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Was ist Leben und was nicht?

Entstehung und Entwicklung von Leben, Wahrscheinlichkeit für extraterrestrisches Leben
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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Diagnostiker » 26. Dez 2020, 19:43

@ seeker
Und was IST dann Materie?
Etwas, was im Wesentlichen aus Protonen, Neutronen und Elektronen besteht, die sich zu Atomen zusammenfinden, aber auch mal Ionen sein können.
Was genau unterschiedet eine echte Welt von einer hinreichend gut simulierten Welt?
Ihre Dinghaftigkeit. Simulierte Welten sind nicht dinghaft.
Beides besteht aus Strukturen.
Wobei die Strukturen der materiellen Welt auf Materie zurückgeht, während die Strukturen einer simulierten Welt Artefakte auf einem Bildschirm sind.
Während Materie was ist?
Reale Teilchen, die sich zu größeren Strukturen ansammeln, die wir als Stoffe bezeichnen.
Sind das nicht auch nur eine Art eigenschaftstragende Punkte die durch irgendeine zugrundeliegende Matrix* vermittelt werden?
Nein, Materie ist real und hat nichts mit einer wie auch immer mathematisch generierten Matrix zu tun.
Etwas in der Richtung könnte ich mir vorstellen.
O.K., das nehme ich erst mal zur Kenntnis, aber ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, wie so etwas funktionieren soll - also praktisch umsetzbar sein könnte.
... es erklärt aber nicht, warum damit ein Innenerleben einhergehen muss, warum ein ZNS ein solches haben sollte.
Ohne dieses Innenleben wäre der Aufwand für ein solch komplexes ZNS zu groß. So etwas kann man einfacher haben, wenn es nur um Reiz-Reaktion geht, ohne das Ganze subjektiv zu repräsentieren. Folglich muss der selektive Wert von komplexen ZNS höher gewesen sein als primitivere ZNS, die ohne subjektives Innenleben auskommen. Der selektive Wert von subjektivem Innenleben ergibt sich aus dem Umstand, dass man dann eine Art "Übungsraum" hat, wo man Entscheidungen abwägen und verschiedene Szenarien durchspielen kann.
Welchen Überlebensnachteil hätte ein Lebewesen ohne Innenerleben, das sich äußerlich aber genauso verhalten würde, wie eines mit?
Ich bezweifle, dass es hier keine Verhaltensunterschiede geben könnte. Lebewesen mit Innenerleben haben ein größeres Verhaltensspektrum als Lebewesen ohne Innenerleben, so dass sich hier eine größere Variabilität ergibt, was dann natürlich eine größere Chance darstellt, selektiert zu werden, so dass die Lebewesen ohne Innenerleben sukzessive verdrängt werden.
Die Erklärung des Bewusstseins als Epiphänomen scheitert hier auch, da etwas ohne echte kausale Wirkkraft auch keinen evolutionären Vorteil bieten kann.
Bewusstsein hat aber einen kausalen Effekt auf das Verhalten, denn über das Bewusstsein werden Handlungsoptionen durchgespielt und am Ende eine Entscheidung getroffen. Dass das Ganze mit neuronalen Aktivitäten korreliert, ist zwar richtig, aber die Entscheidung fällt im virtuellen Raum der Innerlichkeit, welches über das Bewusstsein für subjektive Aktivitäten zugänglich wird. Der neuronale Zustand legt zwar eine gewisse Präferenz für Entscheidungen fest, aber es bleibt immer noch Raum für spontane Umentscheidungen "aus dem Bauch heraus", die dieser Präfernez widersprechen.
Daher kann sich so etwas evolutionär nicht einfach so bilden und halten.
Das ist nicht richtig. Die Möglichkeit ist über den Komplexitätszuwachs des Gehirns gegeben. Der selektive Wert von Bewusstsein ergibt sich über die gesteigerte Variabilität der Verhaltensmuster, so dass sich so etwas durchsetzt, sobald es erstmalig entstanden ist. Der Trend zur Enzephalisierung ist im Tierreich weit verbreitet und erkennbar. Auch bei den Sauriern konnte man einen Trend hin zur Vergrößerung der Gehirne ausmachen, der sich bis zum Ende der Kreidezeit fortgesetzt hat. Bei den Vögeln hat sich dieser Trend fortgesetzt, wie man ebenfalls feststellen kann.
Wenn das so ist, dann sollte sowas aber doch auch im Prinzip in einer Simulation geschehen können ...
In Gestalt bunter Bilder vielleicht schon, aber im Bereich materieller Strukturen und Prozesse dauert so etwas dann ein wenig länger ...
Es hat mich überrascht, dass es in uns so viele gibt - trotz unseres Immunsystems.
Solange keine Zellschäden entstehen und keine schädigenden Wirkungen auf den Organismus verursacht werden, muss das Immunsystem auch nicht aktiv werden. Das machen dann die Bakterien unter sich aus, die sich auf geeignete Weise zur Wehr setzen können (unter anderem mit dem CRISPR-Cas-System!).

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Skeltek » 26. Dez 2020, 21:37

@Diagnostiker:
Der Körper ist in unserem Gehirn auch nur injektiv verbunden durch Signalaustausch. Wenn du also anmerkst, daß eine Projektion von Leben in einer Computersimulation nichts mit der Form/Prozess von physikalischem Leben gemeinsam hat, dann müsstest du auch dein eigenes Bewusstsein analog von deinem Körper getrennt betrachten.
Leben -> physikalische Manifestation
Bewusstsein -> physikalische Manifestation
Die beiden sind zweierlei unterschiedliche Phänomene. Während du bei der Eigenschaft 'Leben' jedoch eine physikalische Instanz verlangst, störst du dich anscheinend nicht daran, daß das Mapping des menschlichen Körpers im Gehirn nur grob, unvollständig und nicht injektiv abgebildet wird. Inwiefern wäre es uns denn wichtig, wenn der menschliche Körper nun physikalisch echt oder simuliert würde? Es geht uns doch darum zu entscheiden, was Leben genau ist, und nicht ob es tatsächlich physikalisch realisiert wurde. Ich sehe jedenfalls (auch falls man annimmt, Computersimulationen fehlt 'etwas' um als echtes Leben anerkannt zu werden) keinen Grund, daß man in der Computersimulation dieselben Eigenschaften und erfüllten Anforderungen zumindest erkennen kann, die echten Lebewesen ihre 'leben'-Eigenschaft ausmachen.
seeker hat geschrieben: Ich denke, das ist allzu physikalistisch-reduktionistisch gedacht und ist zwar richtig aber allein das wäre aus meiner Sicht klar unzureichend. Es geht an wichtigen Kernpunkten der Sache vorbei bzw. blendet diese aus.
Der Vorwurf des Reduktionismus wirkt auf mich wie ein Wehren dagegen, daß die Definition nicht die Eckpunkte beinhaltet, die man gerne darin sehen würde. Der zweite Satz wirft einen eine schwarze hermetisch abgeriegelte Schachtel mit einem völlig undefinierten Argument darin entgegen - Was 'die Sache' genau ist, wird nicht gesagt, aber man postuliert einfach mal, daß diese die nötigen 'Kernpunkte' besitzt.

@Timm: Siehst du in der Definition eher das Leben im Schwerpunkt der 'Entropieumsetzung', the Fläche des stabilsten thermodynamischen Gleichgewichtes oder in der Überwindung eines Potentielberges im Sinne eine katalysierenden Wirkung? Eine Kerzenflamme hat mehrere Querschnitte bzw Schnittflächen, welche jeweils andere Phasen darstellen.
Meinst du bei deinem Argument die Oberfläche des Innenkegels, der Reduktionszone, der Oxidationszone, den Außenbereich oder die Bereiche zwischen den Flächen? Ich weiß nicht ob das so sinnvoll ist, den Druckabfall nach der Verbrennung nicht unberücksichtigt zu lassen bzw herauszurechnen.

