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Die Frage nach dem freien Willen

Einstein über die Schulter geschaut: Fragestellungen zur Speziellen und Allgemeinen Relativitätstheorie, mathematische Methoden, Bedeutung und Interpretation
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Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von Frank » 22. Apr 2021, 13:12

Was ist Zeit? Während wir in der letzten Episode vom Präsentismus sprachen, stellen wir heute fest, dass dieser Einstein zufolge sich nicht als Erklärung eignet. Wenn Gleichzeitigkeit nicht universal ist, dann muss eine andere Theorie herangezogen werden - die des Eternalismus, auch als Vierdimensionales Universum oder Blockuniversum bekannt. In diesem sind Zukunft und Vergangenheit ebenso real wie die Gegenwart ... aber bedeutet das nicht, dass die Zukunft vollständig vorherbestimmt ist?
ich verfolge da gerade eine (für mich) sehr interessante Reihe auf YouTube. Mal abgesehen davon, dass ich bis dato nicht mal wusste, was Präsentismus oder Eternalismus ist, haben sich bei mir drei Fragen aufgedrängt. (Finde das sehr spannend. :sp: )

1. Der Herr im Video spricht im Zusammenhang von Vergangenheit/Gegenwart /Zukunft im Video von Einstein, für den es, wenn ich es richtig verstanden habe, keine einheitliche Gegenwart gibt. In diesem Zusammenhang gibt er ein Beispiel mit Andromeda.
"Ob eine Entscheidung auf Andromeda schon gefallen ist oder nicht, hängt davon ab, ob ein Zuschauer in der Milchstraße sich auf Selbige zu bewegt, oder sich von ihr entfernt. Spricht er hierbei von der Lichtgeschwindigkeit?

2. Er spricht davon, dass es im Präsentismus nur eine allgegenwärtige Gegenwart gibt. Keine Vergangenheit und keine Zukunft. Erwächst die Gegenwart nicht aus der Vergangenheit und stellt selbige die Weichen für die Zukunft?

3. Wenn , wie in dem einen Modell beschreiben, die Zukunft feststeht, warum gibt es dann +überhaupt Zeit?
Banales Beispiel: "Wenn der Eintopf schon fertig ist, warum koche ich dann überhaupt erst?" :wn:

https://www.youtube.com/watch?v=nBq9IHjI3N4
Mit freundlichen Grüßen

Frank

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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von seeker » 22. Apr 2021, 13:37

Ein sehr schwieriges wie auch interessantes Thema...

Falls du dich etwas mit dem Hintergrund auseinandersetzen möchtest:

Warum die Zeit nicht “vergeht”
https://scienceblogs.de/hier-wohnen-dra ... t-vergeht/

Das ist allerdings nur eine Argumentationslinie, das bitte beachten.

Später vielleicht mehr, wenn ich mehr Zeit habe. :wink:
Grüße
seeker


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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von Frank » 23. Apr 2021, 13:16

Je mehr ich mich über das Thema informiere, desto verwirrter werde ich.....
Man könnte ja fast in eine Art,"alles ist vorbestimmt" Schleife kommen und warum Leben wir überhaupt, wenn eh schon alles feststeht?
Warum kann ein Mathematiker aus der Vergangenheit,wo er die Parameter ja kennt, nicht die Zukunft berechnen?
;j :?
Mit freundlichen Grüßen

Frank

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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von ralfkannenberg » 23. Apr 2021, 15:47

Frank hat geschrieben:
23. Apr 2021, 13:16
Warum kann ein Mathematiker aus der Vergangenheit,wo er die Parameter ja kennt, nicht die Zukunft berechnen?
Hallo Frank,

das scheitert schon daran, dass das Dreikörperproblem im Allgemeinen nicht lösbar ist. Und im Universum haben wir es mit viel mehr als nur mit 3 Körpern zu tun.


Freundliche Grüsse, Ralf

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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von seeker » 23. Apr 2021, 16:49

Also da bräuchte ich einmal mehr Zeit und Muse...

Zeit, Determinismus und freier Wille sind schon einmal drei Themen, auch wenn es z.T. einen Zusammenhang gibt.
Frank hat geschrieben:
23. Apr 2021, 13:16
Warum kann ein Mathematiker aus der Vergangenheit,wo er die Parameter ja kennt, nicht die Zukunft berechnen?
Aus mehreren Gründen (es geht hier um den sog. Laplaceschen Dämon, bzw. das damit verbundene Problem: https://de.wikipedia.org/wiki/Laplacescher_D%C3%A4mon):

- Bestimmbarkeit: Es ist prinzipiell unmöglich den Zustand aller Teilchen im Universum vollständig zu kennen. Insbesondere müsste der Beobachter dabei ja auch seinen eigenen Zustand (im Gehirn, ...) kennen, der aber durch diese Kenntnis wiederum verändert würde, was er auch wissen müsste, was diesen Zustand wiederum verändern würde, usw. Also müsste sich der Beobachter außerhalb des Universums befinden, dürfte nicht Teil davon sein. Wenn das aber so wäre, könnte er das Universum nicht von innen beobachten. Es geht nicht.

