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Zu einigen Begriffen der ART

Einstein über die Schulter geschaut: Fragestellungen zur Speziellen und Allgemeinen Relativitätstheorie, mathematische Methoden, Bedeutung und Interpretation
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tomS
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Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von tomS » 19. Jan 2017, 23:56

OK, ich versuche mal, die Verwirrung etwas zu klären.

Beginnen wir mit dem physikalischen Beobachter. Er ist praktisch realisiert durch ein massebehaftetes Objekt plus mitbewegter Uhr, das sich mit v < c durch die Raumzeit bewegt. Seine Uhr sei z.B. eine hochpräzise Atomuhr.

In der Theorie denken wir uns diesen Beobachter so, dass seine Masse die Raumzeit nicht beeinflusst. Der Beobachter wird zu einem Punkt, dessen Bewegung durch die Raumzeit eine sogenannte Weltlinie definiert; das kann eine beliebige Linie sein, an der in jedem Punkt weiterhin v < c gilt. In der ART wird zumeist ein kräftefreier Beobachter verwendet; das muss aber nicht zwingend so sein.

Die Geschwindigkeit v < c kann ausschließlich lokal = in einem Raumzeitpunkt definiert werden; es gibt i.A. keine Geschwindigkeit von „diesem Beobachter dort bzgl. jenem Beobachter hier“. Lokal gilt die SRT, und in diesem Sinne ist v < c zu verstehen.

Jeder beliebige kräftefreie Beobachter mit v < c definiert in einem Raumzeitpunkt ein lokales Bezugsystem, das so wie ein Minkowskidiagramm der SRT aussieht; es gilt aber eben nur in infinitesimaler Umgebung des Beobachters. Da sich der Beobachter durch die Raumzeit bewegt, nimmt er sein Bezugssystem quasi mit; bzgl. dieses eigenen Bezugssystems befindet sich der Beobachter Ruhe. D.h. aus, dass seine Eigenzeit der Koordinatenzeit in diesem Bezugssystem entspricht.

Die Gesamtheit aller theoretisch möglichen Beobachter in diesem einen Punkt definieren die Gesamtheit aller möglichen lokalen Bezugsysteme in diesem Raumzeitpunkt; diese Beobachter und damit die Bezugsysteme sind mittels Lorentztransformationen verbunden, wobei diese sozusagen nur infinitesimal gelten, d.h. bzgl. infinitesimaler Größen dt und dx.

Global gilt die Lorentztransformation in der ART nicht!

Faustregel: wenn einem irgendjemand etwas über globale Größen in der ART erzählt, sollten die Alarmglocken schrillen; globale Größen, wie wir sie üblicherweise verwenden, sind oft nicht definierbar: es gibt i.A. keine Geschwindigkeit von „diesem Beobachter dort bzgl. jenem Beobachter hier“; es gibt i.A. keinen direkten Vergleich „der Zeit bei diesem Beobachter dort mit der Zeit bei jenem Beobachter hier“.

http://math.ucr.edu/home/baez/physics/R ... ll_in.html
At large distances t does approach the proper time of someone who is at rest with respect to the black hole. But there isn't any non-arbitrary sense in which you can call t at smaller r values "the proper time of a distant observer," since in general relativity there is no coordinate-independent way to say that two distant events are happening "at the same time." The proper time of any observer is only defined locally.
Wir haben noch nicht diskutiert, wie man diese Größen miteinander in Verbindung bringen kann, denn sie gelten zunächst nur entlang der Weltlinie oder ggf. im Schnittpunkt zweier Weltlinien. Wir können also die Eigenzeiten zweier Beobachter direkt vergleichen, wenn sie sich zweimal begegnen, sonst erstmal nicht; das funktioniert beim Zwillingsparadoxon beim Start und bei der Rückkehr.

Das o.g. lokale Bezugsystem heißt in der Mathematik Tangentialraum; ein derartiger Tangentialraum existiert in jedem Punkt einer (hinreichend) glatten Mannigfaltigkeit (so wie eine Tangentialebene an jedem Punkt einer Kugeloberfläche definiert ist). Man kann nun Vektoren „in der Raumzeit“ einführen sowie „Vektoren im Tangentialraum“. Z.B. kann ich in einem Punkt der Weltlinie eines Beobachters seine Vierergeschwindigkeit als Tangente an die Weltlinie durch die Raumzeit definieren. Der Tangentialvektor der Vierergeschwindigkeit „lebt“ im gedachten Tangentialraum an diesem Punkt. Wenn sich der Beobachter durch die Raumzeit bewegt, dann nimmt er seinen Tangentialraum quasi mit, in einem infinitesimal benachbarten Raumzeitpunkt existiert ein neuer Tangentialraum, quasi der ursprüngliche, verschobene Tangentialraum.

Man kann sich in diesem Tangentialraum ein Koordinatensystem vorstellen (so wie in der Tangentialfläche an die Kugeloberfläche). Dazu benötigen wir vier Einheitsvektoren, die die Mathematiker Vierbeine nennen. Der Geschwindigkeitsvektor wird nun bzgl. dieses Koordinatensystems dargestellt. Wenn ich eine Koordinatentransformation in einem Punkt durchführe, also das Koordinatensystem um den Ursprung (in dem Raumzeitpunkt an dem der Tangentialraum betrachtet wird) rotiere, dann entspricht dies gerade eine Lorentztransformation; und dass ich das tun darf, ohne die Physik zu beeinflussen, nennt man Lorentzinvarianz, die in der ART lediglich lokal, also in einem Raumzeitpunkt gilt.

Die Koordinaten eines Vektors in diesem Tangentialraum haben eine direkte physikalische Bedeutung, z.B. die Geschwindigkeitskomponenten bzgl. der gewählten Basis = bzgl. der Vierbeine.

(Dummerweise sind dies gerade nicht die Viererkoordinaten, die man in praktisch allen Darstellungen der ART findet).

Nun versuchen wir aus dieser lokalen Geometrie in jedem einzelnen Raumzeitpunkt die globale Geometrie zu konstruieren. Betrachten wir den einfachsten Fall einer flachen Raumzeit (statt der Kugeloberfläche eine Ebene) und konstruieren die Tangentialräume in allen Punkten. Da der Raum flach ist, stimmen alle Tangentialräume überein (so wie alle Tangentialebenen einer Ebene untereinander übereinstimmen). Dies ist der Fall in der SRT. Betrachten wir nun jedoch die Tangentialebenen für eine gekrümmte Raumzeit, so stimmen diese nicht mehr überein (zwei verschiedene Tangentialflächen an zwei verschiedenen Punkten einer Kugel sind augenscheinlich nicht identisch). Und weil dies so ist, können wir Vektoren an benachbarten Punkten nicht mehr vergleichen, weil diese in verschiedenen Tangentialräumen leben (wir betrachten je einen Vektor in je einer Tangentialebene in zwei Punkten der Kugeloberfläche; wir können diese erst dann vergleichen, wenn wir eine Vorschrift haben, wie wir die beiden Tangentialebenen übereinanderlegen)

(Konkret: ein Geschwindigkeitsvektor am Äquator zeige nach rechts; ein Geschwindigkeitsvektor am Nordpol zeige nach links; und? wie vergleichen wir das? Wir müssen die beiden Pfeile erst an ein und denselben Ort bringen, um ihre Richtungen zu vergleichen und um z.B. die Vektoren mittels Vektoraddition addieren oder subtrahieren zu dürfen; wie das funktioniert haben wir aber noch nicht diskutiert.)

