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Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität - Komplexität

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 22. Jan 2019, 19:52

tomS hat geschrieben:
22. Jan 2019, 19:24
Evtl. habe ich dich missverstanden. Entschuldige bitte.

Ich habe jedoch den Eindruck, dass wir nie zum Punkt kommen, weil wir immer dann, wenn es konkret werden könnte, wieder von vorne anfangen bzw. wieder diskutieren, dass alles auch ganz anders sein könnte.
Akzeptiert.
tomS hat geschrieben:
22. Jan 2019, 19:24
Ich habe nichts gegen eine alternative Sichtweise, aber ich möchte auch einmal etwas konzentriert zu Ende diskutieren und von den Ergebnissen her bewerten.
OK.
Dann los!
Grüße
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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 22. Jan 2019, 20:12

ATGC hat geschrieben:
22. Jan 2019, 19:36
Oder aber diese eingrenzenden Effekte ergeben sich über die Wechselwirkungen der Systemkomponenten untereinander, wobei die Systemkomponenten selber (auf der untersten Ebene) Teilchen sind, die vollständig über die QM determiniert sind, so dass die QM zwar auf dieser untersten Ebene in vollem Maße gültig ist, aber mit zunehmender "Entfernung" von dieser Basis das Verhalten der einzelnen Teilchen des Systems durch das System selber reguliert wird, so dass das Möglichkeitsspektrum, welches durch die QM gesetzt ist, eingeschränkt wird.

Dazu benötige ich keine neue Physik.
Vielleicht darf ich hier versuchen zu erklären helfen...

Toms Argumentation besagt folgendes:
Wenn man eine vollständig deterministische Welt zugrundelegt, dann ergibt sich daraus der Umstand, dass seit dem Urknall bzw. seit es Teilchen gibt diese vollständig durch die bekannten physikalischen Naturgesetze festgelegt sind, "in allem was sie tun", in jeder Bewegung, in jeder Zustandsänderung, einfach in allem.
Und daran ändert sich nicht das Geringste, wenn man makroskopische Vielteilchensysteme wie lebendige Systeme betrachtet, dort wird das Geschehen zwar komplizierter, folgt aber prinzipiell noch denselben Gleichungen, völlig exakt. Nichts geschieht dort, das den grundlegenden Gleichungen der Physik widerspricht, es gibt nicht den geringesten Spielraum für weitere Einschränkungen durch biologische Gesetze, weil alles schon maximal eingeschränkt ist, auch für biolog. Systeme.

Die Fragen, die sich daraus ergeben, lauten:
Wenn das so ist und wir gleichzeitig auch biologische Gesetze und Strukturen offensichtlich ausmachen können, welcher Natur sind dann diese Gesetze?
Sind das dann einfach sozusagen "sekundäre Gesetzmäßigkeiten", die man im Prinzip auf die bekannten phys. Naturgesetze zurückführen kann, die man also eigentlich gar nicht bräuchte, wenn diese Rückführung gelänge?
Und liegt es einfach an unserer Unzulänglichkeit, dass es uns offenbar nicht gelingt das zu tun? Welche Gründe liegen hier genau vor?
Was kann man dazu herausfinden und sagen?

Man kann nun die Grundannahme dieser Argumentation angreifen, aber man kann auch einfach einmal so tun als ob es so wäre und schauen was dabei herauskommt und ob es interessant ist.
Grüße
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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 22. Jan 2019, 20:50

ATGC hat geschrieben:
22. Jan 2019, 19:36
Die Ableitungen zur Supraleitung und zu klassischen physikalischen Theorien sind zwar im Rahmen der Physik interessant und relevant, aber in Bezug auf die Frage, ob und inwiefern die Biologie bzw. das Leben auf Physik reduzierbar ist ... ist das dann wohl doch eher von nachgeordneter Relevanz.
Nein, das ist sehr relevant, weil es die Art und Weise aufzeigt, wie die Physik von einer Hierarchiestufe zur nächsten gelangt, und dass dies einigen generellen Prinzipien folgt. Um diese Prinzipien geht es, und diese kann ich nur an einigen Beispielen illustrieren. Insofern ist es nicht richtig, zu meinen, dass die Emergenz von Atomkernen aus der QCD oder die Supraleitung irrelevant wären. Sie beweisen nichts, aber sie zeigen und belegen, wie Physik funktioniert, und nach welchem Prinzip auch weitere emergente Gesetzmäßigkeiten folgen können.

