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Reichsbürger aus Sicht der Philosophie

Verfasst: 2. Feb 2018, 06:37
von Frank
Absurderweise halten sich gerade Menschen, die auf diese Weise unreif sind, oft für souveräne Selbstdenker im Sinne der Aufklärung (frei nach Immanuel Kants "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!"). Ein großes Problem unserer Zeit ist offenbar – und das betrifft nicht nur Reichsbürger – der Umgang mit ausgewachsenen Menschen, die glauben, zu denken wie Erwachsene, in Wirklichkeit aber denken wie kleine Kinder.
http://www.spektrum.de/kolumne/der-denk ... er/1537515

Das gilt meiner Meinung nach nicht nur für oben beschriebene Klientel, sondern ist für mich die wahre Geißel des 21.Jahrhunderts. Zu sehen auf Facebook, in den Kommentarspalten von YouTube, oder einfach überall in den sozialen Medien.
ist das nun einfach nur eine vorübergehende Zeitgeist Erscheinung, oder war der Mensch schon immer so und die Digitalisierung hat es nur ans Licht gebracht.
Ich sehe immer öfter Menschen, die sich unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit, Kant zitieren, aber sich aufführen wie Vorschulkinder.
da gebe ich dem Autor recht.

Re: Reichsbürger aus Sicht der Philosophie

Verfasst: 2. Feb 2018, 21:11
von Pippen
Tja, und wer entscheidet, dass es die Reichsbürger sind, die glauben zu denken, wie Erwachsene, in Wirklichkeit aber denken wie kleiner Kinder, und nicht vielmehr ihrer Gegnerschaft diese Attribute zukommen? Man kann problemlos argumentieren, dass der Staat viel zu viel in den Privatbereich seiner Bürger eingreift und die Grundrechte nichts weiter als verschleierte Tautologien sind. Man kann sicherlich auch argumentieren, dass der deutsche Staat gar kein richtiger Staat ist, dazu sind die juristischen Grundlagen ohnehin völlig nebulös und die Entstehungsgeschichte der BRD nach dem verlorenen Weltkriegs Dtschlds. alles andere als unkompliziert. Ich halte das schlicht für reine Propaganda...und nein, ich bin kein Reichsbürger. :)

Re: Reichsbürger aus Sicht der Philosophie

Verfasst: 3. Feb 2018, 01:41
von Skeltek
Hatte gestern etwas dazu geschrieben aber es dann im Zweifel doch sein lassen. Mir gefallen solche Artikel nicht, weil sie versuchen ein Klischee aufzubauen und zu verstärken. Das gab es doch schon oft in der Geschichte:
Die ultrarechten Punkts in der DDR, die keine Arbeit haben, alles nur kaputt schlagen wollen und außer Drogen, Prostitution und Alkohol nichts im Kopf haben.
Die Faschisten, die sich in den 30er Jahren als Studenten getarnt deutsche Staatsgeheimnisse verraten und Hochverat begehen indem sie den deutschen Staat zerstören wollen und nebenher auf angeblich geheime Aufrüstung&Kriegspläne aufmerksam machen.
Die Weltverschwörungs-Spinner, die sich Zinnfolienhütchenaufsetzen und behaupten USA sei nur wegen dem Öl im Irak.
Die Linken, die die Demokratie stürzen wollen, auf G20 randalieren, grundsätzlich arbeitslos sind und möglicherweise auch noch behaupten die soziale Gerechtigkeit sei gefährdet
und und und alles schon mal gelesen und gesehen.
Die 'Reichsbürger', die ihr Grundstück zum Staat erklären und womöglich noch behaupten, Deutschland habe keine selbstbestimmte Verfassung und sei seit dem zweiten Weltkrieg nur noch fest in der Hand pro-amerikanischer Lobyisten.

Das ist reine Stimmungsmache. Es gibt/gab durchaus fähige und intelligente Leute, die auf gewisse Mißstände im Zusammenhang mit der fehlenden Verfassung und ähnlichem aufmerksam gemacht hatten; inzwischen wird nur noch über eine Randgruppe von rechten Trittbrettfahrern berichtet, die das mal irgendwo als fixe Idee aufgeschnappt hatten und jetzt ihr Grundstück zum echten deutschen Staat erklären. Letzten Endes legitimiert sich jeder Staat selbst, Leute die eigentlich gar nicht mitmachen wollen werden systematisch als Bedrohung angesehen oder sogar überwacht, Nichtwähler grundsätzlich zu Leuten erklärt, denen es egal sei wer an der Macht ist. Das Thema ist recht groß.

Mir persönlich ist das eigentlich völlig egal. Natürlich haben die 'Reichsbürger' einen an der Klatsche, trotzdem wird hier ein Thema welches einigen Menschen durchaus ziemlich wichtig ist pauschal verunglimpft. Ich kann mir nur durchaus vorstellen, dass es durchaus auch fähige Leute gibt, die sich berechtigt mit dem Thema beschäftigen und durch diese Klischee-Bildung alle in denselben Topf geworfen werden. Dass diese 'Reichsbürger' einen an der Klatsche haben macht das eigentliche Thema der staatlichen gewaltsam durchgesetzten Selbstlegitimation bzw gegenseitigen Anerkennung von egal welchen Staaten nicht unbedeutend oder zum Hirngespinst. Leider wird durch die Klischeebildung aber gerade dies implizit erreicht. Wie ich sagte: Mir persönlich geht das völlig am Hintern vorbei, nur sehe ich eben auch welche vier Parteien hier miteinander in Konflikt stehen.

Daran was Pippen geschrieben hat ist denke ich durchaus etwas dran. Es gibt in dem Konflikt nicht nur pauschalisiert zwei Seiten von denen die eine völlig idiotisch ist und völlig falsch liegt 'und deshalb' automatisch die zweite völlig richtig und unfehlbar richtig ist in ihrer Meinung und Ausprägung. Hier wird das 'Mittelmaß' in denselben Topf mit den Spinnern geworfen.

@Frank: Klar, ich gebe dir da recht. Bezüglich Kant und dem Gebrauchen des eigenen Verstandes im Sinne der Aufklärung: Ja, das ist durchaus sinnvoll, wenn die Leute ihren eigenen Verstand gebrauchen. Du darfst aber nicht davon ausgehen, dass dieser ihr Verstand viel hergibt. Dadurch dass die Leute zum Teil blöd sind und sich wie Kleinkinder aufführen macht das Prinzip sein eigenes egal wie kleines oder großes Gehirn einzusetzen nicht grundsätzlich falsch.
Die Aufklärng forderte, man solle nicht blind und gehorsam das übernehmen und glauben, was die Obrigkeit einem erzählt, sondern selbst urteilen was man für richtig hält. Wenn dabei Mist herauskommt ist das eben Pech, das ist jedenfalls nicht der Punkt, den man den Leuten vorwerfen sollte. Das größte Problem ist wohl eher, dass Aufklärung, Revolution, Demokratie und Kommunistmus davon ausgingen, dass der Großteil der Bevölkerung intelligent, selbstständig und autark sein kann und nicht egoistisch und/oder doof ist.