht existierendes Ding".
Dann zeigt er auf ein existierendes Ding, das da heißt "nicht existierendes Ding".
Also kein Widerspruch.
Grüße
seeker


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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von Diagnostiker » 24. Jun 2022, 17:41

In gewisser Weise... würde ich sagen: Ja!
Dann würde daraus folgen, dass es nichts gibt?
Man muss sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem man auf ihr hinaufgestiegen ist...
Das betrifft aber nur das Instrumentarium, mittels dessen man emporgestiegen ist, nicht aber das, was man dann vorfindet, nachdem man emporgestiegen ist, sonst würde man das Kind mit dem Bade ausschütten ... ;)
Und auch wenn du versuchst nur in zusätzlichen Qualitäten zu denken, dann kann ich ja diese auch zählen.
Nein, nicht zusätzliche Qualitäten, sondern Qualität - also gerade nichts Zählbares, was man irgendwie zu einer Menge hinzuaddieren könnte.
Dann zeigt er auf ein existierendes Ding, das da heißt "nicht existierendes Ding".
Ja, und dieses existierende Ding bezeichnet ein nicht existierendes Ding, was im Widerspruch zu den definierten Kategorien steht, so dass der bezeichnende Begriff einen Begriff bezeichnet, der etwas bezeichnet, was zuvor nicht bezeichnet worden war, so dass nun der Umfang des Bezeichneten im Rahmen der Definition von "Alles" erweitert worden ist.

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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von Pippen » 25. Jun 2022, 04:29

Absolute Nichtexistenz ist undenkbar, weil selbstwidersprüchlich. Relative Nichtexistenz klappt aber. Wir können immer nur sowas denken wie "nicht-z", d.h. dann genaugenommen: es existiert der Gedanke des nicht-z, der meint, dass z nicht existiert.

@seeker: Bisher gehe ich immer davon aus, dass wir gewisse notwendige Annahmen brauchen, um über (beliebige) Dinge sprechen zu können. Konkret brauchen wir:

-Logik ... sie verhindert, dass wir widersprüchlich denken, also alles wahr und damit differenzlos und somit unverständlich wäre
-Wahrnehmung ... wir brauchen eine Arbeitsfläche, auf/mit/in der wir arbeiten (u.a. auch Raumzeit, Ich als Wahrnehmungsermöglicher)
-Sprache ... wir brauchen Namen für Gegenstände, sonst wird Logik unmöglich (u.a. auch Mathe, denn das ist eine Sprache für Zahlen & Formen)

Notwendig sind diese Annahmen, weil die Hinwegnahme jeder einzelnen sofort in einen Widerspruch bzw. Absurdität führt. Ob dagegen die Dinosaurier existierten, die Quantentheorie richtig oder Angela Merkel Bundeskanzlerin ist, spielt erstmal keine notwendige Rolle (kann es aber, wenn es zB darum geht, wann Dinosaurier ausstarben, was idR voraussetzt, dass man sich über deren Existenz einig ist). Es gibt daher mE ein letztgültiges/notwendiges Sinnfeld, was du immer brauchst, nämlich die drei obigen. Stimmst du mir da zu? Natürlich sind die drei obigen Annahmen praktisch immer "verschmutzt", d.h. durchsetzt mit Gefühlen, Erfahrungen, Vorurteilen usw., aber wir abstrahieren davon, so wie wir es tun, wenn wir 1+1 ausrechnen, weil wir davon ausgehen, dass das Ergebnis nicht dadurch verfälscht wird, dass wir zB gerade einen schlechten Tag haben. Diese Annahme steckt zB in der Wahrnehmung drin, die davon ausgeht, dass unsere (mentale) Arbeitsfläche nicht manipulierbar ist, denn ansonsten wäre unsere Wahrnehmung nicht vertrauenswürdig. Sähen wir zB eine rosa Katze, dann könnten wir nicht mehr meinen, uns erschiene eine rosa Katze, was sofort alles kollabieren läßt, denn wie soll man damit noch denken können?

