skn hat geschrieben:Gut, aber was ist der Erkenntnisgewinn?
Die Hypothese lautet, dass das Standardmodell die Physik (mindestens) im Energiebereich bis hin zu einigen TeV korrekt erklärt. Diese Hypothese kann und sollte man gemäß Popper zu falsifizieren versuchen. Da dies durch alle vorliegenden Experimente nicht gelingt, darf man umgekehrt annehmen, dass das Standardmodell (im genannten Energiebereich) zutreffend ist. Der Erkenntnisgewinn ist genau diese Tatsache - über den reinen Glauben an das Standardmodell hinaus.
skn hat geschrieben:Die Frage ist doch, was bringt das Standardmodell überhaupt.
Das Standardmodell hat eine durchaus beeindruckende Vorhersagekraft. Auf Basis von ca. 20 freien Parametern und einer Handvoll Gleichungen können
alle Phänomene in einem Energiebereich von Bruchteilen von eV bis hin zu einigen TeV - also über 'zig Größenordnungen - zum Teil extrem exakt und in Übereinstimmung mit allen bekannten Experimenten vorhergesagt werden. Dies umfasst Phänomene der Festkörperphysik, der Fluid- und Gasdynamik, weiter über Molekül- und Atomphysik bis zur Kern- und Elementarteilchenphysik. Die elektromagnetische bzw. elektro-schwache sowie die starke Wechselwirkung beschreiben das Verhalten von elektromagnetischen Prozessen, von schwachen Teilchenzerfällen = wesentlichen Phänomenen der Radioaktivität bis hin zu Eigenschaften von Hadronen (Baryonen = Protonen, Neutronen, ...) sowie Mesonen (Pionen, ...), u.a. deren Massen, elektrischen und magnetischen Multipolmomenten und Formfaktoren, Spinstruktur, Streuquerschnitten usw.
skn hat geschrieben:... aus meiner Perspektive sieht es beinahe so aus, als ob das Standardmodell Fragen beantwortet, die es ohne Standardmodell nicht gäbe.
Natürlich. Man kann z.B. Fragen stellen wie "warum sechs Quarks bzw. warum drei Generationen?" oder "warum gerade diese Symmetriegruppen?"
skn hat geschrieben:Vor allem ist mir bei diesen Experimenten nie klar, was dort Modellannahme und was Fakt ist.
Wie meinst du das?
Man setzt das Standardmodell sowie bestimmte Rechenverfahren und Näherungen voraus und verwendet dies zur Berechnung bestimmter Phänomene. Wenn die Phänomene im Rahmen der experimentellen Fehler sowie der Näherung korrekt beschrieben werden, darf man die Idee, es gäbe sozusagen unbekannte Physik "jenseits des Standardmodells" für den untersuchten Energiebereich verwerfen.