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Re: Parallelflug mit Lichtgeschwindigkeit

Verfasst: 6. Sep 2022, 13:11
von seeker
Ich würde hier immer noch vorschlagen, sich auf das Äquivalenzprinzip zu verlassen und damit das einfacher durchschaubare Gravitationsbild zu verwenden. Außerdem unsere beiden Raketen (Objekte, Beobachter) A und B an gegenüberliegende Wände in einen gemeinsamen Kasten zu setzen, der dann mitsamt Inhalt beschleunigt. Auch das macht die Sache einfacher.

Betrachten wir zunächst den unbeschleunigten, gleichförmig bewegten Kasten (Inertialsystem):
Wir haben dann das Szenario hier:

Kastendecke
______________________
.
.
.
+3 . . . . +3'
+2 . . . . +2'
+1 . . . . +1'
0 --> . . . 0'
-1 . . . . -1'
-2 . . . . -2'
-3 . . . . -3'
.
.
.
________________________
Kastenboden

A steht links, B steht rechts.
A sendet aus Höhe 0 einen Laserpuls waagerecht in Richtung B weg.
Dieser kommt auf Höhe 0' bei B an. Das ist unstrittig.
Unstrittig sollte auch sein, dass dieses Szenario der gleichförmigen Bewegung für A und B identisch ist mit einem anderen Szenario, wo sie sich mitsamt Kasten stattdessen frei fallend (also "beschleunigt") auf eine ausgedehnte Gravitationsquelle mit konstant starkem Gravitationsfeld zubewegen.


Dann schauen wir uns denselben Kasten an, der diesmal aber mit a nach oben hin beschleunigt.
(... sodass diesmal dann auch spürbare Kräfte für A und B auftreten und es sich nicht mehr um ein Inertialsystem handelt.)

Hier sollte m.E. folgendes unstrittig sein:

1. Wegen dem Äquivalenzprinzip ist diese Beschleunigung a des Kastens identisch mit einer Situation, wo der Kasten "ruhend" auf dem Boden einer ausgedehnten, homogenen Gravitationsquelle steht, die ihn mit a anzieht.

2. Auch waagerecht ausgesande Lichtstrahlen fallen hier nach unten, sie machen also einen Bogen nach unten.
Diesen Umstand, warum das so sein muss, kann man sich hier noch einmal veranschaulichen:
https://www.einstein-online.info/spotli ... lenzlicht/
(Unser Szenario entspricht auf dieser Seite "Kabine und Licht, von außen gesehen", der äußere Beobachter, der die Gravitation spürt...)

(Man kann also analog auch im Bewegungsbild bleiben und es so angehen, wie du Skeltek, das geht auch. Da kommt dann dasselbe bei 2. heraus. Es ist m.E. in diesem Bild nur nicht unbedingt leichter zu begreifen, aber das ist vielleicht auch Geschmackssache.)

Aus 1. und 2. folgt dann zwingend, dass im beschleunigten Kasten, der orthogonale Laserpuls von A -> B bei B nicht mehr am Ort 0' ankommen kann, sondern tiefer ankommen muss, da er einen Bogen nach unten macht, also irgendwo bei sagen wir -1' ankommt.

Außerdem folgt hier, wenn man einmal etwas Strahlenoptik auf dieses Szenario anwendet (bei diffuser Beleuchtung der Gesamtsituation), dass dann klar wird, dass es wegen den (winkelabhängig!) gekrümmten Lichtbahnen zu optischen Abbildungsverzerrungen kommen muss, d.h. A sieht dann B verzerrt, umgekehrt ebenso. Das ist dann ein ganz analoger Effekt wie bei den Verzerrungen an Gravitationslinsen oder an Neutronensternen oder an SLs. Konkret erscheinen sich A und B hier wechselseitig in der Länge verkürzt, wenn sie sich während der Beschleunigung betrachten.

Deshalb (aus Sicht von A):

+3 . .<--- +4'
+2 . .<--- +3'
+1 . .<--- +2'
0 . . <--- +1'

D.h. auch: Lichtstrahlen, die hier von B ausgehend bei A im gleichen Winkel wie vor der Beschleunigung ankommen, stammen aus höheren Positionen von B als vor der Beschleunigung. Wichtig: Wie groß B für A aussieht hängt strahlenoptisch vom Einfallswinkel der Lichtstrahlen bei ihm ab.
B sieht umgekehrt analog dasselbe bei seiner optischen Abbildung von A.
Ich hoffe es wird klar, sonst müsste ich nötigenfalls eine Zeichnung anfertigen.

Zur Erinnerung:
https://wissenstexte.de/physik/brennpunkt.htm
https://de.wikipedia.org/wiki/Optische_Abbildung

Re: Parallelflug mit Lichtgeschwindigkeit

Verfasst: 7. Sep 2022, 14:18
von Skeltek
Herr5Senf hat geschrieben:
6. Sep 2022, 11:07
Hi Skeltek, das Problem geht weiter :wink:
ich komm nicht hinterher, ich versteh deine Herangehensweise (um die Ecke) nicht und die Logik dahinter.

Irgendwie fliegen wir auseinander :beer: Dip
Ab wo klemmt es denn?

Alternative Anschauung:
Man kann auch einfach unbeschleunigte A und B im Abstand von einer Lichtminute stillstehend denken, ... und sich dann ein konstant nach oben beschleunigtes C dazu denken, welches am Anfang nach Süden fliegt, A kurz berührt und danach wieder nach oben weg fliegt.
A und B sehen sich jederzeit nebeneinander.

Dann schaut man wo B den beschleunigten C sieht, wenn C gerade A berührt. Ein D, welches symetrisch und synchron rechts von C nach oben beschleunigt, sieht beim Berühren von B den nach oben beschleunigten C an derselben Stelle wie es auch B tut.

