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Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Wissenschaftsgeschichte, Wissenschaftstheorie bzw. -philosophie, Technik
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Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von Alberich » 8. Apr 2015, 15:20

Hallo!
Wäre gutes Thema


http://www.spektrum.de/news/frontalangr ... tent=heute
Gru?
Alberich
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Re: Diskussion

Beitrag von Stephen » 8. Apr 2015, 15:27

Sei eine Theorie nur ausreichend elegant und aussagekräftig, so ihr Appell, müsse diese nicht experimentell überprüft werden – das bricht mit jahrhundertealter philosophischer Tradition, nach der wissenschaftliche Erkenntnis sich erst durch empirische Befunde bewähren muss. Wir kritisieren den neuen Ansatz scharf, denn wie der Wissenschaftstheoretiker Karl Popper bereits feststellte: Jede wissenschaftliche Theorie muss falsifizierbar sein.
Quelle: siehe Thread-Eröffnung

An dieser Aussage werden sich wohl die Geister scheiden...
Ich persönlich tendiere stark zur Falsifizierbarkeit.

Gruß
Steffen
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Re: Diskussion

Beitrag von seeker » 8. Apr 2015, 17:22

Ja, darauf habe ich grad noch gewartet...

"Wenn du bemerkst, dass du ein totes Pferd reitest, dann steig ab!" lautet ein Spruch der Dakota-Indianer.

Da man aber nicht absteigen will versucht man jetzt umzudefinieren, was ein totes Pferd sei und dass daher dieses Pferd hier doch noch lebendig wäre...

Oder man versucht all das hier:
http://www.roland-schaefer.de/totespferd.htm

Aber von mir aus, kann man ruhig machen, nur: Dann darf man es nicht mehr "Physik" nennen!
Dann ist es nämlich Phyikophilosophie oder physikoästhetische Kunst oder gar Physikoreligion oder ganz einfach nur mathematische Spielerei bzw. Mathematik, dann aber bitte auch so nennen!

Alternative:
Man bleibt seinen Prinzipien treu, komme was da wolle und wartet halt ab und hofft dass doch noch eines Tages die Empirie liefern kann und gesteht sich derweilen ein, dass der menschlichen Erkenntnis nunmal Grenzen gesetzt sind.

Grüße
seeker
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seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
Karl Popper

Siggi

Re: Diskussion

Beitrag von Siggi » 9. Apr 2015, 17:05

Hallo,

da kommen ja Dinge zutage die schon recht lustig sind. Ich denke auch, dass man einfach nur mal weiterdenken sollte (sorry Seeker, ohne dass es gleich ein totes Pferd ist), denn neue Denkanstösse sind erstmal daneben lt. der gängigen Lehrmeinung oder der vermeintlichen Erkenntnis.
Aber es lohnt sich schon über neue Ideen einfach mal nachzudenken. Ich glaube fast, dass die Freidenker mit neuen Ideen der Motor des Fortschrittes sind. Wir wollen uns doch weiterentwickeln und neue Gedanken die man versucht zu ergründen, haben manchmal durchaus ihre Berechtigung und sollten mal genauer(gut, mom. können wir es nicht) untersucht werden.

Als Bsp., wer glaubte schon an die Plattentektonik? Bis es dann in den 50-er oder 60-er Jahren endlich mal bewiesen wurde.
Man sollte neue Ideen immer gleich abwägig behandeln, es bedeutet Forschung und nich Starrsinn.
Ich glaub ich habe es schon öfters geschrieben, aber es passt hier wunderbar rein.

lg

Siggi

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Re: Diskussion

Beitrag von seeker » 9. Apr 2015, 19:14

Ja, natürlich Siggi, sollte man so handeln.
Die Maxime lautet: Halte erst einmal alles für möglich, aber bleibe auch stets skeptisch, glaube nichts und niemandem unbesehen!

Bei mir kommt immer wieder der Eindruck zustande, dass du wohl ein recht schlechtes Bild von den Wissenschaftlern bzw. der Wissenschaft haben musst und ich weiß gar nicht wo das herkommt?

Nimm doch einmal folgendes Beipiel, wie das warum läuft:

Du hast eine wissenschaftliche Fragestellung und bist Chef einer Forschergruppe.
Nun kommen deine Leute zu dir und liefern dir 1000 unterschiedliche Erklärungen, die sie sich überlegt haben und die prinzipiell alle deine Frage beantworten könnten.
Du weißt aber, dass nicht alle 1000 Antworten richtig sein können, auch hast du weder die Mittel noch die Zeit allen 1000 Vorschlägen nachzugehen.
Außerdem kommen dir persönlich 900 von den 1000 Vorschlägen von vorneherein unsinnig oder unlogisch vor.
Du hast jetzt als Chef die Aufgabe deinen Leuten zu sagen, was sie als nächstes tun sollen bzw. was sie näher untersuchen sollen.
Was tust du?


