Abwärtskausalität
Verfasst: 26. Jan 2019, 13:44
Dies hier ist ein Ableger aus dem Thread "Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität - Komplexität".
viewtopic.php?f=65&t=4106&start=200
Die Frage nach der Kausalität entwickelte sich im dortigen Themenkomplex zu einem zentralen Argument bzw. Streitpunkt, das m. E. besser in einem eigenen Thread erörtert werden sollte.
Worum es geht:
Zentrales, traditionelles Paradigma in gewissen Bereichen der Naturwissenschaften, insbesondere im 'harten Kern der Physik', ist das Prinzip der starken Aufwärtskausalität. D.h., die Anschauung bzw. Überzeugung, dass Makroprozesse im Prinzip immer, überall und vollständig durch die darunterliegenden Mikroprozesse kausal festgelegt sind, dass Makroprozesse in Wirklichkeit 'nichts anderes' als die Gesamtheit ihrer Mikroprozesse sind, d.h., dass die Kausalkette immer, ausschließlich und vollständig von unten nach oben hin wirkt, wobei die Mikroprozesse vollständig durch die bekannten physikalischen Naturgesetze festgelegt sind.
Erste leichte Einschränkungen und Informationen zu dieser Sicht findet man auch hier:
https://www.leifiphysik.de/waermelehre/ ... ausalitaet
https://www.spektrum.de/lexikon/physik/kausalitaet/7841
Hier soll ein alternativer Ansatz vorgestellt und erörtert werden, die Möglichkeit der Abwärtskausalität:
https://de.wikipedia.org/wiki/Abw%C3%A4 ... lit%C3%A4t.
Ich beginne dazu mit einem Paper von George Ellis.
Professor Ellis ist ein renommierter Mathematiker, Kosmologe und Komplexitätsforscher.
https://de.wikipedia.org/wiki/George_F._R._Ellis
Recognising Top-Down Causation
https://arxiv.org/abs/1212.2275
https://arxiv.org/ftp/arxiv/papers/1212/1212.2275.pdf
Es gibt dazu auch einen interessanten Vortrag von Ellis, als Youtube-Video (beides leider nur auf englisch):
On the Nature of Causality in Complex Systems, George F.R. Ellis
https://www.youtube.com/watch?v=nEhTkF3eG8Q
Viele Argumente die man dort findet, habe ich auch schon in dem anderen Thread angeschnitten, hier findet man sie in konzentrierter und strukturierter und umfassenderer Form.
Diese Argumente bzw. diese Sichtweise haben für mich bes. in ihrer Gesamtheit einiges an Überzeugungskraft, genug um mich ernsthaft zum Nachdenken zu bringen.
Es wurde an anderer Stelle auch schon gefragt, was es denn sei, was mir/uns an der "eisernen Kausalität" denn so wiederstrebt?
Das kann ich beantworten:
Es scheint mir am Ende eine sehr verengte Sichtweise zu sein, die man sogar verdächtigen kann verknöcherte, fundamentalistische Züge zu tragen - und die vor allen Dingen -wie mir scheint- unter Umständen sogar in der Lage sein kann uns am weiteren Vorankommen in den Wissenschaften zu hindern, indem sie uns den Blick verstellt.
Wesentlich ist für mich:
Falls sich das mit der Abwärtskausalität als tragfähig und allgemein überzeugend herausstellen würde, dann ergäbe sich daraus ein neues, erweitertes Paradigma. Und so etwas wäre natürlich außerordentlich weitreichend.
Und falls das obige Paper noch nicht reichen sollte, um zum Nachdenken anzuregen und Zweifel zu sähen, dann noch das hier:
Quantifying causal emergence shows that macro can beat micro
https://www.pnas.org/content/pnas/110/49/19790.full.pdf
Hier haben wir es mit einem mathematisch formulierten, quantitativ-messbaren, falsifizierbaren Programm zu tun!
Hier noch ein Paper von Auletta, Ellis und Jaeger:
Top-down causation by information control: from a philosophical problem to a scientific research programme
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3226993/
Hier noch etwas Allgemeinverständlicheres:
Ist die Realität mehr als die Summe ihrer Teile?
https://www.spektrum.de/news/emergente- ... le/1534295
Ich hoffe, damit wird wenigstens klar, dass es sich hier nicht um Esoterik oder Unwissenschaftlichkeit oder Unlogik oder Ignoranz oder emotionale Abneigungen oder dergleichen handelt oder um etwas, worauf es keine Hinweise gibt, sondern um etwas Handfestes, das man nicht so einfach vom Tisch schieben kann und das sehr interessant sein kann.
Allerdings erfordert es wohl eine angestrengte und unvoreingenommene Offenheit und Bereitschaft die Dinge auch einmal von anderer Warte zu betrachten. Die Überschrift von Ellis' Paper ist gut gewählt: "Erkennen der Top-Down-Kausalität", d.h., man kann es aus dem anderen Paradigma heraus gar nicht sehen, erkennen, es ist zuerst ein gedanklicher Sprung notwendig, man muss erst einmal lernen, wie man es erkennen kann. Für den Biologen oder biologisch Vorgebildeten mag das sehr viel leichter und natürlicher gehen als für manch andere, das ist klar.
