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Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Wissenschaftsgeschichte, Wissenschaftstheorie bzw. -philosophie, Technik

Kann man jemals ein menschliches Gehirn im PC ersetzen?

Niemals
11
38%
in 10 Jahren
3
10%
in 11 bis 99 Jahren
5
17%
in 100 bis 1000 Jahren
7
24%
später...
3
10%
 
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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von tomS » 11. Nov 2017, 15:46

ATGC hat geschrieben:
11. Nov 2017, 12:57
Die schiere Analogie, dass Ionenströme in Neuronen (bzw. Axons!) und Elektronenströme in Silicium-Chips beide elektrische Ladungsträger betreffen, reicht nicht hin, um daraus die Existenz von Qualias abzuleiten. Und da - wie Du schon herausgestellt hattest - wir uns in die elektrischen Zustände der Si-Chips nicht hineinfühlen können, können wir keine Aussage darüber treffen, ob hier Qualia vorliegen oder nicht. Wir sind da also so schlau wie schon zuvor ...
Ja.

Es wäre jedoch schon viel gewonnen, wenn man äquivalente Erregungsmuster als emergente, nicht als fundamentale Entitäten identifizieren könnte.
Gruß
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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von tomS » 12. Nov 2017, 10:01

seeker hat geschrieben:
11. Nov 2017, 13:08
Ich frage hier nicht, was IST, ich frage: Was können wir wissen? bzw. Was wissen wir - und was können wir wie sicher wissen?
Das ist ein ganz anderer Zugang. Und ausgehend von dieser Frage kann Wissenschaft betrieben werden.
Die Ontologie kann man zunächst noch offen lassen, sie ist nicht der Ausgangspunkt.
Ich möchte beispielsweise folgende Frage beantworten:

„Hat dieser Computer jetzt das Gefühl, stolz zu sein“.

Können wir das wissen? Können wir wissen, ob es sich für den Computer genauso anfühlt wie für mich, stolz zu sein?

Können wir das deiner Meinung nach ausgehend von deiner Introspektion bzgl. deiner mentalen Zustände für den Computer und dessen Gefühle beantworten?

**********

Das folgende ist für die oben genannten Kernfragen evtl. sekundär:
seeker hat geschrieben:
11. Nov 2017, 13:08
6. Durch Beobachtung kann geschlussfolgert werden, dass die Außenwelt Eigenschaften hat, die wir "materiell" nennen und die durch Physik erfassbar sind und systematisch geordnet werden können, die Innenwelt hat dabei anscheinend andere Eigenschaften, die auf diesem Weg nicht direkt zugänglich sind.
Und umgekehrt!

Meine Innenwelt bzw. die eines Computers ist sozusagen deine Außenwelt. Sie sind dir über physikalische Methoden zugänglich. Aber mir und möglicherweise dem Computer ist die jeweilige Innenwelt eben durch Introspektion nicht physikalisch zugänglich.

Damit ist mir mein Geist zugänglich, dir jedoch nur die Materie meines Gehirns. Dasselbe gilt möglichweise für den Computers.

Damit bestimmt letztlich die jeweilige Methode das, was wir mittels der Methode wissen können. Und damit kannst du mittels der physikalischen Methode nichts über meinen Geist in Erfahrung bringen. Die uns zur Verfügung stehenden Methoden verhindern gerade das zu erkennen, was uns hier interessiert.
seeker hat geschrieben:
11. Nov 2017, 13:08
Das muss ich hier nicht beantworten. In der Physik habe ich dasselbe Problem, auch sie dringt nicht "zum Wesen selbst" vor, das ist nicht ihr Gegenstand, das ist Gegenstand der Philosophie.
Es geht nicht darum, was Qualia sind, sondern wie sie sind, was wir darüber wissen können, wie sie sind und was wir darüber sagen können und wie wir das ordnen können und welche Zusammenhäng zum materiellen Substrat gefunden werden können.
Ja, es geht darum, was wir über sie wissen können.

Und du kannst mittels deiner Methode der Introspektion nichts über meine Qualia in Erfahrung bringen; und mittels der Anwendung der physikalischen Methode eben auch nicht. Meine Qualia bleiben dir verschlossen. Ob und wie sie existieren wird für dich immer ein ungelöstes Rätsel bleiben.

Es ist auch nicht ausreichend, Erkenntnisse über Qualia zu sammeln, die nichts damit zu tun haben, wie sich etwas anfühlt. Dass und wie unser beider Bewusstsein strukturiert ist hilft mir nicht weiter, um zu erkennen, wie es sich für dich anfühlt, stolz zu sein (oder für den Computer)

(und bzgl. der Physik habe ich nie etwas anderes behauptet)
seeker hat geschrieben:
11. Nov 2017, 13:08
Die Grundidee ist ja, das Bewusstsein als Ausgangspunkt des Wissens ernst zu nehmen.
Du kannst nur dein Bewusstsein als Ausgangspunkt für dein Wissen nehmen. Damit erschließt du dir jedoch nie mein Wissen über mein Bewusstsein.

Möglicherweise ist dein Bewusstsein als dein Ausgangspunkt für dich sogar sicherer als die Außenwelt. Es ist m.E. jedoch ein wesentlich limitierterer Ausgangspunkt.
seeker hat geschrieben:
11. Nov 2017, 13:08
tomS hat geschrieben:
11. Nov 2017, 11:33
Deine Methode ist demnach subjektiv für dich eine 'gute' und 'sichere' Methode, jedoch eben keine im Sinne der Wissenschaft objektive und zulässige Methode.
Wie gesagt sehe ich in dem Fall nicht, warum man auch hier absolut auf das Objektive bestehen muss. Ja, man muss hier "Wissenschaft" umdefinieren, aber man verliert dabei nichts, es geht in der Wissenschaft im Kern nicht um Objektivität, sondern um Absicherung von Wissen, das generierte Wissen soll möglichst sicher, möglichst bewährt und belastbar sein.
Aber es geht die Absicherung von Wissen über Etwas. Und wenn sich dieses Etwas ausschließlich mittels deiner subjektiven Methoden zeigt, dann ist es für alle anderen wertlos; sie wissen nichts; und damit handelt es sich auch nicht mehr um Wissenschaft. Wenn sich ein anderes Etwas dir mittels deiner subjektiven Methoden nicht zeigt, dann weißt du nichts; und damit handelt es sich wieder um Wissenschaft.

**********

Ab hier wird es wieder wichtig:
seeker hat geschrieben:
11. Nov 2017, 13:08
Die Versuche das Bewusstsein auf physikalische Prozesse zu reduzieren ist offensichtlich gescheitert und offensichtlich prinzipiell nicht möglich, schon weil der Physik dafür die Begrifflichkeiten fehlen.
Diese Schlussfolgerung ist logisch unzulässig!

Nur weil es uns nicht möglich ist, das Bewusstsein so zu erfassen und dies zu wissen, heißt noch lange nicht, dass es nicht so sein kann. Dier Beschränkung liegt in der physikalischen Methode, jedoch nicht unbedingt in den physikalischen Prozessen.

Folgende Aussage würde ich eher mittragen: „Die Versuche, Begriffe wie Bewusstsein, Geist usw. auf physikalische Begriffe zu reduzieren ist wohl nicht möglich, weil der Physik dafür die Begrifflichkeiten fehlen. “
seeker hat geschrieben:
11. Nov 2017, 13:08
Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass wir zusätzliche Begriffe, Axiome benötigen, wenn wir überhaupt eine Chance haben wollen an der Front weiterzukommen, d.h. wir müssen unser Weltbild erweitern.
Wenn wir über etwas mittels der physikalischen Methode nichts wissen können, kann die Beschränkung durchaus in der physikalischen Methode und unseren Möglichkeiten des Erkennens und des Anwendens der Methode liegen.

Das bedeutet nicht, dass die materielle Substanz und damit die physikalischen Prozesse als Gegenstand der Physik nicht selbst vollständiger Träger für Geist sein könnte.

Ja, wir müssten zusätzliche Begriffe einführen, so wie wir den Begriff „Wetter“ zusätzlich zu Begriffen wie „Nichtgleichgewichtsthermodynamik“ etc. benötigen, ohne dass wir dadurch eine nicht-materialistische Entität einführen würden.
seeker hat geschrieben:
11. Nov 2017, 13:08
tomS hat geschrieben:
11. Nov 2017, 11:33
Mein Hauptargument ist, dass es im weitesten Sinne auf einen Dualismus hinausläuft. Wenn das so ist, dann folgt daraus, dass Qualia nicht-materialistisch aufzufassen sind.

Ist das im weitesten Sinne deine Position?
Es läuft auf einen Eigenschaftsdualismus hinaus. D.h., es gibt nur eine "Substanz", die jedoch zwei Seiten bei den Eigenschaften hat, eine Außenseite und eine Innenseite.
Wobei beide Seiten in gewisser Weise identisch sind, es ist ja dasselbe Ding, das sich nur unterschiedlich zeigt.
Das klingt für mich zumindest erträglich :-)



Ich würde mich freuen, wenn du meine Position nochmal kommentieren würdest; bisher hast du nur den ersten Teil kritisiert, jedoch nicht meine eigentliche Kernaussage:

Da ich - im Gegensatz zu dir - der Introspektion und der geistigen Welt weit weniger Gewicht beimesse, komme ich zu der - für mich als Physiker vernünftigen - Ansicht, dass es sich bei Bewusstsein um rein physikalische Prozesse handelt, dass also geistige und materielle Welt identisch sind, und dass letztere im Sinne eines Reduktionismus primär ist.

