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Ein neuer AGN-Typ?

Schwarze Löcher, wohl die mysteriösesten Objekte im All: Entstehung, Geometrie, Dynamik, Quantenaspekte
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Ein neuer AGN-Typ?

Beitrag von Ray Light » 1. Aug 2007, 00:02

Nabend zusammen,

astronews.com brilliert mit exzellenten (eine Vokabel, die ich mir gerade aneigne :wink: ) Meldungen:

http://www.astronews.com/news/artikel/2 ... -043.shtml

Natürlich handelt es sich um eine übersetzte Meldung von der News-Site der NASA:

http://www.nasa.gov/centers/goddard/new ... alaxy.html

Worum geht's?

Es geht bei diesen Meldungen darum, dass ein neuer Typ aktiver Galaxien entdeckt worden sei. Das hat mich zunächst aufgeschreckt, aber letztendlich sind diese stark absorbierten Kerne von Galaxien schon länger bekannt. Dennoch ist das eine tolle Meldung, weil neue Beobachtungsmethoden angewandt wurden, nämlich eine kombinierte Kampagne mit den Teleskopen Suzaku (Japan: JAXA) und Swift (USA: NASA).

Warum ist das nicht so neu?

Nun, zunächst erschien das nun bei den Astrophysical Journal Letters (ApJL) publizierte Werk schon im Juni auf arXiv.org :wink:

http://arxiv.org/abs/0706.1168

Außerdem kann man indirekt aus dem beobachteten Röntgenhintergrund auf eine verborgene AGN-Population schließen (das war übrigens gerade ein zentrales Thema in meinem Vortrag am Space Telecope Science Institute im April).

Das aktuelle Papier zu dieser Methode ist:

http://arxiv.org/abs/0704.1376


Warum sind die AGN verborgen?

AGN sind ja laut einem gängigem Modell umhüllt von Staub, der sich (sehr wahrscheinlich) in einem Schlauch anordnet. Dieses Gebilde heißt Staubtorus. Man muss sich das vorstellen, wie einen dicken LKW-Reifen, in dessen Zentrum der helle AGN, also das Materie verschlingende Schwarze Loch sitzt.

Sieht der Astronom von oben in die Mitte des Schlauchs, so kann er den hellen AGN erblicken. Das nennt man AGN Typ-1.

Sieht der Astronom von der Seite auf den Schlauchs, so kann er nicht ohne weiteres den hellen AGN erblicken (nur die Strahlung, die es noch durch den Schlauch schafft). Das nennt man AGN Typ-2.

Der angeblich neu entdeckte Typ stellt nun einen Extremfall dar. Der Staub ist so dicht im Schlauch gepackt bzw. der Staubschlauch ist so groß, dass fast alle Strahlung verloren geht.

Im Bereich der Röntgenstrahlung gestaltet es sich so, dass der energiearme, 'weiche' Teil der Röntgenstrahlung vom Staub 'verschluckt wird'. Anders gesagt: der neue AGN-Typ hat ein hartes Röntgenspektrum.

Im Fachjargon heißen die 'neuen' AGN-Typen Compton-thick AGN oder highly absorbed AGN.



Was hat das mit Schwarzen Löchern zu tun?

Nun, die Forenprofis hier wissen längst, dass aktive Galaxien (= AGN, d.h. Quasare, Blazare, Seyfertgalaxien etc.) nichts anderes sind, als superschwere Schwarze Löcher, die fleißig Materie aufsammeln.

Ein Auffinden und ein Verständnis dieser verborgenen, aktiven Galaxien hilft somit das kosmologische Wachstum der Schwarzen Löcher und die kosmologische Entwicklung der Galaxien nachzuzeichnen. In letzter Konsequenz verstehen wir dann auch etwas von der Herkunft der Galaxien, der Milchstraße, der Sonne, der Erde und uns selbst.

Es ist ein brandaktuelles Thema der AGN-Physik und Kosmologie!

Gruß,
Ray
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Beitrag von wilfried » 5. Aug 2007, 10:05

Tag Ray

danke für diese Info. Deine Post zeigte mal wieder wie häufig eine Nachricht von einem Journal ins nächste transport wird.