- Bestimmtheit: Es ist auch unmöglich vollständige Kenntnis von Quantensystemen zu haben, ohne diese zu beobachten und somit durch die Beobachtung zu stören. Und selbst wenn man sie hätte, könnte man nicht berechnen, wann z.B. dieses Uranatom hier genau zerfallen wird.

- Berechenbarkeit: Es ist unmöglich die Entwicklung des gesamten Universums schneller zu berechnen als es das selber in gewisser Weise tut, d.h. die Berechnung der Zukunft würde der realen Zeitentwicklung immer hinterherlaufen. Um dieses Problem zu lösen, wäre bei genauer Betrachtung eine Rechenmaschine notwendig, die unendlich genau und unendlich schnell rechnen kann.

Schau auch in den Link rein, dort werden weitere Punkte genannt und z.T. auch genauer erklärt.
Frank hat geschrieben:
23. Apr 2021, 13:16
Je mehr ich mich über das Thema informiere, desto verwirrter werde ich.....
Das ist kein Wunder. Das ist eines der schwierigsten Probleme überhaupt: Was ist Zeit? Gibt es sie "wirklich"? Und was bedeutet das?
Das Problem ist genauso spannend, wie es ungelöst ist.
Aber du scheinst immerhin erkannt zu haben, dass es da überhaupt ein Problem gibt. Das ist gut, da ist der erste Schritt getan.

Und zum Threadtiltel:
Da muss man erst einmal klären, was mit "freier Wille" eigentlich genau gemeint sein soll? Was bedeutet "frei" bzw. was soll es bedeuten?
Grüße
seeker


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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von Frank » 23. Apr 2021, 18:31

seeker hat geschrieben:
23. Apr 2021, 16:49

Und zum Threadtiltel:
Da muss man erst einmal klären, was mit "freier Wille" eigentlich genau gemeint sein soll? Was bedeutet "frei" bzw. was soll es bedeuten?
Im Video geht es ab 4.30 Min bis zum Schuss(ist na nicht viel) darum.


Es geht um ein sogenanntes Blockuniversum, oder eben um Einstein, der gesagt haben soll, dass Zukunft Gegenwart und Vergangenheit eben nur eine Illusion sind, wenn auch eine sehr hartnäckige.
Mit freundlichen Grüßen

Frank

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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von seeker » 24. Apr 2021, 09:23

Das Blockuniversum hab ich hier ja schon mehrfach diskutiert. Ich weiß nicht, inwieweit du das damals verfolgt hattest. Tom meinte dazu, dass sich diese Sichtweise nicht zwingend aus der ART ergibt, dass man das Universum auch innerhalb der ART bzw. völlig verträglich mit dieser, auch anders beschreiben kann, denn als einen 4D-Raumzeitblock und die Sache daher auch dann nicht entschieden ist, wenn man nur die ART berücksichtigt.

Die Argumentationslinie beim Blockuniversum ist klar:
Wenn es keinen Unterschied zwischen Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft gibt, wenn der nur scheinbar für den Beobachter existiert, wenn es stattdessen nur einen unveränderlichen 4D-Raumzeitblock gibt, dann kann es auch keinen freien Willen oder irgendwelche Handlungsoptionen geben, weil die Zukunft genau wie Vergangenheit und Gegenwart schon unveränderlich existiert, also feststeht. Es gibt hier keinen wirklichen Unterschied zwischen diesen dreien.
Nur in unserer Wahrnehmung wäre das dann scheinbar so, was allerdings auch wieder zu logischen Problemen führen würde, denn unsere Wahrnehmung ist ja nichts vom Unversum Getrenntes, sondern muss als Teil davon aufgefasst werden. Und diese ist auch nichts Unwirkliches, sondern etwas, das auch objektiv gesehen als existierend aufgefasst werden muss; es fällt schwer hier zu erklären, wo denn dann dieses "scheinbare Bewegungsmoment" in unserer Wahrnehmung herkommen sollte, wenn es doch absolut nirgends irgendeine Bewegung im (Block-)Universum geben kann?

Anders gesagt:
Das Blockuniversum hat ein Problem mit der realen Existenz von Beobachtern in diesem Universum: Reales Beobachten erfordert zwingend reale Bewegung/Veränderung/Zeit. Gäbe es das nicht, also auch keine wirklichen Beobachtungen, wie könnte man dann behaupten, dass irgendeine unserer Theorien, die ja alle auf Beobachtungen fußen, irgendeine glaubhaft-reale Aussage über das Universum machen würde?
Man muss bei dem Thema wieder einmal aufpassen, dass man sich am Ende nicht selber negiert, denn das führt in logische Zirkel:

Wenn der Mensch theoretisiert und am Ende dabei herauskommt, dass er selber gar nicht existiert, also auch nicht theoretisiert, dann ergibt sich ein Problem, denn dann existiert auch die Theorie, die diese Aussage trifft, nicht, also auch die Aussage, dass er nicht existiert, nicht.