Tatsache ist, dass überall, wo wir (1) zugrundelegen und (2) umsetzen können, alles vollständig konsistent mit einer gewissen Lesart des Reduktionismus im Sinne vonn (1) ist, während die konkrete Art und Weise wie wir zu (2) gelangen, eine gewissen Lesart die Irreduzibilität zeigt. Dazu muss man aber mal ein funktionierendes und vollständig verstandenes Beispiel “gefressen haben”. Deswegen kann ich dir das eben leider nicht anhand der Biologie erklären - wenn ich das könnte, wäre ich erstens Biologe und hätte zweitens das Ticket nach Stockholm schon in der Tasche.
ATGC hat geschrieben:
22. Jan 2019, 19:36
Mir würden zunächst passende Literaturquellen genügen, die ich als Lektüre zu Rate ziehen kann, um mich über den konkreten Beitrag der Physik zur Klärung biologischer Fragen zu informieren.
Sorry, ich habe konkret dazu noch nichts gefunden.

Ich gebe dir mal zwei andere Beispiele:

Soziologie - Das Verhalten von Menschen - die ich hier als Black-Boxes oder evtl. auch intelligente Roboter betrachte - in einem abgeschlossenen System wie einer kleinen Insel, z.B. mit etwas Landwirtschaft:
(1) Die Interaktion zwischen Menschen sowie die Handlungen der Menschen an ihrer Umwelt basieren ausschließlich auf der Physik; insbs. die Interaktionen beruhen auf dem Austausch von Licht, Stoffen, Schallwellen usw. und den dadurch verursachten elektrochemischen Signalen.
(2) Die Wahl des Königs des Inselstaates ist mit den Gesetzen der Physik nicht erklärbar, dennoch (1) folgt jedes Atom bei der Wahl des Königs = beim Heben der Hände zur Abstimmung ausschließlich und exakt den Gesetzen der Physik.

Mathematik -
(1) Jede natürliche Zahl kann in eindeutiger Weise in Primfaktoren zerlegt werden; und umgekehrt folgt aus Primfaktoren immer eindeutig eine natürliche Zahl.
(2) Dennoch können Mathematiker heute die Theoreme für natürliche Zahlen nicht aus den Primzahlen ableiten. U.a. weiß man heute nicht, ob endlich oder unendlich viele Primzahlzwillinge existieren, obwohl eines von beiden sicher der Fall sein muss, und (1) obwohl die Antwort trivialerweise in der Struktur der Primzahlen kodiert ist.

Du siehst an diesen Beispielen, dass (1) vollständig reduzibel ist, obwohl dies bzgl. des Verständnisses bzw. der höherwertigen Gesetze im Sinne von (2) nichts beiträgt.

Im Falle der Physik können wir (1) vernünftigerweise voraussetzen sowie bei (2) prüfen, wie wir wir gegangen können. Irgendwo werden wir wohl stecken bleiben, weil wir nicht intelligent genug sind, um zu verstehen, wie wir von den Gesetzen der Hierarchiestufe N zu N+1 gelangen, selbst wenn wir N - sowie evtl. auch N+1 - vollständig verstehen. An der Art und Weise, wie wir scheitern, können wir versuchen abzuleiten, warum wir scheitern.
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von tomS » 22. Jan 2019, 20:52

Danke an seeker - auch für die Zusammenfassung meiner Intention
Gruß
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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von Job » 23. Jan 2019, 19:23

Habe ein für mich interessantes Interview mit einem Biophysiker zu dem Thema gefunden.

Vielleicht auch für Euch von Interesse.

https://www.youtube.com/watch?v=N6BMPnA0uqM


Viele Grüße
Job
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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von Skeltek » 24. Jan 2019, 02:19

Das Video geht Anfangs in die Richtung, welche ich angedeutet hatte.
Ohne jetzt den interessanten Diskurs zwischen seeker und tomS unterbrechen zu wollen das fogende nochmal als Zwischeneinschub:

Es geht letzten Endes um die Strukturbildung entlang eines Gefälles zwischen einer Quelle und einer Senke von Energie, Impuls und Entropie.
Wir können die Bildung von Strukturen zwischen den beiden möglicherweise voraussagen, wenn wir gewisse Annahmen über die Quelle und Senke annehmen. Die Fluktuationen, welche von außerhalb des Systems in dieses eindringen, sind maßgeblich am Zufall beteiligt (butterfly Effekt).
Letztlich waren eben gerade Differentiale entlang von Raumachsen dafür verantwortlich, dass es Anfangs überhaupt Fuktuationen gab, welche später zur Bildung von Strukturen im Universum führen konnten. Diese Fluktuationen verliefen aber mindestens entlang der Raumachsen, als Differentiale auf den Raumachsen (zwischen Vergangenheits- und Zukunftslichtkegel).