Ich sage auch nicht dass die Stringtheorie schon tot wäre, ich sage, sie soll den wissenschaftlichen Prinzipien treu bleiben, gerade wenn es schwierig wird - oder wenn nicht, sich dann wenigstens nicht mehr "Physik" nennen wollen.
Wie viele Jahrzehnte macht man schon mit der Stringtheorie herum? Wenn die Empirie nicht liefern kann, dann muss man sich damit abfinden und weiter abwarten oder das Projekt irgendwann einmal einstellen oder auf nur kleiner Flamme weiterbetreiben, vielleicht erst in 100 Jahren, aber irgendwann schon. Und da hilft es überhaupt nicht umdefinieren zu wollen, was Naturwissenschaft oder Physik sei, denn das würde einen unübersehbaren Schaden anrichten.
Was man auch nicht vergessen darf: Da geht es auch um Fördermittel. Forschung kostet nicht wenig Geld - und das will sinnvoll verteilt sein.

Grüße
seeker

Edit: Ich habe das Thema umbenannt. "Diskussion" erschien mir als Überschrift nicht aussagekräftig genug.
Grüße
seeker


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Re: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von gravi » 9. Apr 2015, 19:44

Ich weiß nicht, als ich den Artikel las kam mir gleich wieder der Gedanke: Wissenschaftler stehen unter Publikationszwang, wollen sie an ihrer Karriere feilen...

Nichts gegen Quer- oder Freidenker. Aber man muss die Hebelgesetze nicht neu überdenken oder das Rad neu erfinden. Dass beides funktioniert ist milliardenfach bewiesen. Oder dass es prima stinkt, versetze ich Eisensulfid mit Salzsäure... :wink:

Ich meine damit, es ist doch das A und O in der Wissenschaft, dass Voraussagen oder gefundene Erkenntnisse immer wieder reproduzierbar sein müssen. Wenn man sich damit nicht konform erklären kann, dann kann man sein Brot besser als Märchenerzähler verdienen :wink:

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Re: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von Fuzzlix » 9. Apr 2015, 22:38

gravi hat geschrieben:Ich weiß nicht, als ich den Artikel las kam mir gleich wieder der Gedanke: Wissenschaftler stehen unter Publikationszwang, wollen sie an ihrer Karriere feilen...
Um diesen Publikationszwang beneide ich die Wissenschaftler wirklich nicht. Ich habe einmal gehört, so ca. alle 3 Monate sollte ein Wissenschaftler etwas veröffentlichen.
Was ist nun aber wenn der Wissenschaftler an einer wirklich neuen Idee arbeitet, die mehrere Jahre Arbeit benötigt? Ist er dann ein "schlechter" Wissenschaftler, weil er in den letzten 3..4 Jahren gar nichts veröffentlicht hat? oder sollte er seine Arbeit wiederholt unterbrechen und sich die Zeit nehmen alle 3 Monate irgendwas belangloses "zusammenzuschreiben" nur um sein "Soll" zu erfüllen?

Ich will meinen Standpunkt gar nicht verheimlichen: Diesen Veröffentlichungszwang halte ich für nicht aussagekräftig und bisweilen der echten wissenschaftlichen Arbeit potentiell abträglich.

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Re: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von Alberich » 10. Apr 2015, 10:18

Ein Studienfreunds ging 1962 für zwei Jahre an eine Kalifornische Uni. Wieder zurück berichtete er von 24 eigenen Veröffentlichungen, sagte aber auch, das der Inhalt gerade für eine lesenswerte gereicht hätte. Folgende Logik:
Es gibt zu viel Veröffentlichungen.
Meistens wird das Inhaltsverzeichnis gelesen. Dort muss dein Name auftauchen. Immer wieder. (sieh da, der schon wieder!)
Wer ihn wirklich liest, begnügt sich mit den Abstracts.
Also echtes Marketing!
Wären diese Autoren je erwähnt worden ohne diesen Unsinn?
Auch dies ist Welterkenntnis.
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Re: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von Stephen » 10. Apr 2015, 17:51

Wenn man bei google "Michio" eintippt, sind die ersten 10 Einträge auf Professor Michio Kaku bezogen (bei 5,9 Millionen Treffern).
Der Mann hat das Marketing also scheinbar verstanden.

Ich habe nichts dagegen, dass man Wissenschaft populär macht - ganz im Gegenteil. Aber wenn ein (ehemals?) anerkannter Physiker nur noch TV-Sendungen macht und so gut wie nie mehr am City College in New York anzutreffen ist, sollte einen das zumindest etwas stutzig machen; es dürfte scheinbar wesentlich effizienter sein, in öffentlichen Medien aufzutreten, als rein wissenschaftlich im kleinen Kämmerchen zu arbeiten...

Ich möchte Herrn Kaku aber nichts unterstellen - dass er Star-Trek-Fan ist, macht ihn für mich eher sympathisch...
Alberich hat geschrieben:Es gibt zu viel Veröffentlichungen.
Man muss sie ja nicht alle lesen...

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Re: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von tomS » 10. Apr 2015, 23:11

Kaku ist ein Extrembeispiel dafür, dass aus nichts tatsächlich viel ... werden kann.