Die geistige Welt ist emergent und damit sekundär. Der Prozess dieser Emergenz und die Gesamtheit der damit verbundenen Phänomene in Bezug auf meine Introspektion entzieht sich dabei der Methode der Physik und der Introspektion, im Wesentlichen aufgrund der Selbstbezüglichkeit letzterer; d.h. die Emergenz der geistigen Welt ist der blinde Fleck der physikalischen Methode, ohne dass dadurch die Notwendigkeit eines Substanzdualismus

s.o.: Die Einführung einer Substanz „Geist“ ist damit nicht notwendig. Die Einführung des Begriffes „Geist“ ist dagegen sinnvoll, genauso wie die Einführung eines Begriffs „Wetter“ zusätzlich zu Begriffen wie „Nichtgleichgewichtsthermodynamik“ etc., ohne dass wir dadurch eine nicht-materialistische Entität einführen würden.

Zusammenfassend vertrete ich als Physiker eine monistische, eher materialistische Position, ohne dass ich behaupte, diese logisch auf Basis der Physik ableiten zu können oder den Geist dadurch vollumfänglich erklären zu können; d.h. ich erkenne die Limitierungen der physikalischen Methode an und damit die Existenz einer Erklärungslücke. Dennoch halte ich diese Position für vernünftig.



Außerdem würde mich deine Meinung zum sogenannten „Bieri-Trilemma“ interessieren:

https://de.wikipedia.org/wiki/Bieri-Trilemma

Dabei handelt es sich um eine bestimmte Formulierung des Leib-Seele-Problems. Das Argument bezieht sich auf das Problem der mentalen Verursachung:
1) Mentale Phänomene sind nichtphysikalische Phänomene.
2) Mentale Phänomene sind im Bereich physikalischer Phänomene kausal wirksam.
3) Der Bereich physikalischer Phänomene ist kausal geschlossen.

Jede der drei Annahmen wirkt auf den ersten Blick plausibel:
Das Bewusstsein scheint durch seine interne Struktur – insbesondere durch das subjektive Erleben – von jedem physischen Ereignis verschieden.
Mentale Phänomene (etwa Angst) scheinen ganz offensichtlich Ursache von physischen Phänomenen (etwa Weglaufen) zu sein.
In der physischen Welt scheinen jedoch immer hinreichende, physische Ursachen auffindbar zu sein.
Das Trilemma besteht nach Bieri darin, dass die Sätze paarweise, aber nicht alle zugleich wahr sein können. Wenn mentale Phänomene auf die physikalische Welt einwirken können (1 und 2), so ist sie nicht geschlossen (Widerspruch zu 3). Wenn dagegen das Mentale von der physischen Welt unabhängig ist und sie physische Welt kausal geschlossen (Satz 1 und Satz 3) so kann es keine Wirkung mentaler Phänomene auf die physikalische Welt geben (Widerspruch zu 2). Wenn mentale Phänomene physische Vorgänge verursachen und die physische Welt kausal geschlossen ist (2 und 3), so muss das Mentale auf die physische Welt reduzierbar sein (Reduktionismus, Widerspruch zu 1).
Gruß
Tom

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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von tomS » 12. Nov 2017, 10:05

ATGC hat geschrieben:
11. Nov 2017, 15:57
tomS hat geschrieben:
11. Nov 2017, 15:46
Es wäre jedoch schon viel gewonnen, wenn man äquivalente Erregungsmuster als emergente, nicht als fundamentale Entitäten identifizieren könnte.
Ich denke, auch das reicht noch nicht hin, da Si-Chips von grundsätzlich anderer Struktur sind als Neuronen. Neuronen können ihre Verschaltungen variieren, indem sie Synapsen nutzen oder abbauen. Stark genutzte Synapsen werden noch verstärkt, indem der synaptische Spalt mit Molekülbrücken versehen werden, so dass die Neurotransmitter länger aktiv sein können, bevor sie dem enzymatischen Abbau unterliegen. Im Gegensatz dazu sind Si-Chips starr und hinsichtlich der Verschaltungen festgelegt - auch was die Nutzungsintensität betrifft: Hier sind prinzipiell alle möglichen Verlaufswege gleichrangig. Von daher ist schwer vorstellbar, wie hieraus Emergenzen erwachsen könnten, die auf die Art und Weise der Verschaltung sowie deren Nutzung rückwirken. Ich denke, darin zeigt sich ein qualitativer Unterschied zwischen Neuronen auf biochemischer Basis, die prozessual in den Gesamtorganismus eingebunden sind und Si-Chips, die keinerlei Stoffwechselprozessen unterliegen und somit auch keine Variabilität aufweisen können.
Es ist sicher nicht hat ausreichend, eine klassische von-Neumann-Hardware-Architektur zu betrachten. Nimmt man jedoch die unterste Ebene der Software wie z.B. neuronale Netze mit hinzu, so sieht es evtl. anders aus.
Gruß
Tom

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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von Frank » 12. Nov 2017, 10:59

ATGC hat geschrieben:
12. Nov 2017, 10:19
Hallo Tom,
Wenn mentale Phänomene physische Vorgänge verursachen und die physische Welt kausal geschlossen ist (2 und 3), so muss das Mentale auf die physische Welt reduzierbar sein (Reduktionismus, Widerspruch zu 1).
Diese Schlussfolgerung verstehe ich nicht. Warum ist kausale Geschlossenheit zugleich Reduzierbarkeit?
Ich verstehe diesen Dualismus, der seit ein paar Posts zu diesem Thema auftaucht, auch nicht.
Mit freundlichen Grüßen

Frank

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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von seeker » 12. Nov 2017, 12:05

Wir haben hier einen sehr schönen Diskurs.
Ich nutze solche Diskussionen um weiterzukommen, dazuzulernen, auch meine egene Position weiterzuentwickeln.
Jetzt muss ich erst einmal viel denken... und einiges schreiben. :)

Wo fange ich an? Vielleicht muss ich das auf mehrere Beiträge verteilen. Falls ich etwas Wichtiges vergesse zu behandeln, würde ich mich freuen darauf hingewiesen zu werden.

Erst einmal das:
ATGC hat geschrieben:
11. Nov 2017, 14:18
Hallo seeker,
Wenn man die Außenseite genügend gut untersucht hat und die Korrelationen zwischen Außenseite und Innenseite genügend gut erforscht hat und kennt, dann ist es prinzipiell möglich durch Kenntnis des Zustands der Innenseite korrekt auf den Zustand der physikalischen Außenseite zu schließen und umgekehrt durch Kenntnis des Zustands der Außenseite korrekt auf den Zustand der Innenseite zu schließen.
Ich bin mir nicht sicher, ob das wechselseitig so eindeutig aufgehen kann. Gerade in Bezug auf Lebensprozesse ist das exemplarisch gut nachvollziehbar. Leben lässt sich z.B. nicht auf DNA reduzieren und aus der DNA lässt sich nicht auf die Beschaffenheit eines Lebewesens schlussfolgern, da hier noch andere Prozesse hineinwirken, welche eine wechselseitige Eindeutigkeit in der Beschreibung vereiteln. Das heißt, man kann ein Lebewesen hinsichtlich seiner materiellen Bestandteile bis auf die Elementarteilchen genau analysieren, aber man kann aus dieser Beschaffenheit nicht rekonstruieren, dass und wie es lebt. Das ergibt sich erst aus der Kenntnis der Kontexte, über die die verschiedenen Bestandteile koordiniert zusammenwirken. Hier ist also ein prozessuales Verständnis vonnöten statt eines substanziellen, welches sich auf die materielle Basis konzentriert.
Dem stimme ich zu, es ist sehr schwierig, wegen der starken Kontextabhängigkeit, aber meiner Meinung nach nicht unmöglich, d.h. eine rein reduktionistisches Vorgehen halte ich nicht für ausreichend. Man muss die Verhältnisse der Untersysteme zu den Gesamtsystemen bestimmen. Dann muss man untersuchen, ob diese Verhältnisse bei verschiedenen Systemen (z.B. Menschen) dann gleich bzw. ähnlich sind, wenn die Innenerleben gleich bzw. ähnlich sind.
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 10:01
Außerdem würde mich deine Meinung zum sogenannten „Bieri-Trilemma“ interessieren:

https://de.wikipedia.org/wiki/Bieri-Trilemma

Dabei handelt es sich um eine bestimmte Formulierung des Leib-Seele-Problems. Das Argument bezieht sich auf das Problem der mentalen Verursachung:
1) Mentale,Phänomene sind nichtphysikalische Phänomene.
2) Mentale Phänomene sind im Bereich physikalischer Phänomene kausal wirksam.
3) Der Bereich physikalischer Phänomene ist kausal geschlossen.

Jede der drei Annahmen wirkt auf den ersten Blick plausibel:
Das Bewusstsein scheint durch seine interne Struktur – insbesondere durch das subjektive Erleben – von jedem physischen Ereignis verschieden.
Mentale Phänomene (etwa Angst) scheinen ganz offensichtlich Ursache von physischen Phänomenen (etwa Weglaufen) zu sein.
In der physischen Welt scheinen jedoch immer hinreichende, physische Ursachen auffindbar zu sein.
Das Trilemma besteht nach Bieri darin, dass die Sätze paarweise, aber nicht alle zugleich wahr sein können. Wenn mentale Phänomene auf die physikalische Welt einwirken können (1 und 2), so ist sie nicht geschlossen (Widerspruch zu 3). Wenn dagegen das Mentale von der physischen Welt unabhängig ist und sie physische Welt kausal geschlossen (Satz 1 und Satz 3) so kann es keine Wirkung mentaler Phänomene auf die physikalische Welt geben (Widerspruch zu 2). Wenn mentale Phänomene physische Vorgänge verursachen und die physische Welt kausal geschlossen ist (2 und 3), so muss das Mentale auf die physische Welt reduzierbar sein (Reduktionismus, Widerspruch zu 1).
Ja, da geht es um die kausale Geschlossenheit der physikalischen Welt.
Das ist m.M.n. bei meiner Position gelöst. 2) ist in dieser Formulierung falsch.

Wir haben bei meinem Eigenschaftsdualismus nur eine Substanz vorliegen, deren Verhalten auch richtig von der Physik beschrieben wird - aus ihrer Sicht.

