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Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Themen zur Kosmologie, Urknall, inflationärer Kosmologie, Expansion, Entwicklung und Zukunft des Universums
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Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von seeker » 18. Mai 2012, 11:35

Ich fange nun schonmal an.
Helmut, falls du in eine völlig andere Richtung willst, mach bitte einfach einen 2. Thread auf.

Zuerst die Definition von Wikipedia:
Kosmologisches Prinzip

Unter dem kosmologischen Prinzip (oder kosmologischen Postulat) sind zwei Grundannahmen in der naturwissenschaftlichen Kosmologie zusammengefasst, die deren Modellen vom Weltall als Ganzes zu Grunde liegen. Es ist eng verknüpft mit dem kopernikanischen Prinzip. Das kosmologische Prinzip wurde 1933 von dem Astrophysiker Edward A. Milne eingeführt.

* Das Weltall ist homogen – das heißt, es stellt sich einem Beobachter unabhängig von dem Punkt des Raumes, in dem er sich befindet, immer gleich dar (Prinzip der Homogenität, auch kopernikanisches Prinzip genannt).

* Das Weltall ist isotrop – das heißt, es stellt sich dem Beobachter unabhängig von der Beobachtungsrichtung im Raum immer gleich dar (Prinzip der Isotropie).

Eine strengere Version des kosmologischen Prinzips, das sogenannte perfekte kosmologische Prinzip, verlangt neben der räumlichen auch eine zeitliche Homogenität. Diese Version, ursprünglich von Vertretern von Steady-State-Kosmologien wie Hermann Bondi und Fred Hoyle unterstützt, spielt heute nur noch eine untergeordnete Rolle.

Da die Materie im Weltall auf „kurzen Distanzen“ nicht gleichmäßig verteilt ist, gelten diese Annahmen nur unter der Voraussetzung, dass man Bereiche von solcher Ausdehnung betrachtet, dass in diesen die Materie im Mittel gleich verteilt ist. Diese Ausdehnung beträgt ca. 100 Mio. Lichtjahre. Das ist der mittlere Abstand von Superhaufen von Galaxien. Dazwischen findet man Voids, Gebiete mit deutlich weniger Galaxien.

Strukturen, die größer sind als 100 Mio. Lichtjahre, gibt es nach heutigem Wissen nicht. Daher scheint das kosmologische Prinzip auf diesen Größenordnungen durch Beobachtungsdaten Bestätigung zu finden.

Das kosmologische Prinzip führt allerdings unter Annahme einiger Kosmologien zum olbersschen Paradoxon, so dass es nur mit bestimmten Kosmologien, wie etwa der Urknalltheorie konsistent ist.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kosmologisches_Prinzip

Dann möchte ich mit Zitaten des PDFs von Herrn Prof. Jai-Chan Hwang weitermachen:
Einstein assumed homogeneity and isotropy of
space, and thus of the matter distribution, merely
for the sake of mathematical simplicity
. Notice that
this is an assumption not based on what was
observed. Perhaps Einstein did not expect that this
simple working assumption would have become a
basic principle in cosmology in future development.

In fact, the basic tenet of physics is that the laws
of physics we know are valid always and
everywhere. Thus, advocating the universality of
the laws of physics reminds us sort of the
cosmological principle; this belief in universality is
in general not testable.
Theoretically, without the cosmological principle,
physical cosmology becomes mathematically too
complicated to handle, and this practical difficulty
might have an important role in accepting this simple
assumption.
Martin Rees has mentioned that
“principles in cosmology have often connoted
assumptions unsupported by evidence, but without
which the subject can make no progress.”
The real problem is that the cosmological principle,
which is merely our own assumption, gives a strong
constraint on our perspective towards the Universe;
as a consequence, it has a significant impact on the
interpretation of observed results, and even on the
observational strategy.
In fact, this has determined
our present cosmological worldview. Remarkable
examples are episodes concerning the expansion
model, the dark matter, and the dark energy
interpretations.
http://kor.kias.re.kr/etc_img/bbs_file/ ... 031551.pdf
Das Paper wurde hier schon vorgestellt: http://abenteuer-universum.de/bb/viewto ... &start=102

Als nächstes möchte ich eine kleine Geschichte erzählen:
Es ist Nacht. Ein Mann kriecht unter dem Schein einer Straßenlaterne und scheint irgendetwas zu suchen.
Da kommt ein zweiter Mann dazu und fragt: "Was machen sie denn da?"
"Ich habe meinen Schlüssel verloren. Den suche ich." antwortet der erste Mann.
Der zweite Mann hift daraufhin beim Suchen und so suchen die beiden eine Weile gemeinsam nach dem Schlüssel.
Irgendwann fragt er: "Sagen sie mal, sind sie sicher, dass sie den Schlüssel hier verloren haben?"
"Nein, es könnte auch sein, dass ich ihn da drüben verloren habe, wo es dunkel ist, aber hier kann ich besser sehen" antwortet der.
Worauf ich hinaus will:
Wir neigen sehr dazu die Dinge möglichst zu vereinfachen, weil wir sie dann besser handhaben können (z.B. mathematisch).
Messtechnisch sind uns auch Grenzen gesetzt: Wir können erstens unmöglich alles beobachten (das hat schon finanzielle Gründe), müssen uns bei der Erforschung der Welt also einen Fokus setzen und können zweitens aus technischer Sicht auch nicht alles messen, was wir gerne messen würden und haben zudem unterschiedliche, oft unbefriedigende Genauigkeiten bei verschiedenen Messmethoden.