Ich finde es übrigens interessant, daß wir 4 hier gerade 5-7 verschiedene Meinungen vertreten. Gerade Diagnostiker hat mich gerade in Kombination mit Timms Meinung etwas perplexierend positiv amüsiert, weil er zugibt, daß es bei der Definition keinen Unterschied zwischen manchen rein physikalisch-chemischen Prozessen und Leben gäbe, aber die Definition nicht teilt (bzw gerade deshalb wohl nicht teilen will). Timm befürwortet die Definition, sieht aber einen Unterschied zwischen biologischem Leben und dem Beispiel mit der Kerze.
seeker hat geschrieben: Kann man es nicht so sehen, dass das urtypisch Lebendige darin besteht, dass verschieden 'Agenten' zusammenarbeiten, quasi einander 'helfen', zum gegenseitigen Nutzen miteinander 'kooperieren', bei gleichzeitiger Abgrenzung von einer Umwelt, von der sich das System dabei ein Stück weit emanzipiert und die einfach nur 'genutzt' oder 'ausgebeutet' wird?
Das wäre eine sehr Wahrscheinliche Folge von Optimierung und Selektion denke ich, aber nicht was dem ursprünglichen Konzept bereits zu Grunde lag.
seeker hat geschrieben: Was man dennoch noch postulieren könnte wäre, dass auch einfaches Leben, z.B. Einzeller eine Art rudimentäres Bewusstsein hat. Wenn man diese Straße noch weiter geht, kommt man zum Panpsychismus, nach dem schlicht alle Matertie wenigstens rudimentär-bewusst ist und den ich durchaus interessant finde.
Selbst, wer dem Gedanken anhängt, müsste sich denke ich die Frage stellen, ob er Bewusstsein oder eine Art Gefühl/Seele meint. Letzteres geht mir zu sehr ins esoterische, während ersteres auf Grund fehlendem Selbstbezug und Fehlen irgendeiner ausreichenden Abbildung der Umwelt auf ein Nervensystem oder ähnliches wohl flach fällt. Ob unbelebte Materie etwas hat, was unserem(!) Gefühl nach in den Bereich von subjektivem 'Ich' fällt, liegt denke ich im Bereich von 'Seelendefinition' oder Ähnlichem (zu esoterisch/philosophisch) und hilft hier vermutlich nicht weiter.
seeker hat geschrieben: und die dazugehörige Software zumindest bis auf absehbare Zeit für so etwas nicht leistungsfähig sein werden
Wobei erwähnt werden sollte, daß es prinzipiell nicht von der Rechengeschwindigkeit abhängen kann.
Diagnostoiker hat geschrieben: Folglich ergibt sich ab einem bestimmten Komplexitätslevel die Entstehung von irgendeiner Art von Subjektivität, um den Einflüssen von Außen durch aktives Tun eine Form von Selbstbestimmtheit zu realisieren.
Ja, als Folge ergibt sich das denke ich, wenn es normal abläuft, zwangsläufig. Aber braucht das 'Tun' der eigentlichen Sache in der Ursprungsform eine aktive Steuerung?
Timm hat geschrieben: Der qualitative Unterschied ist hier, dass die Zelle mit Hilfe von Vorlagen, bestehend aus Nucleinsäuren, in der Lage ist, die zur Aufrechterhaltung von Ordnung notwendigen Proteine selbst zu reproduzieren, so dass sie über die Reproduktion der Proteine zugleich den koordinierten Stoffwechselzusammenhang reproduziert.
Ja, es wirkt zudem auch noch stabilisierend, einen 'Buffer' an Millieu innerhalb der Zellwand speichern zu können. Die Mechanismen des spezialisierten vererbten Strukturaufbaus zur Aufrechterhaltung einer optimalen Stoffwechselkurve ist sicherlich in unserer Biosphäre notwendig, wenigstens zumindest überlebensförderlich. Das ist recht auf Praktikabilität(für uns alsBetrachter als auch für die Zelle) ausgerichtet, was übrigens auch die vereinfachte Klassifizierung einschließt.
Da kommt einem halt irgendwie dann doch die Frage in den Sinn, was passieren würde, wenn die Notwendigkeit weg fällt und wie viel maximal weg reduziert werden kann, wenn der Selektionsdruck völlig entfällt. Aber Selektionsdruck ist da auch zu eindimensional als Begriff - man hat sehr viele Faktoren, welche ungeeigente Duplikate 'weg rationalisieren' bzw weitgehend destruktiv aus dem Evolutionsbaum entfernen.
Was du vielleicht überlesen hattest wegen Zeitmangel: Wir hatten es an verschiedenen Stellen, daß man den Akt zu 'leben' unterscheiden müsste von den Begriffen 'Leben' und 'Lebwesen', wobei man mit letzterem meist eher die physikalisch manifestierte Struktur meint, welche den 'leben' Prozess katalysiert, ggf erst ermöglicht und lokalisiert. Vielleicht sollte man die Begriffe besser trennen. Möglicherweise (wer weiß) ist sogar der Ausdruck 'Leben' ein Sammelbegriff für unterschiedliche Arten von ...Dingen, die wir einfach noch nicht im Stande sind klar begrifflich zu erkennen oder als unterschiedliche Sachen aufzufassen.

Ich denke die Definition ist allgemein recht schwierig, weil man bei den meisten Lebewesen, welche man aus der Alltagserfahrung kennt, viele verschiedene Stoffwechselkreisläufe und Systeme ineinander geschachtelt sind. Alleine beim Mensch gibt es viele nebeneinander koexistierende Kreisläufe - angefangen bei den Darmbakterien, der Darmwand, verschiedenen Flüssigkeits(kreis)läufen und symbiotischen Verbindungen. Selbst wenn man sich nur eine Einzelzelle mit einem enthaltenen Mitochonrium ansieht, wissen ja wir bereits nicht, wie wir das genau einordnen sollen.
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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Skeltek » 26. Dez 2020, 21:46

Timm hat geschrieben:
26. Dez 2020, 19:06
Verschiebt sich die Fragestellung in Richtung der Bedeutung des Begriffs "Leben", sind den Interpretationen kaum Grenzen gesetzt, wie beispielsweise hier nachzulesen ist.
Schöner Link. Wobei mir hierzu
There are no simple answers that would explain what life is.
dann einfällt:
Gibt es denn korrekte komplexe Antworten? Naja, kann man sich genauso drum streiten. Die Frage ist eben, ob man sich um die Klassifizierung der Sprache streitet oder davon überzeugt ist, daß diese Einteilung Leben-nichtLeben auch so existiert.

@seeker&Diagnostiker:
Die Frage, wie das 'Leben' in die Simulation kommt ist doch dieselbe wie die Frage danach, wie das Leben oder Bewusstsein in die tote Materie kommt.
Man ist unfähig den letzten Punkt auch nur halbwegs hinreichend zu erklären, postuliert aber, daß da sicherlich noch 'irgendetwas anderes' ist. Bei Simulationen verwehrt man die Emergenz aber grundsätzlich, da hier Determinismus angenommen werden kann.
Aber alleine schon wenn man sich auf physikalische Materie als Strukturgeber beschränkt, streitet man es bei einem ab und bei anderem gesteht man es zu. Das Streitgespräch würde man sogar dann führen, wenn wir unmittelbar die Erschaffung von Silizium oder aus anderen Elementen basierendem Leben bereits hinter uns gebracht hätten. Selbst wenn es gelänge, das menschliche Bewusstsein auf einen Computer zu übertragen (oder auch einem künstlichen Gehirn), würde man sich immer noch nicht einig werden. Deshalb denke ich, daß man sich darauf konzentrieren sollte, was man als gemeinsamer Eigenschaft allen Lebens erkennt, und daß wir darüber hinaus nicht mehr deuten können.

Statt einer Liste nachzueifern, was Leben alles haben muss sollte man sich eher darauf konzentrieren aus einer Liste in welcher alles enthalten ist, nach und nach alle Dinge weg zu kürzen, welche nachweislich nicht als notwendig erwiesen sind(wie z.B. das mehrgeschlechtliche Paaren).
Am Ende schaut man halt einfach, was an Eigenschaften noch übrig geblieben ist. Und sollten sich Leute darüber aufregen, daß ihnen doch noch irgendeine mysteriöse Zutat XY in der finalen Liste fehlt, dann muss eben gesagt werden, daß dieses Etwas eben bereits in der langen ungekürzten Liste nicht enthalten war.
Denn egal wie viele Eigenschaften man aufzählt, kann man dadurch nicht verschleiern, daß das Wesentliche damit nicht unbedingt enthalten war!
Ich bin eben dafür eine Liste anzufertigen, welche das Minimum an 'notwendigen' Eigenschaften für die 'leben' Klassifikation hat, und postuliere einfach, daß diese deckungsgleich mit einer 'hinreichenden' Liste ist.

Alleine logisch ist es doch ein Unding, daß man nur bestimmte Zusammenstellungen an Anforderungen zulässt und wenn es doch nicht passt nach grobem Ermessen die fehlenden Eigenschaften durch andere ersetzt. Eine Definition sollte universell sein, sonst taugt es nichts.
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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Diagnostiker » 26. Dez 2020, 22:36

@ Skeltek
Der Körper ist in unserem Gehirn auch nur injektiv verbunden durch Signalaustausch. Wenn du also anmerkst, daß eine Projektion von Leben in einer Computersimulation nichts mit der Form/Prozess von physikalischem Leben gemeinsam hat, dann müsstest du auch dein eigenes Bewusstsein analog von deinem Körper getrennt betrachten.
Nein, das sehe ich nicht so. Der Körper wird im Gehirn auf der Großhirnrinde repräsentiert (motorischer Homunkulus und sensorischer Homunkulus), aber das Gehirn selber ist Teil des Körpers, der nicht irgendwie vom Rest des Körpers getrennt und nur über Nervenbahnen mit ihm verbunden wäre. Das Gehirn ist selbst im Kontext mit dem Körper, in dem es sich befindet, im Zuge der Embryonalentwicklung als integraler Teil des Körpers hervorgegangen. Das was dann als Bewusstsein emergiert, ist Resultat des gesamten Körpers und somit von den Körperfunktionen nicht zu trennen.

Im Unterschied zu einer Computersimulation ist das Bewusstsein sowie die psychischen Wahrnehmungsinhalte darin, kein Artefakt, wo Bildschirmpixel durch Elektronen zum Leuchten angeregt werden, aber der Bildschirm selber nichts davon weiß, sondern nur der Betrachter des Bildschirms weiß, dass er da bunte Punkte sieht und mittels seines Hintergrundwissens die bunten Bilder interpretieren kann. Die Wahrnehmungsinhalte des Bewusstseins sind unmittelbar dem Beobachter gegenwärtig, da sich das Gehirn, welches das Bewusstsein hervorbringt, im Beobachter selber befindet. Also kann ich mein Bewusstsein nicht getrennt von meinem Körper betrachten, da es organisch mit ihm verwachsen ist.
Die beiden sind zweierlei unterschiedliche Phänomene. Während du bei der Eigenschaft 'Leben' jedoch eine physikalische Instanz verlangst, störst du dich anscheinend nicht daran, daß das Mapping des menschlichen Körpers im Gehirn nur grob, unvollständig und nicht injektiv abgebildet wird.
Nein, es sind nicht unterschiedliche Phänomene. Beide benötigen eine physikalische Grundlage. Beim Leben sind es entsprechend komplexe Moleküle, die sich zu einem komplexen Prozess zusammenfinden, so dass sich das Lebewesen erhält. Beim Bewusstsein ist es eine aktive und funktionierende Großhirnrinde, wo ein komplexes Zusammenspiel von Neuronen die Aufrechterhaltung des Wachzustandes sowie die Aufrechterhaltung der Wahrnehmungsinhalte mittels Gedächtnis bewirkt.
Inwiefern wäre es uns denn wichtig, wenn der menschliche Körper nun physikalisch echt oder simuliert würde?
Wenn es nur um das Benennen von Analogien geht, kann man das eine mit dem anderen vergleichen und auf Äquivalenzen achten, aber dann hätten wir nur eine mehr oder minder genaue Annäherung der Simulation an das materielle Original. Wir könnten dann die der Simulation zugrundeliegenden Algorithmen präzisieren, um eine größere Annäherung an die Wirklichkeit zu erreichen, aber es ist eben ein Unterschied, ob man einen echten Menschen mit einer neuen Situation konfrontiert (der dann in echt etwas empfindet) oder eine Simulation (die nichts empfindet, sondern stattdessen nur ein Programm abarbeitet). Im Unterschied zu einer Simulation bleibt bei echten Menschen immer ein Rest, der unberechenbar bleibt.
Ich sehe jedenfalls (auch falls man annimmt, Computersimulationen fehlt 'etwas' um als echtes Leben anerkannt zu werden) keinen Grund, daß man in der Computersimulation dieselben Eigenschaften und erfüllten Anforderungen zumindest erkennen kann, die echten Lebewesen ihre 'leben'-Eigenschaft ausmachen.
Als Analogie mag das möglich sein, um gewisse Grundprinzipien herauszufiltern, wenn man Simulationen mit echten Vorlagen vergleicht, aber Simulate sind eben simuliert und leben nicht in echt, wie es reale Lebewesen tun.
Aber braucht das 'Tun' der eigentlichen Sache in der Ursprungsform eine aktive Steuerung?
So lange keine aktive Steuerung da ist, wird sie auch nicht vermisst. Sobald aber eine Form von aktiver Steuerung zur Verfügung steht, erweist sich ihr Nutzen, so dass das Fehlen derselben spätestens dann vermisst wird, wenn die Konkurrenz so etwas hat (sofern man unterstellt, dass so etwas wie "Vermissen" überhaupt empfunden werden kann, was natürlich fiktiv und rein rhetorisch gemeint ist).
wie viel maximal weg reduziert werden kann, wenn der Selektionsdruck völlig entfällt
Um die Reproduktion der Biokatalysatoren kommt man nicht herum, das ist eine essentielle Eigenschaft bzw. Fähigkeit, die ein System überhaupt erst lebendig sein lässt.
Möglicherweise (wer weiß) ist sogar der Ausdruck 'Leben' ein Sammelbegriff für unterschiedliche Arten von ...Dingen, die wir einfach noch nicht im Stande sind klar begrifflich zu erkennen oder als unterschiedliche Sachen aufzufassen.
Wir hatten ja schon darauf hingewiesen, dass bereits die Substantivierung von "leben" (etwas, was geschieht oder sich vollzieht) zu "Leben" (Abstraktum des Verbs als Dingwort) eine sinnverzerrende grammatische Operation ist, die wir mit Hilfe der Sprache vollziehen, um Begriffe zu bilden. Nichtsdestotrotz ist die Sinnverzerrung darin gegeben, dass ein Geschehen zu einer Sache gemacht wird, einem Ding, das man mit Eigenschaften umgeben muss, um auf Attribute zu kommen, die dem Ding zuzuschreiben sind.