Das Thema ist wie gesagt schwierig und weitläufig.
Man kann z.B. auch die Auffassung infrage stellen, dass es in dem Sinne überhaupt ein ganzes Ding "das Universum" gäbe.
Wenn es stattdessen nur Einzeldinge wirklich gibt (wovon sich jedes eben so entwickelt, wie es das tut, was man dann als "Zeit" oder "Eigenzeit" abstrahieren kann, jedes hat dann seine eigene Zeit) und "das Universum" nichts anderes als ein gedankliches Konzept bzw. Konstrukt unsererseits wäre, dann wäre das Problem auch umgangen.
(Der bekannte Philosophieprofessor Markus Gabriel verfolgt diesen Ansatz, siehe z.B.: https://www.nzz.ch/feuilleton/buecher/d ... 1.18096629 Interessierte finden auch Vorträge z.B. auf YT von ihm.)

Diese Geschichte halte ich für interessant, denn evtl. ist es schon ein Irrweg zu glauben, man könne tatsächlich schlichtweg alles, was es gibt, durch eine einzige Perspektive erfassen und hinreichend erklären (-> "Theorie von allem", etc.). Ich wär da jedenfalls vorsichtig.

Dasselbe kann man auch mit der Zeit machen, indem man behauptet, dass "Zeit" nichts anderes als ein gedankliches (Hilfs-)Konstrukt unsererseits ist, das es real als Gesamtheit (Universalie) gar nicht gibt, dass es real einfach nur Bewegungen (von Einzeldingen) gibt. Auch dann fällt das "Blockuniversum-Problem" in sich zusammen, weil es davon ausgehen muss, dass es ein klar bestimmtes, objektives Ganzes "von allem" mit ganzheitlichen Eigenschaften "von allem" wirklich gäbe.

Außerdem steht da noch die Quantenmechanik im Raum:
Wenn man das Blockuniversum als real ansehen möchte, dann muss man -soweit ich das sehe- zwingend auch die vielen Welten der VWI der QT als real gegeben ansehen (oder ein analoges Konzept), denn wenn man z.B. Kopenhagen als gegeben annehmen würde, dann könnte es schon prinzipiell keine vollständige Vorherbestimmtheit der Zukunft geben, also auch keinen schon fertig existierenden 4D-Raumzeitblock.
Und im Falle der VWI wirds eben auch schwierig, weil das dann WAS ist? Ein n-dimensionaler Block? Man weiß nicht, wo das ein Ende nehmen sollte, das klingt jedenfalls dann schon recht inflationär, also auch alles andere als problemfrei.

Das mit dem "freien Willen" geht darüber hinaus, denn selbst wenn es eine Mischung aus Determiniertheit plus echten Zufall gäbe, also eine wenigstens teilweise unbestimmte Zukunft, so wäre mit diesen beiden noch nichts sichergestellt, das man "freien Willen" nennen könnte.
Denn dann wären alle Entwicklungen, Handlungen, Ereignisse eben entweder determiniert oder zufällig oder eine Mischung davon, ein "Wille" käme da nicht vor.
"Wille", "Absicht", "Grund", usw. sind allerdings auch Konzepte, die in der Physik von vorne herein ausgeschlossen sind, dort schon per Definition nicht vorkommen, also von ihr gar nicht betrachtet werden können, auch dann nicht, wenn es sie wirklich gäbe.
Das darf man auch nicht vergessen, sonst landet man auch leicht in logischen Zirkeln.

Auch diese Geschichten wurden hier im Forum schon weitläufig diskutiert, denn auch dort kann man sich noch Alternativen vorstellen, die jetzt nichts mit Esoterik zu tun hätten, sondern mit unterschiedlichen "im Voraus"-Perspektiven und -Konzepten. Entscheidend ist hier außerdem auch, was man sich unter einem "freien Willen" vorstellt. Es gibt auch Definitionen davon, die auch mit einer vollständig determinierten Welt verträglich sind, auch wenn ich diese selbst nicht besonders überzeugend bzw. befreidigend finde.

Und zuletzt noch:
Es ist ein Unterschied zu fragen, ob die Zukunft festgelegt ist und zu fragen ob, falls sie festgelegt wäre, irgendjemand diese Zukunft auch vorhersagen könnte bzw. sie wissen könnte, bevor sie erscheint.
Grüße
seeker


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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von Timm » 24. Apr 2021, 09:40

Aus Sicht der Neurobiologie hat der Mensch keinen freien Willen.

https://www.augsburger-allgemeine.de/sp ... 76981.html

Daraus Wolf Singer: "Jede Entscheidung ist die Folge von neuronalen Wechselwirkungen. Aufgrund von physikalischen und chemischen Vorgängen im Gehirn musste es so passieren, dass man selbst zu dieser bestimmten Entscheidung gekommen ist."

Hier ein z.T witzig zu lesendes Streitgespräch zwischen Wolf Singer und einem Philosophen:

https://www.philosophie.uni-muenchen.de ... singer.pdf

Daraus:
.....
Sie formulieren Ihre Absage an den freien Willen einmal in den Satz: „Eine Person tat, was
sie tat, weil sie im fraglichen Augenblick nicht anders konnte, sonst hätte sie anders
gehandelt.“ Der vorausgehende Zustand des Gehirns verursacht die Handlung?
.....