Schon gibt es Leute, die vermuten, dass die Welt komplett mathematisch sei... vielleicht nur deshalb, weil sie unter dem hellen Schein der Mathematik stehen und so natürlich nur das sehen und finden können, was diese beleuchtet...
Jedenfalls besteht die Gefahr, dass wir ein falsches Bild der Welt erhalten, wenn wir das, was einfach -oder einfach zugänglich ist höher bewerten als den Rest.
Kurz gesagt: "Eine Theorie soll nicht vornehmlich einfach sein, sondern wahr!"

Aber zurück zur Kosmologie:

Tom hat schon angeschnitten, dass es noch mehr Ansätze gibt:
TomS hat geschrieben:Das kosmologische Prinzip ist kein absolutes Prinzip (wie z.B. Energieerhaltung, c als Grenzgeschwindigkeit, ...) sondern lediglich eine Annahme, die auf geeignet großen Skalen in sehr guter Näherung erfüllt sein sollte. Die ART gilt unabhängig von diesem Prinzip! Das kosmologische Prinzip dient lediglich dazu, einfache und zugleich realistische Lösungen zu finden. Es gibt auch andere Lösungen der Gleichungen der ART, und diese werden auch intensiv untersucht, z.B.
- Taub-Nut-Spacetime
- Mixmaster Universe
- Swiss-Cheese Model
Es wäre für mich interessant dazu mehr zu erfahren. Außerdem wäre es interessant zu wissen, was ihr vom kosmologischen Prinzip haltet?

Beste Grüße
seeker
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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von Skeltek » 19. Mai 2012, 00:41

Du meinst, daß auf 100 mio Lichtjahre das Dichtegefälle minimal wird? (wegen dark flow usw)
Sollten alle Stricke reißen, kann man doch die 100 mio Lichtjahre durch den Hubbleradius ersetzen? Alles dahinter ist für uns ohnehin erstmal nicht existent.
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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von seeker » 19. Mai 2012, 08:33

Ich denke im Moment eher an nicht-lineare Zusammenhänge.
Daran denkt (so wie ich das Paper verstanden habe) auch Herr Hwang. Nur: Was meint er damit genau?
Das kosmologische Prinzip ist sehr einfach. Vielleicht ist die Natur etwas komplizierter als uns lieb ist?
Wir dürfen uns von dem, was einfach erscheint oder einfach zu berechnen ist nicht zu sehr verführen lassen.
Da ist Vorsicht angesagt.

Denk mal an deine eigene Signatur:
"Die plausibelste Erklaerung jedes hinreichend komplizierten Systems ist falsch" :wink:

Grüße
seeker
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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von tomS » 21. Mai 2012, 07:04

Neben dem kosmologischen Prinzip, dass nämlich auf großen Skalen Fluktuationen vernachlässigbar werden, halte ich eine auf immer größeren Strukturen fraktale Struktur für interessant.
Gruß
Tom

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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von Timm » 21. Mai 2012, 16:02

seeker hat geschrieben: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?
Ja, die Annahme, daß es jenseits des sichtbaren Universums so weiter geht wie diesseits, ist naheliegend.

Daran wird sich nichts ändern, solange Beobachtungen dem kosmologischen Prinzip nicht widersprechen.

Gruß, Timm

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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von gravi » 21. Mai 2012, 19:59

Nach meiner Ansicht ist das kosmologische Prinzip keine strenge, übermäßig ernst zu diskutierende Regel.
Vielmehr ist es eine vereinfachende Beschreibung des Universums, wie es sich einem Beobachter darstellt: Auf großen Skalen (> 100 Mio. Lj., der typischen Distanz der Supercluster) scheint es homogen und isotrop zu sein.

Mehr muss man nach meiner Auffassung gar nicht hinein interpretieren...auf kleineren Skalen passt es sowieso nicht mehr.

Gruß
gravi
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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von tomS » 21. Mai 2012, 20:04

Natürlich diskutiert man heute auch anisotrope Modelle, insbs. da diese zu Effekten führen können, die eine kosmische Expansion ohne KK vorspiegeln.
Gruß
Tom

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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von seeker » 22. Mai 2012, 09:16

Die Annahme eines fraktalen Kosmos finde ich sehr interessant.

Ich habe dazu das hier gefunden:
http://en.wikipedia.org/wiki/Fractal_cosmology

Die sichtbare, großräumige Struktur des Universums besteht aus Voids und Filamenten - und es ist durchaus denkbar, dass sich diese Strukturen in noch größeren Strukturen fortlaufend wiederspiegeln (also damit wiederum selbstähnlich sind).

