Timm hat geschrieben:"Viel tiefere Regeln?" Möglicherweise meinst Du damit ein fundamentaleres Naturgesetz. Allerdings sollte man von einem solchen erwarten, daß es die bekannten Naturgesetze beinhaltet, so, wie etwa die ART die newtonsche Gravitation als Grenzfall enthält.
Nein, genau das meine ich nicht. Ich erwäge die Möglichkeit, dass die uns erscheinenden, also durch Messungen+Schlussfolgerungen erschließbaren und belegbaren Naturgesetze möglicherweise bereits emergente Phänomene sein könnten - das ist ein bedeutender Unterschied.
Emergenz:
Emergenz ist die spontane Herausbildung von neuen Eigenschaften oder Strukturen auf der Makroebene eines Systems infolge des Zusammenspiels seiner Elemente. Dabei lassen sich die emergenten Eigenschaften des Systems nicht – oder jedenfalls nicht offensichtlich – auf Eigenschaften der Elemente zurückführen, die diese isoliert aufweisen.
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Irreduzibilität
Manche emergente Eigenschaften können dann bei einer reduktionistischen Betrachtungsweise nicht entdeckt werden, wenn sie erst im Zusammenwirken mit anderen Subsystemen auftreten. (Im Beispiel des Wolfes kann Sozialverhalten erst dann untersucht werden, wenn die Gemeinschaft der Mitglieder eines Wolfsrudels beobachtet wird.) Es ist in manchen Fällen möglich, bestimmte Elemente oder Wirkzusammenhänge zu ändern oder gar zu eliminieren, ohne dass sich bestimmte emergente Eigenschaften des Systems verändern, während andere sich sehr wohl ändern können. Beispiel: Die Fahrtüchtigkeit eines Autofahrers hängt nicht von der Farbe der Sitzbezüge ab, wohl aber von der Innenraumtemperatur bei Sonneneinstrahlung.
Ob also bestimmte Elemente oder Wirkzusammenhänge reduzibel sind, hängt davon ab, wie essentiell oder bedeutend sie für die Ausbildung der emergenten Eigenschaft sind.
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Emergenz ist grundsätzlich in einer schwachen und einer starken Form denkbar. Die schwache Form der Emergenz entspricht einer nur vorläufigen Nichterklärbarkeit emergenter Systeme auf der Grundlage der Beschreibung ihrer Elemente. Dagegen wird bei der starken Form von einigen Philosophen und Naturwissenschaftlern wie beispielsweise Philip W. Anderson[5], Robert B. Laughlin[6] oder Stuart Kauffman[7] auch die prinzipielle Nichterklärbarkeit angenommen.
Wobei ich zugegebenermaßen die Auffassung vertrete, dass es "starke Emergenz" gibt.
Außerdem würde ich auch so weit gehen, die Nichtentdeckbarkeit bestimmter Eigenschaften im Einzelteil in diesem Falle als Nichtexistenz im Einzelteil zu interpretieren.
Letztlich abgeschlossen ist sind diese Fragen allerdings noch nicht.
http://de.wikipedia.org/wiki/Emergenz
Ich möchte zunächst noch über Zusammenhänge zu Toms Frage nachdenken:
Was ist die Natur der Naturgesetze?
Falls es einen Anfang des Universums gab, sehe ich folgende Möglichkeiten:
1. Es gab die grundlegenden Konstanten und Naturgesetze bzw. Regeln schon im Anfang. Diese Regeln bilden auf nicht-emergente, also gewöhnliche Art die Grundlage der uns bekannten Naturgesetze und Konstanten.
In diesem Fall wären sie absolut und unveränderlich.
Daher dürfen wir nur hoffen diese Regeln möglichst komplett zu finden und auf die ursprünglichsten zu reduzieren. Eine Erklärung für diese Regeln selbst bleibt uns in diesem Fall für immer verschlossen.
2. Es gab im Anfang absolute unveränderliche Regeln, die in einem emergenten Prozess die darauf aufbauenden Naturgesetze bildeten.