Wenn wir also von "Leben" sprechen, meinen wir immer "leben" als Tätigkeit dessen, was lebt, also einem Lebewesen. Leben kommt also immer Dingen zu, ist selber aber kein Ding, sondern ein Prozess, der sich Dingen zuschreiben lässt, sofern sie einige Eigenschaften aufweisen, über die wir bereits gesprochen hatten. Die Frage ist nun, welche Dinge müssen welche Eigenschaften haben, damit man sie als Lebewesen bezeichnen kann.
Selbst wenn man sich nur eine Einzelzelle mit einem enthaltenen Mitochonrium ansieht, wissen ja wir bereits nicht, wie wir das genau einordnen sollen.
Na doch, die Zelle lebt und das Mitochondrium ebenso, wobei beide in Symbiose leben, also zum wechselseitigen Nutzen ihre Existenz optimieren.
Ich bin eben dafür eine Liste anzufertigen, welche das Minimum an 'notwendigen' Eigenschaften für die 'leben' Klassifikation hat, und postuliere einfach, daß diese deckungsgleich mit einer 'hinreichenden' Liste ist.
Da hatten wir ja schon mal angefangen. Neben Entropiesenkung mittels Stoff- und Energiewechsel (und damit Energiegewinn) muss das System eine Abgrenzung zur Umgebung haben, die selektierend Stoffe hineinlässt und Stoffe hinauslässt, so dass sich ein Fließgleichgewicht ergibt. Dieses Fließgleichgewicht ist jenseits des chemischen Gleichgewichts. Der permanente Durchstrom von Stoffen bewirkt über eine Vielzahl von Zwischenstationen den koordinierten Ablauf von Umsatzprozessen, die die Reproduktion der Biokatalysatoren einschließt, so dass sich über den Stoff- und Energiewechsel die Reproduktion des Gesamtsystems in sämtlichen strukturellen wie auch funktionalen Aspekten ergibt.

Da über die Interaktion mit der Umwelt auch Störeinflüsse auf das System einwirken, ergeben sich langfristig Änderungen in der Zusammensetzung der Systemkomponenten, was dann zu einer Änderung des Zustandes des Gesamtsystems führt. Diese sich sukzessive aufschaukelnden Schadwirkungen führen irgendwann zum Kollaps des Systems. Notwendig ist daher die Fortpflanzung, damit sich das übergeordnete System auch über den Verlust von Subsystemen hinweg erhalten kann. Die Struktur des Systems wird an die Nachkommen vererbt.

Da sich Änderungen auch in den vererbten Strukturen ergeben, ergibt sich längerfristig das, was wir als Evolution bezeichnen: Die Erscheinungsformen der Lebewesen verändern sich, spalten sich in verschiedene Abstammungslinien auf, die sich ihrerseits weiter aufspalten usw. usw.

Die NASA-Definition ist zwar arg verkürzt, benennt aber zwei wesentliche Punkte: Leben ist ein chemisches System, welches fähig ist, eine Darwinsche Evolution zu vollziehen. Was daraus als Notwendigkeit folgt, kann sich jeder selber dazudenken. Einiges hatte ich gerade aufgeschrieben ...

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Skeltek » 27. Dez 2020, 01:38

Diagnostiker hat geschrieben: Nein, das sehe ich nicht so. Der Körper wird im Gehirn auf der Großhirnrinde repräsentiert (motorischer Homunkulus und sensorischer Homunkulus), aber das Gehirn selber ist Teil des Körpers, der nicht irgendwie vom Rest des Körpers getrennt und nur über Nervenbahnen mit ihm verbunden wäre.
Das mag sein, aber was dein Bewusstsein strukturell wahrnimmt ist nur eine Repräsentation der Umwelt, welche durch bereits vorverarbeitete Sinneseindrücke zu einem Model zusammeninterpretiert wurde. Die Fehlerhaftigkeit zeigt sich ja bereits bei Akkupunktur oder Fehlverdrahtungen(das pieksen einer Stelle an der Nierengegend löst ein Stechen nahe der Handgelenksschlagadern aus und umgekehrt). Aber da will ich nicht weiter darauf herumreiten.
[quote="Diagnostiker]
Nichtsdestotrotz ist die Sinnverzerrung darin gegeben
[/quote]
Mir ging es weniger um Sinnverzerrung, als um nicht auszuschließende Mehrdeutigkeit. Alleine die Tatsache, daß man unterschiedliche Definitionen aufstellen kann deutet darauf hin, daß es sich um unterschiedliche Aspekte/Dinge handelt. Ggf könnte man die Frage danach, was 'leben' ist umformulieren nach was wir damit meinen. Vielleicht sind es auch zwei unterschiedliche Seiten derselben Medallie. Man muss sich halt klar sein was man meint, bevor man es formulieren kann. Aber den Punkt hatten wir ja auch schon, wobei seeker dazu das Meiste gesagt hatte.
Diagnostiker hat geschrieben: Neben Entropiesenkung mittels Stoff- und Energiewechsel (und damit Energiegewinn) muss das System eine Abgrenzung zur Umgebung haben, die selektierend Stoffe hineinlässt und Stoffe hinauslässt, so dass sich ein Fließgleichgewicht ergibt.
Reicht da denn wirklich keine räumliche Abgrenzung zur Umwelt? Mir kommt es eben immer wieder vor, daß man hier die zu erwartende gängige Eigenschaft von Lebewesen mit der zu 'leben' vermengt. Mir liegt gerade eher daran, daß man das, was Lebewesen 'betreiben' getrennt von dem betrachtet, was die Lebewesen selbst nun strukturell und stofflich tatsächlich sind.

Was mir eben noch eingefallen ist, was Lebewesen noch für eine Zusatzfunktion übernehmen: Einerseits katalysieren sie sonst nicht ablaufende Prozesse, welche durch chemische oder räumliche Barrieren sonst nicht ablaufen würden. Andererseits können sie in gewissem Sinne auch 'bremsend' wirken, indem sie sich widerstandsmäßig in Stoffkreisläufe usw dazwischenschalten.
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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von seeker » 27. Dez 2020, 02:18

Viel Text, ich will mich versuchen kurz zu fassen und mich auf eine paar mir wichtige Punkt zu beschränken.
Diagnostiker hat geschrieben:
Und was IST dann Materie?
Etwas, was im Wesentlichen aus Protonen, Neutronen und Elektronen besteht, die sich zu Atomen zusammenfinden, aber auch mal Ionen sein können.
Und was sind Elektronen, usw.? Aus was sind die gemacht? Und die dann?
Diagnostiker hat geschrieben:
Was genau unterschiedet eine echte Welt von einer hinreichend gut simulierten Welt?
Ihre Dinghaftigkeit. Simulierte Welten sind nicht dinghaft.
Und was ist das, "dinghaft"? Ist das eine Eigenschaft, so wie Ladung oder Farbe oder Gewicht?
Beides besteht aus Strukturen.
Wobei die Strukturen der materiellen Welt auf Materie zurückgeht, während die Strukturen einer simulierten Welt Artefakte auf einem Bildschirm sind.
Das ist nicht richtig. Was auf dem Bildschirm erscheint sind Repräsentationen von abstrakten Strukturen, die im PC-Speicher wiederum als Abfolgen von I und 0 (geladenen und ungeladenen Speicherzellen) repräsentiert sind.
Und was in meinem Bewusstsein erscheint, ist eine Repräsentation eines Teils der neuronalen Prozesse meines Gehirns, wo auch nur irgendwelche Elektronen und Neurotransmitter irgendwelche Veränderungen erfahren und die wiederum ebenfalls abstrakte Strukturen repräsentieren.
Und das 'lebendig sein' als Prozess wird eben in anderer Hardware repräsentiert, in Proteinen, DNA, usw. aber es IST nicht diese Materie, es ist nicht-materiell, nicht-dinghaft, das hatten wir schon festgestellt.