Wenn ich solche Bilder der großräumigen Struktur des Universums sehe...

Bild

... dann sieht das für mich nicht sehr homogen aus.

Es sieht eher organisch aus, fraktal.
Es gibt Ähnlichkeiten mit Kapillargefäßen im Blutkreislauf, mit Nervengeweben in einem Gehirn oder mit einem Mycel (Pilzfadennetzwerk), mit Städten, Dörfern und den dazwischenliegenden Straßennetzwerken, usw.

Wie kann das sein?

"Fraktal" bedeutet ja, dass sich Strukturen auf verschiedenen Größenskalen immer wieder wiederholen, also selbstähnlich sind.
Soweit ich weiß, braucht es zur Herausbildung solcher Strukturen normalerweise eine Rückkopplung und es braucht nicht-lineare Gleichungen (siehe z.B. "Logistische Gleichung").

Welche Ursachen könnten zu einem fraktalen Kosmos geführt haben? Wie wäre dieser begründbar? Was übernimmt die Rückkopplung? Wie funktioniert das?

Beste Grüße
seeker
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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von gravi » 22. Mai 2012, 20:22

Wenn Du dieses Bild zeigst, dann verfolge doch auch die Millennium- Simulation von Beginn an (http://abenteuer-universum.de/kosmos/urknall5.html).
Das Universum war doch zu Beginn in der Tat vollständig isotrop und homogen (und entsprach damit tatsächlich vollkommen dem kosmologischen Prinzip), doch diese verflixte Dunkle Materie konnte trotz Strahlung erste feinste Strukturen ausbilden (durch Quantenfluktuationen nehme ich an). Durch deren Wachstum und der gravitativen Beeinflussung der Materie konnten sich dann diese Fraktale immer weiter entwickeln.

Wenn man sich heute den Sloan Great Wall ansieht, muss man tatsächlich nach dem Sinn des KP fragen...

Gruß
gravi
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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von Timm » 22. Mai 2012, 20:38

gravi hat geschrieben:
Wenn man sich heute den Sloan Great Wall ansieht, muss man tatsächlich nach dem Sinn des KP fragen...
Da kann man vielleicht unterschiedlicher Meinung sein. Ich sehe den Sinn des KP's durch die Verklumpung der Materie nicht in Frage gestellt. Wenn dieses Prinzip gilt, gibt es die Verklumpung ueberall in ähnlich Weise und auf entsprechend großen Skalen bleibt es gewahrt.

Gruss, Timm

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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von seeker » 23. Mai 2012, 00:55

Um meine Intention noch mal offenzulegen:
Ich halte das kosmologische Prinzip durchaus für sinnvoll (zumindest -wie immer- vorläufig und mit aller Vorsicht).
Es ist nur so, dass ich gerne die Dinge abklopfe, um meine Überzeugungen zu prüfen.
Besonders gerne klopfe ich dabei die grundlegenden Dinge ab, da aus ihnen alles andere folgt.
Timm hat geschrieben:Ich sehe den Sinn des KP's durch die Verklumpung der Materie nicht in Frage gestellt. Wenn dieses Prinzip gilt, gibt es die Verklumpung ueberall in ähnlich Weise und auf entsprechend großen Skalen bleibt es gewahrt.
Ja und nein. Ich denke, dass das KP in einem fraktalen Universum relativiert bzw. verfeinert würde.
Ein Fraktal hat nämlich die Eigenschaft auf keiner Skala homogen zu werden: Egal wie wie groß du die Skala wählst, du siehst nie einen homogenen Nebel, sondern immer Struktur aus immer größeren Materiezusammenschlüssen und immer größeren Löchern. Damit bleibt die Homogenität nur im gerechneten, nicht-existenten Mittel gewahrt, nicht im Konkreten.

Womit die Frage nach der Berechtigung des KP einge Brisanz erreicht sind diese Worte von Herrn Hwang:
The real problem is that the cosmological principle,
which is merely our own assumption, gives a strong
constraint on our perspective towards the Universe;
as a consequence, it has a significant impact on the
interpretation of observed results, and even on the
observational strategy
. In fact, this has determined
our present cosmological worldview. Remarkable
examples are episodes concerning the expansion
model, the dark matter, and the dark energy
interpretations. Let’s examine these three cases.

The only motions allowed under the assumption of
spatial homogeneity-isotropy are the Hubble-like
(velocity proportional to distance) expansion or
contraction. We don’t even need any theory for that.
The assumption demands the result. However, current
observations only tell us that the redshift increases
roughly proportionally to the distance, and do not tell
that the redshift is due to Doppler or cosmological
expansion. In particular, in order to measure the
expansion rate, an individual observation is merely
aligned along the radial axis, ignoring any potential
dependence of the rate on the angular direction of the
object in the sky
. This is surely due to the influence of
the cosmological principle. Thus, even the
observation is performed under direct influence of the
theory. In this case, the theory is nothing more than
our assumed cosmological principle.
http://kor.kias.re.kr/etc_img/bbs_file/ ... 031551.pdf, S. 22

Selbsterfüllende Prophezeiungen möchten wir in der Wissenschaft nicht haben.
Falls er recht hat und die wenig überprüfte Annahme eines KP tatsächlich nicht nur Einfluss auf unsere Schlussfolgerungen, sondern sogar signifikanten Einfluss darauf hat, was wir im Universum wie beobachten, dann muss ich diese Aussagen eines Astronomieprofessors ernst nehmen.

gravi, wir müssen aufpassen. Die Millennium- Simulation ist eben nur eine Simulation.
Daher kann es ganz im Sinne von Hwang sein, dass sie nur das zeigt, was in der Grundanahme (KP) schon vorgegeben ist.