Und weil wir das noch nicht diskutiert haben, können wir nicht von einer Relativgeschwindigkeit zweier Beobachter an unterschiedlichen Orten der Raumzeit sprechen.

Der Transport eines in einem Tangentialraum definierten Vektors an einen anderen Ort und in den dort definierten Transport wird mathematisch durch den sogenannten Zusammenhang beschrieben. Der Transport erfolgt dadurch, dass man beide Punkte durch eine Kurve verbindet und den Vektor bzw. den gesamten Tangentialraum entlang dieser Kurve verschiebt. Dadurch bringt man sozusagen beide Tangentialräume miteinander in Überdeckung, beide Vektoren leben jetzt im selben Tangentialraum und dürfen verglichen werden.

(Ein Spezialfall tritt bei der Berechnung der Rotverschiebung auf. Hier wird der Vektor, der die Frequenz und die Wellenzahl des Photons beschreibt, entlang der vom Photon selbst definierten Weltlinie vom Sender zum Empfänger verschoben)

Interessanterweise hängt dieser Transport i.A. von der gewählten Kurve ab (wovon man sich selbst wieder für die Kugeloberfläche überzeugen kann). In der flachen Raumzeit ist dies nicht der Fall (z.B. für die Ebene). Man kann nun einen Vektor von einem Punkt entlang einer infinitesimalen geschlossenen Schleife wieder zum selben Punkt verschieben, und berechnen, wie stark sich der Vektor ggü. der ursprünglichen Richtung verdreht hat; dieser Winkel ist ein Maß für die Krümmung; in der vierdimensionalen Raumzeit kann man diese Schleifen auf unterschiedliche Weise legen und erhält so unterschiedliche Krümmungsmaße, die zusammen den sogenannten Krümmungstensor bilden.

(Wenn man den o.g. Geschwindigkeitsvektor, der am Äquator „nach rechts zeigt“, diskutiert, dann muss man definieren „nach rechts bzgl. was“; „rechts“ kann z.B. bedeuten „raus aus diesem Haus und dann rechts“. Das ist eine rein lokale Definition, und das spiegelt die Freiheit bei der Wahl des lokalen Koordinatensystems am Äquator bzw. die Wahl der Vierbeine wieder. Das selbe können wir jetzt für ein Iglu am Nordpol durchführen, also „raus und dann links“. Offensichtlich haben die beiden Richtungen „rechts“ und „links“ nichts miteinander gemein. Auf einer flachen Ebene wäre das kein Problem, aber auf der Erdoberfläche wählen wir nun Kurven, entlang derer wir den Geschwindigkeitsvektor vom Äquator zum Pol verschieben um zu sehen, welchen Winkel die Richtung des Kajaks mit der Richtung des Einbaums einschließt; dummerweise hängt dies nun davon ab, entlang welcher Kurve der Bote das Blatt Papier mit dem aufgezeichneten Richtungspfeil vom Äquator zum Nordpol bringt. Wir haben also eine gigantische Mehrdeutigkeit in der Aussage „der Eskimo steuert etwas mehr nach rechts; die Aussage ist schlichtweg Quatsch)

Zum Abschluss folgende Feststellung: wir haben bisher Beobachter, deren Weltlinien, deren Eigenzeiten entlang der Weltlinien, mitbewegte und lediglich lokal definierte Koordinatensysteme mit Koordinatenzeiten gleich Eigenzeiten, den Transport der Tangentialräume und die Krümmung angesprochen. Wir sind fertig; wir haben die komplette Riemannsche Geometrie definiert, wir haben alles, was wir benötigen, um mittels ART Physik zu betrieben.

Was wir noch nicht getan haben ist, ein global gültiges Koordinatensystem zu definieren, das an anderen Raumzeitpunkten existiert als der Beobachter selbst; wir brauchen es auch prinzipiell nicht, weil die Physik (Beobachter, Eigenzeiten, Beobachtungen, …) unabhängig davon sind, welche Koordinatenlinien wir in die Raumzeit einzeichnen; das beeinflusst die Eigenzeiten, Beobachtungen usw. in keinster Weise. Jeder Beobachter definiert sein eigenes Ruhesystem und bzgl. dessen interpretiert er alle Beobachtungen.

Natürlich werden wir noch globale Koordinatensysteme besprechen, aber es muss klar sein, dass wir dadurch lediglich mathematische Objekte einführen, die ohne physikalischen Gehalt sind.
Gruß
Tom

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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von tomS » 20. Jan 2017, 00:25

IMG_3175.PNG
Weltlinie, Tangentenvektor, Tangentialebene
IMG_3175.PNG (9.79 KiB) 18211 mal betrachtet
IMG_3176.JPG
Tangentialebene mit Dreibein
IMG_3176.JPG (35.15 KiB) 18211 mal betrachtet
IMG_3179.GIF
Parallelverschiebung eines Vektors entlang einer Kurve
IMG_3179.GIF (24.06 KiB) 18211 mal betrachtet
IMG_3182.PNG
Parallelverschiebung entlang geschlossener Kurve
IMG_3182.PNG (58.58 KiB) 18208 mal betrachtet
Gruß
Tom

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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von seeker » 21. Jan 2017, 00:14

Danke Tom, da hast du dir ja Mühe gegeben!
Ich brauche etwas Zeit dafür, es ist ja nicht so, dass das alles völliges Neuland wäre, aber einiges muss noch etwas vertieft werden und ich bin momentan zeitlich etwas begrenzt.

Grüße
seeker
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seeker


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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von tomS » 21. Jan 2017, 00:37

Lass' dir Zeit.

Ich möchte noch auf Koordinatensysteme und die Beobachtung selbst eingehen.
Gruß
Tom

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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von tomS » 21. Jan 2017, 23:29

Als nächstes möchte ich den Begriff der tatsächlichen Beobachtung formalisieren.

Eine tatsächliche Beobachtung eines realen Ereignisses findet entlang des Lichtkegels statt, d.h. ein Ereignis sendet ein Lichtsignal aus, und dieses kann von real existierenden Beobachtern wahrgenommen werden. Die von einem realen Beobachter zu einem Zeitpunkt (bzgl. seiner Eigenzeit), also an einem Raumzeitpunkt auf seiner Weltlinie, beobachtbaren realen Ereignisse liegen sämtlich auf dem Vergangenheitslichtkegel des Beobachters. Die von einem realen Ereignis auslaufenden und von realen Beobachtern beobachtbaren Lichtsignale liegen sämtlich auf dem Zukunftslichtkegel des Ereignisses. Alle außerhalb des Vergangenheitslichtkegels befindlichen Ereignisse sind für einen realen Beobachter nicht beobachtbar.