Spaß beiseite, ihr habt sicher recht, es stehen inzwischen oft die falschen Themen im Mittelpunkt. Wenn Stringtheoretiker mit angemessener Bescheidenheit ihre Thesen vertreten würden, hätte niemand etwas einzuwenden. Das Problem ist, das offensichtlich die Kritikfähigkeit verloren geht. Ich frage mich, wo diese Wissenschaft heute wäre, wenn im Zuge der Entwicklung der QM ebenso vorgegangen worden wäre.
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Re: Diskussion

Beitrag von Skeltek » 11. Apr 2015, 02:36

Stephen hat geschrieben:
Sei eine Theorie nur ausreichend elegant und aussagekräftig, so ihr Appell, müsse diese nicht experimentell überprüft werden – das bricht mit jahrhundertealter philosophischer Tradition, nach der wissenschaftliche Erkenntnis sich erst durch empirische Befunde bewähren muss. Wir kritisieren den neuen Ansatz scharf, denn wie der Wissenschaftstheoretiker Karl Popper bereits feststellte: Jede wissenschaftliche Theorie muss falsifizierbar sein.
Quelle: siehe Thread-Eröffnung
Das ist streng logisch gesehen absoluter Quatsch. Falsifizierbar sind an sich ohnehin ausschließlich nur Theorien, welche widersprüchlich oder unwahr sind.
Falsifizierbarkeit hängt auch stark von den Prognosen ab, welche über noch ungemessene Sachverhalte gemacht werden können.... und es gibt kaum noch Dinge welche prognostiziert und via Messung bestätigt oder widerlegt werden können. Selbst wenn es eine Prognose über einen noch unbekannten Sachverhalt macht, ist die Möglichkeit zur Messung nicht unbedingt physikalisch möglich.

Übrigens ist die Grenze zwischen "wahr aber nicht beweisbar", "falsch", "wahr aber unvollstänig" und "falsch aber durch Modifikationen erweiterbar, sodass Prognosen doch richtig" völlig fließend.
Theorien werden zwangsläufig nicht falsifizierbar sein, wenn sie entweder wahr sind oder das Verhalten der wahren Theorie nur im entarteten Fall einschließen.

Voraussetzung ist lediglich, dass die Theorie schlicht alles, was physikalisch überhaupt nachweisbar ist, korrekt prognostiziert. Sobald sie das tut, ist sie nicht mehr falsifizierbar.
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Re: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von Stephen » 11. Apr 2015, 04:40

tomS hat geschrieben:Kaku ist ein Extrembeispiel dafür, dass aus nichts tatsächlich viel ... werden kann.
Er trifft aber den mainstream, kommt bei den Zuschauern an. Frage Leute auf der Straße nach Raumschiff Enterprise, Captain Kirk, Spock, Darth Vader oder Luke Skywalker - dazu wird fast jeder etwas zu berichten haben. Und dann frage sie, was sie über Unschärferelation, Relativitätstheorie oder Quantenmechanik wissen...

Mein Favorit:
Frage an Passanten: "Wie weit schätzen Sie die Entfernungen zum Mond und der Sonne?"
Antwort a): "Das kann man nicht messen, die verschwinden ja laufend..."
Antwort b): "Bestimmt 1000 km, aber doch wohl weniger, oder?"
Antwort c): "Die Sonne ist auf jeden Fall näher, die ist viel größer und heller."
Antwort d): "Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich bin Beamter und kein Astrologe (!)"
Antwort e): "Das wird wohl ein Geheimnis bleiben, bis wir die zwei Planeten (!) bevölkert haben"
Quelle: ein Privatsender vor ca. 3 bis 4 Jahren, der unwissende Leute auf die Schippe genommen hat.

Das Grundwissen vieler Menschen in Sachen Naturwissenschaften schätze ich als überwiegend katastrophal ein. Vielleicht begeben sich viele Wissenschaftler deshalb auf ein "niedriges Niveau", weil ihre Arbeiten einfach nicht mehr verstanden werden (wollen oder können) ...

Gruß
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Re: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von Fuzzlix » 11. Apr 2015, 14:39

Stephen hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:Kaku ist ein Extrembeispiel dafür, dass aus nichts tatsächlich viel ... werden kann.
Er trifft aber den mainstream, kommt bei den Zuschauern an. Frage Leute auf der Straße nach Raumschiff Enterprise, Captain Kirk, Spock, Darth Vader oder Luke Skywalker - dazu wird fast jeder etwas zu berichten haben. Und dann frage sie, was sie über Unschärferelation, Relativitätstheorie oder Quantenmechanik wissen...
Auch ich bin ein Fan von Startrek. Es lässt die Fantasie von der Leine und weckt bei dem einen oder anderen Interesse auf bestimmte Fragen und Themen. Und Dank Bibliotheken und Internet kann jeder heutzutage sich die selbstauferlegte Mühe machen, zu recherchieren, zu forschen und dazuzulernen.
Stephen hat geschrieben: Das Grundwissen vieler Menschen in Sachen Naturwissenschaften schätze ich als überwiegend katastrophal ein. Vielleicht begeben sich viele Wissenschaftler deshalb auf ein "niedriges Niveau", weil ihre Arbeiten einfach nicht mehr verstanden werden (wollen oder können) ...
Irgendwo muss jeder anfangen zu glauben bzw. zu vertrauen. Wenn ich alles was ich in einem populärwissenschaftlichen Vortrag höre, akzeptiere und nicht hinterfrage, dann gibt es für mich auch keinen Grund eigene hinterfragende Überlegungen anzustellen und damit anzufangen selbst zu forschen. Wir alle müssen vertrauen und können nicht alles hinterfragen, ganz einfach weil wir das aufwands- / zeitmässig nicht schaffen. ... oder wir werden paranoid.
Um so mehr wiegt die Verantwortung derer, die schon vorverdaute Antworten dem gemeinen Bürger vorsetzen.