Besser wir verlassen uns auf Beobachtungen... (die scheint's auch ein fraktales Bild zeigen)
Auch da müssen wir vorsichtig sein.
So ist z.B. das berühmte Bild der Mikrowellenhintergrundstrahlung, das wir alle kennen, natürlich kein Rohdatenbild. Es wurde aufbereitet: Die Milchstraße ist herausgerechnet, die Rot- und Blauverschiebung auch (wegen unserer Relativbewegung zum Hintergrund = Annahme) und wer weiß, was sonst noch... und wie stark das durch irgendwelche Grundannahmen beeinflusst war?

Beste Grüße
seeker
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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von Timm » 23. Mai 2012, 09:34

seeker hat geschrieben: Selbsterfüllende Prophezeiungen möchten wir in der Wissenschaft nicht haben.
Falls er recht hat und die wenig überprüfte Annahme eines KP tatsächlich nicht nur Einfluss auf unsere Schlussfolgerungen, sondern sogar signifikanten Einfluss darauf hat, was wir im Universum wie beobachten, dann muss ich diese Aussagen eines Astronomieprofessors ernst nehmen.
Absolut, da bin ich bei Dir.
Ich habe mir mit das paper von Hwang noch nicht angesehen. Die Rohdaten des Mikrowellenhintergrunds liegen ja vor. Insofern wäre es naheliegend, daß er sie mit fraktalen Modellen abgleicht.

Übrigens trifft Hwang auch damit
However, current
observations only tell us that the redshift increases
roughly proportionally to the distance, and do not tell
that the redshift is due to Doppler or cosmological
expansion.
einen neuralgischen Punkt.

Es gibt eine Reihe von Kosmologen, die auf die Möglichkeit hinweisen, die Rotverschiebung entfernter Galaxien nicht als Expansion des Raums sondern als kombinierten Effekt Doppler + Gravitation zu interpretieren, darunter John Peacock, Ned Wright u.a. , also Leute von einem gewissen Rang.

Gruß, Timm

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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von gravi » 23. Mai 2012, 18:37

Die bisherigen großen Durchmusterungen zeigen ja deutliche Strukturierungen das Kosmos auf, vor allem auf großen Skalen.
Das spricht zwar nicht gegen die Isotropie - diese Strukturen wird man sicherlich von jedem Beobachtungsort im All erkennen können. Doch aber gegen die Homogenität, die eben nicht immer gewahrt bleibt.

Darüber hinaus meine ich, dass die Millennium- Simulation doch recht beeindruckend zeigt, wie sich der Kosmos mit seinen Strukturen entwickeln konnte. Klar, es ist nur eine Simulation, diese Rechnungen haben uns aber schon oft und auf vielen Gebieten Abläufe der Natur verdeutlicht.

Gruß
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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von Skeltek » 23. Mai 2012, 21:38

Auf den Größenordnungen, auf denen Leben möglich ist, wird sicherlich eine gewisse Homogenität innerhalb einiger Hubbleradien beobachtet - zumindest ein paar Milliarden Jahre lang. Wieso sollten großräumig alle Wasserstoffatome selbes Gewicht und Eigenschaften haben, wenn die Bedingungen in unserem Areal nicht weitestgehend homogen waren.
Der Beobachter kann nur die Bedingungen beobachten, die für seine Entstehung notwendig waren.
Egal ob das Universum homogen ist oder nicht, wird jeder existente Beobachter nur die Dinge in seiner Umgebung wahrnehmen können. Sollte die Umgebung notwendig sein um einen Beobachter entstehen zu lassen, so ist sein Spektrum an dem was er erkennen kann eingeschränkt.

Zunächstmal sollte geklärt werden, ob ein Beobachter in einem weitestgehend nicht homogenen Areal des Universums überhaupt entstehen kann(anderes c, nicht alle Wasserstoffteilchen gleich usw) Daß zumindest in unserer Hubblesphäre alle Teilchen gleicher Art dieselben Eigenschaften haben ist ein Indiz dafür, daß es bei der Expansion einen Mechanismus gab, der zumindest unseren Bereich des beobachtbaren "gleich gemacht" hat.
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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von gravi » 24. Mai 2012, 19:59

Ich glaube, wir sprechen hier von verschiedenen Homogenitäten. Wenn ich bzw. das kosmologische Prinzip davon sprechen, dann ist lediglich die homogene Verteilung der Materie gemeint, nicht dass c oder die Ladung des Elektrons überall gleich sind.