Ich will dich nicht ärgern Diagnostiker, wir können es dabei auch belassen. Ich will nur rüberbringen, dass ich hier nicht irgendeinen Mist erzähle. Das sind ernsthafte Probleme, über die man sich schon lange Gedanken gemacht hat. Und es gibt dafür auch keine einfachen Lösungen. Und eindeutige sowieso nicht. Es ist eher so, dass es hier auf die eigene Perspektive ankommt, was man eher zugeneigt ist.
Was man aber m.E. sagen kann: Ein naiver Realismus scheitert! Er ist nicht haltbar.
Diagnostiker hat geschrieben:Ohne dieses Innenleben wäre der Aufwand für ein solch komplexes ZNS zu groß. So etwas kann man einfacher haben, wenn es nur um Reiz-Reaktion geht, ohne das Ganze subjektiv zu repräsentieren.
Lebewesen mit Innenerleben haben ein größeres Verhaltensspektrum als Lebewesen ohne Innenerleben, so dass sich hier eine größere Variabilität ergibt, was dann natürlich eine größere Chance darstellt, selektiert zu werden, so dass die Lebewesen ohne Innenerleben sukzessive verdrängt werden.
Was hat eine Repräsentation mit bewusstem Innenerleben zu tun? Ich denke, du setzt hier zwei Dinge gleich, die nicht dasselbe sind.
Wenn die Zahl "2" in meinem PC-Speicher repräsentiert ist, dann gehe ich auch nicht davon aus, dass meinem PC diese Zahl bewusst erscheint.

Auch hier: s.o.
Das Geist-Körper-Problem ist in der Philosophie eines der schwierigsten Felder, ein ernsthaftes Problem, auf das es keine einfachen Antworten gibt. Und es ist nach wie vor ungelöst.
Skaeltek hat geschrieben:Der Körper ist in unserem Gehirn auch nur injektiv verbunden durch Signalaustausch. Wenn du also anmerkst, daß eine Projektion von Leben in einer Computersimulation nichts mit der Form/Prozess von physikalischem Leben gemeinsam hat, dann müsstest du auch dein eigenes Bewusstsein analog von deinem Körper getrennt betrachten.
...
Danke! Du bist mir zuvorgekommen, ich wollte ganz ähnliches einwenden.
Skeltek hat geschrieben:Der Vorwurf des Reduktionismus wirkt auf mich wie ein Wehren dagegen, daß die Definition nicht die Eckpunkte beinhaltet, die man gerne darin sehen würde. Der zweite Satz wirft einen eine schwarze hermetisch abgeriegelte Schachtel mit einem völlig undefinierten Argument darin entgegen - Was 'die Sache' genau ist, wird nicht gesagt, aber man postuliert einfach mal, daß diese die nötigen 'Kernpunkte' besitzt.
Ach ja... das geht für mich wieder etwas in Richtung Unterstellung... Und es muss dir doch auch klar sein, dass man nicht zu weit fassen darf?
Denn sonst könnte man einfach sagen: "Leben ist ein Prozess! Punkt!" Damit wären wir dann auch nicht zufrieden...
Aber ich kann auch liefern. Es ging im Textzusammenhang um diese Definition:
"Ein offenes System lebt, wenn es aus der Umwelt energiereiche Stoffe aufnimmt und energieärmere Stoffe unter Reduzierung seiner eigenen Entropie wieder ausscheidet."
Hier wurde schon die Kerzenflamme diskutiert. Es geht aber auch anders: Eine Halle durch die ein Bach fließt und in der eine Wasserkraft-betriebene Wasserentsalzungsanlage, steht würde diese Definition erfüllen und wäre somit "lebendig", eine Halle, in der eine Wasserkraft-betriebene Maschine steht, die Sandkörner aus dem Bach fischt und nach ihrer Größe sortiert ebenso, Produktionsfabriken für irgendetwas, z.B. Autos wahrscheinlich sogar allgemein.
Ich glaube nicht, dass wir das wollen.
Und wie Pflanzen mit der Photosynthese da reinpassen, müsste man auch überlegen, denn sie nehmen auch energiearme Stoffe auf und produzieren damit Zucker, den sie manchmal auch wieder ausscheiden, z.B. über Früchte, Nektar. Und die Entropie in einer lebendigen Zelle wird nicht fortwährend geringer, sondern erreicht irgendeinen Gleichgewichtszustand, an dem sie sich dann mehr oder weniger aufhält, bis sie abstirbt.

Bei Definitionen muss man halt aufpassen, es geht nicht nur darum, was da reinpassen soll, sondern auch was da in Abgrenzung dazu nicht reinpassen soll. Und zunächst muss das Bekannte damit sortierbar sein, erst dann das Unbekannte.
Folgerichtiges Vorgehen wäre aus meiner Sicht nun zu sehen, ob man die obige Definition durch irgendwelche Erweiterungen zufriedenstellend machen kann.

Noch einmal eine Wiki-Definition:
Leben bezeichnet in den Naturwissenschaften heute größtenteils eine Organisationsform, die durch gewisse Prozesse charakterisiert ist. Was Leben bzw. ein Lebewesen ist, wird in der modernen Biologie (Synthetische Biologie) nicht über einzelne Eigenschaften, einen bestimmten Zustand oder eine spezifische Stofflichkeit definiert, sondern über eine Menge von Prozessen, die zusammengenommen für Leben bzw. Lebewesen charakteristisch und spezifisch sind.
Das finde ich schon ziemlich gut. Und was mit Entropie und Energie ist, das ist dort eher ein Nebeneffekt, wenn auch ein unvermeidlicher.
Und wenn ich in der Definition "nicht über eine spezifische Stofflichkeit definiert" ernst nehme, dann ist es mir egal, ob dieser "Stoff" Elektronen und Protonen oder Bits und Bytes oder sonstwas sind, Hauptsache es ist irgendein geeignet strukturierter Träger da. Derzeit ergibt sich das Problem ja auch noch nicht wirklich, aber damit wäre ich für die Zukunft gerüstet, falls da was käme.
Skeltek hat geschrieben:Ich finde es übrigens interessant, daß wir 4 hier gerade 5-7 verschiedene Meinungen vertreten. Gerade Diagnostiker hat mich gerade in Kombination mit Timms Meinung etwas perplexierend positiv amüsiert, weil er zugibt, daß es bei der Definition keinen Unterschied zwischen manchen rein physikalisch-chemischen Prozessen und Leben gäbe, aber die Definition nicht teilt (bzw gerade deshalb wohl nicht teilen will). Timm befürwortet die Definition, sieht aber einen Unterschied zwischen biologischem Leben und dem Beispiel mit der Kerze.
Wegen solchen Sachen habe ich ganz zu Anfang der Diskussion schon ausführlich darauf hingewiesen, dass es hier vorwiegend nicht darum gehen kann, "was Leben wirklich ist", sondern darum, "welcher Menge an wirklichen Dingen/Prozessen wir per Definition das Etikett "lebendig" anheften wollen". Und dass es dazu nicht nur verschiedene Perspektiven gibt, sondern geben muss.
Grüße
seeker


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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Diagnostiker » 27. Dez 2020, 09:14

@ Skeltek
Reicht da denn wirklich keine räumliche Abgrenzung zur Umwelt?
Nein, ohne eine solche Abgrenzung würde sich das System in die Umwelt zerstreuen. Die Abgrenzung hält auch die Kräfte ab, die eine Entropiezunahme bewirken würden. Da die Umwelt rein quantitativ gesehen größer ist als das lebende System, wäre es von den destruktiven Kräften her gesehen ebenfalls umfangreicher als das Wirken der Kräfte im System, welches die lokale Entropieminimierung innerhalb des Systems bewirken. Das System würde sich also in die Umgebung zerstreuen, indem es sich auflöst und zerfällt.

Genau genommen unterliegen lebende Systeme langfristig ja der Auflösung in die Umgebung. Die Abgrenzung des Systems kann die destruktiven Wirkungen der Umwelt nur verzögern, aber am Ende doch nicht aufhalten. Irgendwann kapituliert das System dem Ansturm dieser Kräfte und kollabiert ins thermodynamische Gleichgewicht.

Manfred Eigen hat Anfang der 1970er Jahre mal von der "Fehlerkatastrophe" gesprochen, als er sich mit Hyperzyklen beschäftigt hatte. Damit meinte er, dass primitive RNA-Stränge nicht zu lang werden durften, da sich anderenfalls Mutationen nach erfolgter Replikation auf die Funktion der RNA zerstörerisch auswirken würden.

Leben ist genau genommen eine verzögerte Fehlerkatastrophe, die nur deshalb bis jetzt überdauern konnte, weil Lebewesen sich fortpflanzen können und die nachkommenden Generationen der Selektion unterliegen. Auf diese Weise filtert sich das heraus, was hinreichend lange überleben kann, um sich seinerseits fortzupflanzen. Ohne Fortpflanzung hätte die Fehlerkatastrophe längst das Aussterben allen Lebens bewirkt. Da Fehlerkorrektur im Genom ebenfalls nur unter sehr speziellen Voraussetzungen ablaufen kann, die einen hohen Ordnungsgrad an Strukturen und Prozessen voraussetzt, ist eine Abgrenzung zur Umwelt zwingend notwendig, um diesen Ordnungsgrad wenigstens zeitweilig aufrechtzuerhalten. Andernfalls - ich schrieb es schon ...
Mir liegt gerade eher daran, daß man das, was Lebewesen 'betreiben' getrennt von dem betrachtet, was die Lebewesen selbst nun strukturell und stofflich tatsächlich sind.
Na ja, wenn Leben bedeutet, einen bestimmten Ordnungsgrad über einen längeren Zeitraum zu erhalten, kommt man nicht umhin, auf die stoffliche und strukturelle Beschaffenheit dessen zu sprechen zu kommen, was da tatsächlich lebt. Und das sind nun mal Lebewesen.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Diagnostiker » 27. Dez 2020, 09:47