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Re: Diskussion

Beitrag von tomS » 11. Apr 2015, 17:33

Skeltek hat geschrieben: Falsifizierbar sind an sich ohnehin ausschließlich nur Theorien, welche widersprüchlich oder unwahr sind.
Nun, man darf zunächst mal logisch / mathematisch widersprüchliche Theorien ausschließen.

Dann bleibt "unwahr" übrig. Aber in der Physik ist "unwahr" identisch mit "experimentell falsifiziert". Es gibt kein anderes Kriterium.
Skeltek hat geschrieben: Falsifizierbarkeit hängt auch stark von den Prognosen ab, welche über noch ungemessene Sachverhalte gemacht werden können.... und es gibt kaum noch Dinge welche prognostiziert und via Messung bestätigt oder widerlegt werden können. Selbst wenn es eine Prognose über einen noch unbekannten Sachverhalt macht, ist die Möglichkeit zur Messung nicht unbedingt physikalisch möglich.
Jetzt muss man differenzieren zwischen "prinzipiell" und "praktisch falsifizierbar". Die Stringtheorie ist z.B. prinzipiell falsifizierbar, aus heutiger Sicht jedoch nicht praktisch, da ihre eindeutigen Vorhersagen jenseits der experimentell zugänglichen Energien liegen.
Skeltek hat geschrieben: Voraussetzung ist lediglich, dass die Theorie schlicht alles, was physikalisch überhaupt nachweisbar ist, korrekt prognostiziert. Sobald sie das tut, ist sie nicht mehr falsifizierbar.
Das wäre schön eine tolle Theorie ;-)

Du hättest aber eigtl. erst dann ein Problem damit, wenn es zwei konkurrierende, inäquivalenteTheorien gäbe, auf die das zutrifft. Die Frage wäre dann, in welche Hinsicht diese Theorien überhaupt inäquivalent sein könnten; nicht im physikalischen Sinne jedenfalls.
Gruß
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Re: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von Alberich » 11. Apr 2015, 18:37

Warum fällt mir bei der Stringtheorie immer Blaise Pascal ein, der da sagte, manche Leute haben einen kreisförmigen geistigen Horizont, dessen Radius gegen Null strebt? Und dieser Punkt ist ihr Standpunkt!
Was wäre, wenn er statt "kreisförmig" elliptisch angenommen hätte?
Eine contrafaktische logische Frage, aber schwer beantwortbar.
Gruß
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Re: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von Skeltek » 12. Apr 2015, 04:52

@tomS:
Ja, stimme voll und ganz zu.
Mit "unwahr" meinte ich aber allerdings:

Theorie A: Die Welt ist ein Torus, wir leben auf einer Schnittfläche die eine Kreisscheibe bildet
Theorie B: Die Welt ist eine Kugel, wir leben auf einer Schnittfläche die eine Kreisscheibe bildet
Eine der Theorien ist unwahr, leider ist nur falsifizierbar, was auf der Schnittebene als existent prognostiziert wird.

Theorie C: Die Welt ist eine Kreisscheibe, wir leben darauf.
Diese Theorie ist irgendwie unvollständig, da man über die Kreisscheibe hinaus keine Prognosen treffen kann, welche wahr oder falsch sind, noch als wahr oder falsch zu bewerten im Stande wäre.

Fraglich ist jetzt aber vor allem, ob es einen Unterschied macht, ob man im existierenden Universum überhaupt an irgendeinam Ort genug Energie aufbringen kann um die Theorie zu bestätigen (prinzipiell aber praktisch nicht möglich) oder ob es unmöglich ist mit den existenten Mitteln ein Gebiet mit z.B. einer Extradimension aufzuspannen um eine andere Theorie zu bestätigen (prinzipiell nicht möglich, zumindest nicht von innerhalb des Universums).
Macht das so einen großen Unterschied? Beide regen sich darüber auf an einen Ort gebunden zu sein, an dem der Beweis nicht möglich ist...
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Re: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von tomS » 12. Apr 2015, 08:15

Die Frage ist, ob der Unterschied der Modelle A und B überhaupt noch Physik genannt werden sollte. Und wenn C ausreichend ist, dann fallen ja A und B nach Ockham sowieso weg.
Gruß
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Re: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von gradient » 12. Apr 2015, 12:02

Hallo zusammen,

ich habe in diesem Thread ein paar Aussagen nicht verstanden und ich würde mich über weitere Ausführungen freuen:

@Seeker: Du hast geschrieben:
Ich sage auch nicht dass die Stringtheorie schon tot wäre, ich sage, sie soll den wissenschaftlichen Prinzipien treu bleiben, gerade wenn es schwierig wird - oder wenn nicht, sich dann wenigstens nicht mehr "Physik" nennen wollen.
Ich nehme an, dass du vom Kriterium der Falsifizierbarkeit sprichst. Wie Tom später im Thread sagte, ist die Stringtheorie prinzipiell falsifizierbar, jedoch bräuchte man viel höhere Energieskalen, als uns bisher zugänglich sind. Das ist natürlich ärgerlich, aber diese Tatsache ist keine spezielle Eigenschaft der Stringtheorie alleine, sondern tritt vermutlich bei allen Theorien der Quantengravitation auf. Deiner Logik zufolge verlässt man (vermutlich) automatisch die Physik, wenn man beginnt, eine Quantengravitationstheorie zu studieren. Begründung: Wir haben halt einfach Pech, dass diese gegenwärtig nicht falsifizierbar sind. Richtig zusammengefasst?
Wie viele Jahrzehnte macht man schon mit der Stringtheorie herum? Wenn die Empirie nicht liefern kann, dann muss man sich damit abfinden und weiter abwarten oder das Projekt irgendwann einmal einstellen oder auf nur kleiner Flamme weiterbetreiben, vielleicht erst in 100 Jahren, aber irgendwann schon.
Zunächst mal hat man seit den 1980ern begonnen, konzeptionelle Probleme der Stringtheorie in den Griff zu bekommen. Ein Formalismus selbst ist jedoch längst nicht immer ausreichend, um falsifizierbare Aussagen abzuleiten. Einige phänomenologische Aspekte (Bestimmung der Kompaktifizierungsskala; Bei welcher Skala ist SUSY gebrochen? Welche Massen haben die neuen Teilchen, die aus der Stringkompaktifizierung entstanden und wie wirken sie sich z.B. kosmologisch aus?) konnten erst seit ca. 15 Jahren analysiert werden (zumindest die Arbeiten, die ich dazu kenne, sind nach 2000 geschrieben worden). So viel Zeit ist das nicht.

Darf ich bei dieser Gelegenheit noch an das Higgs-Teilchen erinnern? Da hatte man auch gut 50 Jahre benötigt, um es zu detektieren, obwohl die Higgs-Masse bei 125 GeV liegt. Ich erinnere mich auch noch daran, dass dieser Higgsmechanismus von vielen Seiten scharf und z. T. sehr unsachlich kritisiert wurde. Es wurden (mit überheblichen Unterton) Wetten angeboten, dass man das Higgs-Teilchen nie finden würde und die Idee überhaupt Quatsch wäre.
Ein Unterschied zu Stringtheorie ist eben, dass das Higgs-Teilchen eben auf einer für uns zugänglichen Energieskala auftritt.
Und da hilft es überhaupt nicht umdefinieren zu wollen, was Naturwissenschaft oder Physik sei, denn das würde einen unübersehbaren Schaden anrichten.
Niemand will irgendetwas umdefinieren. Eine Debatte darüber, inwiefern das (reine) Falsifizierbarkeitskriterium ausreichend ist, um Wissenschaftlichkeit einzugrenzen, halte ich allerdings für berechtigt. Von welchem "unübersehbaren Schaden" sprichst du eigentlich?
Was man auch nicht vergessen darf: Da geht es auch um Fördermittel. Forschung kostet nicht wenig Geld - und das will sinnvoll verteilt sein.

Die einzigen finanziellen Aufwendungen für eine Stringtheoriegruppe sind eigentlich nur die Gehälter. (Und dabei sollte man einen Teil der Professorengehälter rausrechnen, weil diese ja auch Lehrverpflichtung haben, die unabhängig vom Forschungsgebiet sinnvoll ist.) Generell ist die Stringtheorie-Community auf der Welt recht klein. Das ist wirklich nicht das Problem.
Davon abgesehen hat die Stringtheorie-Forschung in jedem Falle etwas gebracht. Zwei Beispiele: Man hat nun einen neuen mathematischen Zugang zur Konstruktion von Eichtheorien. Außerdem hat das Studium der String-Amplituden neue Einsichten für die Berechnung von Streuamplituden in allgemeinen YM-Theorien gebracht. (Dazu muss die Stringtheorie nicht mal selbst eine Theorie der Natur sein. Hierbei geht es um die mathematische Struktur der Theorie.)

@Alberich: Könntest du bitte erläutern, wieso dir zu diesem Zitat die Stringtheorie einfällt?
Warum fällt mir bei der Stringtheorie immer Blaise Pascal ein, der da sagte, manche Leute haben einen kreisförmigen geistigen Horizont, dessen Radius gegen Null strebt? Und dieser Punkt ist ihr Standpunkt!
Wenn dir dazu die Stringtheorie einfällt, muss das bedeuten, dass du wenigstens ein paar Stringtheoretiker persönlich kennst, so dass du obiges Urteil fällen kannst.

MfG
Patrick

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Re: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von tomS » 12. Apr 2015, 15:05

gradient hat im Wesentlichen recht. Die Problematik der praktischen Falsifizierbarkeit hat jede Theorie der Quntengravitation. Wenn man sich das eingesteht (was kein Mangel an der Theorie selbst sein muss) und wenn man dann keine trickreichen Ausflüchte sucht (wozu es eben auch keinen Grund gibt), dann ist alles OK.