Die Lösung liegt in der Perspektivabhängigkeit: Physik ist Perspektive! Das Erscheinen der Innenwelt ist Perspektive!

D.h.: Die Physik beschreibt nicht die Welt direkt, sondern die Welt, so wie sie aus Perspektive der Physik erscheint. Zur Perspektive gehören Begriffe und Methoden. Diese Begriffe und Methoden bilden die Perspektive der Physik, man könnte auch Kontext dazu sagen. Nur innerhalb dieser Perspektive machen Begriffe wie "kasual geschlossen" überhaupt Sinn, genauer muss es auch heißen "physikalisch kausal geschlossen".
Das Mentale wirkt daher auch nicht auf das Physikalische ein, auch nicht umgekehrt, wie könnte eine Perspektive auf eine andere kausal einwirken?
Stattdessen korreliert beides miteinander (wenn das Mentale in einem System anwesend ist): Das was IST stellt sich einerseits als physikalischer Prozess dar und andererseits als
mentales Geschehen und aus noch anderen Perspektiven könnte es sich prinzipiell noch einmal anders darstellen.
Und wenn man über Perspektiven nachdenkt, dann erkennt man auch, dass eine Perpektive es einerseits überhaupt erst einmal ermöglicht etwas betrachten bzw. beschreiben zu können (d.h. sie ist notwendig) und aber andererseits auch eine Einschränkung darstellt: Man kann das zu Betrachtende nicht gleichzeitig in jeder möglichen Weise betrachten, die prinzipiell möglich wäre. Eben das ist Perspektive: Die Dinge auf eine einzige und bestimmte Weise zu betrachten, will man sie auf eine andere Weise betrachten, muss man die Perpektive wechseln.

Ich denke, das sollten die meisten akzeptieren können, das könnte eine Basis für einen Konsens sein.
Weitere Dinge kommen dann erst später, wie z.B. die Frage nach dem Willen, Abwärtsverursachung, Reduktionismus, usw.
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 10:01
Ich frage hier nicht, was IST, ich frage: Was können wir wissen? bzw. Was wissen wir - und was können wir wie sicher wissen?
Das ist ein ganz anderer Zugang. Und ausgehend von dieser Frage kann Wissenschaft betrieben werden.
Die Ontologie kann man zunächst noch offen lassen, sie ist nicht der Ausgangspunkt.
Ich möchte beispielsweise folgende Frage beantworten:

„Hat dieser Computer jetzt das Gefühl, stolz zu sein“.

Können wir das wissen? Können wir wissen, ob es sich für den Computer genauso anfühlt wie für mich, stolz zu sein?

Können wir das deiner Meinung nach ausgehend von deiner Introspektion bzgl. deiner mentalen Zustände für den Computer und dessen Gefühle beantworten?
Das zu beantworten wird äußerst schwer sein, aber prinzipiell ja, nicht mit absoluter Sicherheit, aber mit ausreichender Sicherheit.
Allerdings geht auch das - wie immer - nur innerhalb eines Kontextes/Systems, dem gewisse Axiome/ akzeptierte Grundannahmen zugrunde liegen.
Man sollte sich dabei auch nicht weiter von der "klassischen Physik" entfernen als nötig.
Eine Grundannahme der Physik lautet z.B.: "Wie hier so überall, wie jetzt so immer!"
Das bezieht sich auf die Naturgesetzmäßigkeiten, die die Physik erforscht und formuliert und beruht auf dem Prinzip der Verallgemeinerung.

Dieses Prinzip der Verallgemeinerung lässt sich auch hier anwenden:
Wenn ich als System ein bestimmtes Innenerleben habe, mit dem ein bestimmter physikalischer Zustand bzw. Prozess einhergeht, dann wird ein anderes System mit identischem physikalischem Zustand bzw. Prozess dasselbe Innenerleben haben, mit ähnlichem Zustand bzw. Prozess ähnliches Innenerleben haben. Abweichungen können sich ergeben, wenn sich verschiedene Systeme in verschiedenen Kontexten befinden, die Geschichte ist daher teilweise irreduzibel.
(Diese Kontextgeschichte stelle ich immer wieder heraus, um dem Argument Rechnung zu tragen, wo argumentiert wird, dass ein-und-derselbe physikalische Zustand mit verschiedenen Mentalen Zuständen insbes. in seinem Bedeutungsinhalt korrelieren könne. Das Argument ist gut, es funktioniert aber nur dann, wenn die Kontexte verschieden sind.)
Ein solches Vorgehen der Verallgemeinerung ist also physikalisches Standardhandwerk, ich sehe keinen Grund das nicht auch hier anzuwenden, so man denn nicht auch gleichzeitig das Vorgehen der Physik in Frage stellen wollte.

Zum Computer:
Das Problem ist wie gesagt hart, aber mein Arbeitsprogramm dazu sähe wie folgt aus:

Zuerst müssen die Korrelationen beim Menschen erforscht werden, also bei vielen Menschen, dann vergleicht man das.
Dabei muss auch die exakte Kenntnis des Gesamtsystems Mensch berücksichtigt werden und auch soweit als möglich die Kontexte um ihn herum, also seine Kultur, seine Vorgeschichte, usw.
Daraus ist danach zu suchen, ob sich bestimmbare Muster in den Verhälnissen finden lassen.
Wenn das erfolgreich abgeschlossen werden kann, dann ist das als nächstes auf den Computer anzuwenden.
Wohlgemerkt! Man darf beim Computer nicht nach denselben Mustern suchen, die man direkt im Gehirn findet (neuronale Aktivitätsmuster), man muss stattdessen nach ähnlichen Verhältnismustern suchen (beim Menschen das Verhältnis zwischen Aktivitätsmustern und Gesamtgehirn, usw.).

Falls im Computer ähnliche Verhältnismuster gefunden werden können, können wir mit akzeptabel hoher Sicherheit davon ausgehen, dass auch er ein Innenerleben hat.
Eine absolute Sicherheit ist nicht erreichbar, aber das ist wie schon gesagt in der Standardphysik nicht anders.
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 10:01
Das muss ich hier nicht beantworten. In der Physik habe ich dasselbe Problem, auch sie dringt nicht "zum Wesen selbst" vor, das ist nicht ihr Gegenstand, das ist Gegenstand der Philosophie.
Es geht nicht darum, was Qualia sind, sondern wie sie sind, was wir darüber wissen können, wie sie sind und was wir darüber sagen können und wie wir das ordnen können und welche Zusammenhäng zum materiellen Substrat gefunden werden können.
Ja, es geht darum, was wir über sie wissen können.

Und du kannst mittels deiner Methode der Introspektion nichts über meine Qualia in Erfahrung bringen; und mittels der Anwendung der physikalischen Methode eben auch nicht. Meine Qualia bleiben dir verschlossen. Ob und wie sie existieren wird für dich immer ein ungelöstes Rätsel bleiben.

Es ist auch nicht ausreichend, Erkenntnisse über Qualia zu sammeln, die nichts damit zu tun haben, wie sich etwas anfühlt. Dass und wie unser beider Bewusstsein strukturiert ist hilft mir nicht weiter, um zu erkennen, wie es sich für dich anfühlt, stolz zu sein (oder für den Computer)

(und bzgl. der Physik habe ich nie etwas anderes behauptet)
Sicherlich müssen wir hier mit Begrenzungen leben, es kann nicht alles herausgefunden werden, aber einiges schon, wie viel wird die Zukunft zeigen.
Wie oben argumentiert würde ich eben auch hier das Prinzip der Verallgemeinerung anwenden.

Und zum Vergleichen von Qualia ist mir gerade folgendes einfaches Beispiel eingefallen:

Schauen wir die Farb-Qualia an, die wir haben. Ich habe zwar Schwierigkeiten dir zu erklären was "blau" für mich ist und wie es sich anfühlt blau zu empfinden, aber Ich stelle bei mir fest, das ich "blau" als dunkler empfinde wie z.B. "gelb".
Das kann ich dir mitteilen. Bei dir ist es vielleicht genauso, jedoch gibt es auch Menschen, wo das nicht so ist, wo blau heller als gelb erscheint (manche Menschen mit einer Schwäche bei der Farbwahrnehmung). Mit solchen Befunden können wir als nächstes das materielle Korrelat untersuchen und herausfinden ob sich da ein Unterschied finden lässt, den finden wir auch und haben Erkenntnis gewonnen. So kann man viele kleine Schritte tun und kommt so immer weiter.
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 10:01
Folgende Aussage würde ich eher mittragen: „Die Versuche, Begriffe wie Bewusstsein, Geist usw. auf physikalische Begriffe zu reduzieren ist wohl nicht möglich, weil der Physik dafür die Begrifflichkeiten fehlen. “
Einverstanden, als Minimalkonsens.
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 10:01
Da ich - im Gegensatz zu dir - der Introspektion und der geistigen Welt weit weniger Gewicht beimesse, komme ich zu der - für mich als Physiker vernünftigen - Ansicht, dass es sich bei Bewusstsein um rein physikalische Prozesse handelt, dass also geistige und materielle Welt identisch sind, und dass letztere im Sinne eines Reduktionismus primär ist.
Wenn du das tust, dann ignorierst du, wo dein Wissen sitzt, ebenso ignorierst du die Perspektivabhängigkeit deiner Methode "Physik".
Dass geistige und materielle Prozesse letztlich identisch sind glaube ich auch, das heißt aber nicht, dass es sich bei Bewusstsein um rein physikalische Prozesse handelt, im Sinne von Bewusstsein IST physikalischer Prozess, stattdessen erscheint derselbe Prozess je nach Perspektive auf unterschiedliche Weise. Es heißt auch insbesondere nicht, dass du das eine auf das andere reduzieren kannst (man kann diametral entgegengesetzte Perspektiven nicht aufeinander reduzieren, das macht keinen Sinn) oder dass eines davon 'an sich' primär sei. Keines von beiden ist an sich primär, Erscheinungen sind an sich immer sekundär, nur ist es so, dass das Mentale für dich primär ist und das Physikalische für die Physik primär ist.