Diese lassen sich nicht erfassen. Hier müssen wir Annahmen über die Systemgrenzen machen, wieviel Energie/s usw ins System von Außen eindringt und wieviel wieder hinaus geht. Es ist physikalisch einfach nicht machbar, in den Bereich der unbestimmten 'Gleichzeitigkeit' hineinzusehen.
Man kann sich helfen, ein Teilareal isoliert betrachten und den Stern als vorgegebene Quelle betrachten, während eine große Kugeloberfläche drumherum als homogene Senke postuliert wird.
Trotzdem kann man unmöglich alle Parameter und Startkonditionen des Sterns erfassen, selbst wenn man alle seine Teilchen bis zum Urknall zurückverfolgen könnte -> Selbst im Urknall, wird der Bereich zwischen Vergangenheits- und Zukunftslichkegel (entlang welcher die Differentiale der Fluktuationen verlaufen) niemals Null. Entsprechend hätte man bereits damals nicht alle Parameter determinieren können um die künftige Entwicklung vorauszusehen.
Das System hatte also bereits damals einen nicht quantifizierbaren bzw nicht gleichartig gequantelten reelwertigen Anteil, welcher heute noch latent im System verborgen ist. Somit sehe ich für eine sichere Vorausberechnung, welches Phänomen sich unter vielen potentiellen Phänomenen als emergent durchsetzen wird, schwarz. Man kann eben den genauen Zustand eines Teilsystems nicht erfassen, da man die zunkünftigen reelwertigen Einflussfaktoren an den Systemgrenzen zu keinem Zeitpunkt ermitteln kann. Egal zu welchem Zeitpunkt man das System betrachtet, ist bereits vorher ein nicht gequantelt auftretender Einfluß in das System eingedrungen (Man kann nur vollständig Meßbares erfassen).

Ich würde darauf tippen, dass sowohl Tom als auch Seeker Recht haben.
Unter Kenntniss aller Parameter könnte man den Verlauf des Systems sicherlich vorausbestimmen (da aber nicht alle Werte gequantelt vorkommen und die meisten mehrdimensional sind, wäre wohl Hypercomputing notwendig, was aber physikalisch nicht realisierbar ist).
Da man unmöglich die nicht gequantelt vorkommenden Anteile akkurat bestimmen kann und diese eher reelen Funktionen für jeden Raumpunkt entsprechen statt fester Werte, ist es wohl unmöglich die Entwicklung mit absoluter Sicherheit vorauszusagen.
Irgendwo muss man bei der Erfassung der Anfangsparameter einen Cut durchführen. Vermutlich macht man den Cut kurz nach dem Urknall und nimmt für die Systemgrenzen feste Bedingungen an. Egal wo man den Cut aber durchführt (in der unmittebaren Vergangenheit oder nah beim Urknall), wird man das künftige Verhalten der Systemgrenzen (also was so alles aus der unbestimmten Zukunft ins System schwappt) als unbestätigbare Annahmen/Voraussagen in die Rechnung einfließen lassen müssen. Mit dem nicht meßbaren Anteil wird man auch leben müssen und hoffen, dass dieser keinen Einfluss auf die Entwicklung des Systems hat.

Und ich denke es ist eine Unterscheidung wichtig, was potentiell emergieren kann und was letzten Endes tatsächlich emergiert.
Unter der Annahme, dass Tom mit der Reduktion auf Physik recht hat, jedoch die Berechnung einer Prognose (in welchen Zustand das System zufällig kippt und welche Strukturen emergieren) sich als unmöglich herausstellt... dann steht immer noch die Frage im Raum, ob man grundsätzlich aus simplifizierten Anfangsbedingungen (es lässt sich nur der gequantelte und quantifizierbare Anteil des Systems determinieren) die Menge aller potentiell emergierbaren Strukturen/Systeme kategorisieren oder bestimmen kann.