Man könnte einwenden, wenn das Ich aus komplexen Gehirnfunktionen emergiert, dann entscheidet es auch selbst *frei* nach einer bewussten Abwägung der Möglichkeiten. Ausgenommen sind reflexhafte Entscheidungen.

Ich denke, ob man dem Menschen den freien Willen abspricht oder nicht lässt sich nicht logisch begründen wie etwa ein mathematisches Theorem, sondern resultiert aus der Herangehensweise an diese Fragestellung.

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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von seeker » 24. Apr 2021, 09:49

Timm hat geschrieben:
24. Apr 2021, 09:40
Aus Sicht der Neurobiologie hat der Mensch keinen freien Willen.
Ja, ich weiß (allerdings auch nicht von DER Neurobiologie, sondern von vielen Neurobiologen, nicht von allen).
Nur sind das alles am Ende Zirkelschlüsse, die sich aus der gewählten Im-Voraus-Perspektive ergeben:
Was man vorne hineinsteckt, kommt hinten wieder heraus.
Das wird gerne übersehen.

Aber wie auch gesagt: Vieles hängt außerdem auch davon ab, welche Wahl man trifft, bei der Definition von "frei" und "Wille".
Grüße
seeker


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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von seeker » 24. Apr 2021, 10:15

Die Neurologen tun auch gerne so, als gäbe es da zwei, nämlich dein Gehirn und dann noch dich, oder dein Bewusstsein und dann noch dein Unterbewusstsein, oder deinen bewussten Willen und dann noch irgendwelche "vorgeschaltete" neurologische Prozesse, etc.
Das ist aber alles nicht der Fall, das ist ja alles eine untrennbare Einheit und geht Hand in Hand, nichts davon ist unnötg oder überflüssig oder unwirksam.
Zur Ansicht, dass es keinen freien Willen in keiner Form gäbe, kann man nur kommen, wenn man trennt, was nicht zu trennen ist.

Ich denke i.A. kann man sagen:
Du kannst in vielen Fällen tun was du willst, aber du kannst meist nicht direkt bestimmen, was du gerade willst.
(Langfristig gesehen kann man das aber dann doch auch wieder ein Stück weit, indem man an sich arbeitet, indem man sich selber bewusst und gezielt irgendwohin entwickelt.)

Man kann m.E. auch sagen, dass wir viel weniger frei sind, als viele glauben, dass wir aber auch nicht völlig unfrei sind - so wir denn existieren. Und in dem Punkt haben wir keine andere Wahl, als unsere eigene Existenz als gegeben anzunehmen, das kommt noch vor aller Wissenschaft oder sonst auch allem anderen, weil es die Vorbedingung für alles andere ist.
Grüße
seeker


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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von ralfkannenberg » 24. Apr 2021, 23:24

seeker hat geschrieben:
24. Apr 2021, 10:15
Man kann m.E. auch sagen, dass wir viel weniger frei sind, als viele glauben, dass wir aber auch nicht völlig unfrei sind - so wir denn existieren. Und in dem Punkt haben wir keine andere Wahl, als unsere eigene Existenz als gegeben anzunehmen, das kommt noch vor aller Wissenschaft oder sonst auch allem anderen, weil es die Vorbedingung für alles andere ist.
Hallo zusammen,

was ich in dieser Diskussion ein wenig vermisse ist der Zufall: der Zufall richtig angewendet ist ein mächtiger Verbündeter !


Freundliche Grüsse, Ralf

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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von Frank » 25. Apr 2021, 07:37

seeker hat geschrieben:
24. Apr 2021, 09:23

Das Blockuniversum hat ein Problem mit der realen Existenz von Beobachtern in diesem Universum: Reales Beobachten erfordert zwingend reale Bewegung/Veränderung/Zeit. Gäbe es das nicht, also auch keine wirklichen Beobachtungen, wie könnte man dann behaupten, dass irgendeine unserer Theorien, die ja alle auf Beobachtungen fußen, irgendeine glaubhaft-reale Aussage über das Universum machen würde?
Ich habe das so verstanden, dass das Blockuniversum davon ausgeht, dass das "Jetzt" überall im Universum dasselbe ist, weil es eben feststeht.
seeker hat geschrieben:
24. Apr 2021, 09:23
Wenn der Mensch theoretisiert und am Ende dabei herauskommt, dass er selber gar nicht existiert, also auch nicht theoretisiert, dann ergibt sich ein Problem, denn dann existiert auch die Theorie, die diese Aussage trifft, nicht, also auch die Aussage, dass er nicht existiert, nicht.
Cogito ergo sum
Wieso sollte der Mensch in einem Blockuniversum nicht existieren?
seeker hat geschrieben:
24. Apr 2021, 09:23
Diese Geschichte halte ich für interessant, denn evtl. ist es schon ein Irrweg zu glauben, man könne tatsächlich schlichtweg alles, was es gibt, durch eine einzige Perspektive erfassen und hinreichend erklären (-> "Theorie von allem", etc.). Ich wär da jedenfalls vorsichtig.
Stimme ich zu und darum halte ich auch die Suche nach einer Weltformel für Unsinn.
seeker hat geschrieben:
24. Apr 2021, 09:23
Dasselbe kann man auch mit der Zeit machen, indem man behauptet, dass "Zeit" nichts anderes als ein gedankliches (Hilfs-)Konstrukt unsererseits ist, das es real als Gesamtheit (Universalie) gar nicht gibt, dass es real einfach nur Bewegungen (von Einzeldingen) gibt. Auch dann fällt das "Blockuniversum-Problem" in sich zusammen, weil es davon ausgehen muss, dass es ein klar bestimmtes, objektives Ganzes "von allem" mit ganzheitlichen Eigenschaften "von allem" wirklich gäbe.
Des Wegen halte ich mich hier auch an Einstein, allerdings bleibt ad immer noch das Problem, ob etwas schon passiert ist, oder schon entschieden ist, wenn ich mich darauf zubewege, oder mich davon entferne. (Andromedaparadoxon)