@ seeker
Und was sind Elektronen, usw.? Aus was sind die gemacht? Und die dann?
Das weiß ich nicht, aber das ist für das Verständnis von Leben auch nicht relevant, da es erst dann relevant wird, wenn Atome und Moleküle vorhanden sind. Unterhalb dessen haben wir einen hübschen Teilchenzoo, aber nichts was lebt.
Und was ist das, "dinghaft"?
Es ist Widerständigkeit, die sich sinnlich erfahren lässt.
Was auf dem Bildschirm erscheint sind Repräsentationen von abstrakten Strukturen, die im PC-Speicher wiederum als Abfolgen von I und 0 (geladenen und ungeladenen Speicherzellen) repräsentiert sind.
Ja, und die Abfolgen von 1 und 0 sind wiederum abstrakte Strukturen, die den Ladungszuständen zugeschrieben werden durch den, der sich das Prinzip, wie Computer funktionieren, einst ausgedacht hat. Ich bestreite nicht, dass das Prinzip funktioniert und für verschiedene Zwecke anwendbar ist, aber es ist etwas anderes als das, was man als Qualia-Problem kennt. Schon gar nicht ist es adäquat zu realen Molekülen in realen Zellen, um das es ja hierbei ging.
Und was in meinem Bewusstsein erscheint, ist eine Repräsentation eines Teils der neuronalen Prozesse meines Gehirns, wo auch nur irgendwelche Elektronen und Neurotransmitter irgendwelche Veränderungen erfahren und die wiederum ebenfalls abstrakte Strukturen repräsentieren.
Ja, mit dem Unterschied jedoch, dass ich keinen inneren Bildschirm habe, wo mir etwas angezeigt wird, sondern sich hier die Sinneserfahrung auf vielfältige Weise mit anderen Sinneserfahrungen verbunden zeigt, inklusive Erfahrungen und Erlebnisse, die sich im Gedächtnis befinden und jederzeit abgerufen werden können. Aber darum ging es nicht, sondern es ging darum, ob bunte Punkte und deren Verhalten auf dem Bildschirm als Analogie für das Verständnis von Leben geeignet sein kann bzw. ob das, was sich da auf dem Bildschirm bewegt, als Leben bezeichnet werden kann.
Und das 'lebendig sein' als Prozess wird eben in anderer Hardware repräsentiert, ...
Nein, das was lebt, sind Dinge, die lebendig sind, weil sich die Bestandteile dieser Dinge so verhalten, dass sie diese Dinge als System beständig reproduzieren. Das hat mit Computersimulationen nichts zu tun, denn die bunten Punkte dort sind keine Dinge, die irgendetwas tun, es sieht nur so aus, wenn wir draufschauen, aber da ist in Wirklichkeit nichts, was auch nur annähernd mit Atomen oder Molekülen vergleichbar wäre.
Ich will dich nicht ärgern Diagnostiker, wir können es dabei auch belassen.
Ja, ich denke, diesen Punkt können wir künftig beiseite lassen, denn es führt offensichtlich zu nichts, worauf wir uns einigen könnten.
Ich will nur rüberbringen, dass ich hier nicht irgendeinen Mist erzähle.
Das war mir stets klar gewesen, keine Sorge, ich unterstelle Dir nicht, dass Du irgendeinen Mist erzählst. :)
Was man aber m.E. sagen kann: Ein naiver Realismus scheitert! Er ist nicht haltbar.
Das lasse ich erst mal unkommentiert so stehen, denn das muss sich erst noch herausstellen.
Was hat eine Repräsentation mit bewusstem Innenerleben zu tun?
Das Innenerleben baut auf den Repräsentationen auf, die sich subjektiv darstellen. Innerlich nehme ich keine neuronalen Prozesse wahr, sondern ich habe es stets mit Sinneseindrücken zu tun, mit denen ich eine Beziehung aufbaue. Das ist dann das Innenerleben auf der Basis der subjektiv erfahrbaren Repräsentationen neuronaler Prozesse, die z.B. durch Umweltreize ausgelöst worden sind. Der qualitative Unterschied zu Wesen ohne Innenerleben ist, dass jetzt die Möglichkeit besteht, mit Sinneseindrücken unter Zuhilfenahme des Gedächtnisses auf der virtuellen Ebene zu operieren, Situationen durchzuspielen, Vorstellungen zu entwickeln, Abschätzungen vorzunehmen usw.

Daraus ergibt sich dann eine größere Möglichkeit, das eigene Verhalten an Umweltanforderungen anzupassen, was dann einen selektiven Vorteil darstellt, so dass sich die erworbene Fähigkeit eines Innenerlebens dann auch evolutionär durchsetzt, obwohl der Aufwand für ein größeres Gehirn das System aus energetischer Sicht zusätzlich belastet. Bei unserem Gehirn entfallen rund 20 Prozent des Energieaufwands des Körpers auf rund 2 Prozent der Körpermasse, was enorm ist, aber die Leistung des Gehirns zahlt sich evolutionär gesehen eben aus, so dass sich das entwickeln konnte.
Das Geist-Körper-Problem ist in der Philosophie eines der schwierigsten Felder, ein ernsthaftes Problem, auf das es keine einfachen Antworten gibt.
Es geht schon beim Qualia-Problem los, das ebenso noch ungelöst ist, aber das sind meiner Ansicht nach Hinweise darauf, dass es eben doch auf die Verwachsenheit des Hirns mit dem Leib ankommt, wenn man Bewusstsein erzeugen will und nicht nur simulieren will, dass es so aussieht, als hätte ein Roboter Bewusstsein, was man technisch vielleicht bewältigen kann. Das ist ganz analog zu den bunten Punkten: Es sieht so aus, als würde da etwas leben, aber es sieht eben nur so aus, ohne dass es tatsächlich lebt. Na gut ...

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Timm » 27. Dez 2020, 10:52

Skeltek hat geschrieben:
26. Dez 2020, 21:37
@Timm: Siehst du in der Definition eher das Leben im Schwerpunkt der 'Entropieumsetzung', the Fläche des stabilsten thermodynamischen Gleichgewichtes oder in der Überwindung eines Potentielberges im Sinne eine katalysierenden Wirkung? Eine Kerzenflamme hat mehrere Querschnitte bzw Schnittflächen, welche jeweils andere Phasen darstellen.
Meinst du bei deinem Argument die Oberfläche des Innenkegels, der Reduktionszone, der Oxidationszone, den Außenbereich oder die Bereiche zwischen den Flächen? Ich weiß nicht ob das so sinnvoll ist, den Druckabfall nach der Verbrennung nicht unberücksichtigt zu lassen bzw herauszurechnen.

Ich finde es übrigens interessant, daß wir 4 hier gerade 5-7 verschiedene Meinungen vertreten. Gerade Diagnostiker hat mich gerade in Kombination mit Timms Meinung etwas perplexierend positiv amüsiert, weil er zugibt, daß es bei der Definition keinen Unterschied zwischen manchen rein physikalisch-chemischen Prozessen und Leben gäbe, aber die Definition nicht teilt (bzw gerade deshalb wohl nicht teilen will). Timm befürwortet die Definition, sieht aber einen Unterschied zwischen biologischem Leben und dem Beispiel mit der Kerze.
Der große Erfolg der Thermodynamik besteht darin, dass mittels weniger Zustandsgrößen allgemeingültige Aussagen getroffen werden, ohne dass Details eine Rolle spielen.

Thema Leben, was ist da Konsens?

1. Lebende Systeme haben eine kleinere Entropie als die Umwelt. Grund: sie befinden sich nicht im thermodynamischen Gleichgewicht mit der Umwelt.
Dieses Ungleichgewicht wird am "Leben" gehalten durch die Aufnahme und Absonderung von "Stoffen" wie schon erwähnt. Nach dem Tod nimmt die
Entropie zu, bis besagtes Gleichgewicht erreicht ist.

2. Die Flamme hat eine höhere Entropie als die Umwelt.

Beides ist nachzulesen und insofern Konsens in der community (also nicht etwa meine private Meinung). Daraus abzuleiten, dass die Flamme ein Beispiel für nicht-Leben ist, ist trivial.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von seeker » 27. Dez 2020, 11:16

Diagnostiker hat geschrieben:
27. Dez 2020, 09:47
Ja, und die Abfolgen von 1 und 0 sind wiederum abstrakte Strukturen, die den Ladungszuständen zugeschrieben werden durch den, der sich das Prinzip, wie Computer funktionieren, einst ausgedacht hat. Ich bestreite nicht, dass das Prinzip funktioniert und für verschiedene Zwecke anwendbar ist, aber es ist etwas anderes als das, was man als Qualia-Problem kennt. Schon gar nicht ist es adäquat zu realen Molekülen in realen Zellen, um das es ja hierbei ging.
Ich denke die ganze Diskussion lässt sich hier auf einen Punkt bringen.
Wir sind glaube ich beide mit der Wiki-Definition weitestgehend einverstanden:

"Leben bezeichnet in den Naturwissenschaften heute größtenteils eine Organisationsform, die durch gewisse Prozesse charakterisiert ist. Was Leben bzw. ein Lebewesen ist, wird in der modernen Biologie (Synthetische Biologie) nicht über einzelne Eigenschaften, einen bestimmten Zustand oder eine spezifische Stofflichkeit definiert, sondern über eine Menge von Prozessen, die zusammengenommen für Leben bzw. Lebewesen charakteristisch und spezifisch sind."

Wir sprechen nur noch darüber, was ein Stoff bzw. ein geigneter Stoff, bzw, allgemeiner formuliert, was ein geeigneter Träger ist und was nicht.

Aus meiner Sicht könnten wir uns hier auf folgedes einigen:
Derzeit besteht der einzige bekannte geeignete Träger aus den bekannten materiellen Teilchen, die sich zu Molekülen verbinden und auf denen chemische Prozesse ablaufen und auf dem wiederum Leben direkt abläuft. Prinzipiell könnte es aber noch andere geeignete Träger geben, das muss man noch abwarten. Es ist insbesondere nicht ganz auszuschließen, dass auch Formen von Leben möglich sein könnten, wo es indirekt auf dem bekannten materiellen Substrat aus materiell-physikalischen Teilchen ablaufen kann.

Damit wären meine Simulationen, virtuellen Räume, etc. als prinzipiell noch nicht ausschließbare Möglichkeit abgedeckt, die erst dann wirklich zu bewerten wären, wenn es wirklich so weit wäre, dass man sie konkret betrachten kann. Mir geht es hier um das Prinzipielle, damit zunächst einmal Offenheit aufrechterhalten werden kann.
Diagnostiker hat geschrieben:
27. Dez 2020, 09:47
Ja, mit dem Unterschied jedoch, dass ich keinen inneren Bildschirm habe, wo mir etwas angezeigt wird, sondern sich hier die Sinneserfahrung auf vielfältige Weise mit anderen Sinneserfahrungen verbunden zeigt, inklusive Erfahrungen und Erlebnisse, die sich im Gedächtnis befinden und jederzeit abgerufen werden können.
Das Rätsel ist ja, dass da eben doch ein "innerer Bildschirm" da ist, wo das alles erscheint und der ich selber bin und der seine eigenen Inhalte sieht, man sagt, "sie werden mir bewusst". Genau das macht ja mein Bewusstsein aus.
Wäre das alles rein mechanisch-reduktiv-physikalisch, dann wäre da kein innerer Bildschirm da.
Diagnostiker hat geschrieben:
27. Dez 2020, 09:47
Das Innenerleben baut auf den Repräsentationen auf, die sich subjektiv darstellen.
Das große Rätsel ist, warum sie sich subjektiv darstellen. Eine reine Repräsentation und innere Modelle in Materie reichen dafür nicht aus, jedenfalls ist uns dieser Zusammenhang nicht ausreichend verständlich (-> Eklärungslücke). Wir haben an der Stelle nur einige Mutmaßungen. Es ist mir wichtig herauszustellen, dass es nur Mutmaßungen sind und nicht etwa bewiesene Tatsachen.