Sprich: Selbst wenn man nicht vorherbestimmen oder erklären kann was sich aus einem Makrosystem für Mikrosysteme bilden, kann man dann trotzdem allgemeine Aussagen über Funktion/Effekt der Teilsysteme treffen?
Wenn ich beispielsweise bei der Evolution nicht voraussagen könnte, welche Spezies ausstirbt und welche am Leben bleibt, könnte ich doch trotzdem sagen, dass (egal wie es läuft) es weniger große Spezies als kleine geben wird, dass der Anteil der Fleischfressen kleiner sein wird als der Anteil der Pflanzenfresser, daß die Nahrungskette eher von kleinen zu großen Tieren geht, daß der Entropieumsatz pro Jahr Schwankungen unterworfen sein wird usw.
Vermutlich könnte man sogar mit fortgeschritteneren Methoden beweisen, dass sich zwangsläufig eine Form von Leben bilden muss, da sonst die inhomogene Verteilung unterschiedlicher reaktiver Materialien auf dem Planeten nicht weiter auf ein höherentropisches Niveaus zulaufen kann.
Tiere stellen ja mehr oder weniger einen Vektor da, der an einer Stelle Stoff aufnimmt und dann von bewährten Verhaltensregeln getrieben diesen Stoff woanders mit z.B. Wasser oder Zucker kombiniert. Tiere sind sozusagen ein 'Shortcut' um räumlich getrennte Materialkonzentrationen bzw potentielle Energiequellen einander nahe zu bringen oder zu kombinieren.

Um zu zeigen, was emergente Strukturen innerhalb eines Systems machen werden, ist also nicht zwangsläufig das Wissen erforderlich, welche Strukturen nun tatsächlich emergieren werden. Hier werden Funktion/Zweck der emergierenden Strukturen von vorn herein vom 'übergeordneten' System vorausbestimmt.

Wenn also der bottom-up Ansatz nach vorheriger Reduktion auf Physik scheitert, bleibt uns immer noch der Top-down Ansatz. Vielleicht verbirgt sich hier ja eine wirklich relevante zukünftige und vergangene Philosophie... man kann ein System grob als Einheit auffassen ohne genau wissen zu müssen, wie sich seine Einzelkomponenten verhalten um das wahrscheinlichste Ziel zu realisieren. Bisher haben wir es ähnlich aber auf einer vöig anderen Basis gemacht: Statt aus den irrsinnig vielen Teilchen und Einzelkomponenten eine vorausgeschätzte Wahrscheinlichkeit für das Verhalten des Gesamtsystems zu ziehen, haben wir es uns einfach gemacht und viele gleichartige Gesamtsysteme in ihrem Verhalten im Nachhinein beobachtet, um die Wahrscheinlichkeit ihres Verhaltens stochastisch zu bestimmen. Die wird aber ein böses Erwachen geben, wenn man merkt, dass die relevantesten und wichtigsten Systeme im Universum und auf unserem Planeten einmalige Mechanismen sind (nach unten hin ist ehh alles gleichartig/ähnlich/homogen geclustert, interessant für uns ist das System jedoch als Gesamtes zu betrachten bzw die makroskopischsten Aspekte zu betrachten, welche das Verhalten der Subsysteme langfristig steuern).
Die Reduktion auf Physik ist notwendig, falls man bestimmen will, in welche Richtung das System 'kippt'. (akkurat, aber sehr schwer/unmöglich)
Der Top-Down Ansatz bestimmt jedoch, welche Strukturen grundsätzlich zum Emergieren zur Auswahl stehen (einfach, aber nur grobes Raten möglich).
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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität

Beitrag von seeker » 24. Jan 2019, 08:47

@Job: Danke!

@Skeltek: Ich lese das und mache mir Gedanken dazu, möchte das aber im Moment von meiner Seite unkommentiert lassen, um den Faden aufrecht zu erhalten.

@Tom:
Ich möchte dich bitten, deinen Faden nun weiterzuverfolgen und die Dinge darzustellen, die du offenbar noch im Kopf hast, damit das hier gelingen kann:
tomS hat geschrieben:
22. Jan 2019, 19:24
ich möchte auch einmal etwas konzentriert zu Ende diskutieren und von den Ergebnissen her bewerten.
... denn ich hoffe du bemerkst, dass ich -und nicht nur ich- mit den Hufen scharre.
Es sind noch viele andere Dinge, Aspekte zu betrachten, wir sollen nun voranschreiten.
Auch ich bin dabei daran interessiert, was du aus deinem gedanklichen Ansatz heraus noch zeigen kannst, weil ich erwarte, dass das wenigstens zum Teil mindestens gelten wird.
Grüße
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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität - Komplexität

Beitrag von Job » 24. Jan 2019, 09:07

Habe noch zwei Videos, die auch keine Lösungen anbieten, aber einige Aspekte m.E. sehr plastisch hervorheben.


https://www.youtube.com/watch?v=16W7c0mb-rE

https://www.youtube.com/watch?v=QOCaacO8wus



Viele Grüße
Job
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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität - Komplexität