Sollte man aber davon ausgehen, dass diese Eigenschaften auf kosmischen Skalen inhomogen sein könnten, dann sollten wir unsere Physik/Naturgesetze besser begraben und von vorn beginnen.

Netten Gruß
gravi
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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von Skeltek » 25. Mai 2012, 02:24

gravi hat geschrieben:Ich glaube, wir sprechen hier von verschiedenen Homogenitäten. Wenn ich bzw. das kosmologische Prinzip davon sprechen, dann ist lediglich die homogene Verteilung der Materie gemeint, nicht dass c oder die Ladung des Elektrons überall gleich sind.

Sollte man aber davon ausgehen, dass diese Eigenschaften auf kosmischen Skalen inhomogen sein könnten, dann sollten wir unsere Physik/Naturgesetze besser begraben und von vorn beginnen.

Netten Gruß
gravi
Ich meinte, daß die Gleichheit aller ausflockenden Materie nach dem Urknall auf eine Gleichheit der grundlegenderen Parameter in dem Areal hinweist.
Einfache Implikation. Der Zeitpunkt und die Größe der nach dem Urknall entstandenen Teilchen war von Energiedichte, Expansionsrate usw abhängig.
Wäre Energiedichte, Expansionsrate usw in unserem Gebiet nicht gleich gewesen, wäre es möglicherweise unmöglich gewesen ... daß sich die Bedingungen für komplexes Leben entwickeln.
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  • Widersprüchlich - Dieser Satz ist falsch.

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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von pepr » 25. Mai 2012, 16:40

Ich glaube das Problem liegt allein in der Tatsache, dass wir nur das sehen, was wir sehen können und nur das messen, was wir derzeit messen können - von dem Standpunkt betrachtet, ist das kosmologische Prinzip sinnvoll.
Im Mittelalter war die Theorie der Scheibenwelt ja vielleicht auch sinnvoll und scheinbar richtig und genau auf so einer Scheibe stehen und diskutieren wir gerade.
Interessant wird es eigentlich erst, wenn wir über diese Scheibe hinausdenken.
Also von meiner Sicht aus ist das kosmologische Prinzip nicht sinnvoll und kann nur einen kleinen Teilaspekt abdecken.
Bin mal auf Helmuts Antwort gespannt...

Gruß,
Peter

HelmutHansen
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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von HelmutHansen » 26. Mai 2012, 09:11

Lieber Peter,

hier meine Antwort:

Das kosmologische Prinzip besagt in seiner regulären Fassung u.a., dass das Universum für jeden Beobachter unabhängig von dem Punkt des Raumes, in dem er sich befindet, gleich aussieht.

Dieses Prinzip wird in den meisten Fällen so gedeutet, dass das Universum keinen erkennbaren Mittelpunkt hat.

Ich bin hingegen davon überzeugt, dass jeder Punkt Mittelpunkt ist. Dies ist nicht a priori eine unnatürliche Annahme. Sie ist sinnvoll ausprechbar, wenn man die Existenz eines unendlich großen Universums annimmt. In einem unendlich großen Raum ist jeder Punkt Mittelpunkt.

Meines Erachtens liefert diese Annahme die überzeugendste Lösung für das unheimliche, erwartungswidrige Phänomen der EXPANSION des Universums, denn dieses Phänomen ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass sich Jeder Punkt des Universums als Mittelpunkt der Expansion betrachten lässt.

Was ist damit sagen will, ist: Das kosmologische Prinzip wird in den meisten Fällen in der kosmologischen Theorieentwicklung als "ontologische Negativmatrize" verwendet, während ich der Überzeugung bin, dass wir besser damit fahren, wenn wir sie als "ontologische Positivmatrize" verwenden. Statt die Aussage - Kein Punkt des Universums ist kosmologisch ausgezeichnet - ist es möglicherweise interessanter die Aussage - Jeder Punkt des Universums ist kosmologisch ausgezeichnet - zu untersuchen.

Wenn man über diese Metapher aus der Fotografie - von Negativ- versus Positivmatrize - ein wenig intensiver nachdenkt, dann erkennt man sofort, das diese beiden Matrizen in gewissen Bereichen experimentell ununterscheidbar sein werden.

Um mögliche experimentelle Unterschiede herauszuarbeiten, ist es daher sicherlich interessant, intensiver darüber nachzudenken, wie die Theorieentwicklung durch die Negativmatrize bestimmt wird und wie sie durch die Positivmatrize bestimmt wird.

Allgemein lässt sich feststellen, dass die Negativmatrize eine nach innen gewendete Sicht ist, während die Positivmatrize den Versuch darstellt, über den Tellerrand des Universums hinauszublicken...

So weit ein paar Überlegungen zum kosmologischen Prinzip.