seeker hat geschrieben:
24. Apr 2021, 09:23
Es ist ein Unterschied zu fragen, ob die Zukunft festgelegt ist und zu fragen ob, falls sie festgelegt wäre, irgendjemand diese Zukunft auch vorhersagen könnte bzw. sie wissen könnte, bevor sie erscheint.
Also wenn das Rezept für Erbseneintopf feststeht, dann kann ich auch Aussagen darüber machen, wie er schmecken wird..... ;a :wink:
Mit freundlichen Grüßen

Frank

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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von seeker » 25. Apr 2021, 08:03

Frank hat geschrieben:
25. Apr 2021, 07:37
Also wenn das Rezept für Erbseneintopf feststeht, dann kann ich auch Aussagen darüber machen, wie er schmecken wird.....
Es gibt Fälle wo beides zusammen kommt, aber es gibt auch viele Fälle, wo man davon ausgehen kann, dass ein Vorgang determiniert ist, ohne dass man beliebig weit oder exakt vorhersagen kann, wohin er sich entwickelt, z.B. beim Wetter.
Vorherbestimmtheit und Vorhersagbarkeit sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
Frank hat geschrieben:
25. Apr 2021, 07:37
Ich habe das so verstanden, dass das Blockuniversum davon ausgeht, dass das "Jetzt" überall im Universum dasselbe ist, weil es eben feststeht.
Das Blockuniversum geht von einem starren, unveränderlichen, zeitlosen 4D-Raumzeitblock aus.
Da sich in dem Block nichts verändert, absolut nichts geschieht, gibt es auch keine Bewegung darin.
Du kannst dir das wie eine schon fertige Filmrolle vorstellen oder besser noch wie ein Daumenkino.
Frank hat geschrieben:
25. Apr 2021, 07:37
Cogito ergo sum
Wieso sollte der Mensch in einem Blockuniversum nicht existieren?
Die Frage ist:
Wie sollte ein Beobachter IN so einem Daumenkino existieren? Und wie sollte er ein Bewusstsein von seinen Beobachtungen haben können?
Beobachten ist ein Prozess, der Bewegung/Veränderung erfordert. Wenn es aber nur das statische Daumenkino gibt und niemanden, der es mit seinem Daumen durchblättert, dann ist dort nirgendwo Bewegung, ergo auch kein Beobachten und kein Bewusstsein.

Man kann die Frage auch anders stellen:
Wer blättert das Daumenkino durch? Und wo soll der herkommen? Teil des Daumenkinos kann er ja schließlich nicht sein, das Daumenkino kann sich nicht selber durchblättern.
Frank hat geschrieben:
25. Apr 2021, 07:37
Des Wegen halte ich mich hier auch an Einstein, allerdings bleibt ad immer noch das Problem, ob etwas schon passiert ist, oder schon entschieden ist, wenn ich mich darauf zubewege, oder mich davon entferne. (Andromedaparadoxon)
Nur ist das eine rein theoretische Geschichte, die sich nicht einmal zwingend aus der ART selber ergibt, sondern nur durch eine bestimmte Interpretation derselben.
Die Frage, nach dem "jetzt" in der Andromedagalaxie ist ja eh einigermaßen sinnlos, du bist ja hier auf der Erde eh raumzeitlich davon getrennt, was immer dort ist, es ist nicht dein "jetzt und hier", du ordnest Andromeda nur ggf. ein solches "jetzt" gedanklich zu.
Grüße
seeker


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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von Pippen » 29. Apr 2021, 10:44

Eine sehr einfache Verteidigung der Unfreiheit und des Determinismus ist folgendes Gedankenexperiment:

Wir reisen in Gedanken zum 1.1.3000 und blicken von dort zurück auf das Jahr 2022. Wir sehen in den Archiven, dass am 1.3.2022 ein Anschlag auf Joe Biden in Rostock stattfand. Jetzt reisen wir wieder zum 29.04.2021 und wüßten nun, dass am 1.3.2022 ein Anschlag auf Joe Biden in Rostock stattfinden muss. Mit diesem Verfahren kann man alles und jedes determinieren. Egal was passiert, es musste so passieren (wir wissen es nur nicht, weil uns die Perspektive vom 1.1.3000 fehlt). Fatalismus.