Verstehst du was ich meine?
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 10:05
Die geistige Welt ist emergent und damit sekundär.
Diese Schlussfolgerung ist nicht zwingend. Sie ist auch nicht nötig um Physik betreiben zu können.
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 10:01
Der Prozess dieser Emergenz und die Gesamtheit der damit verbundenen Phänomene in Bezug auf meine Introspektion entzieht sich dabei der Methode der Physik
... aber nicht vollständig der Methode der Wissenschaft. Man muss insbesondere nicht alles rein reduktiv angehen.
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 10:01
Die Einführung einer Substanz „Geist“ ist damit nicht notwendig.
Richtig. Notwendig ist nur die Einführung eines Phänomens "Geist". Und vernünftig ist es dabei die Eigenschaften dieses Phänomens und seine Korrelation zum materiellen Substrat -so weit als möglich- zu erforschen.
Grüße
seeker


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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von tomS » 12. Nov 2017, 12:15

ATGC hat geschrieben:
12. Nov 2017, 10:19
Hallo Tom,
Wenn mentale Phänomene physische Vorgänge verursachen und die physische Welt kausal geschlossen ist (2 und 3), so muss das Mentale auf die physische Welt reduzierbar sein (Reduktionismus, Widerspruch zu 1).
Diese Schlussfolgerung verstehe ich nicht. Warum ist kausale Geschlossenheit zugleich Reduzierbarkeit?
Wenn mentale Vorgänge nicht auf physische Vorgänge reduzierbar wären, wenn es also weitere, von den physischen unabhängige, mentale Vorgänge gäbe, und wenn diese mentale Vorgänge zusätzlich auf die physischen Vorgänge einwirken würden, dann wäre die physische Welt nicht kausal abgeschlossen, da es außer-physische, nämlich mentale, kausale Ursachen für physische Vorgänge gäbe.
Gruß
Tom

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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von tomS » 12. Nov 2017, 13:30

ATGC hat geschrieben:
12. Nov 2017, 12:38
Hallo Tom,

das leuchtet mir noch nicht ein. Wenn es sich bei mentalen Vorgängen um emergente Eigenschaften handelt, die kausal durch physische Vorgänge bedingt sind, aber für sich genommen eigene Systemeigenschaften aufweisen, die nicht auf die physischen Grundlagen reduzierbar sind (siehe dazu das Analogon zur Biologie in Bezug auf die Physik bzw. Chemie!), ist eine kausale Geschlossenheit trotz Nichtreduzierbarkeit gegeben - inklusive des Wirksamwerdens von mentalen Vorgängen auf physische Vorgänge.
So ist das Trilemma aber nicht zu verstehen: mentalen Vorgängen als emergente Phänomene auf Basis physischer Vorgänge wären ontologisch reduzibel; so ist das aufzufassen.

Vgl. Wetter und Klima: beide haben physische Merkmale wie Temperatur, Wind, Regen ... die nicht auf atomare Merkmale jedoch auf die atomare "Substanz" reduzibel sind; es gibt keine kausalen Ursachen für Wetter und Klima neben inner- und intramolekularen Prozessen.

Ich denke, das Problem sind philosophische Begrifflichkeiten sowie Varianten und Feinheiten, nicht das Trilemma an sich.
Gruß
Tom

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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von tomS » 12. Nov 2017, 13:39

Frank hat geschrieben:
12. Nov 2017, 10:59
Ich verstehe diesen Dualismus, der seit ein paar Posts zu diesem Thema auftaucht, auch nicht.
Zum Dualismus existieren viele Varianten sowie teilweise weit außeinanderliegende Bedeutungen.

Zunächst mal ist offensichtlich klar, dass die physische Substanz eines Single Malt Whiskies (für den es jetzt noch zu früh ist), zu unterscheiden ist vom Wärmegefühl, das sich im Mund (eigtl. im Gehirn) entwickelt (und dieses wiederum von dem physikalischen Begriff Wärme, denn der Malt ist sicher nicht wärmer als Gaumen und Zunge). Demzufolge kann man sinnvollerweise noch mentale Begriffe einführen.

Bisher ist noch nicht entscheidendes passiert, denn das, worauf diese mentalen Begriffe verweisen, könnten im Sinne eines Materialismus emergent aus der rein physischen Substanz hervorgehen. Insofern kann man auf Ebene der Begriffe und Phänomene, also dessen was wir wahrnehmen und wirüber wir uns austauschen, durchaus von einem Dualismus sprechen, obwohl auf Ebene der Substanz ein materialistisch geprägter ontologischer Monismus vorliegt.

Descartes u.a. haben diese Unterscheidung jedoch von den Ebenen der Sprache und der Wahrnehmung auf die Ebene des Seins gehoben und sprechen von einer unabhängigen mentalen Substanz, was zu einen ontologischen Dualismus führt (der insbs. in einem religiös geprägten philosophischen Umfeld Beachtung findet, während der ontologische Monismus in einem materialistisch oder naturwissenschaftlich geprägten Umfeld relevant ist).
Gruß
Tom

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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von tomS » 12. Nov 2017, 19:38

Danke, da sind ein paar gute Erklärungen zu finden
Gruß
Tom

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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von tomS » 12. Nov 2017, 20:44

seeker hat geschrieben:
12. Nov 2017, 12:05
Wir haben hier einen sehr schönen Diskurs.
Ja, danke dafür!
seeker hat geschrieben:
12. Nov 2017, 12:05
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 10:01
Außerdem würde mich deine Meinung zum sogenannten „Bieri-Trilemma“ interessieren …
Ja, da geht es um die kausale Geschlossenheit der physikalischen Welt.
Das ist m.M.n. bei meiner Position gelöst.

Wir haben bei meinem Eigenschaftsdualismus nur eine Substanz vorliegen, deren Verhalten auch richtig von der Physik beschrieben wird - aus ihrer Sicht.

D.h.: Die Physik beschreibt nicht die Welt direkt, sondern die Welt, so wie sie aus Perspektive der Physik erscheint.
Schön!

Evtl. habe ich Verwirrung gestiftet, weil ich nicht sauber zwischen „physisch“ und „physikalisch“ getrennt habe. Ich habe bei der Physik immer auch Begriffe und Methoden gemeint.

Dennoch komme ich zu dem Schluss, dass die Physik die physische Welt zutreffend beschreibt und dass die physische Welt bzw. Substanz die mentale mitumfasst.

(Jetzt könnte man eine Diskussion über philosophische Spielarten beginnen, d.h. vom Eigenschaftsdualismus über Epiphänomenalismus bis hin zu eliminativem Materialismus; das führt meist zu nichts, weil die Begriffsverwirrung zu groß ist)
seeker hat geschrieben:
12. Nov 2017, 12:05
Das Mentale wirkt daher auch nicht auf das Physikalische ein, auch nicht umgekehrt, wie könnte eine Perspektive auf eine andere kausal einwirken?
Ich denke, das ist eher ein sprachliches Problem. Eine Wasserwelle wird auf Wassermoleküle ein und umgekehrt.

Im Falle der mentalen und der physischen Welt sehe ich das ähnlich, nur dass wir uns im Gegensatz zu meinem Beispiel nie in die Vogelperspektive versetzen können.

(Mir ist bewusst, dass ich dabei eine materialistische Position einnehme, ohne die vollumfänglich rechtfertigen zu können; aber sie ist hinreichend plausibel)
seeker hat geschrieben:
12. Nov 2017, 12:05
Ich denke, das sollten die meisten akzeptieren können, das könnte eine Basis für einen Konsens sein.
Ich denke, ja.
seeker hat geschrieben:
12. Nov 2017, 12:05
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 10:01
Ich möchte beispielsweise folgende Frage beantworten:

„Hat dieser Computer jetzt das Gefühl, stolz zu sein“.

Können wir das wissen? Können wir wissen, ob es sich für den Computer genauso anfühlt wie für mich, stolz zu sein?

Können wir das deiner Meinung nach ausgehend von deiner Introspektion bzgl. deiner mentalen Zustände für den Computer und dessen Gefühle beantworten?
Das zu beantworten wird äußerst schwer sein, aber prinzipiell ja, nicht mit absoluter Sicherheit, aber mit ausreichender Sicherheit.



Dieses Prinzip der Verallgemeinerung lässt sich auch hier anwenden:



Ein solches Vorgehen der Verallgemeinerung ist also physikalisches Standardhandwerk, ich sehe keinen Grund das nicht auch hier anzuwenden, so man denn nicht auch gleichzeitig das Vorgehen der Physik in Frage stellen wollte.
Man muss vorsichtig sein. Verallgemeinerungen und Analogieschlüsse sind nur bei vergleichbaren Perspektiven sinnvoll anzuwenden.

Wenn mein mentaler Zustand „Stolz“ zu ähnlichen Äußerungen wie ich sie an meinem Computer beobachte, dann darf ich dennoch nicht vorschnell auf dessen „Stolz“ schließen, denn zum einen handelt es sich um unterschiedlichen Perspektiven: meine introspektive auf meine mentalen Zustände sowie meine extern ausgerichtete auf die Äußerungen und die Physik des Computers.

Außerdem entsprechen sich mein Gehirn und das des Computers rein physikalisch nicht (evtl. wird dieses Argument z.B. durch die Struktur neuronaler Netze entwertet).

Ich würde hier eher ein „Prinzip der Vorsicht“ einführen, demzufolge ich dem Computer eher mentale Bewusstseinsinhalte und Qualia zusprechen möchte als sie abzusprechen, einfach weil ich damit im Guten (ethisch, moralisch) wie im Bösen (z.B. bzgl. Eigensinn und Auflehnung des Computers gegen mich) besser fahre.
seeker hat geschrieben:
12. Nov 2017, 12:05
Zum Computer:
Das Problem ist wie gesagt hart, aber mein Arbeitsprogramm dazu sähe wie folgt aus:

Zuerst müssen die Korrelationen beim Menschen erforscht werden, also bei vielen Menschen, dann vergleicht man das.
Dabei muss auch die exakte Kenntnis des Gesamtsystems Mensch berücksichtigt werden und auch soweit als möglich die Kontexte um ihn herum, also seine Kultur, seine Vorgeschichte, usw.
Daraus ist danach zu suchen, ob sich bestimmbare Muster in den Verhältnissen finden lassen.
Wenn das erfolgreich abgeschlossen werden kann, dann ist das als nächstes auf den Computer anzuwenden.