Gruss
Helmut

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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von tomS » 26. Mai 2012, 10:30

HelmutHansen hat geschrieben:Das kosmologische Prinzip besagt in seiner regulären Fassung u.a., dass das Universum für jeden Beobachter unabhängig von dem Punkt des Raumes, in dem er sich befindet, gleich aussieht.
Das ist eine wichtige Feststellung - denn sie lässt neben dem homogenen und isotropen Modell in gewisser Weise auch eine fraktale Struktur zu!
Gruß
Tom

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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von Skeltek » 26. Mai 2012, 11:40

Für mich sind auch Areale vorstellbar, die eine zu große Dichte hatten, um ihren EH aufzulösen und seit "vor dem Urknall" in einem SL-ähnlichen Zustand vorliegen; ähnlich dem, der bei der SL Bildung durch Brill-Wellen vorliegt.
Möglicherweise sind diese "geschlossenen Hubblesphären" wie ich sie jetzt mal nennen will so dünn gesäht wie ein Stern in einem Void und schon in nur wenigen Milliarden Hubblesphären Entfernung spürt man schon fast nichts mehr davon...
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HelmutHansen
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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von HelmutHansen » 26. Mai 2012, 11:44

Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass das kosmologische Prinzip, so wie es üblicherweise vertreten ist, ebenso erkenntnisstiftend ist wie ein als "ontologische Positivmatrize" interpretiertes. Dass das Universum eine fraktale Struktur hat, halte ich daher für eine durchaus wahrscheinliche Annahme, weil ich glaube, dass es sich bei der fundamentalen Raum-Zeit-Struktur um ein geometrisch selbstähnliches Gebilde handelt. Es ist daher durchaus denkbar, dass sich diese Selbstähnlichkeit auch auf kosmischen Skalen zu erkennen gibt.

Gruss Helmut

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seeker
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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von seeker » 26. Mai 2012, 13:07

HelmutHansen hat geschrieben:Dieses Prinzip wird in den meisten Fällen so gedeutet, dass das Universum keinen erkennbaren Mittelpunkt hat.

Ich bin hingegen davon überzeugt, dass jeder Punkt Mittelpunkt ist. Dies ist nicht a priori eine unnatürliche Annahme. Sie ist sinnvoll ausprechbar, wenn man die Existenz eines unendlich großen Universums annimmt. In einem unendlich großen Raum ist jeder Punkt Mittelpunkt.
Das ist völlig klar. Man kann praktisch immer "das Innere nach außen stülpen". Insofern sind "Nichts" und "Alles" genauso identisch wie "kein Punkt" und "alle Punkte".
Ein unendlich großes Universum muss man dazu gar nicht annehmen. Man kann diese Frage offen lassen.
Ein begrenztes, symmetrisch-geschlossenes, aber endliches Universum (z.B. analog einer Kugeloberfläche) genügt der Bedingung genauso.
HelmutHansen hat geschrieben:Meines Erachtens liefert diese Annahme die überzeugendste Lösung für das unheimliche, erwartungswidrige Phänomen der EXPANSION des Universums, denn dieses Phänomen ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass sich Jeder Punkt des Universums als Mittelpunkt der Expansion betrachten lässt.
Gewissermaßen ist es ja so:
Wenn man dem Urknallmodell folgt, dann hatten wir im Anfang einen Punkt bzw. praktisch punktförmigen Bereich. Das heutige, große Universum ist nun nicht dadurch entstanden, dass sich dieser Punkt in viele Punkte aufgespalten hätte, die sich voneinander wegbewegt haben, sondern dadurch, dass sich dieser eine Punkt zur heutigen Größe des Universums ausgedehnt hat.
(Das ist etwas völlig anderes!)
Wenn wir heute Raumpunkte betrachten, dann betrachten wir gewissermaßen Punkte in diesem Ur-Punkt, die daher logischerweise alle "Mittelpunkt" sein müssen und gleichzeitig auch nicht - es kommt auf die Perspektive an. Gleichzeitig sind alle diese Punkte von der Außenperspektive her sogar identisch.
HelmutHansen hat geschrieben:Was ist damit sagen will, ist: Das kosmologische Prinzip wird in den meisten Fällen in der kosmologischen Theorieentwicklung als "ontologische Negativmatrize" verwendet, während ich der Überzeugung bin, dass wir besser damit fahren, wenn wir sie als "ontologische Positivmatrize" verwenden. Statt die Aussage - Kein Punkt des Universums ist kosmologisch ausgezeichnet - ist es möglicherweise interessanter die Aussage - Jeder Punkt des Universums ist kosmologisch ausgezeichnet - zu untersuchen.
Keine Ahnung. Wie? Im Allgemeinen halte ich es für das Beste, wenn man in solchen Fällen beide Perspektiven verfolgt und sie anschließend "zusammenbringt".


Beste Grüße
seeker
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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von HelmutHansen » 29. Mai 2012, 10:11

seeker:

Vielen Dank für die klärende Perspektive. Wissenschaft lebt vom Dialog - und diese Tradition finde ich hier bei Euch - in Eurem Forum - auf eine schöne Weise verwirklicht. Ich habe hier mittlerweile viele unschätzbare Anregungen erfahren, trotz meiner manchmal sehr unbequemen Ideen.