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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von seeker » 25. Jun 2022, 10:20

Diagnostiker hat geschrieben:
24. Jun 2022, 17:41
Dann zeigt er auf ein existierendes Ding, das da heißt "nicht existierendes Ding".
Ja, und dieses existierende Ding bezeichnet ein nicht existierendes Ding, was im Widerspruch zu den definierten Kategorien steht, so dass der bezeichnende Begriff einen Begriff bezeichnet, der etwas bezeichnet, was zuvor nicht bezeichnet worden war, so dass nun der Umfang des Bezeichneten im Rahmen der Definition von "Alles" erweitert worden ist.
Oje, langsam schwirrt mir da der Kopf, vor lauter Verschachtelungen :)

Aber nein, soweit ich das sehe, nicht.
Denn dieses existierende Ding bezeichnet ein weiteres existierendes Ding, das aber gar kein echter Begriff ist, sondern ein unsinniger Begriff bzw. Nicht-Begriff, da sein Inhalt auf nichts deutet. (Gemeint ist hier dein irgendwo gesetzter Anfang, z.B. das "Etikett", wo dann draufsteht: "Nicht existierender Sachverhalt".)
Du kannst diese Kette beliebig lange machen, es ergibt sich kein Widerspruch, schon weil du ja irgendwo einen Anfang der Kette setzen musst.
Und dieser Anfang ist ein unsinniger Begriff bzw. ein Nicht-Begriff, weil er auf nichts zeigt bzw. nichts begreift. Er selber existiert zwar dennoch, aber eben als Unsinn und bringt daher die gesamte Kette zu Fall, weil er unsinnig ist. Und damit ergibt sich dann auch kein Widerspruch.

Umgekehrt würde ich sagen: Wenn sich scheinbar ein Widerspruch ergibt, dann wurde ein Kategorienfehler übersehen oder übersehen, dass ein unsinniger Begriff eingeführt wurde.

Was allerdings klar ist, ist der Umstand, dass es zumindest in c) potentiell unendlich viele Begriffe gibt, bzw. dass unendlich viele gebildet werden können.
Diagnostiker hat geschrieben:
24. Jun 2022, 17:41
Dann würde daraus folgen, dass es nichts gibt?
...
Das betrifft aber nur das Instrumentarium, mittels dessen man emporgestiegen ist, nicht aber das, was man dann vorfindet, nachdem man emporgestiegen ist, sonst würde man das Kind mit dem Bade ausschütten ... ;)
Mein Punkt, auf den ich hinaus will, ist:

Wenn wir ins Absolute gehen (absoltes Nichts, absolut alles, absoluter Gott, ...) und versuchen darüber zu sprechen, also auch Begriffe zu bilden, dann gehen wir immer fehl. Dann plappern wir nur noch unsinnige Sätze, weil die Begriffe, die wir dort versuchen zu konstruieren, ganz prinzipiell auf nichts mehr zeigen können und daher unsinnig sind.


Somit sind auch alle Versuche eines Beweises (oder einer Widerlegung) eines (absoluten) Gottes von vorne herein unsinnig.
Grüße
seeker


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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von seeker » 25. Jun 2022, 10:35

Pippen hat geschrieben:
25. Jun 2022, 04:29
Bisher gehe ich immer davon aus, dass wir gewisse notwendige Annahmen brauchen, um über (beliebige) Dinge sprechen zu können. Konkret brauchen wir:

-Logik ... sie verhindert, dass wir widersprüchlich denken, also alles wahr und damit differenzlos und somit unverständlich wäre
-Wahrnehmung ... wir brauchen eine Arbeitsfläche, auf/mit/in der wir arbeiten (u.a. auch Raumzeit, Ich als Wahrnehmungsermöglicher)
-Sprache ... wir brauchen Namen für Gegenstände, sonst wird Logik unmöglich (u.a. auch Mathe, denn das ist eine Sprache für Zahlen & Formen)
Ja.