Die Stringtheorie hätte eine bessere Presse, wenn einige aus der Community nicht immer wieder seltsame Ideen ausposaunen würden ("only game in town", "too elegant to be wrong", ... und jetzt wieder dieser neue Kram).
Gruß
Tom

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Re: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von Alberich » 12. Apr 2015, 23:40

gradient hat geschrieben:Wenn dir dazu die Stringtheorie einfällt, muss das bedeuten, dass du wenigstens ein paar Stringtheoretiker persönlich kennst, so dass du obiges Urteil fällen kannst.
Schlechter Witz von mir.
Begründung: Ich sehe vor mir eine Ellipse mit a>>>b. Zwar geht die im Limes auch zum Punkt, nachdem sie zu vor lange Zeit "stringähnlich" war. Nochmal Pardon!
Ich kann nicht mehr an Tagungen teilnehmen, lese dagegen alles Verfügbare. Bei aller Wertschätzung für die Mathematik, glaube ich, dass sich die theoretische Physik verstiegen hat.
Ein Bergsteiger verlässt die immer schwieriger werdende Route, geht zurück und sucht eine Alternative. Das war auch der alleinige Anlass für meine Webseite. Natürlich vertrete ich jenes Bild, aber ich stelle es auch zur Diskussion, weil ja niemand unfehlbar ist.
Brauchte man früher so etwas wie String, Calabi-Yau, Diffeomorhismus, und Loops und Branen?
Wer beobachtet, weiß doch, dass es im Gebälk knistert.
Gruß
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seeker
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Re: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von seeker » 13. Apr 2015, 00:30

gradient hat geschrieben:Ich nehme an, dass du vom Kriterium der Falsifizierbarkeit sprichst. Wie Tom später im Thread sagte, ist die Stringtheorie prinzipiell falsifizierbar, jedoch bräuchte man viel höhere Energieskalen, als uns bisher zugänglich sind. Das ist natürlich ärgerlich, aber diese Tatsache ist keine spezielle Eigenschaft der Stringtheorie alleine, sondern tritt vermutlich bei allen Theorien der Quantengravitation auf. Deiner Logik zufolge verlässt man (vermutlich) automatisch die Physik, wenn man beginnt, eine Quantengravitationstheorie zu studieren. Begründung: Wir haben halt einfach Pech, dass diese gegenwärtig nicht falsifizierbar sind. Richtig zusammengefasst?
Zunächst ist dazu zu sagen, dass auch andere Quantengravitationstheorien, etc. aus meiner Sicht mit ganz ähnlichen Problem zu kämpefn haben, ja.
Aber nein, man verlässt beim Studium solcher Gebiete nicht automatisch die Physik, nicht solange man angestrengt nach empirischen Belegen sucht, diese zumindest prinzipiell erbracht werden können, sich vielleicht auch allerlei indirekte Hinweise finden lassen.

Man tut es aber dann, wenn man das hier fordert:
Nicht alle fundamentalen Theorien lassen sich anhand von Beobachtungen überprüfen und so fordern einige Wissenschaftler, das Vorgehen in der theoretischen Physik anzupassen. Sei eine Theorie nur ausreichend elegant und aussagekräftig, so ihr Appell, müsse diese nicht experimentell überprüft werden
http://www.spektrum.de/news/frontalangr ... tent=heute

Das halte ich für das, was man "Physik" nennt, nicht akzeptabel. Wir suchen einfach nicht mehr? Es reicht ja, wenn es elegant ist? Und welche der 10^500 Stringtheorien soll es dann bitteschön sein? Die eleganteste? Das kann man nicht wirklich wollen... das sind zu weiche Kriterien. Und was hätte man dann in der Hand, mit der elegantesten Theorie, die nichts zusätzlich Überprüfbares über unsere Welt aussagt?
Wo liegt der Nutzen? In den mathematischen Erkenntnissen? Wunderbar, das ist OK. Aber es ist Mathematik und nicht Physik!

Man muss an diesem Punkt auch die Begriffe "Wissenschaft" und "Naturwissenschaft" auseinaderhalten. Der genannte Artikel versäumt das leider.
D.h.: Wenn man das Falsifikationsprinzip aufgibt, dann kann es immer noch Wissenschaft sein (so wie die Struktur- bzw. Geisteswissenschaft "Mathematik" ja auch), aber es ist nicht mehr Naturwissenschaft - jedenfalls nicht nach heutiger Definition.
gradient hat geschrieben:Von welchem "unübersehbaren Schaden" sprichst du eigentlich?
Der Punkt ist: Wir brauchen ein Abgrenzungskriterium, um Wissenschaft von Pseudowissenschaft, Mythen, Religion, etc. abzugrenzen.
Dieses liefert uns Falsifikationsprinzip. Ließen wir es fallen, käme man in erhebliche Erklärungsnöte, gerade in Abgrenzungsfragen gegen Pseudowissenschaften.
Man kann nämlich nicht einfach hergehen und sagen: "Alles was an den Unis gelehrt wird ist Wissenschaft und alles andere nicht!"
Man muss das sauber begründen können! Und ein "Eleganz-genügt-Prinzip" würde deshalb die Büchse der Pandora öffnen: Will man sich tatsächlich über "Schönheitskriterien" von Pseudowissenschaften abgrenzen? Wie wollte man das der Bevölkerung noch plausibel machen?
Wir würden uns dann tatsächlich zu sehr in Richtung Religion bewegen und in 100 Jahren hätten wir vielleicht wirklich eine Physik-Religion.