In diesem Sinne möchte ich Dir eine höchst unbequeme Antwort auf Deine Frage nach dem WIE geben.

Nikolaus von Kues hat die von ihm beschriebene Koinzidenz des Kleinsten und des Größten im Sinne des kosmologischen Prinzips gedeutet: Er sah in dieser Koinzidenzfigur den Sachverhalt beschrieben, dass der Mittelpunkt des Universums überall und sein Rand nirgends sei, weil beides im Einen zugleich seinen Ursprung habe, denn das Eine sei gerade dadurch beschrieben, dass es überall und nirgendwo zugleich sei.

Es ist daher kein Zufall, dass moderne Kosmologen wie Dierck-Ekkehard Liebscher in ihren Lehrbüchern (Kosmologie, Heidelberg 1994) Nikolaus von Kues für einen der Urväter des kosmologischen Prinzips halten (ebenda Kap. 1.3, S. 5).

Was sie jedoch bislang übersehen haben, ist auch hier der Umstand, dass die Koinzidenz des Kleinsten und des Größten eine empirische Vorhersage einschließt: Sie verweist mit ihrer Aussage auf die Existenz ganz spezifischer Grenzbedingungen, die allem Anschein nach innerhalb unseres Universums empirisch realisiert sind - zumindest näherungsweise.

Wenn man diese Aussage vorbehaltlich für wahr hält, dann impliziert diese Aussage zwangsläufig auch eine empirische Begründung des kosmologischen Prinzips.Sie sagt uns, dass wir, um zu erfahren, ob das kosmologische Prinzip innerhalb unseres Universum Geltung hat, die Grenzen desselben aufzusuchen haben.

Bei diesem diesem Verweis auf die Grenzen des Universums handelt es sich meines Erachtens - mit Blick auf das kosmologische Prinzip - nicht um einen irrlichternden Einzelfall, hier zeigt vielmehr etwas Exemplarisches: Es teilt uns mit, dass die wesentlichen Bestimmungen des Universums hier - an seinem äußersten Rand - zu suchen sind. Das ist die diesem Verweis innewohnende Botschaft.

Hinter ihr verbirgt sich ein allgemeines Prinzip, welches man in ähnlicher Weise verwenden kann wie wir heute das Relativitätsprinzip verwenden: Es beschreibt im Detail, welche Bedingungen ein Universum erfüllen muss,damit sein eigentlicher und ultimativer Grund in keiner Gleichung auftaucht. Ich nenne es, wie schon a.a.O. erwähnt, das "Prinzip der radikalen Nicht-Dualität".

So seltsam unvertraut sich die mit diesem Prinzip ausgesprochene Forderung auch zunächst anhören mag, sie ist von der mit dem speziellen Relativitätsprinzip ausgesprochenen Forderung gar nicht so verschieden: Wenn das Einstein'sche Prinzip fundamentale Gültigkeit haben soll, dann darf die Idee eines Äthers niemals in irgendeinem fundamentalen Gesetz auftauchen.

Diese Forderung zeigt, dass die beiden Prinzipien mit Blick auf die Formulierung der Naturgesetze keineswegs so verschieden sind, wie es auf den ersten Blick aufsieht. Beide Prinzipien erweisen - wenn auch auf ihre jeweils eigene Weise - dem Einen ihre Referenz.

Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass das spezielle Relativitätsprinzip - mit gewissen Einschränkungen - eine seitenverkehrte, aber physikalisch getreue Ansicht der auf dem Einen gründenden Wirklichkeit liefert. Mit anderen Worten: Die SRT ist möglicherweise deswegen so außerordentlich erfolgreich, weil sie in Gestalt ihres speziellen Relativitätsprinzips tiefe Wurzeln im Absoluten selbst hat.

Herzlichst
Helmut

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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von seeker » 30. Mai 2012, 10:38

Das mag ja alles sein. Ich weiß nur nicht, wie das weiterhelfen kann.

"Weiterhelfen" bedeutet für mich:
Wie kann man daraus eine mathematische Theorie formulieren?

Laut meinem Postulat (man kann alles "herumdrehen", "umstülpen") müsste im Prinzip auch die RT umgekehrt formuliert werden können.
Nur: Wie könnte so etwas aussehen?

Man könnte versuchen die "Außenperspektive" zum Universum einzunehmen (wie sieht das Universum von einem gedachten Außerhalb-Beobachtungspunkt "von außen" aus?) und die Dinge aus dieser Perspektive heraus zu beschreiben. Dies ergäbe in gewisser Weise eine absoltue bzw. "allumfassende" (im besten Sinne des Wortes "All") Perspektive.
Nur: Wie soll das gehen? Ich habe keine Ahnung. Wir kennen ja noch nicht einmal die Topologie des Universums.

Zu bedenken wäre noch eines:
Wenn ein Ding (Theorie) vollständig symmetrisch ist, dann (und nur dann) führt die "Umstülpung" zu einer genau identischen Beschreibung (und damit zu keinen weiteren Erkenntnissen), wenn nicht führt sie zu einer negativen Beschreibung, die zusammen (in Kombination) mit der positiven Beschreibung zu neuen Erkenntnissen führt.