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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von seeker » 29. Apr 2021, 13:06

Das würde voraussetzen, dass solche Reisen in die Vergangenheit bewiesenermaßen möglich sind. Das ist aber nicht der Fall.
Außerdem würden sich daraus Paradoxien konstruieren lassen.

Also bringt uns dieses Argument bei unserer Frage hier leider nicht weiter.
Grüße
seeker


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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von Pippen » 29. Apr 2021, 23:48

Natürlich sind solche Reisen möglich, wir reisen ja in Gedanken, d.h. wir tun so als ob. Dass wir diese Reise nie wirklich machen können, ändert nichts am Ergebnis, sondern nur an dessen Nutzen - uns bringt es nämlich nix, dass unser Leben "vorprogrammiert" ist.

ralfkannenberg
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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von ralfkannenberg » 30. Apr 2021, 01:12

Pippen hat geschrieben:
29. Apr 2021, 23:48
Natürlich sind solche Reisen möglich, wir reisen ja in Gedanken, d.h. wir tun so als ob. Dass wir diese Reise nie wirklich machen können, ändert nichts am Ergebnis, sondern nur an dessen Nutzen - uns bringt es nämlich nix, dass unser Leben "vorprogrammiert" ist.
;?

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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von seeker » 30. Apr 2021, 12:56

Wie ich schon sagte:
seeker hat geschrieben:
24. Apr 2021, 09:23
Es ist ein Unterschied zu fragen, ob die Zukunft festgelegt ist und zu fragen ob, falls sie festgelegt wäre, irgendjemand diese Zukunft auch vorhersagen könnte bzw. sie wissen könnte, bevor sie erscheint.
Und bezüglich der Vorhersagbarkeit ist es so, dass wir da zwar schon Prognosefähigkeiten haben, dass die aber begrenzt sind, z.B. auf speziell präparierte, einfache Systeme für nicht beliebige Zeitspannen und immer gewisse Fehler beinhalten und eher Wahrscheinlichkeitscharakter haben. Und das ist ganz unabhängig davon, ob die Welt "in Wahrheit" nun streng determiniert ist oder nicht.
D.h.: Auf der praktischen Ebene kann es uns im Grunde egal sein und ist die Sache klar: Für mich als handelnde Person, macht es keinen Unterschied, ob meine Zukunft in irgendeiner Weise schon feststeht oder nicht, so lange ich diese Zukunft nicht vollumfänglich kennen kann oder zumindest nicht kenne (was der Fall ist).

Ebensowenig brächte es mich weiter, wenn ich versuchen würde so zu tun, als ob ich keinen eigenen Willen hätte, weil ich vielleicht davon überzeugt bin, dass dieser aus einer objektiven Ebene heraus betrachtet nicht existiere, denn das kann a) kein Mensch im täglichen Leben konsequent durchhalten und b) kann ich diese rein objektive Perspektive gar nicht streng einnehmen, denn das wäre wieder Selbstnegation mit allen daran hängenden logischen Paradoxien.

Und auf gesellschaftlicher Ebene können wir auf das Konzept "freier Wille" eh nicht verzichten, weil das die Grundbedingung für die Verantwortlichkeit und Verantwortung von Personen ist. Es ist sogar die Grundbedingung für die Existenz von Personen.
Ich glaube nicht, dass wir in einer Geselschaft leben wollten, die sich per Definition aus Objekten statt aus Personen zusammensetzen würde.
Grüße
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Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von Timm » 30. Apr 2021, 16:29

seeker hat geschrieben:
30. Apr 2021, 12:56
Ich glaube nicht, dass wir in einer Geselschaft leben wollten, die sich per Definition aus Objekten statt aus Personen zusammensetzen würde.
Ganz so schlimm ist es nicht.

Du musst dich nur mit deinem Gehirn identifizieren, das die Entscheidung trifft. Probier's einfach mal.

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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von seeker » 30. Apr 2021, 17:33

Timm hat geschrieben:
30. Apr 2021, 16:29
Du musst dich nur mit deinem Gehirn identifizieren, das die Entscheidung trifft. Probier's einfach mal.
Ich sehe da eh keinen Unterschied. Es gibt nicht mich und dann noch mein Gehirn und dann noch meinen Körper, etc.
Es gibt nur mich als Ganzheit, ein Teil ist als Materie sichtbar, ein anderer Teil ist das, was auf der Materie vonstatten geht, ein Teil davon ist bewusst, der andere (soweit es der bewusste Teil weiß) unbewusst, beide arbeiten zusammen und bilden eine Einheit. So vergibt der bewusste Teil natürlich auch Aufgaben an den unbewussten, dieser liefert dann Ergebnisse zurück, usw.
Wenn das immer und ausschließlich nur vom unbewussten Teil in den bewussten fließen würde und überhaupt nichts zurück, dann wäre der bewusste Teil ja vollständig unnütz. Und dann müsste man fragen, warum der dann evolutionär nicht längst wegselektiert wurde?
Das ist ganz einfach alles so untrennbar miteinander verflochten, dass jede allzu aufgetrennte Betrachtung fehl gehen muss.