Hmm.. ich bin nur mal wieder verwundert darüber, dass man zwangsneurotisch von Klassen spricht und eine Seyfert mit einem Staubring als neue Klasse definieren will. Ich denke mal dass diese AGN, wie D ja auch sagst die gleiche Erscheinung darstellen. Eventuell hat das eher mit Altrung dieser AGNs zu tun. Eventuell sind AGNs mit dickem Staubringen junge Objekte und diese ohne den Staubing alte AGNs, die ihre Umgebung bereits "verbraucht" haben.

So vermute ich das.

Netten Gruß

Wilfried
Die Symmetrie ist der entscheidende Ansatz Dinge zu verstehen:
-rot E - dB / (c dt) = (4 pi k ) / c
rot B - dE/ / (c dt) = (4 pi j ) / c
div B = 4 pi rho_m
div E = 4 pi rho_e

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Beitrag von Ray Light » 6. Aug 2007, 17:50

Hallo zusammen.

Hier noch ein paar Kommentare auf Dein Posting, Wilfried.

Die Einteilung der AGN in Klassen ist historisch bedingt. Die Astronomen haben im Zuge ihrer Beobachtungen aktive Galaxien entdeckt, die einen mit diesen, die anderen mit jenen Eigenschaften. Solchen mit gleichen Eigenschaften hat man Namen gegeben: nach Entdecker oder nach Eigenschaften, z.B. Seyfertgalaxien, Markariangalaxien, radiolaute Quasare, Quasistellare Objekte, Narrow-Line Seyfertgalaxien, LINERs, Blazare, BL-Lac-Objekte uvm.

Schließlich sind die Astronomen darauf gekommen, dass man diese Vielfalt mit einem einzigen Modell mehr oder weniger gut erklären kann. Dieses heißt AGN-Standardmodell oder AGN-Paradigma. Die erste dieser so genannten Unifikationsmodelle waren rein geometrisch, weil man die Vielfalt nur durch eine unterschiedliche Aufsicht auf die AGN erklärt hat (Antonucci 1993, Urry & Padovani 1995).

Mittlerweile hat man herausgefunden, dass das allein nicht reicht. Wie Du richtig vermutest, Wilfried, entwickeln sich die AGN. Die Leuchtkraft variiert im Lauf der Zeit, weil sich z.B. die Akkretionsrate auf das zentrale Loch ändert. Staub bildet sich neu durch Rote Riesen, die ihn in das interstellare Medium der Galaxie blasen etc. Explodierende Sterne treiben das ganze Material aus der galaktischen Ebene heraus und sorgen für eine Durchmischung.

Der Staub in der Umgebung des AGN kann aber auch "weggefegt" werden, falls die Leuchtkraft des AGN besonders groß ist. Solche Entwicklungseffekte werden von den rein geometrischen Modellen nicht erklärt. Es gibt neuerdings auf der Grundlage von Röntgenbeobachtungen Evidenzen für solche Entwicklungseffekte (Ueda et al. 2003, Hasinger et al. 2005). Das macht die Modellierung der AGN komplizierter, weil es abhängig wird von der kosmologischen Rotverschiebung.

Den von Dir beschriebenen Effekt des Verbrauchens von Material in der Umgebung gibt es insofern, dass der AGN dann kein Futter mehr bekommt und daher erlischt. Dieser Effekt erklärt, weshalb AGN nicht in der unmittelbar kosmischen Umgebung zu finden sind, sondern eher weiter weg sind: da gab es einfach genug Futter innerhalb der Wirtsgalaxie. Die nahen Galaxien hingegen sind nicht mehr aktiv, weil die zentralen, superschweren Löcher hungern. Im Fachjargon heißen sie "schlafende Schwarze Löcher" (dormant black holes) und befinden sich beispielsweise im Zentrum unserer eigenen Galaxie und der Andromedagalaxie.