Falls im Computer ähnliche Verhältnismuster gefunden werden können, können wir mit akzeptabel hoher Sicherheit davon ausgehen, dass auch er ein Innenerleben hat.
s.o.!
seeker hat geschrieben:
12. Nov 2017, 12:05
Eine absolute Sicherheit ist nicht erreichbar, aber das ist wie schon gesagt in der Standardphysik nicht anders.
s.o.: im hier vorliegenden Fall musst du einen Perspektivwechsel vornehmen, im Falle der Physik nicht.

Perspektive in der Physik:
Extern orientiert auf System A mit Mustern M(A) sowie System B mit Mustern M(B). Vergleichbare Muster M(A) ~ M(B) führen zu vergleichbaren (emergenten) Eigenschaften M(A) ~ M(B) → E(A) ~ E(B).

Perspektive hier:
Extern orientiert auf Computer C mit Mustern M(C) sowie introspektiv auf meinen Geist Ψ mit Mustern μ(Ψ). Vergleichbare Muster M(C) ~ μ(Ψ) führen zu vergleichbaren (emergenten) Eigenschaften M(C) ~ μ(Ψ) → E(C) ~ ε(Ψ).

Ich denke, die Zeichen symbolisieren, wo ich die gefährlichen Perspektivwechsel sehe.

Ich halte die Erklärungslücke für zu erheblich, als dass ich da so einfach darüber hinweggehen möchte. Ich denke, diese Schlussfolgerung setzt zumindest eine Spielart der Identität bzw. des Monismus voraus.
seeker hat geschrieben:
12. Nov 2017, 12:05
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 10:01
Folgende Aussage würde ich eher mittragen: „Die Versuche, Begriffe wie Bewusstsein, Geist usw. auf physikalische Begriffe zu reduzieren ist wohl nicht möglich, weil der Physik dafür die Begrifflichkeiten fehlen. “
Einverstanden, als Minimalkonsens.
Gut!
seeker hat geschrieben:
12. Nov 2017, 12:05
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 10:01
Da ich - im Gegensatz zu dir - der Introspektion und der geistigen Welt weit weniger Gewicht beimesse, komme ich zu der - für mich als Physiker vernünftigen - Ansicht, dass es sich bei Bewusstsein um rein physische Prozesse handelt, dass also geistige und materielle Welt identisch sind, und dass letztere im Sinne eines Reduktionismus primär ist.
Wenn du das tust, dann ignorierst du, wo dein Wissen sitzt, ebenso ignorierst du die Perspektivabhängigkeit deiner Methode "Physik".
s.o.: evtl. habe ich Verwirrung gestiftet, weil ich nicht sauber zwischen „physisch“ und „physikalisch“ getrennt habe; ich habe das jetzt im Zitat korrigiert; so war es gemeint.

Ich ignoriere nicht die Perspektivabhängigkeit, sondern ich spreche konkret (und jetzt korrekt) von physischen Prozessen. Ich halte physische und mentale Prozesse für letztlich identisch, wobei letztere emergente Eigenschaften aufweisen, die ersteren nicht zukommen.

„Ladung“, „Sturm“ und „Gravitationswellen“ sind auch allesamt physische Gegebenheiten und Prozesse, denen jeweils spezifische Eigenschaften wie „Ladungserhaltung“, „Windstärke acht“ usw. zukommen.
seeker hat geschrieben:
12. Nov 2017, 12:05
Dass geistige und materielle Prozesse letztlich identisch sind glaube ich auch, das heißt aber nicht, dass es sich bei Bewusstsein um rein physikalische Prozesse handelt, im Sinne von Bewusstsein IST physikalischer Prozess, stattdessen erscheint derselbe Prozess je nach Perspektive auf unterschiedliche Weise.



Verstehst du was ich meine?
Ich denke schon; es liegt m.E. an der irreführenden Verwendung von „physikalisch“ statt „physisch“ sowie an der sprachlich immer etwas unscharfen Definition von „emergent“ und „reduzierbar“. Ich hoffe, dass wir uns im Rahmen dieser Unschärfe weitgehend einig sind.
seeker hat geschrieben:
12. Nov 2017, 12:05
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 10:01
Die Einführung einer Substanz „Geist“ ist damit nicht notwendig.
Richtig. Notwendig ist nur die Einführung eines Phänomens "Geist". Und vernünftig ist es dabei die Eigenschaften dieses Phänomens und seine Korrelation zum materiellen Substrat -so weit als möglich- zu erforschen.
Ja, absolute Zustimmung.

Kommen wir zum o.g. Problem der Perspektive zurück:

Vergleichbare Muster M(C) ~ μ(Ψ) führen zu vergleichbaren (emergenten) Eigenschaften M(C) ~ μ(Ψ) → E(C) ~ ε(Ψ).

Das ist m.E. ein Kernproblem.
Gruß
Tom

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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von Pippen » 12. Nov 2017, 20:49

tomS hat geschrieben:
6. Nov 2017, 07:09
Selbst für eine hundert Prozent vollständige und präzise Nachbildung existiert kein logischer Beweis und kein experimenteller Nachweis bzw. Test, dass die "künstliche Intelligenz" tatsächlich Bewusstsein bzw. Selbstbewusstsein, Emotionen, allg. Qualia besitzt.
So einen Beweis kann es nicht geben. Man kann zB auch niemals beweisen, dass du - toms - Bewußtsein hast, denn für alle außer dir ist dieses ja unzugänglich.

Mir geht's darum, Bewußtsein von Anfang an als Leistung des Gehirns anzunehmen - was soll es auch sonst sein - und dann zu zeigen, dass bei endlich vielen Gehirnstrukturen (Pippen's Gehirn, TomS Gehirn, TomS' Ur-Opa's Gehirn,...) und endlich vielen Schaltungszuständen im Gehirn, ohne Quanteneffekte, alle Leben aller Menschen irgendwann auf einer Datenbank aufgezeichnet werden könnten, d.h. dein und mein Leben könnten bereits gelebt und lediglich ein Archiv sein, was gerade dort abgespielt wird. Das wäre vllt. ein neues Superziel, was wir Menschen uns stellen könnten, denn damit würden wir unsere Ahnen wirklich und wahrhaftig wieder auferstehen lassen können!

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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von tomS » 12. Nov 2017, 21:09

Pippen hat geschrieben:
12. Nov 2017, 20:49
tomS hat geschrieben:
6. Nov 2017, 07:09
Selbst für eine hundert Prozent vollständige und präzise Nachbildung existiert kein logischer Beweis und kein experimenteller Nachweis bzw. Test, dass die "künstliche Intelligenz" tatsächlich Bewusstsein bzw. Selbstbewusstsein, Emotionen, allg. Qualia besitzt.
So einen Beweis kann es nicht geben. Man kann zB auch niemals beweisen, dass du - toms - Bewußtsein hast, denn für alle außer dir ist dieses ja unzugänglich.
Das sollte aufgrund der obigen Diskussion klar sein.

Allerdings sind bei Beschränkung auf rein menschliche Gehirne Analogieschlüsse und Verallgemeinerungen weniger problematisch - wenn auch weiterhin nicht streng logisch begründbar.
Pippen hat geschrieben:
12. Nov 2017, 20:49
Mir geht's darum, Bewußtsein von Anfang an als Leistung des Gehirns anzunehmen - was soll es auch sonst sein - und dann zu zeigen, dass bei endlich vielen Gehirnstrukturen (Pippen's Gehirn, TomS Gehirn, TomS' Ur-Opa's Gehirn,...) und endlich vielen Schaltungszuständen im Gehirn, ohne Quanteneffekte, alle Leben aller Menschen irgendwann auf einer Datenbank aufgezeichnet werden könnten, d.h. dein und mein Leben könnten bereits gelebt und lediglich ein Archiv sein, was gerade dort abgespielt wird.
Ja, vgl. Matrix, Gehirn im Tank, etc. - unter der Voraussetzung, dass ein physikalisches Abspielen zu mentalen Prozessen und Qualia führt, was ich, wie ich oben ausgeführt habe, für eine problematische Schlussfolgerung halte.

Nein, denn dazu kommt natürlich noch, dass Agieren etwas anderes ist als Reagieren.

Dein Ansatz ist jedenfalls etwas anders geartet.
Gruß
Tom

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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von seeker » 12. Nov 2017, 21:36

tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 20:44
Evtl. habe ich Verwirrung gestiftet, weil ich nicht sauber zwischen „physisch“ und „physikalisch“ getrennt habe.
Diese Unterscheidung verstehe ich noch nicht ganz und was du damit erreichst.
Wenn du vom Physikalischen sprichst, dann ist mir klar, was damit gemeint ist, der Kontext "Physik" ist klar definiert.
Wenn du aber vom Physischen sprichst, was meinst du dann? Ich möchte vermeiden, dass das dann nur eine eigentlich leere Worthülse ist...
Auch um physisch definieren zu können, wirst du eine bestimmte Perspektive einnehmen müssen.
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 20:44
Dennoch komme ich zu dem Schluss, dass die Physik die physische Welt zutreffend beschreibt und dass die physische Welt bzw. Substanz die mentale mitumfasst.
An diesem Punkt muss ich dich einmal etwas zu ärgern versuchen... :)
Wir sagen zwar immer "Jaa, die Physik ist nur Beschreibung der Welt, das ist allen Wissenschaftlern klar und das ist unser Credo!"
Aber nimmst du das wirklich ernst, wenn du das Obige sagst?