Wir müssen uns überlegen was "Physik" sein soll.
Soll Physik die Naturwissenschaft sein, die die beobachtbare Welt beschreibt oder soll sie tatsächlich unbeobachtbare Welten beschreiben, ohne wirklichen Bezug zur beobachtbaren Realität?
Hauptsache es ist "elegant"? Nein, das ist dann bestenfalls Mathematik. Dann soll man es bitte auch so nennen. Vielleicht wären Teile der theoretischen Physik heute schon besser im Fachbereich Mathematik eingeordnet...?
seeker hat geschrieben:Was man auch nicht vergessen darf: Da geht es auch um Fördermittel. Forschung kostet nicht wenig Geld - und das will sinnvoll verteilt sein.
Ich meinte damit nicht, dass die Arbeiten im Bereich Stringtheorie zu teuer wären.
Ich meinte damit, dass jeder Fachbereich versucht Lobbyarbeit zu machen, denn das hilft bei den Fördergeldern. Und natürlich käme es manchen Forschern in dem Gebiet gelegen, wenn die o.g. Forderungen erfüllt würden: Ich halte das für den Versuch eines Befreiungsschlags, was ich bei diesen Forderungen im Eingangsartikel lese.
Es ist ja nun nicht gerade so, dass da nicht schon seit Jahren Diskussionen über Sinn und Zweck dieser Forschungen geführt werden. Dem möchte ich mich auch gar nicht anschließen.
Mir ist das nicht zu teuer. Ich sagte nur, dass es passieren kann, dass man irgendwann nicht mehr weiterkommen wird, bzw. dass es sich herauskristallisiert, dass nur noch Mathematisches dabei herauskommen wird, vielleicht nicht heute und nicht morgen, aber irgendwann.
Falls das geschieht, dann wird es irgendwann immer mehr Diskussionen geben, ob man weitere Forschungen in dem Gebiet nicht besser auf Sparflamme stellen sollte oder eben besser den Mathematikern zuordnet.

Grüße
seeker
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Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
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gradient
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Re: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von gradient » 13. Apr 2015, 02:02

Hallo zusammen,

@Tom: "Einige aus der Community"? Irgendwie geht an mir sowas immer spurlos vorbei (abgesehen von einigen Aussagen von Lubos Motl...).

@Alberich: Ok. Diffeomorphismen waren übrigens schon um 1900 wichtig. Wäre Einsteins ART nicht invariant unter Diffeomorphismen, wäre die ART im Papierkorb gelandet. Was die anderen neuen Ideen angeht: Ist das nicht immer so, wenn etwas Neues entwickelt wird? Wozu braucht man denn jetzt Tensoren? Muss ich jetzt wirklich verstehen, was ein Hilbertraum ist? Natürlich sind das wichtige Konzepte in Relativitätstheorie und Quantenmechanik. Stringtheorie ist eigentlich relativ konservativ, denn man betreibt Quantenfeldtheorie, aber mit Strings statt Punktteilchen. Der Rest ergibt sich dann mehr oder weniger...
Meiner Meinung nach sollte Kompliziertheit genauso wenig wie Eleganz ein Kriterium dafür sein, wie man mit einer Theorie umzugehen hat.

@seeker:
Aber nein, man verlässt beim Studium solcher Gebiete nicht automatisch die Physik, nicht solange man angestrengt nach empirischen Belegen sucht, diese zumindest prinzipiell erbracht werden können, sich vielleicht auch allerlei indirekte Hinweise finden lassen.

Man tut es aber dann, wenn man das hier fordert: [...]
Der Artikel behauptet, dass sich Stringtheoretiker nicht darum kümmern würden, falsifizierbare Aussagen herzuleiten. Das ist aber falsch, denn es gibt nicht nur Stringtheoretiker, die an formalen Fragen arbeiten, sondern auch String-Phänomenologen, die z. B. versuchen, das Standardmodell zu reproduzieren oder der Frage nachgehen, ob Inflationsmodelle in der Stringtheorie zu messbaren primordialen Gravitationswellen führen können. Ich kann dir auch sofort eine einfache Typ IIB Kompaktifizierung anbieten, die im Widerspruch zu den Beobachtungsdaten steht, weil in ihr zu viel dunkle Strahlung hervorgeht, die man inzwischen sehr stark eingrenzen kann.

In dem Artikel wird einfach unterstellt, dass ein paar wenige Leute für die gesamte Stringtheorie-Community sprechen, was völlig falsch ist. Carroll ist nicht mal Stringtheoretiker und den anderen Typen kenne ich ehrlich gesagt nicht (was nichts heißen muss).
Wir suchen einfach nicht mehr?
Zusammenfassung von oben: Wir suchen (immer noch)!
Und welche der 10^500 Stringtheorien soll es dann bitteschön sein? Die eleganteste? Das kann man nicht wirklich wollen... das sind zu weiche Kriterien.
Es gibt keine 10^500 Stringtheorien, sondern nur fünf, die durch Dualitäten miteinander in Relation stehen. Die Zahl 10^500 bezieht sich auf die Anzahl der (Fluss-)Vakuumlösungen der Typ IIB Stringtheorie. Wir sind an dem Vakuum interessiert, das die richtigen Parameter des Standardmodells und die richtige kosmologische Konstante reproduziert. Das hinzubekommen, ist natürlich nicht leicht und man versucht deshalb, die Eigenschaften dieser String-Landscape besser zu verstehen. Mit Eleganz hat das nichts zu tun (die Parameter des Standardmodells sind hässlich genug), ich weiß nicht, woher du dieses Vorurteil hast.
Und was hätte man dann in der Hand, mit der elegantesten Theorie, die nichts zusätzlich Überprüfbares über unsere Welt aussagt?
Deswegen betreibt man ja mitunter String-Phänomenologie, damit man sehen kann, ob sich falsifizierbare Aussagen ergeben. Wie du aber auch schon eingesehen hast, ist das Problem der Falsifizierbarkeit generell unter Quantengravitationstheorien vorhanden.