Gruß,
Ray
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Beitrag von Ray Light » 8. Aug 2007, 17:32

Hallo zusammen,

passend zum Thema erschien heute eine wissenschaftliche Publikation von mir und Hasinger

http://arxiv.org/abs/0708.0942

In Abbildung 9 zeigt die schwarze Linie gerade den Beitrag des "neuen AGN-Typs" (Compton-thick AGN) zu dem insgesamt gemessenen Röntgenhintergrund (violette Kurve).

Gruß,
Ray
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Beitrag von gravi » 8. Aug 2007, 18:41

Vielen Dank für den Link, ich habe mir das Papier gleich heruntergeladen.

Superarbeit und gut verständlich und obendrein noch höchst informativ! :D

Wir sind uns einig, dass bei allen AGN stets ein Schwarzes Loch der Motor ist.
Ich frage mich jedoch, ob überhaupt eine Einteilung in Klassen sinnvoll ist.
Kriterien wie Masse des SL's, Masse, Größe, Zusammensetzung und Dichte der Akkretionsscheibe bzw. des Staubtorus sowie vor allem der Blickwinkel, unter dem die AGN's erscheinen sind sicherlich nicht genau abzugrenzen, wir haben es mit fließenden Übergängen zu tun.

Die Einteilung in Typ 1 und 2 ist ja noch verständlich, doch auch beim Blickwinkel sind alle Variationen zwischen 0 und 90° möglich - meine ich.

Gruß
gravi
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Beitrag von Ray Light » 9. Aug 2007, 14:07

Hallo gravi,

besten Dank für die lobenden Worte.

Die Benennung in verschiedene Typen ist wie gesagt historisch bedingt. Sie hat meines Erachtens den Vorteil, dass man weiß, wovon man spricht und schon einige Parameter des AGN unmittelbar am Namen erkennt (so heißt Blazar = Beobachter schaut in den Jet).

Vor allem bei den Seyfertgalaxien spricht man auch von intermediären Typen zwischen Typ-1 und Typ-2, z.B eine Seyfertgalaxie Typ-1.8.

Die Dezimalstelle kann man sich aus dem Kosinus dem Inklinationswinkel i ausrechnen gemäß Typ-(2-cos i), wobei die Inklination 0° direkte Sicht entlang der Symmetrieachse des AGN sei (face-on) und 90° eine Sicht auf die Kante der galaktischen Ebene bzw. Äquatorialebene des AGN sei (edge-on).

Gruß,
Ray
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Beitrag von gravi » 9. Aug 2007, 18:46

So betrachtet erscheint die Einteilung dann doch im sinnvollen Licht.

Vor allem die Benennung der Seyfert- Galaxien ist sehr einleuchtend, das war mir gar nicht geläufig. Vielen Dank für die Aufklärung!

Tja, so ist das im Leben:
Man wird alt wie 'ne Kuh
und lernt immer noch dazu :wink:

Gruß
gravi
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Beitrag von Ray Light » 9. Aug 2007, 19:32

Was habe ich gelacht! :D

Eine Assoziation zu Kühen hatte ich gerade in der Abteilung "Kosmologie" beim Thema "Quantenkosmologie".

So. Muss jetzt in den Stall.

Frohes Grasen,
Ray
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Beitrag von gravi » 9. Aug 2007, 19:47

Gerade fällt mir ein, dass ich in diesem Zusammenhang noch ein Frage stellen wollte:

In der aktuellen Spektrum steht in einem Artikel über die SN 2006gy, dass aus Sternen bis 140 Sonnenmassen Neutronensterne entstehen und solche mit mehr als 260 SM zum Schwarzen Loch kollabieren.

Das kommt mir doch etwas merkwürdig vor.
Gibt es bezüglich der Massenobergrenzen neue Erkenntnisse? Meines Wissens kollabieren Sternzentren mit mehr als ~3 SM bereits zu SL's, der Stern muss dann so um etwa 10 SM schwer sein. Und die erreichbare Massenobergrenze liegt "in der Norm" bei ca. 120 Sonnenmassen.

Es ist eigentlich nur denkbar, dass solch massereiche Sterne in extrem metallarmen Gaswolken entstehen, im jungen Universum waren solche "Boliden" ja an der Tagesordnung. Ich denke, der Redakteur hat sich vielleicht etwas unglücklich ausgedrückt??