Wir können das Problem weiterhin aus allen möglichen Inertial- oder Bezugs-Systemen heraus betrachten, aber ein Inertialsystem mit einem beschleunigten System zu vergleichen ist denke ich das absolute Minimum, um die Sachlage verstehen zu können.

Re: Parallelflug mit Lichtgeschwindigkeit

Verfasst: 7. Sep 2022, 16:37
von seeker
Ich habe jetzt doch einmal eine Skizze gemacht, zum Thema, was der Beobachter A im Kasten vom diffus beleuchteten B sieht.

Ergebnis:

Hier sehen wir den unbeschleunigten Fall.
Unser Beobacher links sieht das Objekt rechts unter dem Beobachtungswinkel alpha:
Beobwinkel IS.jpg
Beobwinkel IS.jpg (11.08 KiB) 4725 mal betrachtet

Re: Parallelflug mit Lichtgeschwindigkeit

Verfasst: 7. Sep 2022, 16:41
von seeker
Hier sehen wir nun den beschleunigten Fall (mit den dann gekrümmten Lichtbahnen):
Beobwinkel beschleunigt.jpg
Beobwinkel beschleunigt.jpg (20.33 KiB) 4725 mal betrachtet
D.h.: Unserem Beobachter A erscheint das Objekt B jetzt unter dem neuen Winkel beta und damit auch nach oben hin versetzt (auch relativ dazu, wo es tatsächlich ist).
Ob es auch optisch verkürzt erscheint, da bin ich mir noch nicht sicher, was da Sache ist. Wenn, dann gering, vermutlich gleicht sich das aber gerade aus. Die Versetzung nach oben scheint da zumindest dominant.

Daraus folgt dann auch, dass sowohl der Kastenboden als auch die Kastendecke von A aus weg mit zunehmender Entfernung zunehmend nach oben hin gekrümmt erscheint.
Von B aus gesehen sieht es gerade umgekehrt aus. Sie sehen also nicht dasselbe. Da das ein Widerspruch wäre, zeigt sich hier auch, dass es sich um eine optische Täuschung handeln muss und nicht um reale physikalische Gegebenheiten.

Re: Parallelflug mit Lichtgeschwindigkeit

Verfasst: 27. Jan 2023, 07:32
von Skeltek
Hi
war damals voll ausgelastet und hab den letzten Beitrag eben erst gesehen. Ja, sehr schöne Skizze. Das ist ziemlich genau was ich im Sinn hatte.
Falls keiner widerspricht, würde ich gerne eine anderes Beispiel kurz bringen, welches einen ähnlichen Hintergrund hat und ganz gut hier rein passt.

Ein stehender Beobachter sieht eine Rakete mit halber Lichtgeschwindigkeit in eine Richtung fliegen. Die Flugbahn kreuzt vertikal die Verbindungslinie zwischen zwei Sternen. Die beiden Sterne bilden sozusagen eine zur Flugbahn im 90°-Winkel liegende 'Zielgerade' mit jeweils demselben Abstand zur projezierten Flugbahn der Rakete. Die Rakete würde bei unbeschleunigtem Weiterflug genau zwischen den beiden Sternen vorbei fliegen. Die Sterne bewegen sich nicht, haben also keinerlei Relativgeschwindigkeit zum stehenden Beobachter.
Auch nehmen wir an, daß die Raketen instantan (also schlagartig) ihre Geschwindigkeit auf 0 reduzieren kann.

Der Pilot fliegt die Strecke entlang und betätigt die Bremse in dem Moment, in welchem er die Sterne in einem 30° Winkel vor sich sieht - die Sterne bilden also mit der Rakete also einen Winkel von 120°, was den Piloten zum betätigen der Bremse führt, woraufhin er schlagartig zum stehen kommt.

Frage: Nach dem schlagartigen Wechsel der Geschwindigkeit von (1/2)c auf 0, sieht der Pilot sich um. Wie weit entfernt von der Verbindungslinie der Sterne ist die Rakete zum Stillstand gekommen?

Re: Parallelflug mit Lichtgeschwindigkeit

Verfasst: 8. Mär 2023, 21:56
von Siebenstein
Das hängt in erster Linie wohl zunächst davon ab, wie weit die beiden Sterne von einander entfernt sind, aber das ist elementare Geometrie, oder etwa nicht?

Ich sehe im Moment den Zusammenhang zu den vorherigen Beispielen oder relativistischen Effekten nicht...

Re: Parallelflug mit Lichtgeschwindigkeit

Verfasst: 14. Mär 2023, 09:09
von Skeltek
Siebenstein hat geschrieben:
8. Mär 2023, 21:56
Das hängt in erster Linie wohl zunächst davon ab, wie weit die beiden Sterne von einander entfernt sind, aber das ist elementare Geometrie, oder etwa nicht?

Ich sehe im Moment den Zusammenhang zu den vorherigen Beispielen oder relativistischen Effekten nicht...
Der Zusammenhang wäre, dass die Richtung aus welcher Photonen den Beobachter treffen von seiner relativen Geschwindigkeit abhängig sind. Je nachdem, wie schnell und in welche Richtung sich der Beobachter bewegt, nimmt er die Winkel aus welcher Photonen bei ihm ankommen anders wahr.

Die Entfernung der Sterne ist möglicherweise völlig irrelevant, weil sich das Dreieck lediglich vergrößert bei zunehmender Entfernung, aber die Verhältnisse der Strecken und Winkel gleich bleiben.
Hier ist mal ne Skizze, wie ich mir die Aufgabenstellung vorstelle. Der Pilot stoppt sofort, wenn er die Sterne in 30° Winkeln vor sich sieht.