Siggi hat geschrieben:Es ist durchaus vorstellbar, dass bei -minus 200 Grad sich Leben entwickeln könnte
Denkbar ist vieles. Aber wenn man es nicht weiß, muss man sich auf Überlegungen stützen.
Hier muss man bedenken, dass Biologie auch auf Chemie beruht.
In der Chemie gibt es die Faustformel, dass wenn man die Temperatur um 10° senkt, dass sich dann die Reacktionsgeschwindigkeit von chemischen Reaktionen in etwa halbiert, jedes mal.
Wenn wir nun z.B. die Reaktionsgeschwindigkeiten bei +20° C mit -200° C vergleichen, dann kommt folgendes heraus:
Das sind 22x 10° Unterschied, also 22x eine Halbierung: 0,5^22 = 2,4 * 10^-7 = 0,00000024. Kehrwert davon: 1/ (2,4 * 10^-7) = 4194304
D.h. Reaktionen bei der Temperatur -200° C laufen grob überschlagen in etwa 4 Millionen mal langsamer ab als bei +20° C.
Nun ist es aber so, dass damit auch die Biologie und die Evolution um denselben Faktor verlangsamt wird.
Wenn man das überschlägt:
Bei uns auf der Erde hatte die Evolution etwa 4 Mrd Jahre Zeit und kam damit bis zu dem Leben, das wir heute vorfinden.
Bei einer kalten Umgebung von -200° C entsprächen diese 4 Mrd Jahre dann in etwa 4 Milliarden/4 Millionen = 1000 Jahre Erdevolutionszeit.
Die dortige Evolution hätte dann also so gesehen nur so viel Zeit zum Entwickeln gehabt, wie es 1000 Jahre Erdzeit entspricht, wie sie in 1000 Jahren auf der Erde hätte kommen können.
Wenn man bedenkt, dass vor der biologischen Evolution eine chemische Evolution stattgefunden haben muss, um überhaupt erst einmal zum ersten lebenden Organismus zu gelangen, dann kann man abschätzen, dass unter solch kalten Bedingungen eine dortige Evolution wahrscheinlich noch in der chemischen Evolution drinstecken muss, allerhöchstens, in der Zeit, die zur Verfügung stand, bei den allereinfachsten lebenden Organismen angelangt sein kann.
Immer vorausgesetzt, dass die sonstigen Bedingungen passen: Ein flüssiges Medium, eine Energiequelle/Niederentropiequelle, die richtigen Elemente und Verbindungen, usw., usw.
(Das ist mit hoher Sicherheit eine sehr lange Liste!)
Das sieht also nicht gerade gut aus für das Leben auf kalten Himmelskörpern. Dennoch ist man vor Überraschungen nie gefeit.
Nur: Man muss da dann halt warten, bis entsprechende Beobachtungen erbracht werden können und wenn du z.B. die Wahl hättest eine Sonde auf einem durchgefrorenen Eisklotz nach Leben suchen zu lassen oder aber auf einem Planeten, der aus der Ferne betrachtet zumindest an einigen Stellen warm und gemütlich ausschaut, wofür würdest du dich entscheiden?
Daher ist es in der Wissenschaft zwar wichtig, dass man alles für möglich hält, nichts von vorne herein ausschließt, aber ebenso wichtig ist es, dass man basierend auf dem momentanen Wissen Wahrscheinlichkeitsüberlegungen anstellt und dann zuerst dort nachschaut, wo es am erfolgversprechendsten erscheint (da unsere Mittel und Möglichkeiten ja begrenzt sind).
Zu Enceladus noch:
Dort sieht es ja wiederum nicht schlecht aus, weil es dort vermutlich warmes bis heißes Wasser gibt.
Die wichtige Frage dabei ist: Seit wann ist das schon so? Ist das schon lange stabil oder gab es Unterbrechungen? usw.
Denn daraus ergibt sich die Evolutionszeit, die dort zur Verfügung stand. Deshalb habe ich das auch in meinem früheren Beitrag schon gefragt.
Grüße
seeker