Noch etwas: Was ist von der Theorie der Paarinstabilität (Fowler/Hoyle) zu halten? Sorry, ich werde hier etwas sehr speziell, doch es interessiert mich. Demnach sollen aus dem im Zentrum freigesetzten Gammaphotonen Elekton-Positronpaare gebildet werden, weshalb nun der Strahlungsdruck fort fällt und das Zentrum kollabiert. Der Stern soll dann in einer thermonuklearen Explosion völlig zerfetzt werden.
1. Auf welchem Mechanismus soll das beruhen?
2. Müssen wir jetzt die SL's abschreiben :wink:

Gruß
gravi
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Beitrag von gravi » 10. Aug 2007, 19:33

Nachträglich muss ich auch ein wenig über den "Kuh- Gag" schmunzeln - da hatten wohl zwei einen ähnlichen Gedanken :wink:

Bleibt nur die Hoffnung, dass dieses Forum nicht zu agrarökonomischen Themen ausufert. Nachher diskutieren wir hier noch über Ackerzucht und Viehbau! Das ist zwar auch alles Sternenstaub, sogar essbarer und nicht so unverdaulich wie Schwarze Löcher, doch schlage ich vor, wir bleiben lieber bei letzteren :peace:

Schönen Gruß und ein solches Wochenende
gravi
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Beitrag von gravi » 15. Aug 2007, 19:45

Inzwischen habe ich mich ein wenig schlauer gemacht - die SL's bleiben uns erhalten :wink:

Doch der Mechanismus der Paarinstabilität ist mir noch nicht ganz klar. Für ein paar klärende Worte wäre ich dankbar...

Gruß
gravi
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Beitrag von Ray Light » 16. Aug 2007, 00:20

Lieber Werner,

bitte entschuldige die Wartezeit auf eine Antwort – Deine Erinnerung kam zur rechten Zeit.

Die "Hausnummern", die Du und Spektrum genannt haben, basieren auf Simulationen von Heger & Woosley (2002). Das sind theoretische Astrophysiker in Santa Cruz, Californien und anerkannte Experten für Sternentwicklung und Sternexplosionen.

Eine wichtige Arbeit (~270mal zitiert!) dieser Autoren ist Heger & Woosley, ApJ 567, 532, 2002, die hier erhältlich ist

http://arxiv.org/abs/astro-ph/0107037

Eine sehr gelungene Darstellung der Simulationsergebnisse ist auf Seite 17 die Abbildung 2 in diesem Papier. Hier sieht man direkt, was aus einem Stern bestimmter Anfangsmasse (initial mass, IM) wird und welche Endmasse (final mass, FM) das Überbleibsel hat. Deshalb stellt dieses Diagramm die so genannte Initial-Final Mass Function (IFMF) dar.

Bezogen auf Deine Frage finden wir hier bestätigt, dass Sterne mit Anfangsmassen
- weniger als 10 Sonnenmassen als Weiße Zwerge enden,
- zwischen 8 und 25 Sonnenmassen in einer Supernova Typ II als Neutronensterne enden,
- zwischen 25 und 140 Sonnenmassen zu einem stellaren Schwarzen Loch werden,
- zwischen 140 und 260 Sonnenmassen in einer Paarinstabilitäts-Supernova (PISN) völlig zerrissen werden – ohne Relikt!
- ab 260 Sonnenmassen wieder als Schwarzes Loch enden.

Die Aussage, dass aus Sternen bis 140 Sonnenmassen Neutronensterne entstehen sollen (wie Du wohl in Spektrum gelesen hast), ist also im Rahmen von des Heger-Woosley-Modells nicht haltbar; hingegen stimmt es, dass ab 260 Sonnenmassen Schwarze Löcher entstehen.

Die Schwierigkeit bei den Massenangaben besteht darin, dass klar sein muss, wovon die Rede ist: Meint die Masse die Ausgangsmasse, die kollabierende Masse, die Endmasse? Das stiftet einerseits Verwirrung und andererseits hat die Angabe von Ausgangsmassen der Sterne die Problematik, dass sich der Stern ja entwickelt und so beispielsweise viel Masse in Form von Sternwinden verlieren kann.