Wir haben ganz einfach nur zwei verschiedene Perspektiven, die mit verschiedenen Begriffen und Methoden arbeiten, nicht mehr, nicht weniger.
Das ist das, was wir wissen. Die Welt hinter den Perspektiven bzw. Erscheinungen kennen wir nicht, weder aus der mentalen Perspektive, noch aus der physischen Perspektive.
Und nur diese Welt kann sowohl das Mentale als auch das Physische umfassen, in dem Sinne, dass sie so oder so erscheinen kann.
Das was du sagst behauptet mehr, als dass die Physik die Welt nur beschreibt, du postulierst, dass sie dem wahren Wesen des Seins zumindest nahekommen würde, also im Wesen, im Kern mindestens "so ähnlich sei".
Das weißt du aber nicht. Wir sollten das was wir nicht wissen möglichst weg lassen, zumindest im Fundament.
Unterschiedliche philosophische Haltungen können wir alle haben, aber ich möchte sie im Fundament soweit als möglich noch offen lassen.
Und es ist nicht wahr, dass du als Physiker nur diese philosophische Haltung sinnvoll haben kannst (nur falls du das glauben solltest), du hast durchaus einiges an Wahlfreiheit.

Es handelt sich nicht um ein sprachliches Problem.
Verschiedene Perspektiven bzw. Erscheinungen können nicht kausal aufeinander einwirken. "Kausal" bedeutet in verschiedenen Perspektiven Verschiedenes, falls überhaupt definierbar.
Das, worauf der Begriff "Kausalität" abzielt, kann es nur im Sein selbst geben, in dem was wirklich da ist, nicht in Erscheinungen. Dieses Sein ist aber prinzipiell unbekannt, außerhalb von Perspektiven existiert kein uns zugängliches Wissen.

Es ist daher überhaupt nicht nötig das Mentale auf das Physische oder Physikalische zurückzuführen (oder umgekehrt), es ist sogar unsinnig das tun zu wollen.
Stattdessen sind die Korrelationen zwischen beiden zu erforschen, das lohnt sich.
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 20:44
Man muss vorsichtig sein. Verallgemeinerungen und Analogieschlüsse sind nur bei vergleichbaren Perspektiven sinnvoll anzuwenden.

Wenn mein mentaler Zustand „Stolz“ zu ähnlichen Äußerungen wie ich sie an meinem Computer beobachte, dann darf ich dennoch nicht vorschnell auf dessen „Stolz“ schließen, denn zum einen handelt es sich um unterschiedlichen Perspektiven: meine introspektive auf meine mentalen Zustände sowie meine extern ausgerichtete auf die Äußerungen und die Physik des Computers.

Außerdem entsprechen sich mein Gehirn und das des Computers rein physikalisch nicht (evtl. wird dieses Argument z.B. durch die Struktur neuronaler Netze entwertet).

Ich würde hier eher ein „Prinzip der Vorsicht“ einführen, demzufolge ich dem Computer eher mentale Bewusstseinsinhalte und Qualia zusprechen möchte als sie abzusprechen, einfach weil ich damit im Guten (ethisch, moralisch) wie im Bösen (z.B. bzgl. Eigensinn und Auflehnung des Computers gegen mich) besser fahre.
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 20:44
im hier vorliegenden Fall musst du einen Perspektivwechsel vornehmen, im Falle der Physik nicht.
Guter Einwand! Das erscheint mir im Moment schlüssig, ich stimme zu.
Ja, es ist in diesem Bereich wohl noch mehr Vorsicht geboten als gewöhnlich.
Grüße
seeker


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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von Pippen » 12. Nov 2017, 22:22

tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 21:09
unter der Voraussetzung, dass ein physikalisches Abspielen zu mentalen Prozessen und Qualia führt, was ich, wie ich oben ausgeführt habe, für eine problematische Schlussfolgerung halte.
Woher sollen mentale Prozesse und Qualia denn sonst herstammen, wenn nicht aus dem Neuronenzusammenspiel im Gehirn?

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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von tomS » 12. Nov 2017, 22:58

seeker hat geschrieben:
12. Nov 2017, 21:36
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 20:44
Evtl. habe ich Verwirrung gestiftet, weil ich nicht sauber zwischen „physisch“ und „physikalisch“ getrennt habe.
Diese Unterscheidung verstehe ich noch nicht ganz und was du damit erreichst.
Wenn du vom Physikalischen sprichst, dann ist mir klar, was damit gemeint ist, der Kontext "Physik" ist klar definiert.
Wenn du aber vom Physischen sprichst, was meinst du dann? Ich möchte vermeiden, dass das dann nur eine eigentlich leere Worthülse ist...
Nun, der Gegensatz wäre „physisch“ und „psychisch“, also „physisch“ = „materialistisch“.

Ich denke, „physisch“ klingt etwas allgemeiner und umfasst explizit auch Prozesse, während „materialistisch“ zu eng an Materie angelehnt ist.

Aber das ist sekundär.
seeker hat geschrieben:
12. Nov 2017, 21:36
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 20:44
Dennoch komme ich zu dem Schluss, dass die Physik die physische Welt zutreffend beschreibt und dass die physische Welt bzw. Substanz die mentale mitumfasst.
An diesem Punkt muss ich dich einmal etwas zu ärgern versuchen... :)
Wir sagen zwar immer "Jaa, die Physik ist nur Beschreibung der Welt, das ist allen Wissenschaftlern klar und das ist unser Credo!"
Aber nimmst du das wirklich ernst, wenn du das Obige sagst?
Ich nehme das sehr ernst!

„Wir“ sagen das immer? Wer ist „wir“? Wer sind „alle Wissenschaftler“?

Es ist zwar sicher richtig, dass die moderne Physik nicht Eins zu Eins identisch mit dem Sein ist, und ich glaube auch nicht, dass die moderne Physik die Realität umfassend und vollständig treu (im Sinne von exakt, der Begriff „treu“ stammt aus der Mathematik). Ebensowenig glaube ich an das mathematische Universum von Tegmark. Und ich bin mir natürlich der Argumente gegen eine realistische Position bewusst.

(Wobei ich eine positivistische o.ä. für völlig abwegig halte! Wenn die mathematischen Strukturen einer physikalischen Theorie nichts mit den Entitäten der Realität gemein haben, warum funktionieren sie dann?)

Aber ich sehe für mich eher eine Spielart des Platonismus, insbs. des wissenschaftlichen Realismus (evtl. des Strukturenrealismus), demzufolge eine erkennbare, vom menschlichen Denken unabhängige Wirklichkeit existiert und demzufolge die Bestätigung der physikalischen Theorie bedeutet, dass deren mathematischen Strukturen diese Wirklichkeit bzw. Entitäten (Objekte, Relationen) in dieser Wirklichkeit „adäquat“ oder „strukturell zutreffend“ repräsentieren.

https://de.wikipedia.org/wiki/Wissensch ... _Realismus
https://de.wikipedia.org/wiki/Strukturenrealismus

Damit bin ich nicht alleine; Penrose argumentiert ähnlich, Tegmark tut dies (sehr extrem ausgeprägt), Deutsch, Carroll, … (insbs. viele Anhänger der Everettschen Interpretation der QM, denn nur so ergibt diese Sinn)
seeker hat geschrieben:
12. Nov 2017, 21:36
Die Welt hinter den Perspektiven bzw. Erscheinungen kennen wir nicht, weder aus der mentalen Perspektive, noch aus der physischen Perspektive.



Das was du sagst behauptet mehr, als dass die Physik die Welt nur beschreibt, du postulierst, dass sie dem wahren Wesen des Seins zumindest nahekommen würde, also im Wesen, im Kern mindestens "so ähnlich sei".
Ja.
seeker hat geschrieben:
12. Nov 2017, 21:36
Das weißt du aber nicht. Wir sollten das was wir nicht wissen möglichst weglassen, zumindest im Fundament.
Unterschiedliche philosophische Haltungen können wir alle haben, aber ich möchte sie im Fundament soweit als möglich noch offenlassen.
Ja.

Und das tue ich auch, in dem ich zum Beispiel zwar meine Überzeugung in dieser Richtung darlege, andererseits jedoch darauf hinweise, dass sie eben nie logisch oder epistemisch fundiert werden kann. Ich hoffe, ich bin da vorsichtig genug.
seeker hat geschrieben:
12. Nov 2017, 21:36
Und es ist nicht wahr, dass du als Physiker nur diese philosophische Haltung sinnvoll haben kannst (nur falls du das glauben solltest), du hast durchaus einiges an Wahlfreiheit.
Physiker können hier durchaus unterschiedliche Haltungen sinnvoll vertreten, wie die Praxis zeigt.

Es ist m.E. auch keineswegs so, dass deine Position die überlege wäre. Ein konsequentes Durchhalten eines epistemischen Zugangs führt zum Idealismus Berkeleys, und der ist nun auch wieder nicht gerade unumstritten :-)
seeker hat geschrieben:
12. Nov 2017, 21:36
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 20:44
Man muss vorsichtig sein. Verallgemeinerungen und Analogieschlüsse sind nur bei vergleichbaren Perspektiven sinnvoll anzuwenden.