Zu deinem restlichen Post: Ich stimme dir zu, dass man eine sinnvolle Abgrenzung zwischen Mathematik, Naturwissenschaften, Philosophie usw. finden sollte. Für mich ist klar, dass der Schwerpunkt auf Falsifizierbarkeit liegen muss, allerdings fühle ich mich bei einer starren Anwendung dieser Forderung etwas unwohl. Ein Forschungsgebiet, das auf wohlverstandenen und sich bewährten physikalischen Konzepten aufbaut und Aussagen liefert, die gegenwärtig (und in (naher) Zukunft) nicht falsifizierbar sind, ist nach meinem Gefühl mehr als nur Mathematik oder gar Philosophie.
Übrigens: In Großbritannien wird die theoretische Physik häufig der angewandten Mathematik zugeordnet und an der Mathefakultät gelehrt. Deshalb habe ich auch eine Mathe-Abschluss. Trotzdem fühle ich mich nicht als Mathematiker... :?

MfG
Patrick

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Re: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von tomS » 13. Apr 2015, 07:03

Motl ist natürlich ein "String-Extremist".

Wenn du dir die ersten Bücher von Greene anschaust, dann gewinnst du nicht den Eindruck, dass an der Theorie irgendetwas falsch oder unfertig sein könnte. Witten vermittelt in seinen Interviews einen ähnlichen Eindruck. Wenn du nach konzeptionellen oder fundamentalen offenen Punkten zu den Strings suchst, dann wirst du dazu keinen ernstzunehmendes Review-Artikel finden.

Insgs. vermittelt die Comunity einen "hermetischen" Eindruck, zumindest nach außen.
Gruß
Tom

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Re: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von Stephen » 13. Apr 2015, 07:51

Fuzzlix hat geschrieben:Irgendwo muss jeder anfangen zu glauben bzw. zu vertrauen. Wenn ich alles was ich in einem populärwissenschaftlichen Vortrag höre, akzeptiere und nicht hinterfrage, dann gibt es für mich auch keinen Grund eigene hinterfragende Überlegungen anzustellen und damit anzufangen selbst zu forschen. Wir alle müssen vertrauen und können nicht alles hinterfragen, ganz einfach weil wir das aufwands- / zeitmässig nicht schaffen. ... oder wir werden paranoid. Um so mehr wiegt die Verantwortung derer, die schon vorverdaute Antworten dem gemeinen Bürger vorsetzen.
Trotzdem bleibt die Sache mit dem Vertrauen irgendwie ein Problem: wir beziehen unsere Informationen aus dem Internet, TV, Büchern, Zeitungen, Zeitschriften oder Gesprächen. Die Ansichten über Dinge, von denen man selbst nur das oft als "gefährlich" verpönte Halbwissen hat, sind oft sehr verschieden - manchmal sogar gegensätzlich. Was und wem also glauben?

Gruß
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Re: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Beitrag von Fuzzlix » 13. Apr 2015, 08:24

Stephen hat geschrieben:
Fuzzlix hat geschrieben:Irgendwo muss jeder anfangen zu glauben bzw. zu vertrauen. Wenn ich alles was ich in einem populärwissenschaftlichen Vortrag höre, akzeptiere und nicht hinterfrage, dann gibt es für mich auch keinen Grund eigene hinterfragende Überlegungen anzustellen und damit anzufangen selbst zu forschen. Wir alle müssen vertrauen und können nicht alles hinterfragen, ganz einfach weil wir das aufwands- / zeitmässig nicht schaffen. ... oder wir werden paranoid. Um so mehr wiegt die Verantwortung derer, die schon vorverdaute Antworten dem gemeinen Bürger vorsetzen.
Trotzdem bleibt die Sache mit dem Vertrauen irgendwie ein Problem: wir beziehen unsere Informationen aus dem Internet, TV, Büchern, Zeitungen, Zeitschriften oder Gesprächen. Die Ansichten über Dinge, von denen man selbst nur das oft als "gefährlich" verpönte Halbwissen hat, sind oft sehr verschieden - manchmal sogar gegensätzlich. Was und wem also glauben?
Das musst Du für Dich entscheiden, was und wem Du glauben willst. Allerdings solltest Du Dir Rechenschaft darüber ablegen, WARUM Du eher das eine glaubst als das andere.
Ich denke ein entscheidenden Schritt hast Du schon gemacht, wenn Du erkennst, dass Du bestimmte Dinge nur als wahr annimmst und nicht sicher weisst. Das kann helfen Denkblokaden zu vermeiden.

Fuzzlix.
Sagt das eine Nichts zum anderen "Ich bin nicht du."

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