Nun möchte ich den Begriff der Gleichzeitigkeit (nicht in voller Allgemeinheit, jedoch anhand eines durchaus sinnvollen Beispiels) formalisieren.

Wir denken uns eine die Raumzeit dicht ausfüllende Schar von frei fallenden Beobachtern. Wir können uns dies als frei fließenden, idealisiert masselosen Staub vorstellen; jedes Staubkorn realisiert einen Beobachter. Für zwei infinitesimal benachbarte Beobachter erscheint die Raumzeit lokal flach; sie können innerhalb eines infinitesimalen Bereiches die aus der SRT bekannte Einstein-Synchronisation anwenden. Damit können sie durch Austausch von Lichtsignalen eine „theoretische Gleichzeitigkeit“ konstruieren. Unter der Annahme, dass der Fluss des Staubes für infinitesimal benachbarte Staubkörner sich nur glatt ändert, stimmen sie dabei bzgl. der Definition von Gleichzeitigkeit überein. Da der Staub die gesamte Raumzeit durchsetzt, resultiert aus den Eigenzeiten aller Beobachter in der Raumzeit dichte Koordinatenzeitlinien. Aus den raumartigen Abständen entlang der gedachten Gleichzeitigkeit resultieren in der Raumzeit dichte Gleichzeitigkeitshyperflächen. Dies entspricht einem durch diesen Staub definierten Koordinatensystem. Unterschiedliche Staubflüsse definieren unterschiedliche Koordinatensystem. Die so definierten Koordinatensysteme überspannen die Raumzeit vollständig, d.h. sie weisen sicher keine Koordinatensingularitäten auf. (Man kann allgemeinere Koordinatensysteme finden, die keine physikalische Entsprechung im Sinne von Beobachtern haben.)


Nun eine wichtige Klarstellung: die oben definierte Gleichzeitigkeit (bzw. die insgs. vorhandenen raumartigen Bereiche außerhalb des Lichtkegels) eines Beobachters ist prinzipiell unbeobachtbar. D.h. zwei Beobachter mit Koordinaten bei (t,x) und (t,y), die raumartig zueinander sind, haben dieselbe Koordinatenzeit t; die Ereignisse bzw. Momente (t,x) und (t,y) sind wechselweise unbeobachtbar. Wenn wir von Beobachtern sprechen, müssen wir strikt unterscheiden, ob wir reale Beobachtungen lichtartig getrennter Ereignisse im oben genannten Sinne meinen, oder ob wir Beobachter im letztgenannten Sinne mit gleicher Koordinatenzeit und damit ggf. raumartigen Abständen meinen.
Für einen außenstehenden Beobachter, der aus sicherer Entfernung zusieht, wie ein Objekt auf ein Schwarzes Loch zufällt, hat es den Anschein, als würde es sich asymptotisch dem Ereignishorizont annähern. Das bedeutet, ein außenstehender Beobachter sieht niemals, wie es den Ereignishorizont erreicht, da aus seiner Sicht dazu unendlich viel Zeit [T] benötigt wird.
Das „sehen“ kann man tatsächlich auf die Eigenzeit τ beziehen, die für den entfernten Beobachter verstreicht, bis das von seiner Position aus ins SL fallende Objekt sich dem EH annähert und bis das von diesem Objekt ausgesandte Licht ihn wieder erreicht. Dabei setzt sich τ zusammen aus einem Anteil den das Objekt fällt und einem Anteil den das Licht zurück benötigt. Insofern kann man hier von einer realen Beobachtung lichtartig entfernter Ereignisse sprechen. Die zumeist vorgeführte Berechnung bezieht sich jedoch auf das Zeitintervall der Koordinatenzeit T, zu der das Objekt einen Radius r(T) erreicht hat. Dabei handelt es sich durchweg um eine Betrachtung raumartiger, unbeobachtbarer Ereignisse ohne Berücksichtigung der Lichtlaufzeit.
Gruß
Tom

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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von tomS » 21. Jan 2017, 23:42

300px-World_line.svg.png
Lichtkegel, Vergangenheit und Zukunft eines Ereignisses
300px-World_line.svg.png (41.79 KiB) 18146 mal betrachtet
fig01.png
RZ eines SLs, Schwarzschild-Koordinaten
fig01.png (53.81 KiB) 18146 mal betrachtet
fig02.png
RZ eines SLs, avancierte Eddington-Finkelstein-Koordinaten
fig02.png (50.7 KiB) 18146 mal betrachtet
fig03.png
RZ eines SLs, retardierte Eddington-Finkelstein-Koordinaten
fig03.png (52.83 KiB) 18146 mal betrachtet
Gruß
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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von Timm » 23. Jan 2017, 12:35

Begriffsverwirrung findet man insbesondere beim Thema Krümmung, das ja für die ART von zentraler Bedeutung ist und das mit der Krümmung des Raums nicht erledigt ist. Häufige Fragen sind, was ist mit Krümmung der Raumzeit eigentlich genau gemeint und welcher Zusammenhang besteht mit der Krümmung des Raums. Und noch, wie kann ein Beobachter feststellen, ob er sich in flacher oder gekrümmter Raumzeit befindet? Er sieht nichts, hat aber ein paar Testpartikel zur Hand.
Vielleicht hattest Du ja ohnehin vorgesehen, darauf noch einzugehen.

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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von julianapostata » 23. Jan 2017, 23:45

Spätestens an der Stelle hab ich allerdings den Durchblick verloren.
tomS hat geschrieben:Wenn ich eine Koordinatentransformation in einem Punkt durchführe, also das Koordinatensystem um den Ursprung (in dem Raumzeitpunkt an dem der Tangentialraum betrachtet wird) rotiere, dann entspricht dies gerade eine Lorentztransformation;
Wenn nun der Raumzeitpunkt Bestandteil einer Weltlinie ist, die auf der t'-Achse liegt, dann kann ich das Koordinatensystem so verdrehen, dass diese Weltlinie auf der x'-Achse zu liegen kommt.

In einem System ruht der Massenpunkt, im anderen System hat er unendliche Geschwindigkeit. das kann doch wohl nicht wahr sein, oder?

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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von seeker » 24. Jan 2017, 00:26

Ich schreib jetzt einmal einfach ein paar Dinge, die mir dazu durch den Kopf gehen...

Zunächst einmal schaut das für mich nach der Sichtweise des theoretischen Physikers aus, der anschaut wie die Theorie konstruiert wird und dem dann aus dieser Perspektive eine Bedeutung gibt (ohne das werten zu wollen, ist völlig i.O., ich wills nur festhalten bzw. zur Diskussion stellen, inwiefern darin schon eine bestimmte Perspektive auf die Dinge drinsteckt).
Die Theorie wird also SO konstruiert, weil es so machbar ist. Wichtig ist für mich hier auch zu lernen, was machbar ist und was nicht, bzw. genauer: Was wann machbar ist und was nicht.
Ihr kennt mich ja: Ich hinterfrage gerne Dinge, mich interessiert auch die Metaseite.