Wenn mein mentaler Zustand „Stolz“ zu ähnlichen Äußerungen wie ich sie an meinem Computer beobachte, dann darf ich dennoch nicht vorschnell auf dessen „Stolz“ schließen, denn zum einen handelt es sich um unterschiedlichen Perspektiven: meine introspektive auf meine mentalen Zustände sowie meine extern ausgerichtete auf die Äußerungen und die Physik des Computers.
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 20:44
im hier vorliegenden Fall musst du einen Perspektivwechsel vornehmen, im Falle der Physik nicht.
Guter Einwand! Das erscheint mir im Moment schlüssig, ich stimme zu.
Ja, es ist in diesem Bereich wohl noch mehr Vorsicht geboten als gewöhnlich.
Danke - und das bei meiner philosophische Haltung :-]
Gruß
Tom

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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von tomS » 12. Nov 2017, 23:03

Pippen hat geschrieben:
12. Nov 2017, 22:22
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 21:09
unter der Voraussetzung, dass ein physikalisches Abspielen zu mentalen Prozessen und Qualia führt, was ich, wie ich oben ausgeführt habe, für eine problematische Schlussfolgerung halte.
Woher sollen mentale Prozesse und Qualia denn sonst herstammen, wenn nicht aus dem Neuronenzusammenspiel im Gehirn?
Du redest oben vom Abspielen der Aufzeichnungen deiner neuronalen Prozesse. Das ist nicht das selbe wie deine neuronalen Prozesse selbst, und das ist auch nicht das selbe wie eine Simulation deiner neuronalen Prozesse (ich hoffe, du verstehst die Unterschiede)
Pippen hat geschrieben:
12. Nov 2017, 22:22
Woher sollen mentale Prozesse und Qualia denn sonst herstammen, wenn nicht aus dem Neuronenzusammenspiel im Gehirn?
Von einem unabhängig von Materie existierenden Geist (die Philosophiebücher sind voll davon; und die Autoren waren keine Narren)
Gruß
Tom

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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von seeker » 13. Nov 2017, 00:42

tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 22:58
Aber ich sehe für mich eher eine Spielart des Platonismus, insbs. des wissenschaftlichen Realismus (evtl. des Strukturenrealismus), demzufolge eine erkennbare, vom menschlichen Denken unabhängige Wirklichkeit existiert
Diese Wirklichkeit soll erkennbar sein und vom menschlichen Denken unabhängig...
Wie soll das gehen? Wo soll sie erkannt werden, wenn nicht im menschlichen Denken? Von wem soll sie erkannt werden, wenn nicht vom Menschen?
Es geht hier nicht um Worte oder etwas unexakte Formulierung, ich denke es geht hier um einen Kern, auf den wir hier stoßen und ich muss auch selbst noch weiter darüber nachdenken.
Dass so etwas existiert glaube ich auch, aber erkennen? Dazu müsstest du eine vollständig objektive Perspektive einnehmen, die auch vollständig sein müsste.
Perspektiven sind nie vollständig, ihr Inhalt ist perpektivgebunden, ein System kann keine Aussagen über Dinge und Begriffe außerhalb des Systems machen.
Und um eine vollständige Objektivität haben zu können, müsste ohne Subjekt, ohne Wahrnehmenden etwas wahrgenommen werden, das ist unmöglich.

Ich denke im Moment diese Geschichte mit der Perspektive steht noch vor allen Spielarten der philosophischen Positionen, die man danach erst einnehmen mag.

Was man vielleicht hoffen kann, ist dass eine vom menschlichen Denken einigermaßen unabhängig erkennbare Wirklichkeit existiert.
Beides beißt sich aber: Je besser/klarer erkennbar etwas ist, desto abhängiger vom Denken (auch mit seinen Systemen und Begriffen) ist das Erkennen - und umgekehrt.
Aussagen sind immer nur in den Systemgrenzen sinnvoll. Da die Begriffe eines Systems nicht die Wirklichkeit sind, sondern Abbild oder Konstrukt, kann man auch nicht davon sprechen dass sie der Wirklichkeit wesens-ähnlich seien, denn man kann nicht formulieren in welcher Weise sie das sein sollen.

Ich muss noch nachdenken... gute Nacht!
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von tomS » 13. Nov 2017, 00:54

seeker hat geschrieben:
13. Nov 2017, 00:42
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 22:58
Aber ich sehe für mich eher eine Spielart des Platonismus, insbs. des wissenschaftlichen Realismus (evtl. des Strukturenrealismus), demzufolge eine erkennbare, vom menschlichen Denken unabhängige Wirklichkeit existiert
Diese Wirklichkeit soll erkennbar sein und vom menschlichen Denken unabhängig...
Wie soll das gehen?
Unabhängig bedeutet lediglich, dass etwas existiert, ohne dass es unseres Denkens und unserer Wahrnehmung bedarf.

Z.B. existiert m.M.n. der Mond, auch wenn ihn niemand wahrnimmt.

D.h. er kann zwar von uns wahrgenommen werden, dies ist jedoch nicht notwendig für seine Existenz.
seeker hat geschrieben:
13. Nov 2017, 00:42
Dass so etwas existiert glaube ich auch, aber erkennen? Dazu müsstest du eine vollständig objektive Perspektive einnehmen, die auch vollständig sein müsste.
Niemand behauptet, dass die Realität vollständig erkennbar ist.
seeker hat geschrieben:
13. Nov 2017, 00:42
Und um eine vollständige Objektivität haben zu können, müsste ohne Subjekt, ohne Wahrnehmenden etwas wahrgenommen werden, das ist unmöglich.
Niemand spricht von vollständiger Objektivität.
seeker hat geschrieben:
13. Nov 2017, 00:42
Was man vielleicht hoffen kann, ist dass eine vom menschlichen Denken einigermaßen unabhängig erkennbare Wirklichkeit existiert.
Nochmal: es geht um eine Wirklichkeit, deren Existenz des menschlichen Denkens und der Wahrnehmung nicht bedarf und die insofern unabhängige existiert, die jedoch (teilweise) für den Menschen erkennbar ist.
Gruß
Tom

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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von tomS » 13. Nov 2017, 00:57

Der Lehrer: Si Fu, nenne uns die Hauptfragen der Philosophie.
Si Fu: Sind die Dinge außer uns, für sich, auch ohne uns, oder sind die Dinge in uns, für uns, nicht ohne uns.
Der Lehrer: Welche Meinung ist die richtige?
Si Fu: Es ist keine Entscheidung gefallen.
Der Lehrer: Zu welcher Meinung neigte zuletzt die Mehrheit unserer Philosophen?
Si Fu: Die Dinge sind außer uns, für sich, auch ohne uns.
Der Lehrer: Warum blieb die Frage ungelöst?
Si Fu: Der Kongress, der die Entscheidung bringen sollte, fand wie seit zweihundert Jahren im Kloster Mi Sang statt, welches am Ufer des Gelben Flusses liegt. Die Frage hieß: Ist der Gelbe Fluss wirklich, oder existiert er nur in den Köpfen? Während des Kongresses aber gab es eine Schneeschmelze im Gebirge, und der Gelbe Fluss stieg über seine Ufer und schwemmte das Kloster Mi Sang mit allen Kongressteilnehmern weg. So ist der Beweis, dass die Dinge außer uns, für sich, auch ohne uns sind, nicht erbracht worden.
Gruß
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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von Pippen » 13. Nov 2017, 01:36

tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 23:03
Pippen hat geschrieben:
12. Nov 2017, 22:22
Woher sollen mentale Prozesse und Qualia denn sonst herstammen, wenn nicht aus dem Neuronenzusammenspiel im Gehirn?
Von einem unabhängig von Materie existierenden Geist (die Philosophiebücher sind voll davon; und die Autoren waren keine Narren)
Ich fürchte doch, denn es gibt und gab 0.0 empirische Hinweise auf einen unabhängig von Materie existierenden Geist. Dagegen hat man seit Äonen zig Hinweise - vor allem durch Mißbildungen, Gehirnerschütterungen und -verletzungen - dass das Gehirn Geist produziert. Man darf nie vergessen: Philosophie war und ist oft nur ein Euphemismus für Esoterik, Herumgestochere ("Brainstorming") und Scharlatanerie.

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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von tomS » 13. Nov 2017, 07:14

Pippen hat geschrieben:
13. Nov 2017, 01:36
tomS hat geschrieben:
12. Nov 2017, 23:03
Pippen hat geschrieben:
12. Nov 2017, 22:22
Woher sollen mentale Prozesse und Qualia denn sonst herstammen, wenn nicht aus dem Neuronenzusammenspiel im Gehirn?
Von einem unabhängig von Materie existierenden Geist (die Philosophiebücher sind voll davon; und die Autoren waren keine Narren)
Ich fürchte doch ...
Hm, das kannst du ja mit Platon, Aristoteles, ..., Descartes, ... Popper, ... diskutieren (mit Verlaub: deine Selbsteinschätzung ist zumindest überraschend)
Pippen hat geschrieben:
13. Nov 2017, 01:36
denn es gibt und gab 0.0 empirische Hinweise auf einen unabhängig von Materie existierenden Geist.
Gerade die empirischen Hinweise sind überwältigend.

Alleine die Tatsache, dass sich dein Gefühl "Stolz" für dich empirisch anders anfühlt als deine Wahrnehmung meiner Gehirnmasse, ist ein empirischer Beleg für die Sinnhaftigkeit der Unterscheidung beider "Substanzen" bzw. deren Eigenschaften.
Pippen hat geschrieben:
13. Nov 2017, 01:36
Dagegen hat man seit Äonen zig Hinweise, dass das Gehirn Geist produziert.
Woraus logisch lediglich folgt, dass eine Abhängigkeit besteht, nicht jedoch eine Identität.

Z.B. produziert eine Forschergruppe eine physikalische Theorie, dennoch ist der Gehalt der physikalischen Theorie nicht identisch mit der Materie der Forschergruppe.
Pippen hat geschrieben:
13. Nov 2017, 01:36
Philosophie war und ist oft nur ein Euphemismus für Esoterik, Herumgestochere ("Brainstorming") und Scharlatanerie.
Diese Aussage disqualifiziert am meisten dich selbst.

Welche Philosophen hast du denn gelesen?
Gruß
Tom

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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von seeker » 13. Nov 2017, 09:23

Si Fu von Brecht ist soo klasse! :)
tomS hat geschrieben:
13. Nov 2017, 00:54
Unabhängig bedeutet lediglich, dass etwas existiert, ohne dass es unseres Denkens und unserer Wahrnehmung bedarf.