Du hast nun insofern Recht, Werner, dass aus einer kollabierenden Masse (z.B. ein SternKERN) von mehr als etwa drei Sonnenmassen ein Schwarzes Loch wird.

Du hast auch Recht bei den erreichbaren Massenobergrenzen von 120 Sonnenmassen, wenn Du damit "späte Sterne" meinst, also Sterne der Population I und mit hoher Metallizität (z.B. Eta Carinae in der Milchstraße). Die metallarmen Sterne der ersten Generation (Pop III) waren jedoch mit einigen hundert bis tausend Sonnenmassen deutlich massereicher. Sie leben in einer Rotverschiebungsepoche von z ~ 15...30.

Wichtig: Die Simulationen von Heger & Woosley (2002) enthalten eine vereinfachte Physik: Es handelt sich um nicht rotierende Sterne und um Sterne mit Metallizität null – beides gilt i.A. nicht für Sterne wie z.B. der Sonne. Weiterhin können in den Simulationen komplexere Netzwerke für die kernphysikalischen Reaktionen eingebaut werden.
Soll heißen: bei den "Hausnummern" besteht noch Spielraum. (Bis auf das PISN-Massenregime, das von der Physik her wenig Spielraum lässt und somit allgemein anerkannt ist.) Die Theoretiker sind sich dieser Vereinfachungen bewusst, und es gibt mittlerweile Veröffentlichungen, die Rotation der Sterne und auch Magnetfelder berücksichtigen, z.B. Heger, Woosley & Spruit, ApJ 626, 350, 2005.

Zur Paarinstabilität habe ich einen knappen Abschnitt „Paarinstabilitäts-Supernovae“ geschrieben unter

http://www.mpe.mpg.de/~amueller/lexdt_s09.html#sn

Falls Du hier noch mehr ins Detail gehen möchtest, sollten wir uns eines der Pionierpapiere zu diesem Thema aus den 1960ern vorknöpfen, z.B. Barkat, Rakavy & Sack (1967). Letztendlich ist das eine kernphysikalische Frage, ob Temperatur und Dichte des Milieus die Erzeugung von e+e- - Paaren zulassen.

Konkret zu Deinen beiden Fragen:
1. Der PISN-Mechanismus beruht auf dem explosiven Brennen von Sauerstoff und Silizium in einem durch die plötzlich erzeugten Paare kollabierenden Stern.
2. Wir können bislang nicht auf Schwarze Löcher verzichten.

Sehr empfehlenswert ist übrigens die Website von Alex Heger, einem noch recht jungen Theoretiker, der bereits Professor ist:

http://www.ucolick.org/~alex/

Bei ihm finden wir u.a. so genannte Kippenhahn-Diagramme, die die Sternstruktur inklusive Brennzyklen als Funktion der Zeit darstellen

http://www.ucolick.org/~alex/stellarevo ... xplain.gif

Gruß,
Ray
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Beitrag von gravi » 16. Aug 2007, 19:30

Lieber Ray,

besten Dank für diese ausführliche Erläuterung und die interessanten Links!

Das hilft mir in meinem Verständnis sehr viel weiter. Ein wenig Wartezeit macht dabei natürlich überhaupt nichts! :wink:

Abschließend (vorerst) nur noch: Ist es denn möglich, dass heute (unter heute verstehe ich jetzt +/- ein paar Millionen Jahre) noch so metallarme Sterne gebildet werden können, dass sie solch extreme Massen annehmen können? Eigentlich sollten die Metalle doch schon allein durch die ersten Sterngenerationen hübsch gleichmäßig "in alle Winde" zerstreut worden sein.
Doch es muss wohl doch möglich gewesen sein, sonst hätten wir die SN 2006gy nicht beobachten können...

