Ich denke, man muss die Dinge hier richtig einordnen und man kann am Beispiel hier auch gut etwas besser verstehen, wie NW funktioniert und was sie ist.
Frank hat geschrieben: ↑19. Okt 2022, 10:19
Vielleicht sind es ja aber gar keine "Teilchen?"
Genau.
"Teilchen" im physikalischen Sinne sind ja auch kein "Ding, dass es da draußen wirklich so gibt", sondern ein "theoretisches Konstrukt, ein Konzept, dass mit den Beobachtungen sehr gut im Einklang ist und mithilfe dessen man mathematisch sehr, sehr viel korrekt beschreiben kann".
Dieser Unterschied ist wichtig: Wenn die NW Physik von "Teilchen" spricht, dann ist das nicht dasselbe, wie wenn wir umgangssprachlich von "Teilchen/ kleinen Teilen" sprechen: Wir sprechen von Dingen, die Physik spricht von mathematisch fassbaren Konzepten/Konstrukten.
Frank hat geschrieben: ↑19. Okt 2022, 10:19
Beim Higgs Boson war das ja auch sehr schwierig mit dem Nachweis, aber man wusste ja, wenn ich richtig informiert bin, dass es zum Standardmodell dazu gehört(gehören muss)
Bei der Dunklen Materie weiß man außer das sie da ist, genauso wenig wie von der Gravitation. (Bitte um Korrektur, wenn ich falsch liege)
Auch Gravitationswellen waren von Einstein voraus gesagt worden, aber wer hat die DM denn voraus gesagt?
Meines Wissens niemand. Man hat beim beobachten, der Galaxien, auf sie geschlossen.
Genau.
Das ist ein Unterschied:
a) Manchmal hat man die Situation, dass man eine etablierte, schon gute Theorie hat, die auch theoretisch-mathematisch immer weiter ausgebaut/untersucht wird und woraus man dann irgenwann darauf kommt, dass die Theorie AUCH irgendetwas vorhersagt, das bisher noch nicht beobachtet wurde. So war es beim Higgs, so war es bei SLs, so war es in ganz vielen Fällen.
Die Richtung ist hier also: Theorie -> Beobachtung
Findet man das Vorhergesagte dann, dann wurde damit die Theorie noch weiter konsolidiert, das Vertrauen in sie steigt.
b) Manchmal hat man die umgekehrte Situation, der Richtung: Beobachtung -> Theorie
Man findet beobachtungstechnisch etwas, das die etablierte Standard-Theorie nicht vorausgesagt hat oder sogar gar nicht erlaubt.
In dem Fall sinkt das Vertrauen in die Theorie erst einmal, evtl. werden ihre Gültigkeitsgrenzen damit auch klarer. Diese Grenzen gibt es im Prinzip immer, bei jeder Theorie.
Beim Thema hier haben wir den Fall b).
Hier tut man nun folgendes:
Man versucht
1. die Theorie durch mathematischen Umbau an die Beobachtungen anzupassen, das geht dann in Richtung MOND, etc. und man versucht gleichzeitig auch
2. die Beobachtungen erstmal genauestens zu prüfen, ob sie auch wirklich vertrauenswürdig sind und man versucht zudem, wenn sie das sind
3. irgendetwas unbekanntes, noch unbeobachtetes zu postulieren, das die Beobachtungen auch erklären könnte, ohne nach 1. die Theorie umbauen zu müssen, das geht dann in Richtung DM, etc.
Und wenn 1., 2. und 3. gar nicht zum Erfolg führen, dann denkt man irgendwann darüber nach
4. Die etablierte Theorie ganz aufzugeben und durch eine gänzlich andere Theorie zu ersetzen, die die alte Theorie möglichst als Grenzfall/Sonderfall enthält. So war es beispielsweise beim Übergang von der Newtonschen Mechanik zur ART.
Wichtig:
Man tut eigentlich immer 1., 2. und 3. zugleich (plus eigentlich auch 4., aber das am Anfang eher erst einmal auf Sparflamme, man ist ja aus gutem Grunde konservativ und will nicht immer gleich alles wegwerfen, was man schon hat).
Warum? Weil das
erfahrungsgemäß bisher immer am besten, erfolgreichsten war, so vorzugehen!
Und als Lösung des Rätsels kann dann durchaus auch eine Kombination aus 1. und 2. und 3. herauskommen, es muss nicht immer entweder 1. oder 2. oder 3. sein... Das weiß man vorher nicht.
Frank hat geschrieben: ↑19. Okt 2022, 10:19
Ich bin natürlich kein Physiker und kein Profi zu dem Thema, aber ich habe hier das Gefühl, es wird in diese Richtung gesucht, damit gesucht ist
Im Grunde ist es so, aber ich wollte das nicht im negativen Sinne verstanden wissen.
Man arbeitet einfach 1., 2. und 3. ab und hofft irgendwann irgendetwas zu finden.
Ganz blind geht man dabei nicht vor. Man diskutiert das in der Community natürlich argumentativ-sachlich, durchaus oft auch in scharfen, kritischen Auseinandersetzungen, schätzt dabei Wahrscheinlichkeiten ab, wie und wo man das Rätsel am ehesten knacken könnte und was man dazu tun muss, besonders die Experten und Koryphäen im Fachgebiet, mit all ihrem Wissen und ihrer Erfahrung haben hier natürlich Einfluss. Gewichtet wird dabei natürlich auch, wie wichtig nun Problem x denn
für uns gerade jetzt ist, denn es gibt stets unzähliche Rätsel und man kann nicht alle zugleich und sofort mit voller Kraft angehen, man muss sortieren.
Nicht selten findet man dabei nicht einmal das Gesuchte, sondern etwas anderes, das aber auch interessant ist und einen voran bringt.
So läuft das im Prinzip...
Man muss hierbei auch immer im Hinterkopf behalten, wo wir heute schon sind: Wir sind schon sehr weit fortgeschritten. Das ist heute eine ganz andere Situation als zu Keplers Zeiten.