In dem Link, den du gesetzt hattest, mit dem Gespräch zwischen Wolf Singer und Julian Nida-Rümelin wurde es ja auch gut gesagt: Nein, das Gehirn trifft keine Entscheidungen, im Gehirn laufen nur Elektronen und Anregungen und Neurotransmitter hin und her. Es macht keinen Sinn das zu sagen, das ist falsch gebrauchte Sprache. Die Gesamtheit "Person" trifft Entscheidungen.

Und ich hatte es ja auch noch von der gesellschaftlichen Ebene:
Was nicht passieren sollte ist, dass sich z.B. jeder Straftäter (oder allg. jeder Mensch, bei jeder Entscheidung/Handlung) hinterher damit herausreden könnte, er wäre ja nicht verantwortlich für seine Taten, es wäre ja alles determiniert gewesen. Ohne Konzepte wie "Verantwortung" und "Gründe", allein mit den Konzepten "Ursache-Wirkung" kann man vielleicht eine Maschine betreiben, aber keine menschliche Gesellschaft.
Das sind einfach unterschiedliche Perspektiven auf die Welt. Und man kommt einfach nicht mit nur einer aus, das sollte man m.E. besser akzeptieren.
Grüße
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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von seeker » 1. Mai 2021, 07:00

... und weil dann wahrscheinlich eh noch die Libet-Experimente angeführt werden, um das gleich mit abzuhandeln:

Dort wurde unter einer speziell konfigurierten Laborsituation (für ebendiese Situation) folgendes herausgefunden:

600.1.jpg
600.1.jpg (11.26 KiB) 6088 mal betrachtet
Konkret wurden die Versuchsteilnehmer beauftragt zu einem zufälligen Zeitpunkt einen Knopf zu drücken.
Dabei wurde das Aktionspotential ihres Gehirns vermessen. Die Teilnehmer sollten außerdem hinterher angeben (schätzen), wann genau sie den Willensimpuls den Knopf zu drücken empfunden haben. Es stellte sich hinterher heraus, dass das Aktionspotential im Mittel etwa schon 0,7s vorher messbar war, bevor die Probanden angaben, entschieden zu haben, den Knopf zu drücken.
Das wurde dann von vielen so wie im obigen Schaubild interpretiert (und auch gleich noch vorschnell auf alle Situationen verallgemeinert), viele urteilten dann auch vorschnell, dass damit bewiesen sei, dass es keinen freien Willen gäbe. Das ist natürlich Quatsch, hervorgerufen durch eine verengte Sichtweise und durch die eingenomme vorurteilsbehaftete Perspektive hervorgerufenen Zirkelschlüsse.

Spätere Versuche ergaben allerdings auch, dass dieses Aktionspotential wieder willentlich zurückgenommen werden konnte, bis etwa 0,2s vor der Ausführung (dem tatsächlichen Drücken des Knopfes), womit bewiesen war, dass das obige Schaubild nicht die ganze Geschichte sein kann.

Interessant ist m.E. an dem Experiment eigentlich nur, dass sich dabei bestätigte, dass viele von uns dazu neigen ihre Handlungen nachträglich auch dann als bewusste Willensakte zu erklären, wenn dem gar nicht so war: Wir füllen Lücken, um eine konsistente Geschichte zu erhalten. Das wusste die Psychologie aber eigentlich auch vorher schon.
Grüße
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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von seeker » 1. Mai 2021, 07:02

Wie ist es denn nun wirklich?
Zoomen wir dazu einfach aus dem obigen Schaubild heraus, dann erhalten wir doch das hier:

600.2.jpg
600.2.jpg (17.42 KiB) 6088 mal betrachtet
Grüße
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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von seeker » 1. Mai 2021, 07:05

Und der Vollständigkeit halber zoomen wir noch weiter heraus:

600.3.jpg
600.3.jpg (19.93 KiB) 6088 mal betrachtet
Unser Gehirn ist übrigens zu über 90% mit sich selbst beschäftigt, deshalb habe ich die Input/Output-Pfeile auch so dünn gezeichnet, um das zu veranschaulichen.
Grüße
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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von Pippen » 1. Mai 2021, 07:37

seeker hat geschrieben:
30. Apr 2021, 12:56
Auf der praktischen Ebene kann es uns im Grunde egal sein
Wenn es keine Willensfreiheit gäbe, dann hätte das einschneidende Konsequenzen. Wir könnten niemals schuldig an etwas sein, wir bräuchten uns nie wieder Vorwürfe machen, dies dies oder das getan oder unterlassen zu haben. Ich habe ja schon ein Gedankenexperiment vorgestellt, wonach deutlich wird, dass unser Denken selbst bereits Freiheit ausschließt, d.h. so wie wir denken, müssen wir unfrei sein. Solche Beweise sind viel stärker und gefährlicher als die empirischen der Hirnforschung. Alles was du dagegen aufbringen kannst, ist ein „es kann nicht sein, was nicht sein darf“ - und mit dir alle sog. Kompatibilisten, die längst unsere Unfreiheit akzeptieren und sich stattdessen in semantischen Spielchen überbieten, Freiheit so umzudefinieren, dass man sie retten kann. Das ist menschlich verständlich und zugleich armselig.

p.s. zu deinen Schemata: Dir ist klar, dass auch unser Bewußtsein „nicht einfach so vom Himmel fällt“, sondern vom unbewußten Teil des Gehirns produziert wird?