...und wenn ich es recht verstanden habe, laufen also beim Paarinstabilitätsprozess zum Schluss im Kern die Fusionen noch munter ab, durch die Entstehung der Teilchen/Antiteilchenpaare fällt jetzt aber ein Teil des stützenden Strahlungsdrucks weg, der Kern wird quasi "weich", der Stern schrumpft und die Reaktionen laufen nun so schnell, dass der ganze Stern wie bei der Kettenreaktion einer A- Bombe zerrissen wird.

Nochmals besten Dank, ich werde mal alles sorgfältig studieren.
Macht echt Spaß hier! :verygood:

Schöne Grüße
gravi
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Beitrag von Ray Light » 16. Aug 2007, 20:21

Lieber Werner,

ich halte es für unwahrscheinlich, dass massereiche, derart metallarme Sterne im lokalen Kosmos existieren können, weil sie durch ihre Masse und Leuchtkraft oder schlussendlich durch eine ungewöhnliche Explosion auffallen sollten. Wie Du schreibst, sorgt die Durchmischung des interstellaren Mediums (getrieben vor allem durch Supernovae, marginal auch durch starke Sternenwinde und Jets) dafür, dass metallarme Regionen verschwinden. Aber wer weiß schon, welche Überraschungen uns das Universum bereit hält. . .

Die (Typ II-)Supernova SN 2006gy stellt wohl ein Rätsel dar: sie ist deutlich leuchtkräftiger (eine Magnitude) als gewöhnliche SN Typ II. Das PISN-Szenario passt eigentlich nicht zu dieser SN, weil die Vorläufersterne der PISN deutlich massereicher sind, als die Masse, die man für den Vorläufer in SN 2006gy bestimmt hat.

Die Entfernung von SN 2006gy ist zwar hoch, aber mit z ~ 0.02 (70 Mpc) noch klar im linearen Regime des Hubble-Gesetzes. In diesen Epochen ist die mittlere Metallizität schon sehr hoch, so dass ein extrem massereicher Stern à la PopIII sich hier nicht mehr bilden kann (besagt die konventionelle Sternphysik).

Eine Klärung im Fall von SN 2006gy könnte die Beobachtung eines Relikts herbeiführen: Gibt es da vielleicht einen Neutronenstern, ein Schwarzes Loch oder doch nichts?

Genau, die physikalischen Vorgänge bei der PISN hast Du richtig umrissen.

Gruß,
Ray
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Beitrag von Ray Light » 16. Aug 2007, 21:47

PS:

Unser Flehen und Fragen wurde erhört: heute haben ein paar Forscher ein Papier auf arXiv veröffentlicht, dass zu unserer Diskussion passt, wie die Faust auf's Auge:

http://arxiv.org/abs/0708.1970

Kurz gesagt legen deren Ergebnisse nahe, dass PISN (oder PCSN = Pair creation supernovae, wie sie es nennen) auch bei deutlich höheren Metallizitäten passieren könnten, als die Standardstellarphysik besagt, nämlich auch bei ~0.3 solaren Metallizitäten.

Diese Zahl bedeutet, dass von 1000 SN im lokalen Kosmos eine PISN dabei wäre.
Das würde auch Raum lassen, dass SN 2006gy durch eine PISN erklärt werden kann.

Wir sind am Puls der aktuellen Forschung, Werner :-)

Gute Nacht,
Ray
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Beitrag von gravi » 17. Aug 2007, 18:48

Lieber Andreas,

nochmal muss ich mich recht herzlich bedanken für die Informationen.
Das ist aber auch ein derart interessantes Thema!

Einiges hatte ich inzwischen schon recherchiert, aber noch keine Aussage darüber gefunden, weshalb sich überhaupt noch ein so metallarmer Stern bilden kann.

Mir ist jetzt aber vieles deutlich klarer geworden.

Entschuldigen muss ich mich, dass ich sooo vom eigentlichen Thema abgewichen bin. Besser hätte ich einen neuen thread aufgemacht - sorry.
Aber passiert ist passiert :wink:

Schönes Wochenende allerseits,

gravi
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Beitrag von gravi » 17. Aug 2007, 18:57

P.S.:
Das Papier passt in der Tat wie die Faust aufs Auge! :lol:

Herrlich!!!

Gruß
gravi
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