Z.B. existiert m.M.n. der Mond, auch wenn ihn niemand wahrnimmt.
Das ist natürlich akzeptabel, da haben wir uns wohl missverstanden, es war spät... :)

Aber nochmal: Es geht mir primär nicht darum was ist, sondern was wir wissen können und was wir sagen können.
tomS hat geschrieben:
13. Nov 2017, 00:54
es geht um eine Wirklichkeit, deren Existenz des menschlichen Denkens und der Wahrnehmung nicht bedarf und die insofern unabhängige existiert, die jedoch (teilweise) für den Menschen erkennbar ist.
Es ist plausibel, dass diese "existiert", jedoch können wir nicht einmal sinnvoll sagen, dass sie "existiert", denn der Begriff "Existenz" ist schon ein Begriff innerhalb unseres Denkens, der außerhalb unseres Denkens keinen Sinn hat. D.h.: Wenn wir das logisch völlig korrekt durchhalten wollen, müssen wir schweigen, uns jeder Aussage dazu enthalten, weil wir nichts Sinnvolles sagen können.

Was wir sinnvoll sagen können bezieht sich immer entweder auf unser Bewusstsein/Denken/Wahrnehmen selbst oder auf die Inhalte, die dieses Denken/Wahrnehmen hat. Einer dieser Inhalte ist "Physik", als System, das im menschlichen Denken/Wahrnehmen erscheint - in äußerst überzeugender Weise, zugegeben.
Auf dieser Ebene herrscht noch keine Unsicherheit, erst wenn wir darüber hinausgehen wird es schwierig und unklarer und man kann die verschiedensten Positionen einnehmen.
D.h. diese Ebene ist von unserem Wissen und Sagen her fundamental. Das heißt noch überhaupt nicht, dass sie auch von ihrer Existenz her fundamental sein muss, darum geht es nicht:
Sie ist für uns fundamental. Für sich mag es etwas anderes geben, das im Sein fundamental ist, aber wir können darüber nur schweigen.

D.h. es ist nicht ohne logische Widersprüchlichkeit möglich zu sagen es gäbe eine vom Denken unabhängige Existenz, weil es kein Sagen ohne Begriffe gibt. Wenn wir nichts darüber sagen können, können wir auch nicht darüber sprechen, dass diese vom Denken unabhängige Existenz teilweise für den Menschen erkennbar sei. Wie erkennen, wenn man schweigen muss?
Dennoch glaube auch ich, dass das in gewisser Weise so sein muss, dass da etwas ist. Das ist das Problem.
Grüße
seeker


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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von tomS » 13. Nov 2017, 09:34

seeker hat geschrieben:
13. Nov 2017, 09:23
Aber nochmal: Es geht mir primär nicht darum was ist, sondern was wir wissen können und was wir sagen können.

Es ist plausibel, dass diese "existiert", jedoch können wir nicht einmal sinnvoll sagen, dass sie "existiert", denn der Begriff "Existenz" ist schon ein Begriff innerhalb unseres Denkens, der außerhalb unseres Denkens keinen Sinn hat. D.h.: Wenn wir das logisch völlig korrekt durchhalten wollen, müssen wir schweigen, uns jeder Aussage dazu enthalten, weil wir nichts Sinnvolles sagen können.
Wenn du diese Position konsequent durchhältst, landest du unweigerlich beim logischen Positivsmus. Das Problem dabei ist - und ich glaube, das haben die Positivisten selbst nicht immer gesehen - dass daraus unweigerlich folgt, dass die Argumentation, die zum Positivismus führt, sich letztlich selbst für ungültig erklärt und wir uns auch dieser Aussage enthalten müssen. Also Ende!

Ähnliches gilt für die konsequent durchgehaltene Position des Idealismus, was zum Solipsismus führt.

Möchte man dennoch weiterdiskutieren, muss man eine logisch durch nichts zu begründende Annahme einführen, z.B. die Existenz eines Gottes, die unabhängige Existenz einer äußeren Welt, alles ist Geist, alles ist Materie, ... Welche man wählt ist wohl Geschmacksache. Stimmen zwei Gesprächspartner weitestgehend bzgl. dieser Annahme überein, können sie sich innerhalb dieses Rahmens und unter Voraussetzung der Richtigkeit dieser Annahme sinnvoll weiter unterhalten.

Ich habe meine Wahl getroffen: Existenz einer physischen Welt, die auch mich und mein Bewusstsein enthält bzw. mittels physischer Prozesse hervorbringt, und die ich in Teilen und bis zu einem gewissen Grad rational erkennen kann (gerade weil mein Bewusstsein nach den selben Regeln arbeitet), die ich jedoch insbs. bzgl. meiner Selbst und meines Bewusstseins nicht vollständig erfassen und verstehen kann (weil dem die Selbstbezüglichkeit dieser Fragestellung entgegensteht, und weil das physische System "Gehirn + der emergenten Eigenschaften wie Bewusstsein" nicht ein vollständiges Modell seiner selbst enthalten kann). All dies kann ich natürlich nicht logisch beweisen, halte es jedoch für plausibel.

Wie lautet deine Wahl?
Gruß
Tom

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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von seeker » 13. Nov 2017, 10:46

Pippen, Philosophie beschäftigt sich u.a. auch mit Welbildern.
Auch du hast ein Weltbild.
Also bist du ein Philosoph. :)

tomS hat geschrieben:
13. Nov 2017, 09:34
Wenn du diese Position konsequent durchhältst, landest du unweigerlich beim logischen Positivsmus. Das Problem damit ist - und ich glaube, das haben die Positivisten selbst nicht immer gesehen - dass daraus folgt, dass die Argumentation, die zum Positivismus führt, sich selbst für ungültig erklärt und wir uns auch dieser Aussage enthalten müssen. Also Ende!

Ähnliches gilt für die konsequent durchgehaltene Position des Idealismus, was zum Solipsismus führt.
Ok, da muss ich mich noch mit beschäftigen, ob das wirklich zwangsläufig so ist. Da will ich nicht hin.
tomS hat geschrieben:
13. Nov 2017, 09:34
Wie lautet deine Wahl?
Schau mal meine Signatur an... :)

Ich bin Agnostiker, mir geht es hauptsächlich darum möglichst klar zu unterscheiden was ich sicher wissen kann und was ich mutmaßen muss.

Ich neige im Moment ungefähr folgendem zu (ohne das jetzt ad hoc perfekt ausformulieren zu können):

Existenz einer Welt, die auch mich und mein Bewusstsein enthält und die ich in Teilen und bis zu einem gewissen Grad innerhalb von bestimmten Perpektiven in ihren Erscheinungen rational erkennen und ordnen kann. Verschiedene Erscheinungen aus verschiedenen Perspektiven korrelieren dabei offensichtlich.
Die physikalische Wahrheit ist wahr aber sie ist nicht vollständig, sie ist nur innerhalb ihrer Perspektive wahr und vollständig.
Das was ist, muss dabei offensichtlich unter bestimmten Bedingungen Eigenschaften haben können, die sich beim Gehirn einerseits als Geist zeigen und andererseits als materielles Korrelat, als physikalischer Prozess.
Das Bewusstsein beruht daher nicht auf physikalischen Prozessen, sondern beruht auf dem was IST, dem Unbekannten, genauso wie alles Physische.
Dass aber beides korreliert ist hochinteressant, denn alle geistigen Eigenschaften sollten daher prinzipiell in anderer Form und in anderen Begriffen in irgendeiner Weise auch beim physischen zu finden sein.
Z.B. muss die Einheit des Bewusstseins auch im Gehirn in irgendeiner Weise auffindbar sein.

Bei der Emergenz gibt es Leute, denen das schon ein Dorn im Auge ist, die ihre Existenz bestreiten, den Emergenz beinhaltet "Nicht-Reduzierbarkeit".
Wir müssen aufpassen, dass wir diesen Begriff nicht nur als Worthülse verwenden.
Grüße
seeker


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Re: Kann ein Computer ein menschliches Gehirn "duplizieren"?

Beitrag von Pippen » 13. Nov 2017, 11:23

tomS hat geschrieben:
13. Nov 2017, 07:14
Gerade die empirischen Hinweise sind überwältigend.

Alleine die Tatsache, dass sich dein Gefühl "Stolz" für dich empirisch anders anfühlt als deine Wahrnehmung meiner Gehirnmasse, ist ein empirischer Beleg für die Sinnhaftigkeit der Unterscheidung beider "Substanzen" bzw. deren Eigenschaften.
Häh?
Pippen hat geschrieben:
13. Nov 2017, 01:36
Dagegen hat man seit Äonen zig Hinweise, dass das Gehirn Geist produziert.
Woraus logisch lediglich folgt, dass eine Abhängigkeit besteht, nicht jedoch eine Identität.
Ja, deshalb spreche ich von Hinweisen, nicht von Beweisen. Und es gibt eben keinen einzigen empirischen Hinweis auf einen Geist ohne Gehirn, also irgendein Phänomen.
Pippen hat geschrieben:
13. Nov 2017, 01:36
Philosophie war und ist oft nur ein Euphemismus für Esoterik, Herumgestochere ("Brainstorming") und Scharlatanerie.
Diese Aussage disqualifiziert am meisten dich selbst.

Welche Philosophen hast du denn gelesen?
Philosophie operiert notwendig an der Grenze unserer Erkenntnis und kann daher gar nicht die Präzision haben, die andere Fachgebiete erreichen. Dadurch kannst du keine echten Beweise führen und das wiederum zieht sehr viele Hochstapler an, weil man letztlich alles vertreten kann und je nach Mode und Umständen damit durchkommt. Das heißt nicht, dass Philosophie unnütz wäre oder es zu nichts gebracht hätte - keinesfalls. Aber es heißt, dass nur weil etwas 'philosophisch als Problem anerkannt' wäre, ebenjenes kein Problem sein muss. So wird Gott nicht dadurch wahrscheinlicher, dass sich fast die gesamte Philosophenschaft mit 'ihm' beschäftigt hat, so dass doch was "dran sein muss".

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