Beitrag von tomS » 24. Jan 2019, 17:39

ATGC hat geschrieben:
24. Jan 2019, 17:33
Es wäre ebenfalls im Rahmen der Physik erlaubt, wenn sich infolge der Muskelanspannung beim Armheben das Fleisch vom Knochen löst und nur die Muskelmasse sich nach oben bewegt, während die Skelettanteile des Armes nach wie vor unten hängen bleiben. Rein physikalisch gesehen liegt hier kein Verstoß gegen die gültigen Gesetze vor ...
aber natürlich widerspricht dies eklatant den physikalischen Gesetzen.
ATGC hat geschrieben:
24. Jan 2019, 17:33
... weil das System des lebendigen Organismus so etwas effizient verhindert.
nein, weil auf molekularer Ebene Bindungskräfte wirken.
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität - Komplexität

Beitrag von seeker » 24. Jan 2019, 19:57

Leute, können wir das nicht einmal einfach zurückstellen und wenigstens annehmen bzw. so tun, als sei es genau so, wie Tom herleitet?
Es gibt wirklich gute Gründe das so anzunehmen:

Wenn die Bewegung/Entwicklung jedes einzelnen Teilchens, aus dem ein Ganzes besteht, durch die sog. fundamentalen Naturgesetze stets vollständig und exakt festgelegt ist und das Ganze am Ende aus nichts anderem als diesen Teilchen besteht und es nicht anderes gibt, dann muss auch das Ganze genauso festgelegt sein (kurz: wenn es kein echtes Rauschen gibt). Und dann müssen auch alle "höheren Gesetze" wenigstens im Prinzip aus den fundamentalen herleitbar sein.
Das ist möglich, dass es so ist, das muss man mindestens zugeben. Und man sollte sich bemühen, diesen Argumentationsstrang erst einmal wenigstens halbwegs zu verstehen und ihm dann wenigstens ganz kurz folgen, so widerstrebend sich das auch vielleicht anfühlen könnte. Und dann kann man einfach einmal dieser Geschichte bis zum Ende zuhören und die Probleme und Alternativen, die man möglicherweise sieht, später besprechen.

Ich möchte jetzt erst einmal hören, was dann du Tom aus deiner Position (1) zu deinem (2) ausführen möchtest.

Alles andere halte ich im Moment zurück - so viel Mühe mich das auch kostet. Und glaubt mir, ich habe noch genügend Pulver, ich bin noch nicht einmal richtig warm geworden... :)
Aber ich halte es zurück, weil ich jetzt Tom's Faden erst einmal vollständig sehen will. Ewig warten will ich aber auch nicht...
Grüße
seeker


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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität - Komplexität

Beitrag von tomS » 24. Jan 2019, 22:52

Ich habe noch anderes zu tun, ihr müsst nicht warten.
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität - Komplexität

Beitrag von Skeltek » 24. Jan 2019, 23:09

Ich lese lieber bei euch mit, das ist weitaus interessanter. Hab ja genug Zeit zum Warten bis es weitergeht; hab mehr als genug anderweitig zu tun.
Meine gelegentlichen Einschübe tun mir leid - betrachtet die nur als 'read only' Nebenkommentar ohne sie in den Diskussionsfaden einzubinden.
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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität - Komplexität

Beitrag von tomS » 25. Jan 2019, 07:01

seeker hat geschrieben:
24. Jan 2019, 19:57
Wenn die Bewegung/Entwicklung jedes einzelnen Teilchens, aus dem ein Ganzes besteht, durch die sog. fundamentalen Naturgesetze stets vollständig und exakt festgelegt ist und das Ganze am Ende aus nichts anderem als diesen Teilchen besteht und es nicht anderes gibt, dann muss auch das Ganze genauso festgelegt sein (kurz: wenn es kein echtes Rauschen gibt). Und dann müssen auch alle "höheren Gesetze" wenigstens im Prinzip aus den fundamentalen herleitbar sein.
Das ist die Idee der Physik.
seeker hat geschrieben:
24. Jan 2019, 19:57
Das ist möglich, dass es so ist, das muss man mindestens zugeben. Und man sollte sich bemühen, diesen Argumentationsstrang erst einmal wenigstens halbwegs zu verstehen und ihm dann wenigstens ganz kurz folgen, so widerstrebend sich das auch vielleicht anfühlen könnte.
Ich habe noch nicht verstanden, warum es da Widerstreben gibt:
- fühlt es sich unnatürlich ab?
- darf es nicht wahr sein?
- erscheint es bei biologischen Systemen zu komplex?
- fehlt das physikalische Grundverständnis?