Beispiel:
Ich betrachte eine Kugelsphäre, die innen wie außen weiß sein soll.
Von außen betrachtet beschreibe ich dieses Ding als eine weiße Kugel (nicht als Kugelsphäre!).
Wenn ich nun umstülpe (das Innere nach außen kehre), dann erhalte ich genau dasselbe: Meine Beschreibung sagt immer noch, dass da eine weiße Kugel ist.

Ich betrachte nun eine 2. Kugelsphäre, die außen weiß, aber innen schwarz sein soll.
Von außen betrachtet beschreibe ich dieses Ding wieder als eine weiße Kugel.
Wenn ich diesmal umstülpe, dann erhalte ich nicht dasselbe: Meine neue Beschreibung sagt diesmal, dass da eine schwarze Kugel ist!

Interessant hierbei:
Für eine vollständige Beschreibung muss ich hier beide Perspektiven kennen, falls (und nur falls!), die Sphäre innen schwarz ist.
Falls die Sphäre innen auch weiß ist, erhalte ich auch ohne Umstülpung ein vollständiges Bild der Wirklichkeit.
Problem: Welche Farbe die Sphäre innen hat kann ich a priori (ohne Umstülpung) nicht wissen.

Grundsätzliche Problematik hierbei:
Eine sich aus einer Umstülpung ergebende sinnvolle Formulierung ist (zumindest aus praktischen Gründen) nicht immer möglich.
OB und WIE es möglich ist, kann man dabei natürlich nur herausfinden, wenn man es auch versucht - das ist wahr.


Beste Grüße
seeker
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Re: Ist das kosmologische Prinzip sinnvoll?

Beitrag von HelmutHansen » 30. Mai 2012, 13:07

Ich habe zu dem Thema "AUSSENPERSPEKTIVE" natürlich eigene Auffassungen, die ich bereits in dem Thread "Weltformel, Metaphysik und Physik" dargelegt habe. Wie diese Aussenperspektive aussieht, wenn sie metaphysisch begründet ist, ist vielleicht in und mit den dort geschilderten Beiträgen deutlich geworden.

Ich werden mich daher darauf beschränken, Deinem Beitrag ein paar Hinweise hinzufügen, die Du (und vielleicht auch andere Forumsteilnehmer) interessant finden.

Interessant ist sicherlich, dass der von Dir schematisch geschilderte Prozess der Umstülpung - wie Du sicherlich weißt - die Brutstätte allgemeiner philosophischer Spekulation bereits hinter sich hat. Er ist u.a. von dem jungen Kosmologen Martin Bojowald aufgegriffen und zu einem zentralen Thema seiner kosmologischen Analysen gemacht worden.

In seinem Buch "Zurück vor den Urknall" hat Bojowald geschildert, wie er diesen Prozess als kosmologisch relevant hat identifizieren können. Er berichtet darüber, dass der eigentliche Durchbruch dadurch erzielt worden sei, als er erkannte, dass es nicht nur ein diskretes Spektrum aller möglichen Volumina gab, sondern dass es für jeden Wert des Volumens zwei Zustände gab, was ihm zunächst rätselhaft erschienen sei.

Doch es gab, wie er erkannte, eine klare und weitreichende Erklärung hierfür: Nicht nur das Volumen kennzeichnete einen Zustand, sondern auch die Orientierung. So erwiesen sich ein Raum und dessen in sich gestülptes Ebenbild als voneinander unterscheidbar. In zwei Raumdimensionen könne man sich dies wie ein Ballon vorstellen, der auf zwei Arten auf eine bestimmte Größe aufgeblasen werden könne: Mit oder ohne vorherigem Umstülppunkt.

Bojowald interessierte sich natürlich in besonderer Weise für die dynamische Entwicklung von Räumen mit Umstülppunkt. Dabei sei ihm aufgefallen, dass man die Menge aller Volumina anstatt sie als Zwillingspaar zweier einseitig positiver Achsen zu betrachten, welche in der Singularität starteten, auch als eine Achse positiver und negativer Zahlen anordnen konnte, bei der die singuläre Null nicht am Rande, sondern in der Mitte zu liegen kam. Man hatte es dann nicht mehr mit zwei getrennten Entwicklungsleitern zu tun, sondern mit einer einzigen, die sich durch die Singularität hindurch erstreckte.

Wie dieser Textauszug aus Bojowald's Buch zeigt, sind die von Dir geschilderten Überlegungen bereits Gegenstand intensiver physikalischer Begriffsbildung. An anderer Stelle verweist Bojowald dann auch auf eine entsprechende Gleichung, die mittlerweile in vielen wissenschaftlichen Arbeiten verwendet würde. Sie beschreibt in allgemeiner Form, wie die Dynamik eines sich umstülpenden Raumes aussieht.

Wesentlich scheint mir zu sein, dass sich - diesen Gleichungen zufolge - die singuläre Null gerade in der Mitte und nicht am Rand befindet.

Gruss
Helmut

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