Problem:
WELCHE Logik, WELCHE Sprache, WELCHE Wahrnehmung? Welche ist jeweils die richtige oder beste? Und was ist "richtig" und was ist "das Beste"?
Diese Fragen sind nicht abschließend beantwortbar. Und daher können wir bei unserer jeweiligen Wahl immer nur hoffen... dass die Wahl wenigstens "ganz gut" ausgefallen ist. Und schauen, ob es für uns zufriedenstellend funktioniert und ob sich noch etwas verbessern lässt.

Du kannst an der Stelle natürlich versuchen irgendetwas zu postulieren, welche Logik z.B. die absolut Beste sei.
Aber in dem Moment fällt dir das in meinem letzten Beitrag dargestellte Problem auf die Füße, denn dann versuchst du über etwas Absolutes zu sprechen.
Und dann wird es unsinnig. Und dogmatisch noch dazu.

Es bleibt daher sozusagen alles immer irgendwo "in der Schwebe", da gibt es kein Entrinnen.
Grüße
seeker


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Re: Anselm's Gottesbeweis

Beitrag von Diagnostiker » 26. Jun 2022, 13:57

Hallo seeker,
Wenn wir ins Absolute gehen (absolutes Nichts, absolut alles, absoluter Gott, ...) und versuchen darüber zu sprechen, also auch Begriffe zu bilden, dann gehen wir immer fehl.
Das Absolute ist dadurch gekennzeichnet, dass es losgelöst von allen beschränkenden Bedingungen existiert:
Das Absolute (von lat. absolutum, „das Losgelöste“) ist ein Begriff, der in vielen Bereichen der Theologie und Philosophie Verwendung findet und das völlige Enthobensein von allen (einschränkenden) Bedingungen oder Beziehungen bezeichnet.
Es lässt sich also ein Kriterium finden, um das Absolute als solches zu bezeichnen, ist also kein sinnloser oder leerer Begriff, sondern ein abstrahierter Endpunkt, der nicht mehr steigerbar ist, denn einmal absolut, dann immer absolut.
weil die Begriffe, die wir dort versuchen zu konstruieren, ganz prinzipiell auf nichts mehr zeigen können
Wir können zwar auf kein Ding zeigen und sagen: "Sieh hin, das hier ist das Absolute.", aber wir können auf beschränkte Dinge zeigen und unter Verweis auf die Beschränkungen die Denkmöglichkeit eines unbeschränkten Dinges aufzeigen, ohne damit etwas Sinnloses zu sagen.
Somit sind auch alle Versuche eines Beweises (oder einer Widerlegung) eines (absoluten) Gottes von vorne herein unsinnig.
Nein, nicht unsinnig, aber dafür nicht erfüllbar, weil empirisch nicht prüfbar. Empirisch ist nur das prüfbar, was beschränkt ist, was daran liegt, dass die Empirie selber Beschränkungen unterliegt und das Denken, welches dann die Abstraktionsleistung vollbringt, seinerseits Beschränkungen unterworfen ist, so dass etwas Absolutes zwar als Abstraktion denkbar, aber als konkretes Objekt nicht vorstellbar ist. Ich würde daher "unsinnig" daher mit "nicht sinnlich wahrnehmbar" umschreiben. Ohne Wahrnehmbarkeit funktioniert auch nicht Vorstellbarkeit, denn die operiert ja auf der Basis von sinnlich wahrnehmbaren Sachverhalten.
Und was ist "richtig" und was ist "das Beste"?
Auch diese Fragen laufen auf das Absolute hinaus. Der Superlativ von "gut" ist "am besten". Was also ein Gut ist, ist steigerbar, denn es gibt möglicherweise Besseres. Die Frage ist dann, ob man unendlich oft steigern kann, oder ob man irgendwann auf etwas stößt, was man dann nicht mehr steigern kann. Das wäre dann das Beste und damit etwas, über das hinaus nichts Besseres denkbar ist. Womit wir wieder bei Anselm wären ... ;)

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