Das schließt gleichzeitig nicht aus, dass in genügend komplexen biologischen Netzwerken wie unserem Gehirn, in einem genügend komplexen sozialen Verband und einer ebensolchen Umwelt Bewusstsein tatsächlich zwingend erscheinen muss. Das kann durchaus sein, nur ist uns noch nicht ganz erklärlich, warum das so sein müsste und ob das so ist.

Daraus folgt eine Uminterpretierung von dem hier:
Diagnostiker hat geschrieben: Innerlich nehme ich keine neuronalen Prozesse wahr, sondern ich habe es stets mit Sinneseindrücken zu tun, mit denen ich eine Beziehung aufbaue. Das ist dann das Innenerleben auf der Basis der subjektiv erfahrbaren Repräsentationen neuronaler Prozesse, die z.B. durch Umweltreize ausgelöst worden sind. Der qualitative Unterschied zu Wesen ohne Innenerleben ist, dass jetzt die Möglichkeit besteht, mit Sinneseindrücken unter Zuhilfenahme des Gedächtnisses auf der virtuellen Ebene zu operieren, Situationen durchzuspielen, Vorstellungen zu entwickeln, Abschätzungen vorzunehmen usw.

Daraus ergibt sich dann eine größere Möglichkeit, das eigene Verhalten an Umweltanforderungen anzupassen, was dann einen selektiven Vorteil darstellt, so dass sich die erworbene Fähigkeit eines Innenerlebens dann auch evolutionär durchsetzt, obwohl der Aufwand für ein größeres Gehirn das System aus energetischer Sicht zusätzlich belastet. Bei unserem Gehirn entfallen rund 20 Prozent des Energieaufwands des Körpers auf rund 2 Prozent der Körpermasse, was enorm ist, aber die Leistung des Gehirns zahlt sich evolutionär gesehen eben aus, so dass sich das entwickeln konnte.
Völlig richtig, nur ist nicht klar, was das alles mit echtem Innenerleben, Bewusstsein, Qualia zu tun haben muss. Es reicht nach unserem derzeitigen Wissen, wenn im System bzw. Netzwerk durch die Zustände, sie es durchläuft, innere Repräsentationen vorhanden sind, die weiterverarbeitet werden. Der Rest sind unbewiesene Postulate.
Wir sollten einfach vorsichtig sein, damit wir Mutmaßungen von Tatsachen unterscheiden.
Diagnostiker hat geschrieben:...aber das sind meiner Ansicht nach Hinweise darauf, dass es eben doch auf die Verwachsenheit des Hirns mit dem Leib ankommt, wenn man Bewusstsein erzeugen will und nicht nur simulieren will
Auch da bin ich völlig bei dir, ja, es gibt diese Hinweise, es ist wohl noch nicht gänzlich geklärt, aber derzeit scheint das recht glaubwürdig.
Mein Lösungsvorschlag besteht hier darin, dass ein bewusstes virtuelles System daher eben auch eine geignete Art Körper, z.B. einen virtuellen Körper haben müsste, mit dem es verwachsen kann. Auf Ebene des Bewusstseins wäre dieser Körper aus dessen Sicht ganz normal materiell. Ob man das auch eines Tages bewerkstelligen können wird, ist eine ganz andere Frage.
Einen a priori "Materie-Chauvinismus" bezüglich der bekannten Materie lehne ich jedenfalls ab, so lange nicht nachgewiesen ist, ob das wirklich so ist. Das soll sich erst noch herausstellen (siehe auch oben).
Diagnostiker hat geschrieben:Das ist ganz analog zu den bunten Punkten: Es sieht so aus, als würde da etwas leben, aber es sieht eben nur so aus, ohne dass es tatsächlich lebt.
Bei den gezeigten Punkten bin ich noch bei dir. Aber bei künftigen virtuellen Welten... da wäre ich einfach vorsichtig, das muss nicht, aber könnte noch Überraschungen bieten. Wir dürfen das jedenfalls nicht ohne Nachweis von vorne herein ausschließen. Zwischen "es sieht so aus" und "es ist tatsächlich so" ist manchmal auch schwer zu unterscheiden, manchmal ist es gar unmöglich. Und manchmal ist ja auch nicht relevant, ob etwas von einem gedachten äußeren Beobachtungspunkt aus unterscheidbar wäre, sondern ob das System selbst, von seinem inneren Punkt aus dies unterscheiden kann.
Diagnostiker hat geschrieben:
Skeltek hat geschrieben:Reicht da denn wirklich keine räumliche Abgrenzung zur Umwelt?
Nein, ohne eine solche Abgrenzung würde sich das System in die Umwelt zerstreuen. ...
Ich bin da völlig bei Diagnostiker.
Ich würde es so versuchen auf den Punkt zu bringen:

Ein lebendiges System muss sich von seiner Umwelt in selbsttätiger Weise hinreichend gut abgrenzen und emanzipieren, damit es VON seiner Umwelt leben kann. Damit geht auch die innere Entropiestabilisierung einher, usw. Die Selbsttätigkeit und innere Rückgekoppeltheit ist essentiell: Wenn das nicht vorhanden ist, ist das System nicht lebendig.
Grüße
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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von seeker » 27. Dez 2020, 11:26

Timm hat geschrieben:
27. Dez 2020, 10:52
Beides ist nachzulesen und insofern Konsens in der community (also nicht etwa meine private Meinung). Daraus abzuleiten, dass die Flamme ein Beispiel für nicht-Leben ist, ist trivial.
Und was ist mit meinen Fabrikhallen? Leben die?
Grüße
seeker


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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Diagnostiker » 27. Dez 2020, 12:30

Wir können ja mal den mechanischen Aspekt des Lebens näher beleuchten, indem wir uns eine Maschinenfabrik vorstellen, welche Maschinen herstellt, die die Maschinenfabrik am Laufen halten. Der Zustrom von Rohstoffen sei über Roboter gewährleistet, die ebenfalls in der Maschinenfabrik produziert werden, um danach in der Umgebung die Rohstoffe zur Maschinenproduktion für die Maschinenfabrik aufzuschließen und heranzutransportieren. Andere Roboter sind mit der Wartung und Instandhaltung der Produktionsanlagen beschäftigt und sorgen dafür, dass der Produktionsprozess nicht ins Stocken gerät.

Erkennbar wird hier der selbstreferenzielle Aspekt des Systems, der das System von seiner Umgebung als etwas relativ Eigenständiges abhebt. Diese Selbstreferenzialität hat eine gewisse Autonomie des Systems zur Folge: Das System reguliert sich selbst nach Regularien, die auf das System bezogen sind und nur dort Gültigkeit haben. Außerhalb des Systems gelten diese Regularien nicht, da sich die Umgebung nach eigenen anderen Regularien reguliert. Folglich ist das System auf sich selbst bezogen in dem, was es tut, ohne deshalb jedoch von der Umgebung vollends abgekoppelt zu sein.

Wir haben hier also eine Eigendynamik, die nur innerhalb des Systems relevant ist und über die sich das System selbst konstituiert. Diese Eigendynamik basiert auf rein mechanischen Prozessen, die durch ihr Zusammenwirken diese Eigendynamik hervorbringen. Damit haben wir sowohl Emergenz (es entsteht etwas qualitativ Neues, welches den zugrundeliegenden Prozessen einen Zweck zuweist) wie auch Autopoiesis (das System konstituiert sich im Verlauf der Eigendynamik jederzeit neu und verbleibt in diesem dynamischen Zustand als prozesshaftes Ding).

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Timm » 27. Dez 2020, 13:18

seeker hat geschrieben:
27. Dez 2020, 11:26
Und was ist mit meinen Fabrikhallen? Leben die?
Seeker, jetzt machst du dir's aber sehr einfach. Möchtest du dich vielleicht der Mühe unterziehen, zu prüfen, ob deine Fabrik den genannten Kriterien genügt?


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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von seeker » 27. Dez 2020, 18:09

Timm hat geschrieben:
27. Dez 2020, 13:18
Möchtest du dich vielleicht der Mühe unterziehen, zu prüfen, ob deine Fabrik den genannten Kriterien genügt?
Nach meiner Prüfung genügen die drei Fabriken den o.g. Entropie-Kriterien, wenn ich die Fabrikhalle mit allem was darin ist und hinein und hinausgeht als ein Gesamtsystem betrachte: In die Fabrik geht hochenergetisches hinein und entweicht niederenergetisch und höherentropischer, als Wärme und als Abwasser. In der Halle wird dabei der Ordnungszustand erhöht.
Mein Kühlschrank erfüllt die Definition auch.

Meine Position war, dass die Sache mit der Entropie und Energie zwar richtig ist, aber als Definition nicht ausreichend und daher weiter egänzt werden müsste.
Grüße
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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Skeltek » 28. Dez 2020, 02:49

Der Entropievergleich bei Lebewesen mit der Umgebung hinkt denke ich etwas und ist denke ich auf falsch ausformuliert und kurz gefasst.
Timm hat geschrieben: Lebende Systeme haben eine kleinere Entropie als die Umwelt
Das ist zu simplifiziert ausgedrückt. Jedenfalls wäre mir das neu. Die Entropie als auch Temperatur in Lebewesen kann auch dauerhaft oberhalb der der Umgebung sein; die Randbedingung ist eher, daß die Entropie des Lebewesens oberhalb dem seiner aufgenommenen Nahrung/Stoffgemische ist. Man muss die Wärme und das chemische Aequilibrium denke ich getrennt betrachten oder zusammen, aber nicht nur eins davon heraus picken.
Die Eigenschaft, auf welche du vermutlich hinaus willst ist, daß sich ein Lebewesen durch freie Energie nach Gibbs unterhalb seiner eigenen maximalen Entropie hält. Würde ein Mensch in einer matschartigen warmen Brühe aus pürriertem Fleisch schwimmen, hättest du vermutlich recht (ich hoffe keiner von euch betreibt so ein Hobby). Ein Lebewesen hat lediglich eine niedrigere Entropie, als es dieselbe Stoffmischung ohne 'Durchschleusen' niederentropischer Nahrung und dem Abzweigen der freien Energie in einer Konvergenzbetrachtung langfristig haben würde.