Ich tue mir immer noch schwer mit einer Argumentationslinie, wenn ich gegen im wesentlichen zirkuläre Schlussfolgerungen argumentieren soll.
seeker hat geschrieben:
24. Jan 2019, 19:57
Ich möchte jetzt erst einmal hören, was dann du Tom aus deiner Position (1) zu deinem (2) ausführen möchtest.
Zu (1) ist wenig zu sagen: die QM ist eine wissenschaftliche Theorie, man kann sie gerne theoretisch oder experimentell falsifizieren. Solange das nicht mal ansatzweise gelingt, gibt es wenig zu sagen.
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität - Komplexität

Beitrag von seeker » 25. Jan 2019, 07:52

tomS hat geschrieben:
25. Jan 2019, 07:01
Das ist die Idee der Physik.
Ich möchte im Moment erst einmal fragen, besonders dich ATGC:
Ist dir diese Argumentationslinie soweit klargeworden? Ohne das jetzt zu kritisieren, ist dir die logische Linie klar, wie und warum man darauf kommt, insbesondere zu der Aussage: "es gibt von den fundamentalen naturwissenschaftlichen Gesetzen her keinen Freiraum"?
tomS hat geschrieben:
25. Jan 2019, 07:01
Ich habe noch nicht verstanden, warum es da Widerstreben gibt:
- fühlt es sich unnatürlich ab?
- darf es nicht wahr sein?
- erscheint es bei biologischen Systemen zu komplex?
- fehlt das physikalische Grundverständnis?

Ich tue mir immer noch schwer mit einer Argumentationslinie, wenn ich gegen im wesentlichen zirkuläre Schlussfolgerungen argumentieren soll.
Ist mir klar, dass du das so siehst und es am Verstehen noch mangelt. Dazu sind noch einige Punkte anzuführen und näher zu beleuchten und es ist beiderseitiges angestrengtes Zuhören und vorurteilsloses Betrachten gefragt, es geht dort immerhin um Paradigmen. Das wird nicht leicht. Allgemein fehlt es m.E. noch an beidseitigem Verstehen, das muss man erst erarbeiten.

Wenn ich das jetzt gleich weiter ausführe, dann glaube ich, dann verhindere ich dies hier, weil wir dann möglicherweise wieder vom Hundertsten ins Tausendste kommen:
tomS hat geschrieben:ich möchte auch einmal etwas konzentriert zu Ende diskutieren und von den Ergebnissen her bewerten.
Dann lass uns das jetzt auch machen, würde ich sagen!
Deshalb würde ich zuerst gerne dein (2) diskutieren, unter der Voraussetzung, dass dein (1) so wahr ist.
Oder soll ich mit meinen Punkten lieber direkt weitermachen, wo es auch u.a. wieder um (1) gehen wird?
Oder soll ich dazu einen eigenen, neuen Thread aufmachen?
Wie es beliebt, sagt mir einfach, wie ihr es haben wollt?
Aber ich möchte dann jedenfalls nicht hören, dass ich Diskussionen ins Dickicht führen würde.

Noch einmal zur Wiederholung:
tomS hat geschrieben:
18. Jan 2019, 00:36
Reduzibilität sehe ich auf zwei Ebenen:
1) zum einen kann ich fragen, ob die Physik biologische Strukturen und deren Dynamik hervorbringen kann
2) und zum anderen kann ich fragen, ob wir diese Strukturen und Prozesse erkennen und verstehen können


Es kann durchaus sein, dass (1) möglich ist, während (2) scheitert. Z.B. kann es sein, dass wir nicht in der Lage sind, die Testkriterien für die Existenz lebender Organismen physikalisch zu formulieren. Insofern scheitern wir bei (2). Das bedeutet keineswegs, dass die Physik bzgl. (1) scheitert - wir sind lediglich nicht in der Lage, das zu prüfen.

Meine ganze Überlegungen läuft darauf hinaus, dass die schlichte Behauptung „Biologie ist nicht auf Physik reduzierbar“ überhaupt keine intrinsische Eigenschaft der Biologie ist, sondern eine Beschränkung unseres Verstandes.

Wenn die Physik (Quantenmechanik) die Dynamik jedes einzelnen Teilchens (quantenmechanischen Objektes) vollständig, exakt und deterministisch beschreibt, dann gilt dies nach den Regekn der Quantenmechanik auch für makroskopische Systeme: jeder Zustand, jede Form - die letztlich einer Anordnung von Teilchen (Konfiguration quantenmechanischen Objekte) entspricht, jede physikalisch irgendwie messbare Eigenschaft, jeder Prozess - an dem Teilchen (quantenmechanischen Objekte) beteiligt, ... sind muss dann zwingend diesen Gesetzen folgen; die Quantenmechanik lässt schlichtweg keinen Spielraum. Dies entspricht der Reduzibilität im Sinne von (1), d.h. die Quantenmechanik bringt die biologischen Systeme vollständig hervor.