In diesem Fall haben würde es sehr viel schwieriger oder gar unmöglich die wirklich grundlegenden Regeln zu finden. Wir müssten uns möglicherweise mit dem Auffinden der erkennbaren emergenten Regeln begnügen. Möglicherweise könnte dies auch das Finden einer ToE verhindern - jedenfalls auf rein reduktionistischem Weg.
3. Es gab im Anfang weniger Regeln, andere Regeln oder gar keine Regeln.
Über diese Möglichkeit möchte ich weiter nachdenken - sie erscheint mir faszinierend und neu!
Folgende Fragen stellen sich mir:
1. Könnte es sein, dass die Regeln des Universums selbst eine Art Evolution durchgemacht haben? Welcher Mechanismus könnte so etwas analog zu Mutation/Selektion bewerkstelligen?
2. Vergessen wir doch einmal die Raumzeit und das alles, wenn wir den Urknall betrachten und betrachten nur die Regeln selbst: Wenn wir dies tun: Ist es vorstellbar, dass ein Universum aus etwas entsteht, das vorher völlig regellos war? Kann aus einem völlig regellosen Urzustand etwas voller Regeln entstehen - und wie? Ich meine dabei wirklich völlig ohne Regeln, also auch keine QM-Unschärferegeln, keine ART - gar nichts! Der Anfang wäre in diesem Falle auch nicht mehr ein Anfang der Raumzeit oder Energie, sondern ein Anfang der Regeln. Dieser Ansatz erscheint mir grundlegender und abstrakter - deshalb gefällt er mir...
Ein Indiz für diese Sichtweise scheint mir folgendes zu sein: Wenn man ins Allerkleinste, Allereinfachste hinabsteigt, scheinen mehr und mehr Regeln verloren zu gehen. Die Unschärfe ist ein gutes Beispiel dafür: Sie bedeutet im Grunde ein teilweises Fehlen von Regeln, die im Makrokosmos gegeben sind. Es fragt sich: Wenn man noch weiter hinabsteigen könnte, würden dann auch die verbleibenden Regeln der QM verschwinden, bis nichts bliebe?
Dazu lässt sich festhalten:
Ein Zustand völlig ohne Regeln, ein vollständiges Chaos, wäre etwas, dem wir gewöhnlich und aus unserer Sicht das Etikett "Nichts" oder "Nichtexistent" geben würden.
Gleichzeitig wäre ein solcher Zustand zwingend voll von unendlichen Möglichkeiten. Ja, nicht nur sehr viele, sondern wirklich unendlich viele! Würde nun in einem solchen Zustand eine Regel auftauchen, indem eine der Möglichkeiten verwirklicht wird - vielleicht zufällig, vielleicht sonstwie - dann würde das erstens die restlichen Möglichkeiten verringern und zweitens sofort eine Symmetrie erzeugen.
Was aber m. E. nötig wäre:
Jede Möglichkeit, die zu einer Regel wird müsste stabil sein - stabil in dem Sinne, dass das System danach nicht sofort wieder in den Urzustand zurückfällt oder etwas Unsinniges herauskommt. Jede stabile Regel dürfte sich dann weiterentwickeln, indem weitere Regeln hinzutreten.
Ich frage mich:
Ließe sich so etwas mathematisch in einem Rechner simulieren? Was sind die einfachsten denkbaren Regeln?
Ist die einfachste Regel: "Es sei ein Würfel und es werde gewürfelt!"?
Man müsste das Ganze nur laufen lassen und dabei die Ergebnisse herausfiltern, die dem unsrigen Universum mehr und mehr ähnlich werden und die Sackgassen verwerfen.
Ob wir bei Erfolg am Ende die Lösung des Rechners noch verstehen könnten steht dabei natürlich auf einem anderen Blatt...
Ich glaube dieses Vorgehen müsste doch im Grunde eine Alternative darstellen, zu dem Vorgehen, wie wir heute unsere Theorien entwickeln - eine radikal andere Vorgehensweise.
Vielleicht bräuchte es dafür auch einen neuen Einstein - ich weiß es nicht...
Viele Grüße
seeker