Welche Community soll denn das sein, die diese Meinung vertritt? Meiner Einschätzung nach sind die Mainstream-Meinung als auch ihre Niederschrift keine Legitimation für ihre eigene Gültigkeit.

ps: Ich habe gerade das hier auf Wikipedia gefunden, was ich ganz interessant finde. Ich hätte nicht erwartet, daß die moderne Wissenschaft als auch die NASA ähnliche Schwerpunkte bei der Sache setzen wie ich:
Wikipedia - Entropy and the origin of life hat geschrieben: The second law of thermodynamics applied to the origin of life is a far more complicated issue than the further development of life, since there is no "standard model" of how the first biological lifeforms emerged, only a number of competing hypotheses. The problem is discussed within the context of abiogenesis, implying gradual pre-Darwinian chemical evolution. In 1924, Alexander Oparin suggested that sufficient energy for generating early lifeforms from non-living molecules was provided in a "primordial soup". The Belgian scientist Ilya Prigogine was awarded with a Nobel Prize in 1977 for an analysis in this area. A related topic is the probability that life would emerge, which has been discussed in several studies, for example by Russell Doolittle.[18]

In 2009, physicist Karo Michaelian published a thermodynamic dissipation theory for the origin of life[19][20] in which the fundamental molecules of life; nucleic acids, amino acids, carbohydrates (sugars), and lipids are considered to have been originally produced as microscopic dissipative structures (through Prigogine's dissipative structuring[21]) as pigments at the ocean surface to absorb and dissipate into heat the UVC flux of solar light arriving at Earth's surface during the Archean, just as do organic pigments in the visible region today. These UVC pigments were formed through photochemical dissipative structuring from more common and simpler precursor molecules like HCN and H2O under the UVC flux of solar light.[19][20][22] The thermodynamic function of the original pigments (fundamental molecules of life) was to increase the entropy production of the incipient biosphere under the solar photon flux and this, in fact, remains as the most important thermodynamic function of the biosphere today, but now mainly in the visible region where photon intensities are higher and biosynthetic pathways are more complex, allowing pigments to be synthesized from lower energy visible light instead of UVC light which no longer reaches Earth's surface.
als auch:
Wikipedia - Entropy and the search for extraterrestrial life hat geschrieben: In 1964, James Lovelock was among a group of scientists requested by NASA to make a theoretical life-detection system to look for life on Mars during the upcoming space mission. When thinking about this problem, Lovelock wondered "how can we be sure that Martian life, if any, will reveal itself to tests based on Earth’s lifestyle?”[23] To Lovelock, the basic question was "What is life, and how should it be recognized?” When speaking about this issue with some of his colleagues at the Jet Propulsion Laboratory, he was asked what he would do to look for life on Mars. To this, Lovelock replied "I’d look for an entropy reduction, since this must be a general characteristic of life."[23]

In 2013, Azua-Bustos and Vega argued that, disregarding the types of lifeforms that might be envisioned both on Earth and elsewhere in the Universe, all should share in common the attribute of decreasing their internal entropy at the expense of free energy obtained from their surroundings. As entropy allows the quantification of the degree of disorder in a system, any envisioned lifeform must have a higher degree of order than its immediate supporting environment. These authors showed that by using fractal mathematics analysis alone, they could readily quantify the degree of structural complexity difference (and thus entropy) of living processes as distinct entities separate from their similar abiotic surroundings. This approach may allow the future detection of unknown forms of life both in the Solar System and on recently discovered exoplanets based on nothing more than entropy differentials of complementary datasets (morphology, coloration, temperature, pH, isotopic composition, etc.).[24]
Daß es für ersteres mal einen Nobelpreis gab hat mich überascht. Das zweite ist wohl eine Überlegung, ob man die irdischen Erwartungen einfach auf andere Planeten übertragen kann. Frage mich hierbei, auf wie viel Widerstand James Lovelock dabei möglicherweise mit seiner Meinung gestoßen sein könnte.

Dabei würde ich gerne noch einmal auf folgende Stelle eingehen:
As entropy allows the quantification of the degree of disorder in a system, any envisioned lifeform must have a higher degree of order than its immediate supporting environment.
Wie bereits im nächsten Satz beschrieben, kann man das nutzen, um den Komplexitätsunterschied zu einer ähnlich zusammengesetzen Umgebung zu bestimmen. Wir sind davon aber bereits lange weg. Zum Beispiel der Mensch existiert seit langem nicht mehr in einem 'probiotischen' Ozean und teilweise muss er lange Strecken überwinden, bevor er niederentropischere Stoffe zum verwerten finden und aufnehmen kann. Aber ich denke was ich gerade sage geht irgendwie auch am Punkt vorbei. Vielleicht müsste man sich auch ersteinmal darauf einigen, ab wann die aufgenommene 'Nahrung' zum Lebewesen gehört und wann nicht mehr. Klar nimmt man nur einen Teil auf, der durch die Darmwand hindurchdiffundiert... aber dann? Die Zellen nehmen niederentropische Teilchen auf und geben höherentropische ab (geben weniger ab als sie aufnehmen, wegen Wachstum und Teilung). Ich kann hier kein pauschales 'Muss' erkennen, das eine kleinere Entropie als die der Umgebung fordert.
Die zusätzlich durchgeschleuste freie Energie sorgt halt dafür, daß die Bestandteile der Zelle nicht völlig verkleben und Aktivierungsenergien überwindbar bleiben; dabei geschieht dies aber nicht durch blindes Zuführen von Energie, sondern in geordneten Bahnen und Abläufen.
Gödel für Dummies:
  • Unentscheidbarkeit - Dieser Satz ist wahr.
  • Unvollständig - Aussage A: Es existiert nur ein Element A.
  • Widersprüchlich - Dieser Satz ist falsch.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von seeker » 28. Dez 2020, 05:59

Diagnostiker hat geschrieben:
27. Dez 2020, 12:30
Wir können ja mal den mechanischen Aspekt des Lebens näher beleuchten, indem wir uns eine Maschinenfabrik vorstellen, welche Maschinen herstellt, die die Maschinenfabrik am Laufen halten. Der Zustrom von Rohstoffen sei über Roboter gewährleistet, die ebenfalls in der Maschinenfabrik produziert werden, um danach in der Umgebung die Rohstoffe zur Maschinenproduktion für die Maschinenfabrik aufzuschließen und heranzutransportieren. Andere Roboter sind mit der Wartung und Instandhaltung der Produktionsanlagen beschäftigt und sorgen dafür, dass der Produktionsprozess nicht ins Stocken gerät.

Erkennbar wird hier der selbstreferenzielle Aspekt des Systems, der das System von seiner Umgebung als etwas relativ Eigenständiges abhebt. Diese Selbstreferenzialität hat eine gewisse Autonomie des Systems zur Folge: Das System reguliert sich selbst nach Regularien, die auf das System bezogen sind und nur dort Gültigkeit haben. Außerhalb des Systems gelten diese Regularien nicht, da sich die Umgebung nach eigenen anderen Regularien reguliert. Folglich ist das System auf sich selbst bezogen in dem, was es tut, ohne deshalb jedoch von der Umgebung vollends abgekoppelt zu sein.

Wir haben hier also eine Eigendynamik, die nur innerhalb des Systems relevant ist und über die sich das System selbst konstituiert. Diese Eigendynamik basiert auf rein mechanischen Prozessen, die durch ihr Zusammenwirken diese Eigendynamik hervorbringen. Damit haben wir sowohl Emergenz (es entsteht etwas qualitativ Neues, welches den zugrundeliegenden Prozessen einen Zweck zuweist) wie auch Autopoiesis (das System konstituiert sich im Verlauf der Eigendynamik jederzeit neu und verbleibt in diesem dynamischen Zustand als prozesshaftes Ding).
Das gefällt mir gut!

Malen wir das doch einmal noch etwas weiter aus:

Stellen wir uns eine wirklich riesige Fabrikhalle vor. Die Energieversorgung soll über Solarzellen auf dem Hallendach erfolgen. In der Halle gibt es sehr viele Sorten von sehr vielen kleinen Robotern, die arbeitsteilig alle Einzelteile für weitere kleinere Roboter jeder Sorte bauen. Andere kleine Roboter bauen das alles zusammen und weitere beschaffen aus der Umgebung alle nötigen Rohstoffe und noch weitere Roboter entsorgen unbrauchbare Abfälle nach draußen. Und noch weitere übernehmen Spezialaufgaben, wie die Beobachtung der Umgebung, usw.
Außerdem bauen die Roboter nicht nur sich selber nach, sondern vergrößern die Halle auch und bauen entweder auch noch weitere Fabrikhallen neben sich oder ziehen irgendwann eine Trennwand in der Halle ein, wenn sie zu groß geworden ist, sodass zwei Hallen entstehen.
Wir können uns auch vorstellen, dass die Hallen riesige Kettenfahrwerke angebaut haben, damit sie sich fortbewegen können.
Außerdem sollen die Roboter per Schwarmintelligenz funktionieren.

Ich wäre sehr geneigt zu sagen, dass so eine Halle lebendig ist... Es würde mir etwas Unbehagen bereiten, weil das so gar nicht die Sorte Leben wäre, die ich im Kopf hatte, aber dennoch: Mit welcher Begründung könnte ich denn noch etwas anderes behaupten?
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von seeker » 28. Dez 2020, 06:28

Skeltek hat geschrieben:
28. Dez 2020, 02:49
Der Entropievergleich bei Lebewesen mit der Umgebung hinkt denke ich etwas und ist denke ich auf falsch ausformuliert und kurz gefasst.
Ich würde es immer noch versuchen so auf den Punkt zu bringen:

Die Sache mit der Entropieerhöhung und dem Energiedurchfluss scheint zwar für Leben i.A. notwendig, ist aber sicher nicht hinreichend!