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Re: Die Frage nach dem freien Willen

Beitrag von seeker » 1. Mai 2021, 08:24

Pippen hat geschrieben:
1. Mai 2021, 07:37
Dir ist klar, dass auch unser Bewußtsein „nicht einfach so vom Himmel fällt“, sondern vom unbewußten Teil des Gehirns produziert wird?
Woher weißt du denn das?
Du hast Vorurteile bzw. urteilst zu vorschnell.
Wir wissen nur, dass unser Bewusstsein offenbar mit Gehirnprozessen korreliert ist - mit manchen, aber nicht allen (zumindest nicht unmittelbar).
Aus einer reinen Korrelation kann man nicht sicher auf eine Ursache-Wirkungs-Beziehung oder eine "Produktion" schließen.
Unser Gehirn könnte, soweit es das Bewusstsein betrifft, genausogut auch wie eine Art Empfänger arbeiten (wie ein Radio) oder wie ein Träger, eine Bühne oder noch ganz anders.
Wir wissen es nicht.
Und wir sollten uns auch vor Sprachverwirrungen hüten: "Produzieren" ist ein ein technisches Wort, in Fabriken werden Dinge produziert, es ist nicht im Voraus klar, ob dieses Wort auch hier passend ist.
Pippen hat geschrieben:
1. Mai 2021, 07:37
Ich habe ja schon ein Gedankenexperiment vorgestellt, wonach deutlich wird, dass unser Denken selbst bereits Freiheit ausschließt, d.h. so wie wir denken, müssen wir unfrei sein
Ich sehe nicht wo. Ich sah nur einen Zirkelschluss der Art: Wenn A dann B dann A! Hüte dich vor Zirkeln!
Pippen hat geschrieben:
1. Mai 2021, 07:37
Solche Beweise sind viel stärker und gefährlicher als die empirischen der Hirnforschung. Alles was du dagegen aufbringen kannst, ist ein „es kann nicht sein, was nicht sein darf“ - und mit dir alle sog. Kompatibilisten, die längst unsere Unfreiheit akzeptieren und sich stattdessen in semantischen Spielchen überbieten, Freiheit so umzudefinieren, dass man sie retten kann. Das ist menschlich verständlich und zugleich armselig.
Ich würde mich auch vor unvorsichtigen und vorschnellen Urteilen hüten.
Pippen hat geschrieben:
1. Mai 2021, 07:37
Wenn es keine Willensfreiheit gäbe, dann hätte das einschneidende Konsequenzen. Wir könnten niemals schuldig an etwas sein, wir bräuchten uns nie wieder Vorwürfe machen, dies dies oder das getan oder unterlassen zu haben.
Eben. Und auf dieser Basis, wenn man das wirklich ernsthaft glauben und konsequent-ernst nehmen würde, könnte man keine Gesellschaft zusammenhalten, zumindest keine menschenwürdige.
Aber wir können uns ja zunächst einmal darauf zurückziehen, dass es einen Willen gibt, als einen Impuls, der in unserem Bewusstsein erscheint und der -wie es uns scheint- etwas mit unseren Handlungen zu tun hat, diesen im Erfolgsfall vorausgeht.
Das sollte für alle akzeptabel sein.
Davon ausgehend, kann man dann untersuchen, was mit "frei" eigentlich gemeint sein kann bzw. soll.

In der ursprünglichen Bedeutung bedeutet "frei" hier, dass etwas weder mechanisch-ursächlich vorherbestimmt noch zufällig geschieht, sondern durch Gründe (einer Person) bestimmt ist. Man muss hier zunächst bedenken, dass "Gründe" und "Ursachen" ganz verschiedene Kategorien sind, so kommen z.B. "Gründe" in den Naturwissenschaften schon per Konstruktion/Definition überhaupt nicht vor, ebenso wenig so Sachen wie "Verantwortung", "Schuld", usw. D.h.: Die NW können über diese Begriffe überhaupt nicht sprechen, weder so noch so, sie haben dort keinerlei Bedeutung, existieren im dortigen Wortschatz nicht. Es wäre aber ein vorschneller Zirkelschluss, daraus zu schließen, dass solche Sachen daher überhaupt nicht existieren würden.
Sie existieren zweifellos.
Die vernünftige Frage kann daher nur die nach ihrer Seinsweise sein: In welcher Weise existieren sie?
Und vor allen Dingen: In welchem Kontext bzw. unter welcher Perspektive bzw. in welchem Sinnfeld existieren sie bzw. kann man von ihnen sprechen?
Dasselbe kann man auch mit Begriffen wie "Ursache" und "Wirkung" tun:
In welchem Kontext bzw. unter welcher Perspektive bzw. in welchem Sinnfeld existieren diese Begriffe bzw. kann man von ihnen sprechen?
Dort stellt sich heraus, dass es einen physikalischen Kontext dafür braucht, um ihnen eine Bedeutung zu verleihen.

Einen Kontext bzw. ein Sinnfeld braucht es immer, bei allen Begriffen.
Grüße
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