Weiter...
tomS hat geschrieben:Beginnen wir mit dem physikalischen Beobachter. Er ist praktisch realisiert durch ein massebehaftetes Objekt plus mitbewegter Uhr, das sich mit v < c durch die Raumzeit bewegt. Seine Uhr sei z.B. eine hochpräzise Atomuhr.
Jawoll, klar.
tomS hat geschrieben:In der Theorie denken wir uns diesen Beobachter so, dass seine Masse die Raumzeit nicht beeinflusst. Der Beobachter wird zu einem Punkt, dessen Bewegung durch die Raumzeit eine sogenannte Weltlinie definiert; das kann eine beliebige Linie sein, an der in jedem Punkt weiterhin v < c gilt. In der ART wird zumeist ein kräftefreier Beobachter verwendet; das muss aber nicht zwingend so sein.
Ich kenne diesen Aufbau, verstehe es auch, aber genauer hingesehen wird es für mich schon schwierig:
Wir haben ja bisher nur den Beobachter mit seiner Uhr, nun ist schwupps auch noch ne Raumzeit da... inwiefern? Außerhalb des Beobachters, um ihn herum oder sprechen wir noch rein über das, was der Beobachter beobachtet?

Zentral:
Ist der Beobachter nun ein Punkt in Raum und Zeit oder eine Linie in der Raumzeit, im Sinne von "existieren Objekte als Punkte oder als Linien"?
Das ist für mich gerade DIE Gretchenfrage überhaupt. An der Antwort hängt glaube ich alles andere dran, auch das, was wir im anderen Thread diskutiert haben, gerade was die "Was ist tatsächlich der Fall?"-Fragen anging.

...aber weiter.
tomS hat geschrieben:Die Geschwindigkeit v < c kann ausschließlich lokal = in einem Raumzeitpunkt definiert werden; es gibt i.A. keine Geschwindigkeit von „diesem Beobachter dort bzgl. jenem Beobachter hier“. Lokal gilt die SRT, und in diesem Sinne ist v < c zu verstehen.
Wie ist das zu verstehen? Unbeschleunigte Bewegungen können m.W.n. immer nur relativ zwischen zwei verschiedenen/getrennten Objekten bestimmt werden, als Relativgeschwindigkeiten. Inwiefern ist das dann lokal? Oder meintest du das damit?
tomS hat geschrieben:Jeder beliebige kräftefreie Beobachter mit v < c definiert in einem Raumzeitpunkt ein lokales Bezugsystem, das so wie ein Minkowskidiagramm der SRT aussieht; es gilt aber eben nur in infinitesimaler Umgebung des Beobachters. Da sich der Beobachter durch die Raumzeit bewegt, nimmt er sein Bezugssystem quasi mit; bzgl. dieses eigenen Bezugssystems befindet sich der Beobachter Ruhe. D.h. aus, dass seine Eigenzeit der Koordinatenzeit in diesem Bezugssystem entspricht.
Ist das nicht schon Perspektive?
Könnte man nicht genauso (wahrscheinlich vorsichtiger) sagen:
"Mithilfe eines jeden beliebigen kräftefreien Beobachters mit v < c ist es möglich ausgehend von seinem Raumzeitpunkt ein lokales Bezugsystem zu konstruieren"? Punkte sind tot und tun nichts, schon gar nicht Dinge definieren, Menschen definieren Dinge. Relativ zu dieser Konstruktion befindet er sich natürlich in Ruhe, ist ja nur Konstruktion.
tomS hat geschrieben:Die Gesamtheit aller theoretisch möglichen Beobachter in diesem einen Punkt definieren die Gesamtheit aller möglichen lokalen Bezugsysteme in diesem Raumzeitpunkt; diese Beobachter und damit die Bezugsysteme sind mittels Lorentztransformationen verbunden, wobei diese sozusagen nur infinitesimal gelten, d.h. bzgl. infinitesimaler Größen dt und dx.
Das sind also alle denkbaren Beobachter in diesem Punkt, die sich mit allen möglichen Geschwindigkeiten in alle mögliche Raumrichtungen bewegen?
tomS hat geschrieben:Global gilt die Lorentztransformation in der ART nicht!
OK
tomS hat geschrieben:Faustregel: wenn einem irgendjemand etwas über globale Größen in der ART erzählt, sollten die Alarmglocken schrillen; globale Größen, wie wir sie üblicherweise verwenden, sind oft nicht definierbar: es gibt i.A. keine Geschwindigkeit von „diesem Beobachter dort bzgl. jenem Beobachter hier“; es gibt i.A. keinen direkten Vergleich „der Zeit bei diesem Beobachter dort mit der Zeit bei jenem Beobachter hier“.
Was heißt das genau? Heißt das, dass uns die ART oft keine Antwort gibt, wenn wir nach globalen Größen fragen oder heißt es, dass sie globale Größen i.A. verbietet? Falls das Erstere der Fall ist: Ist das dann eine Schwäche der Theorie, so wie sie von uns gebaut wurde bzw. nur gebaut werden konnte oder ist die Natur selbst so? Können wir daraus überhaupt Aussagen darüber ableiten, was in der Natur der Fall ist?
tomS hat geschrieben:Wir haben noch nicht diskutiert, wie man diese Größen miteinander in Verbindung bringen kann, denn sie gelten zunächst nur entlang der Weltlinie oder ggf. im Schnittpunkt zweier Weltlinien. Wir können also die Eigenzeiten zweier Beobachter direkt vergleichen, wenn sie sich zweimal begegnen, sonst erstmal nicht; das funktioniert beim Zwillingsparadoxon beim Start und bei der Rückkehr.
Klar.
tomS hat geschrieben:(Konkret: ein Geschwindigkeitsvektor am Äquator zeige nach rechts; ein Geschwindigkeitsvektor am Nordpol zeige nach links; und? wie vergleichen wir das? Wir müssen die beiden Pfeile erst an ein und denselben Ort bringen, um ihre Richtungen zu vergleichen und um z.B. die Vektoren mittels Vektoraddition addieren oder subtrahieren zu dürfen; wie das funktioniert haben wir aber noch nicht diskutiert.)

Und weil wir das noch nicht diskutiert haben, können wir nicht von einer Relativgeschwindigkeit zweier Beobachter an unterschiedlichen Orten der Raumzeit sprechen.
Klar.
tomS hat geschrieben:Zum Abschluss folgende Feststellung: wir haben bisher Beobachter, deren Weltlinien, deren Eigenzeiten entlang der Weltlinien, mitbewegte und lediglich lokal definierte Koordinatensysteme mit Koordinatenzeiten gleich Eigenzeiten, den Transport der Tangentialräume und die Krümmung angesprochen. Wir sind fertig; wir haben die komplette Riemannsche Geometrie definiert, wir haben alles, was wir benötigen, um mittels ART Physik zu betrieben.