Irreduzibilität im Sinne von (2) besagt schlicht, dass wir nicht in der Lage sind, diesen Schritt so durchzuführen, dass wir genügend Kriterien physikalisch formalisieren können, so dass wir daraus unser Verständnis von Leben zurückgewinnen.
Also, Frage an dich, Tom:
Unter Voraussetzung von deinem Standpunkt zu (1) [alles ist vollständig von unten nach oben durchdeterminiert], wie siehst du das dann mit (2), wie kann davon ausgehend eine tragfähige Brücke zu (2) gebaut werden, welche prinzipiellen Einschränkungen lassen sich ausmachen? Welche Ergebnisse und Erkenntnisse lassen sich hier gewinnen? Oder was immer du zu (2) anbringen möchtest oder als wichtig erachtest...

P.S.:
Ich möchte noch anfügen, dass in Wahrheit unsere Überzeugungen zu (1) aus (2) folgen und nicht umgekehrt. Das ist wichtig.
Deshalb kann es Sinn machen zuerst (2) zu betrachten.
Grüße
seeker


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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität - Komplexität

Beitrag von tomS » 25. Jan 2019, 09:06

seeker hat geschrieben:
25. Jan 2019, 07:52
Unter Voraussetzung von deinem Standpunkt zu (1) [alles ist vollständig von unten nach oben durchdeterminiert], wie siehst du das dann mit (2), wie kann davon ausgehend eine tragfähige Brücke zu (2) gebaut werden, welche prinzipiellen Einschränkungen lassen sich ausmachen? Welche Ergebnisse und Erkenntnisse lassen sich hier gewinnen?
ATGC hat geschrieben:
25. Jan 2019, 08:26
Die logische Linie ist mir klar. Ich lese dann mal weiter interessiert mit.
Prima.

Und ich werde sicher auch nochmal was zu (1) sagen.

seeker hat geschrieben:
25. Jan 2019, 07:52
Ich möchte noch anfügen, dass in Wahrheit unsere Überzeugungen zu (1) aus (2) folgen und nicht umgekehrt. Das ist wichtig.
Deshalb kann es Sinn machen zuerst (2) zu betrachten.
Die erste Feststellung ist sicher korrekt.

Zur zweiten Feststellung: in der Praxis arbeiten wir ja nicht so wie hier dargestellt. In der Praxis haben wir für ein (1) einen kleinen, universellen Satz von Axiomen - seit ca. 90 Jahren - die wie nutzen, um (1) und (2) für konkrete Systeme zu formulieren, diese theoretisch zu untersuchen und experimentell zu verifizieren / falsifizieren. (1) und (2) läuft dabei Hand in Hand, je nach Problemstellung mit unterschiedlichem Fokus. Bei der QCD kennen wir (1) und arbeiten seit Jahrzehnten an (2). Bei der Quantengravitation kennen wir die makroskopischen Observablen (2), jedoch ist (1) noch offen, bzgl. (2) die Rückführung auf die mikroskopischen Freiheitsgrade. Bei der Biologie ist (1) trivialerweise bekannt, jedoch für die weitere Arbeit völlig unbrauchbar; die Aufgabe besteht darin, (1) sowohl begrifflich als auch mathematisch handhabbar zu machen, d.h. Näherungen, effective theories, coarse-graining, ... zu formulieren, die einerseits praktisch funktionieren, und aus denen zudem die geeigneten makroskopisch vertrauten Begriffe bzgl. (2) hervorgehen. Die Näherung zu (1) ist ein kleiner Teil von (2).

Zusammenfassend: Die uns klassisch und insbs. aus der Biologie vertrauten Begriffe sind keine quantenmechanischen Begriffe; die Quantenmechanik beschreibt ein makroskopisches System exakt, aber sie hat zu viel Struktur, ist zu detailliert. Man muss sie also handhabbar machen, d.h. man benötigt eine vergröberte Beschreibung, die in sehr gut Näherung funktioniert - ich benötige keine Ortsauflösung im Angström-Bereich, um das Auge zu beschreiben - und zugleich soll diese vergröberte Beschreibung die biologischen Begriffe reproduzieren. Diese Begriffe, ihr Verständnis und ihre makroskopische und mathematische Modellierung muss die Biologie jedoch reinstecken; insofern liefert die Quantenmechanik die Begriffe zu (2) nicht, d.h. (2) ist in diesem Sinne irreduzibel, erlaubt jedoch prinzipiell die Formulierung der Begriffe. D.h. zusammen mit (1) sollte die Quantenmechanik zusammen mit der Intelligenz des Physikers (2) reproduzieren können; dann bin ich mit meinem Programm zufrieden.