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Die Frage nach der Kausalität entwickelte sich im dortigen Themenkomplex zu einem zentralen Argument bzw. Streitpunkt, das m. E. besser in einem eigenen Thread erörtert werden sollte.
Worum es geht:
Zentrales, traditionelles Paradigma in gewissen Bereichen der Naturwissenschaften, insbesondere im 'harten Kern der Physik', ist das Prinzip der starken Aufwärtskausalität. D.h., die Anschauung bzw. Überzeugung, dass Makroprozesse im Prinzip immer, überall und vollständig durch die darunterliegenden Mikroprozesse kausal festgelegt sind, dass Makroprozesse in Wirklichkeit 'nichts anderes' als die Gesamtheit ihrer Mikroprozesse sind, d.h., dass die Kausalkette immer, ausschließlich und vollständig von unten nach oben hin wirkt, wobei die Mikroprozesse vollständig durch die bekannten physikalischen Naturgesetze festgelegt sind.
Erste leichte Einschränkungen und Informationen zu dieser Sicht findet man auch hier:
https://www.leifiphysik.de/waermelehre/ ... ausalitaet
https://www.spektrum.de/lexikon/physik/kausalitaet/7841
Hier soll ein alternativer Ansatz vorgestellt und erörtert werden, die Möglichkeit der Abwärtskausalität:
https://de.wikipedia.org/wiki/Abw%C3%A4 ... lit%C3%A4t.
Ich beginne dazu mit einem Paper von George Ellis.
Professor Ellis ist ein renommierter Mathematiker, Kosmologe und Komplexitätsforscher.
https://de.wikipedia.org/wiki/George_F._R._Ellis
Recognising Top-Down Causation
https://arxiv.org/abs/1212.2275
https://arxiv.org/ftp/arxiv/papers/1212/1212.2275.pdf
Es gibt dazu auch einen interessanten Vortrag von Ellis, als Youtube-Video (beides leider nur auf englisch):
On the Nature of Causality in Complex Systems, George F.R. Ellis
https://www.youtube.com/watch?v=nEhTkF3eG8Q
Viele Argumente die man dort findet, habe ich auch schon in dem anderen Thread angeschnitten, hier findet man sie in konzentrierter und strukturierter und umfassenderer Form.
Diese Argumente bzw. diese Sichtweise haben für mich bes. in ihrer Gesamtheit einiges an Überzeugungskraft, genug um mich ernsthaft zum Nachdenken zu bringen.
Es wurde an anderer Stelle auch schon gefragt, was es denn sei, was mir/uns an der "eisernen Kausalität" denn so wiederstrebt?
Das kann ich beantworten:
Es scheint mir am Ende eine sehr verengte Sichtweise zu sein, die man sogar verdächtigen kann verknöcherte, fundamentalistische Züge zu tragen - und die vor allen Dingen -wie mir scheint- unter Umständen sogar in der Lage sein kann uns am weiteren Vorankommen in den Wissenschaften zu hindern, indem sie uns den Blick verstellt.
Wesentlich ist für mich:
Falls sich das mit der Abwärtskausalität als tragfähig und allgemein überzeugend herausstellen würde, dann ergäbe sich daraus ein neues, erweitertes Paradigma. Und so etwas wäre natürlich außerordentlich weitreichend.
Und falls das obige Paper noch nicht reichen sollte, um zum Nachdenken anzuregen und Zweifel zu sähen, dann noch das hier:
Quantifying causal emergence shows that macro can beat micro
https://www.pnas.org/content/pnas/110/49/19790.full.pdf
Hier haben wir es mit einem mathematisch formulierten, quantitativ-messbaren, falsifizierbaren Programm zu tun!
Hier noch ein Paper von Auletta, Ellis und Jaeger:
Top-down causation by information control: from a philosophical problem to a scientific research programme
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3226993/
Hier noch etwas Allgemeinverständlicheres:
Ist die Realität mehr als die Summe ihrer Teile?
https://www.spektrum.de/news/emergente- ... le/1534295
Ich hoffe, damit wird wenigstens klar, dass es sich hier nicht um Esoterik oder Unwissenschaftlichkeit oder Unlogik oder Ignoranz oder emotionale Abneigungen oder dergleichen handelt oder um etwas, worauf es keine Hinweise gibt, sondern um etwas Handfestes, das man nicht so einfach vom Tisch schieben kann und das sehr interessant sein kann.
Allerdings erfordert es wohl eine angestrengte und unvoreingenommene Offenheit und Bereitschaft die Dinge auch einmal von anderer Warte zu betrachten. Die Überschrift von Ellis' Paper ist gut gewählt: "Erkennen der Top-Down-Kausalität", d.h., man kann es aus dem anderen Paradigma heraus gar nicht sehen, erkennen, es ist zuerst ein gedanklicher Sprung notwendig, man muss erst einmal lernen, wie man es erkennen kann. Für den Biologen oder biologisch Vorgebildeten mag das sehr viel leichter und natürlicher gehen als für manch andere, das ist klar.