Was wir noch nicht getan haben ist, ein global gültiges Koordinatensystem zu definieren, das an anderen Raumzeitpunkten existiert als der Beobachter selbst; wir brauchen es auch prinzipiell nicht, weil die Physik (Beobachter, Eigenzeiten, Beobachtungen, …) unabhängig davon sind, welche Koordinatenlinien wir in die Raumzeit einzeichnen; das beeinflusst die Eigenzeiten, Beobachtungen usw. in keinster Weise. Jeder Beobachter definiert sein eigenes Ruhesystem und bzgl. dessen interpretiert er alle Beobachtungen.
OK.
tomS hat geschrieben:Natürlich werden wir noch globale Koordinatensysteme besprechen, aber es muss klar sein, dass wir dadurch lediglich mathematische Objekte einführen, die ohne physikalischen Gehalt sind.
Ich glaube, das ist Perspektive.
Die ART scheint mir von unten nach oben konstruiert zu sein (Beobachter->Welt), nicht deshalb, weil das die einzige denkbare Möglichkeit wäre, sondern weil wir als Menschen sozusagen in einer Froschperspektive sitzen und es daher für uns nur so und nicht anders machbar war. Falls ich Recht habe, erlaubt uns das dann aber i.A. keine Nicht-Existenzaussagen bezüglich globaler physikalischer Gehalte/Existenz, es erlaubt uns nur Nicht-Wissens-Aussagen bezüglichg der Befragung der 'nackten ART' (ohne Zusatzannahmen) dort.
tomS hat geschrieben:Eine tatsächliche Beobachtung eines realen Ereignisses findet entlang des Lichtkegels statt, d.h. ein Ereignis sendet ein Lichtsignal aus, und dieses kann von real existierenden Beobachtern wahrgenommen werden. Die von einem realen Beobachter zu einem Zeitpunkt (bzgl. seiner Eigenzeit), also an einem Raumzeitpunkt auf seiner Weltlinie, beobachtbaren realen Ereignisse liegen sämtlich auf dem Vergangenheitslichtkegel des Beobachters. Die von einem realen Ereignis auslaufenden und von realen Beobachtern beobachtbaren Lichtsignale liegen sämtlich auf dem Zukunftslichtkegel des Ereignisses. Alle außerhalb des Vergangenheitslichtkegels befindlichen Ereignisse sind für einen realen Beobachter nicht beobachtbar.
Wegen der c-Grenze, klar.
tomS hat geschrieben:Wir denken uns eine die Raumzeit dicht ausfüllende Schar von frei fallenden Beobachtern. Wir können uns dies als frei fließenden, idealisiert masselosen Staub vorstellen; jedes Staubkorn realisiert einen Beobachter. Für zwei infinitesimal benachbarte Beobachter erscheint die Raumzeit lokal flach; sie können innerhalb eines infinitesimalen Bereiches die aus der SRT bekannte Einstein-Synchronisation anwenden. Damit können sie durch Austausch von Lichtsignalen eine „theoretische Gleichzeitigkeit“ konstruieren.
Gutes Bild, jo. Da sie aber getrennt sind, müssen sie es hier schon konstruieren (darauf liegt die Betonung), denn beobachten tun sie selbst hier immer nur die infesimale Vergangenheit des anderen. Da tut sich real schon ein Abgrund auf, denn schon meine linke Gehirnhälfte ist woanders als meine rechte, mein großer Zeh sowieso, es gibt keine punktförmigen Beobachter. Können reale Beobachter die (eigene) Gegenwart beobachten? Lassen wir das, das scheift ab...
tomS hat geschrieben:Da der Staub die gesamte Raumzeit durchsetzt, resultiert aus den Eigenzeiten aller Beobachter in der Raumzeit dichte Koordinatenzeitlinien. Aus den raumartigen Abständen entlang der gedachten Gleichzeitigkeit resultieren in der Raumzeit dichte Gleichzeitigkeitshyperflächen. Dies entspricht einem durch diesen Staub definierten Koordinatensystem. Unterschiedliche Staubflüsse definieren unterschiedliche Koordinatensystem. Die so definierten Koordinatensysteme überspannen die Raumzeit vollständig, d.h. sie weisen sicher keine Koordinatensingularitäten auf. (Man kann allgemeinere Koordinatensysteme finden, die keine physikalische Entsprechung im Sinne von Beobachtern haben.)
Gilt das auch im Fall von SL?
Kann man so eine Gleichzeitigkeitshyperfläche konstruieren, die vom entfernten Beobachter bis hinter den EH reicht?
tomS hat geschrieben:Nun eine wichtige Klarstellung: die oben definierte Gleichzeitigkeit (bzw. die insgs. vorhandenen raumartigen Bereiche außerhalb des Lichtkegels) eines Beobachters ist prinzipiell unbeobachtbar. D.h. zwei Beobachter mit Koordinaten bei (t,x) und (t,y), die raumartig zueinander sind, haben dieselbe Koordinatenzeit t; die Ereignisse bzw. Momente (t,x) und (t,y) sind wechselweise unbeobachtbar. Wenn wir von Beobachtern sprechen, müssen wir strikt unterscheiden, ob wir reale Beobachtungen lichtartig getrennter Ereignisse im oben genannten Sinne meinen, oder ob wir Beobachter im letztgenannten Sinne mit gleicher Koordinatenzeit und damit ggf. raumartigen Abständen meinen.
s.o.
Deshalb lag die Betonung auf "Die Beobachter konstruieren eine Gleichzeitigkeit".
Wenn man umgangssprachlich nach "Gleichzeitigkeit" fragt, dann meint man meistens unbeobachtbare, raumartig getrennte Ereignisse, ja.
So ist es auch beim entfernten Beobachter auf der Erde, wenn er eine Masse in ein SL einfallen und verschwinden sieht, er fragt z.B.: Wo war die Masse 1h nach ihrem Verschwinden, wo ist sie jetzt?
Grüße
seeker


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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von tomS » 24. Jan 2017, 13:58