Konkret möchte ich exemplarisch zeigen, an welchen Stellen dies heute funktioniert.
Gruß
Tom

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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität - Komplexität

Beitrag von seeker » 26. Jan 2019, 12:28

Gut soweit, danke.
Das Exemplarische, das du angekündigt hast, wäre auch interessant zu sehen.

Eine Frage:
tomS hat geschrieben:
25. Jan 2019, 09:06
Diese Begriffe, ihr Verständnis und ihre ... Modellierung muss die Biologie jedoch reinstecken
Ist das nicht immer so?

Ich möchte hier auf einen anderen Punkt noch weiter eingehen, ich brauche das als Einstimmung:

Unsere Überzeugungen zu (1) folgen aus (2)!

D.h.:

[a] Unsere Weltanschauung bildet sich in einem komplexen Prozess. Sie wird dadurch beeinflusst, was wir täglich vor der Nase haben, womit wir uns beschäftigen, auch wie man in einem Fachbreich hineinwächst, was die Lehrer und Kollegen sagen und meinen, welcher Art das vorherrschende Denken dort ist, welche eigenen Überlegungen man anstellt, welche konkreten Methoden man anwendet, mit welchen Problemen man bevorzugt konfrontiert ist, mit welchen weniger, welcher Art die Fragestellungen, Ergebnisse und Erkenntnisse sind, usw. - und nicht zuletzt welcher Art die Details sind, die man jeden Tag wahrnimmt und mitnimmt, die in einem nachwirken und die man in keinem Buch nachlesen kann.
Daraus bildet sich eine bestimmte Form im Denken und Wahrnehmen, ein Paradigma, eine Art und Weise, wie man die Welt betrachtet, also eine Perspektive auf die Welt.

Nun ist es allerdings so, dass diese Paradigmen nicht in allen Wissenschaftsdisziplinen vollständig gleich sind, was durch [a] einleuchtend erklärbar ist: Der theoretische Teilchenphysiker bildet in sich notwendig ein anderes Paradigma als der angewandt arbeitende Physiker oder der Biologe oder der Soziologe oder der Mathematiker oder der Komplexitätsforscher oder der Kulturwissenschaftler, usw.
Und es ist nicht einmal innerhalb einer Spezialdisziplin in allen Köpfen gleich, ausmachen kann man auch hier immer nur ein 'herrschendes Paradigma', also die Übereinstimmung bei einer Mehrheit der Leute in einer bestimmten Gruppe.

Wichtig dabei ist:
Egal welche Perspektive sich dabei einstellt, es IST IMMER eine Perspektive, die einen zwar gewisse Dinge klar sehen lässt, die aber auch dafür sorgen kann, dass man andere Dinge gar nicht mehr sehen kann; das Paradigma kann das verhindern, weil jedes Paradigma immer auch eine Einschränkung des Blickwinkels darstellt.

Man kann nun natürlich gleich anfangen wollen Vergleiche zu ziehen, welches Paradigma denn das bessere, tragfähigere, vernünftigere, usw. sei, aber darum geht es zunächst noch gar nicht. Erst einmal kann man festhalten und sich bewusst machen, DASS man/jeder in einem Paradigma lebt und dass die eigene Sicht daher immer eingeschränkt ist und auch, dass WIE man ein-und-dieselben Dinge sieht, notwendig vom Paradigma im eigenen Kopf abhängt.

Ich schreibe das, in der Hoffnung, damit zu einer Öffnung des Geisteshaltung beitragen zu können, für das, was ich jetzt beschlossen habe in einem eigenen Thread vorzustellen und besprechen zu wollen: Abwärtskausalität
Denn ohne Offenheit wird man das vielleicht gar nicht sehen und verstehen können, worum es dort tatsächlich geht.
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
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Re: Instabilität - Reduzibilität vs. Irreduzibilität - Komplexität

Beitrag von tomS » 28. Jan 2019, 09:53

Mir ist durch seekers neuen Thread erst so richtig klar geworden, dass wir hier zwei Themen vermischen. Ich muss das hier etwas ruhen lassen, um - im anderen Thread - besser zu verstehen, wo eure Probleme liegen.
Gruß
Tom

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