Außerdem trifft sie nicht den Kern, sie ist eher ein Nebeneffekt, der sich aus dem Geschehen "Leben" fast unumgänglich ergibt:
Sie ist nicht die Ursache für Lebendigkeit, sondern deren Folge! Wir müssen hier aufpassen, dass wir Ursache und Wirkung nicht verwechseln und auch nicht Bedingungen mit Ursachen.

Das ist doch wie mit dem Auto:
Wenn ich Auto fahren möchte muss ich tanken, aber das Benzin im Tank ist nicht die Ursache dafür, dass sich das Auto bewegt, sondern eine der Bedingungen, dass sich das Auto bewegen kann.
Und wenn ich dann fahre und dabei Benzin verbrannt wird, der Motor heiß wird und Abgase hinten raus kommen, dann ist das auch nicht die Ursache des Vorgangs "ich fahre Auto", sondern die Folge bzw. Wirkung davon.
Und wenn ich verstehen will, was "Auto fahren" bedeutet, dann ist es doch auch nicht zielführend, wenn ich mich dabei ausschließlich darauf fokussiere, dass da Benzin verbrannt wird, ein Motor heiß wird und hinten Abgase herauskommen (-> Energie-/Entropiebetrachtung).
Das wär doch nicht der Punkt beim Vorgang "Auto fahren", der Punkt wär doch vielmehr, dass das ein sich bewegendes Fahrzeug ist, das Menschen und Sachen von A nach B transportiert.

Ansonsten müssen wir die Frage "Was macht Leben aus?" von der Frage "Wie ist das Leben entstanden?" unterscheiden. Das sind unterschidliche Fragestellungen. Beim einen haben wir ja schon einen fertigen, laufenden Prozess, beim anderen fragen wir, wie der Prozess von alleine starten konnte.
Grüße
seeker


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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Diagnostiker » 28. Dez 2020, 10:03

@ seeker

Wir können das Szenario auch noch weiter spinnen:

Sobald mehrere Fabriken entstanden sind, konkurrieren sie um die selben Ressourcen, um sich selbst im Bestand zu erhalten. Die Folge ist, dass die nunmehr entstandene Population sich in Jäger und Beute aufspaltet, sobald eine Fabrik dazu übergegangen ist, andere Fabriken als Rohstoffquelle zu verwerten. Daraus ergibt sich dann ein evolutionäres Wettrüsten mit Ausdifferenzierungen verschiedener Zusatzmodule, um sich dem Zugriff durch andere Fabriken zu entziehen bzw. selber effizienter einen Zugriff auf andere Fabriken zu erlangen.

Irgendwann ergibt sich dann eine Artenvielfalt, die sich in einem Ökosystem wechselseitig stabilisiert, indem Symbiosen eingegangen werden, Kooperationen entstehen usw., so dass jede Fabrik auf seine Kosten kommt, was Selbsterhaltung und Fortpflanzung betrifft.

Ist das Leben? Ja, zweifellos, denn das was solche Fabriken betreiben, findet auf molekularer Ebene in Zellen und Zellverbänden statt, die sich zu Mehrzellern organisieren, die wiederum Populationen und Ökosysteme mit verschiedenen Nischen bilden, in denen jede Art ihr Auskommen findet.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Timm » 28. Dez 2020, 10:12

Skeltek hat geschrieben:
28. Dez 2020, 02:49
Der Entropievergleich bei Lebewesen mit der Umgebung hinkt denke ich etwas und ist denke ich auf falsch ausformuliert und kurz gefasst.
Timm hat geschrieben: Lebende Systeme haben eine kleinere Entropie als die Umwelt
Das ist zu simplifiziert ausgedrückt. Jedenfalls wäre mir das neu.
Das ist vielfach nachzulesen.

http://www.u-helmich.de/bio/stoffwechse ... opie3.html
Die Stoffwechselbiologie beschäftigt sich mit genau diesem Aspekt des Lebens. Lebewesen müssen ständig Nahrung aufnehmen, um daraus Energie zu gewinnen. Diese Energie benötigen sie dann, um ihren hochgeordneten entropiearmen Zustand aufrecht zu erhalten.

Ich sehe wenig Sinn darin, immer wieder das was in der community Konsens und leicht nachzulesen ist, hier davon abweichenden persönlichen Meinungen gegenüber zu stellen.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von seeker » 28. Dez 2020, 10:27

Diagnostiker hat geschrieben:
28. Dez 2020, 10:03
Wir können das Szenario auch noch weiter spinnen:
...
Genau so! :well:
Diagnostiker hat geschrieben:
28. Dez 2020, 10:03
Ist das Leben? Ja, zweifellos, denn das was solche Fabriken betreiben, findet auf molekularer Ebene in Zellen und Zellverbänden statt, die sich zu Mehrzellern organisieren, die wiederum Populationen und Ökosysteme mit verschiedenen Nischen bilden, in denen jede Art ihr Auskommen findet.
Danke. Eben zu dem Schluss bin ich auch gekommen.
Timm hat geschrieben:
28. Dez 2020, 10:12
Die Stoffwechselbiologie beschäftigt sich mit genau diesem Aspekt des Lebens. Lebewesen müssen ständig Nahrung aufnehmen, um daraus Energie zu gewinnen. Diese Energie benötigen sie dann, um ihren hochgeordneten entropiearmen Zustand aufrecht zu erhalten.

Ich sehe wenig Sinn darin, immer wieder das was in der community Konsens und leicht nachzulesen ist, hier davon abweichenden persönlichen Meinungen gegenüber zu stellen.
Ok, das war bezogen auf Skeltek, aber ansonsten: Den Inhalt des obigen Zitats bestreitet doch niemand, ich jedenfalls nicht. Auch nicht, dass man am besten nach Hinweisen zu "Entropiesenken" sucht, wenn man z.B. nach Leben auf Exoplaneten suchen möchte, etc.
Es geht hier auch nicht zuvorderst um persönliche Meinungen, die irgendeinem common sense widersprechen würden. Es geht darum, ob man bereit ist etwas offen zu erörtern oder ob man das nicht ist.
Du bist bisher nicht auf meine Argumentation dazu eingegangen, obwohl ich hoffte, sie sei recht klar auf den Punkt gebracht. Warum nicht?
Grüße
seeker


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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Skeltek » 28. Dez 2020, 13:49

Timm scheint meinen Beitrag gar nicht richtig gelesen zu haben. Ich habe mehrere Stunden recherchiert, aber Timm postet einfach einen Link, in welchem seine Aussage gar nicht bestätigt wird. Ich kann in dem Link jedenfalls keine Aussage entdecken, die behauptet, daß ein Lebewesen eine grundsätzlich niedrigere Entropie als seine Umgebung haben muss.
Ich habe die Aussage nicht angezweifelt und habe auch keine widersprechende Meinung. Mir fehlt lediglich die Begründung für seine Aussage.

Ja, man sieht ja auch bei Dingen wie der Relativitätstheorie und anderen Dingen, wie viel Falschwissen sich teilweise etabliert hat. Ich werde deine Aussage jedenfalls nicht als Fakt abspeichern, solange ich im Internet keine zuverlässige Aussage dazu finden kann. Ich bin mittlerweile 30-40 Seiten durchgegangen und habe nichts davon gefunden. Jede Seite beschränkt sich lediglich darauf zu sagen, daß das Lebewesen seine eigene Entropie senkt und die der Umgebung erhöht. Daß die Entropie des Lebewesens grundsätzlich unterhalb der der Umgebung liegt steht da nirgends.
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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Diagnostiker » 28. Dez 2020, 15:19

@ Skeltek
Timm scheint meinen Beitrag gar nicht richtig gelesen zu haben.
Ja, das scheint mir auch so. Schade, dass er so einsilbig reagiert. Auf den Hinweis, dass die lokale Entropiesenkung ein zwar wichtiges und notwendiges Kriterium lebender Systeme ist, aber eben noch kein hinreichendes, um lebende Systeme von nicht lebenden zu unterscheiden, ist er leider auch nicht eingegangen. Auf die Entropiesenkung hat erstmals Erwin Schrödinger in seinen Dubliner Vorlesungen 1943 aufmerksam gemacht. Er hat zudem in diesen Vorlesungen darauf hingewiesen, dass sich lebende Systeme, um Ordnung zu reproduzieren, um einen "aperiodischen Kristall" herum organisieren müssen, der gewissermaßen als "Kristallisationskeim" funktioniert und eine "grundlegende Invariante" darstellt, wie es später Jacques Monod in seinem Buch "Zufall und Notwendigkeit" ausgedrückt hatte.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Timm » 28. Dez 2020, 16:48

Hallo zusammen,

ich hoffe in ein paar Tagen wieder mehr Zeit zu haben.

In aller Kürze.

Skeltek, "Das ist zu simplifiziert ausgedrückt. Jedenfalls wäre mir das neu." -- mein Eindruck war, dass du die generell existierende Entropie Senke relativierst. Doch nicht?

seeker, ich habs noch nicht gelesen. Wenn die Fabrik mit der Energie Differenz energiereicher zugeführter und energiearmer abgeführter Stoffe eine Entropie Senke aufrecht erhält (und so den 3. Hauptsatz aushebelt) und nach der Stilllegung (Tod) die Entropie ohne weiteres Zutun zunimmt bis das thermodynamische Gleichgewicht mit der Umwelt erreicht ist, dann erfüllt sie die genannten Kriterien.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Timm » 28. Dez 2020, 17:18

Timm hat geschrieben:
28. Dez 2020, 16:48
Hallo zusammen,

ich hoffe in ein paar Tagen wieder mehr Zeit zu haben.

In aller Kürze.

Skeltek, "Das ist zu simplifiziert ausgedrückt. Jedenfalls wäre mir das neu." -- mein Eindruck war, dass du die generell existierende Entropie Senke relativierst. Doch nicht?

seeker, ich habs noch nicht gelesen. Wenn die Fabrik mit der Energie Differenz energiereicher zugeführter und energiearmer abgeführter Stoffe eine Entropie Senke aufrecht erhält (und so den 2. Hauptsatz aushebelt) und nach der Stilllegung (Beginn der Zersetzung des lebenden Systems nach dem Tod) die Entropie ohne weiteres Zutun zunimmt bis das thermodynamische Gleichgewicht mit der Umwelt erreicht ist, dann erfüllt sie die genannten Kriterien.

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