seeker hat geschrieben:Zunächst einmal schaut das für mich nach der Sichtweise des theoretischen Physikers aus, der anschaut wie die Theorie konstruiert wird und dem dann aus dieser Perspektive eine Bedeutung gibt
Ich stelle das eher deduktiv und anders dar als Einstein, der viel stärker von der Beobachtung ausging. Das hat aber auch seine Nachteile, da seine Darstellung erstens nicht so leicht verdaulich ist, und da ich ja eher die heute verwendeten Begriffe präzisieren will, nicht eine vollständige Theorie aufbauen.
seeker hat geschrieben:Die Theorie wird also SO konstruiert, weil es so machbar ist. Wichtig ist für mich hier auch zu lernen, was machbar ist und was nicht, bzw. genauer: Was wann machbar ist und was nicht.
Man kann diese Konstruktion sehr unterschiedlich aufziehen.
seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:In der Theorie denken wir uns diesen Beobachter so, dass seine Masse die Raumzeit nicht beeinflusst. Der Beobachter wird zu einem Punkt, dessen Bewegung durch die Raumzeit eine sogenannte Weltlinie definiert; das kann eine beliebige Linie sein, an der in jedem Punkt weiterhin v < c gilt. In der ART wird zumeist ein kräftefreier Beobachter verwendet; das muss aber nicht zwingend so sein.
Ich kenne diesen Aufbau, verstehe es auch, aber genauer hingesehen wird es für mich schon schwierig:
Wir haben ja bisher nur den Beobachter mit seiner Uhr, nun ist schwupps auch noch ne Raumzeit da... inwiefern? Außerhalb des Beobachters, um ihn herum oder sprechen wir noch rein über das, was der Beobachter beobachtet?
Nun, der Beobachter beobachtet ja eben etwas, was um ihn herum geschieht, und er bewegt sich offensichtlich durch eine Raumzeit. Das war schon bei Newton so angelegt.
seeker hat geschrieben:Ist der Beobachter nun ein Punkt in Raum und Zeit oder eine Linie in der Raumzeit, im Sinne von "existieren Objekte als Punkte oder als Linien"?
Der Beobachter ist zu jeder Zeit ein Punkt in der Raumzeit. Das gilt unabhängig davon, ob du „zu jeder Zeit“ mittels Eigenzeit oder global gedachter Gleichzeitigkeit definierst.
seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:Die Geschwindigkeit v < c kann ausschließlich lokal = in einem Raumzeitpunkt definiert werden; es gibt i.A. keine Geschwindigkeit von „diesem Beobachter dort bzgl. jenem Beobachter hier“. Lokal gilt die SRT, und in diesem Sinne ist v < c zu verstehen.
Wie ist das zu verstehen? Unbeschleunigte Bewegungen können m.W.n. immer nur relativ zwischen zwei verschiedenen/getrennten Objekten bestimmt werden, als Relativgeschwindigkeiten. Inwiefern ist das dann lokal? Oder meintest du das damit?
Wie kommst du jetzt auf Beschleunigung?

Bewegungen können zunächst relativ zwischen zwei Objekten oder Ruhesystemen bestimmt werden, als Relativgeschwindigkeiten. Meine Konstruktion mittels des Beobachters zeigt, dass ein Beobachter lokal ein Bezugssystem definiert, deswegen ist dies letztlich identisch.

„Lokal“ bedeutet, dass dies streng genommen nur an einem einzigen Punkt der Raumzeit funktioniert. Deswegen: es gibt i.A. keine Geschwindigkeit von „diesem Beobachter dort bzgl. jenem Beobachter hier“.

seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:Die Gesamtheit aller theoretisch möglichen Beobachter in diesem einen Punkt definieren die Gesamtheit aller möglichen lokalen Bezugsysteme in diesem Raumzeitpunkt; diese Beobachter und damit die Bezugsysteme sind mittels Lorentztransformationen verbunden, wobei diese sozusagen nur infinitesimal gelten, d.h. bzgl. infinitesimaler Größen dt und dx.
Das sind also alle denkbaren Beobachter in diesem Punkt, die sich mit allen möglichen Geschwindigkeiten in alle mögliche Raumrichtungen bewegen?
Ja.

seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:Faustregel: wenn einem irgendjemand etwas über globale Größen in der ART erzählt, sollten die Alarmglocken schrillen; globale Größen, wie wir sie üblicherweise verwenden, sind oft nicht definierbar: es gibt i.A. keine Geschwindigkeit von „diesem Beobachter dort bzgl. jenem Beobachter hier“; es gibt i.A. keinen direkten Vergleich „der Zeit bei diesem Beobachter dort mit der Zeit bei jenem Beobachter hier“.
Was heißt das genau? Heißt das, dass uns die ART oft keine Antwort gibt, wenn wir nach globalen Größen fragen oder heißt es, dass sie globale Größen i.A. verbietet? Falls das Erstere der Fall ist: Ist das dann eine Schwäche der Theorie, so wie sie von uns gebaut wurde bzw. nur gebaut werden konnte oder ist die Natur selbst so? Können wir daraus überhaupt Aussagen darüber ableiten, was in der Natur der Fall ist?
Es ist eine Eigenschaft der Mathematik.

Die Mathematik auf einer gekrümmten Raumzeit ohne weitere Annahmen (statisch, asymptotisch flach, …) erlaubt es i.A. nicht, z.B. das Volumenintegral über die Energiedichte so zu definieren, dass das Ergebnis eine mathematisch vernünftige Größe ist. Das ist kein Defizit, denn lokal ist die Energiedichte sehr wohl vernünftig definiert.
seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:Natürlich werden wir noch globale Koordinatensysteme besprechen, aber es muss klar sein, dass wir dadurch lediglich mathematische Objekte einführen, die ohne physikalischen Gehalt sind.
Ich glaube, das ist Perspektive …
Nee, ist es nicht.

Die Frage ob von oben nach unten oder von unten nach oben ist eher eine Frage der Darstellung. Dazu habe ich jetzt eine rausgepickt, aber das ginge auch anders.

Die Frage nach globalen Koordinatensystemen ist eine andere: diese führen prinzipiell unbeobachtbare Größen ein. Das muss ich aber nochmal im Detail erklären.
seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:Da der Staub die gesamte Raumzeit durchsetzt, resultiert aus den Eigenzeiten aller Beobachter in der Raumzeit dichte Koordinatenzeitlinien. Aus den raumartigen Abständen entlang der gedachten Gleichzeitigkeit resultieren in der Raumzeit dichte Gleichzeitigkeitshyperflächen. Dies entspricht einem durch diesen Staub definierten Koordinatensystem. Unterschiedliche Staubflüsse definieren unterschiedliche Koordinatensystem. Die so definierten Koordinatensysteme überspannen die Raumzeit vollständig, d.h. sie weisen sicher keine Koordinatensingularitäten auf. (Man kann allgemeinere Koordinatensysteme finden, die keine physikalische Entsprechung im Sinne von Beobachtern haben.)
Gilt das auch im Fall von SL?
Kann man so eine Gleichzeitigkeitshyperfläche konstruieren, die vom entfernten Beobachter bis hinter den EH reicht?
Klar. Die Raindop-Koordinaten frei fallender Beobachters liefern genau das.
seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:Nun eine wichtige Klarstellung: die oben definierte Gleichzeitigkeit (bzw. die insgs. vorhandenen raumartigen Bereiche außerhalb des Lichtkegels) eines Beobachters ist prinzipiell unbeobachtbar. D.h. zwei Beobachter mit Koordinaten bei (t,x) und (t,y), die raumartig zueinander sind, haben dieselbe Koordinatenzeit t; die Ereignisse bzw. Momente (t,x) und (t,y) sind wechselweise unbeobachtbar. Wenn wir von Beobachtern sprechen, müssen wir strikt unterscheiden, ob wir reale Beobachtungen lichtartig getrennter Ereignisse im oben genannten Sinne meinen, oder ob wir Beobachter im letztgenannten Sinne mit gleicher Koordinatenzeit und damit ggf. raumartigen Abständen meinen.
s.o.
Deshalb lag die Betonung auf "Die Beobachter konstruieren eine Gleichzeitigkeit".
Wenn man umgangssprachlich nach "Gleichzeitigkeit" fragt, dann meint man meistens unbeobachtbare, raumartig getrennte Ereignisse, ja.
So ist es auch beim entfernten Beobachter auf der Erde, wenn er eine Masse in ein SL einfallen und verschwinden sieht, er fragt z.B.: Wo war die Masse 1h nach ihrem Verschwinden, wo ist sie jetzt?
Wenn er fragt, „Wo war die Masse 1h nach ihrem Verschwinden, wo ist sie jetzt“ dann muss er sagen, bzgl. welchen Zeit er diese Frage stellt:
i) Eigenzeit der Masse selbst: OK
ii) Eigenzeit des Beobachters: sinnlose Fragestellung, da seine Eigenzeit nur lokal definiert ist
iii) Koordinatenzeit: abhängig davon, welche Koordinaten er verwendet, daher nicht eindeutig; bzgl. Schwarzschildkoordinaten sinnlos, bzgl. Raindrip-Koordinaten ein mathematisch sinnvoll definiertes Ergebnis.
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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von seeker » 25. Jan 2017, 01:30

tomS hat geschrieben:Der Beobachter ist zu jeder Zeit ein Punkt in der Raumzeit. Das gilt unabhängig davon, ob du „zu jeder Zeit“ mittels Eigenzeit oder global gedachter Gleichzeitigkeit definierst.
Moment, Gedankengang:

a) Wenn alle Beobachter /Objekte immer nur zu exakt einer Zeit und einem Ort existieren (also ausschließlich in ihrer Gegenwart, als Punkt in der Raumzeit, nicht als Linie, wenn also die Zukunft und Vergangenheit der Objekte nicht existiert) und sich alle Beobachter in demselben Universum befinden, insofern also in irgendeiner Form in Bezug zueinander stehen, dann definieren sie gemeinsam eine Ebene der Existenz, eine Ebene aller existierenden Objekte, ein Gegenwärtigkeitsgeflecht, eine Art ausgeichneter Gegenwart, gleich ob wir das nun explizit und eindeutig mathematisch erfassen/berechnen können oder nicht.
(Würde man von außen ein 'Foto' vom Universum machen, würde man lauter sich bewegende Punkte darin sehen.)

b) Wenn dem nicht so ist, dann existiert jedes Objekt in der Gesamtheit all seiner Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, genauer: Das gibt es dann alles nicht, keine vergehende Eigenzeit, keine Bewegung, usw. Es gibt dann nur unbewegliche 4-dimensionale Objekte, deren Gesamtheit die Raumzeit egibt/erfüllt.
(Würde man von außen ein 'Foto' vom Universum machen, würde man einen eingefrorenen 4D-Block sehen.)

Ich mein, die Frage die sich bei solchen Gedanken auch sofort stellt ist: Sind die Objekte oder die Raumzeit primär? Bildet die Gesamtheit der Objekte die Raumzeit, als eine Eigenschaft von ihnen oder sind die Objekte eine Eigenschaft der Raumzeit?

Wenn a), wie können raumartig getrennte Objekte in diesen lokal-momentanen getrennten Gegenwärtigkeiten überhaupt noch in irgendeiner Beziehung zueinander stehen?
Und wenn sie in keiner Beziehung zueinander stehen, wie können sie dann zusammen ein Gebilde "Universum" bilden?

Es stellt sich mir dabei sofort die Frage, ob es dann nicht eine ausgezeichnete Gegenwartsebene geben muss, gleich ob wir sie konkret wissen/bestimmen können oder nicht. Oder das Universum als Gesamtobjekt existiert gar nicht, nur die getrennten Teile.

Das ist sehr verwirrend...
tomS hat geschrieben:Die Mathematik auf einer gekrümmten Raumzeit ohne weitere Annahmen (statisch, asymptotisch flach, …) erlaubt es i.A. nicht, z.B. das Volumenintegral über die Energiedichte so zu definieren, dass das Ergebnis eine mathematisch vernünftige Größe ist. Das ist kein Defizit, denn lokal ist die Energiedichte sehr wohl vernünftig definiert.
Aha! An dem Punkt sind also Zusatzannahmen konsistent möglich. Nun ja, es ist schon eine Grenze, wenn man manche globalen Dinge sonst nicht definieren kann. Etwas ohne dies nicht definieren zu können (klar, weil man es halt nicht weiß) erlaubt jedenfalls in dem Punkt keine Nicht-Existenzaussagen, soweit es die Natur betrifft.
tomS hat geschrieben:
Ich glaube, das ist Perspektive …

Nee, ist es nicht.

Die Frage ob von oben nach unten oder von unten nach oben ist eher eine Frage der Darstellung. Dazu habe ich jetzt eine rausgepickt, aber das ginge auch anders.

Die Frage nach globalen Koordinatensystemen ist eine andere: diese führen prinzipiell unbeobachtbare Größen ein. Das muss ich aber nochmal im Detail erklären.
Ich meinte folgendes:
Angenommen es gäbe Wesen, die das Universum aus einer Art "Gottesperspektive" in seiner Gesamtheit beobachten könnten, dann würden diese Wesen vielleicht umgekehrt vorgehen, in ihrer Beschreibung/Konstruktion mit dem Gesamtobjekt anfangen und dann daraus die Details entwickeln, also von "Oben nach Unten", statt wie wir von "Unten nach Oben". Vielleicht würden sie in diesen Details dann auch nicht alles definieren können, dafür aber wieder Dinge definieren können, die wir nicht können. Es ist dabei klar, dass wir da keine Wahl haben, weil wir eben in der Froschperspektive leben. Jedenfalls meinte ich das mit Perspektive und aus der Perspektive folgt eben die (für uns) überhaupt nur machbare Art der Konstruktion der Theorie. Mit der Natur selbst hat diese aufgezwungene Wahl nichts zu tun.
tomS hat geschrieben:
Gilt das auch im Fall von SL?
Kann man so eine Gleichzeitigkeitshyperfläche konstruieren, die vom entfernten Beobachter bis hinter den EH reicht?

Klar. Die Raindop-Koordinaten frei fallender Beobachters liefern genau das.
Darauf muss ich noch zurückkommen, was diese Gleichzeitigkeit genau bedeutet, heute bekomme ich das nicht mehr hin.
tomS hat geschrieben:
Deshalb lag die Betonung auf "Die Beobachter konstruieren eine Gleichzeitigkeit".
Wenn man umgangssprachlich nach "Gleichzeitigkeit" fragt, dann meint man meistens unbeobachtbare, raumartig getrennte Ereignisse, ja.
So ist es auch beim entfernten Beobachter auf der Erde, wenn er eine Masse in ein SL einfallen und verschwinden sieht, er fragt z.B.: Wo war die Masse 1h nach ihrem Verschwinden, wo ist sie jetzt?
Wenn er fragt, „Wo war die Masse 1h nach ihrem Verschwinden, wo ist sie jetzt“ dann muss er sagen, bzgl. welchen Zeit er diese Frage stellt:
i) Eigenzeit der Masse selbst: OK
ii) Eigenzeit des Beobachters: sinnlose Fragestellung, da seine Eigenzeit nur lokal definiert ist
iii) Koordinatenzeit: abhängig davon, welche Koordinaten er verwendet, daher nicht eindeutig; bzgl. Schwarzschildkoordinaten sinnlos, bzgl. Raindrip-Koordinaten ein mathematisch sinnvoll definiertes Ergebnis.
Das ist auch ein Kern der ganzen Sache, hier sehr schön zusammengeschnürt.

zu i): OK, unproblematisch

zu ii): Das gilt dann aber grundsätzlich und das muss man erst einmal schlucken. Ich kann dann nicht einmal sinnvoll fragen, wo mein großer Zeh gerade jetzt zu meiner Eigenzeit ist.

zu iii): Nicht eindeutig, OK! Allerdings: Mit nicht-eindeutig lässt sich keine Antwort direkt ausschließen, es ergibt sich vielmehr ein Nicht-Wissen. Warum das bezüglich Schwarzschildkoordinaten sinnlos sein soll sehe ich nicht ein. Es kommt dabei vielleicht nur nichts heraus, womit man groß etwas anfangen kann oder was man sich wünscht. Klar möchte man konkrete Zahlenwerte errechnen und wenn dann etwas Uneindeutiges/Unbestimmtes herauskommt, wie eine Unendlichkeit, dann ist das unschön, das macht die Frage aber nicht sinnlos.

Kurz: Ich glaube, die Frage, wo die einfallende Masse 'jetzt' ist, lässt sich nach iii) eben gar nicht eindeutig beantworten, ohne weitere Dinge quasi willkürlich einzuführen oder anzunehmen (die Wahl des KS). Führt man diese Dinge dann ein, dann lässt sich je nach Wahl die gewünschte Antwort geben, wahlweise "die Masse überquert den Horizont" genauso wie "die Masse überquert den Horizont nicht".
Und auch wahlweise "Hinter dem EH sitzt eine Singularität mit der ges. Masse und als Quelle aller Eigenschaften des SLs" genauso wie "Hinter dem EH ist überhaupt nichts, das SL ist vollständig durch den EH definiert/bestimmt, alle Information sitzt dort".
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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von Timm » 25. Jan 2017, 10:34

seeker, ich denke, daß Du hier schon mit "Linie" auf der richtigen Spur warst.
tomS hat geschrieben:
seeker hat geschrieben:Ist der Beobachter nun ein Punkt in Raum und Zeit oder eine Linie in der Raumzeit, im Sinne von "existieren Objekte als Punkte oder als Linien"?
Der Beobachter ist zu jeder Zeit ein Punkt in der Raumzeit. Das gilt unabhängig davon, ob du „zu jeder Zeit“ mittels Eigenzeit oder global gedachter Gleichzeitigkeit definierst.
Ein Beobachter, der sich "durch die Zeit" bewegt, beschreibt eine Linie. Man kann sich die Raumzeit als einen Stapel eng benachbarter Hyperflächen vorstellen, durch den der Beobachter entlang der Zeitachse wandert. Verbindet man die Punkte t=const. erhält man die zeitartige Weltlinie des Beobachters, bzw. die von ihm beschriebene Geodäte, sofern er frei fällt.

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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von tomS » 25. Jan 2017, 11:27

seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:Der Beobachter ist zu jeder Zeit ein Punkt in der Raumzeit. Das gilt unabhängig davon, ob du „zu jeder Zeit“ mittels Eigenzeit oder global gedachter Gleichzeitigkeit definierst.
a) Wenn alle Beobachter /Objekte immer nur zu exakt einer Zeit und einem Ort existieren (also ausschließlich in ihrer Gegenwart, als Punkt in der Raumzeit, nicht als Linie …

Das habe ich nicht gesagt.

Es ist nicht so, dass der Beobachter nur zu einer Zeit existiert, sondern dass er zu einer Zeit als Punkt existiert, der über die Zeit eine Weltlinie definiert.

Schenke dem Beobachter auch nicht zu viel Beachtung, wenn es um diese grundlegenden Fragestellungen geht. Es handelt sich um ein idealisiertes Konzept; die eigtl. Physik folgt aus Raumzeit plus Feldern, nicht punktartigen Objekten.

Mir ging es hier darum, zu erklären, was unter „Beobacher“ zu verstehen ist, nicht darum, dass alles auf diesen Beobachtern basiert.
seeker hat geschrieben:Es gibt dann nur unbewegliche 4-dimensionale Objekte, deren Gesamtheit die Raumzeit egibt/erfüllt.
(Würde man von außen ein 'Foto' vom Universum machen, würde man einen eingefrorenen 4D-Block sehen.)
Ich halte diese 4-dim. globale Sicht für nicht hilfreich.

Wenn man pathologische Universen mit geschlossenen zeitartigen Kurven verbietet, dann liegt eine sogenannte global-hyperbolische Raumzeit vor. In dieser kann man wie üblich die Zeitentwicklung definieren, sowohl für Beobachter als Punkt mit Anfangsbedingung Ort und Geschwindigkeit, als auch für Felder einschließlich Metrik.

Eine wesentliche Eigenschaft der ART ist, dass beliebige raumartige Schnitte mittels beliebiger Beobachterfelder definiert werden können, und dass die Zeitentwicklungen bzgl. der dadurch beliebig definierten Koordinatenzeiten erfolgt. Alle diese unterschiedlich definierten Zeitentwicklungen liefern jedoch physikalisch dasselbe Ergebnis; es handelt sich hier um eine verallgemeinerte Invarianz bzgl. Koordinatentransformationen, die sogenannte Invarianz unter „raumartigen“ Diffeomorphismen.

Ich halte diese Sicht für wesentlich sinnvoller; sie wird nur leider in einführenden Vorlesungen nie diskutiert.
seeker hat geschrieben:Ich mein, die Frage die sich bei solchen Gedanken auch sofort stellt ist: Sind die Objekte oder die Raumzeit primär? Bildet die Gesamtheit der Objekte die Raumzeit, als eine Eigenschaft von ihnen oder sind die Objekte eine Eigenschaft der Raumzeit?
Diese Frage kann dir momentan noch niemand beantworten.

Die Stringtheorie behauptet, dass Raumzeit sowie Felder und damit Objekte aus demselben „Stoff“ bestehen. Allerdings kann die Stringtheorie sehr viele andere Fragen heute noch nicht beantworten, ich halte den Optimismus für verfrüht. Im Rahmen der Schleifenquantengravitation wurde ebenfalls mal diskutiert, ob Elementarteilchen aus geeigneten lokalen „Verdrillungen“ von verallgemeinerten Spinnetzwerken bestehen; ich habe nicht den Eindruck, dass an dieser Ecke weiter gearbeitet wird. In allen anderen Ansätzen handelt es sich bei der Raumzeit sowie anderen Feldern um verschiedene „Stoffe“.
seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:Die Mathematik auf einer gekrümmten Raumzeit ohne weitere Annahmen (statisch, asymptotisch flach, …) erlaubt es i.A. nicht, z.B. das Volumenintegral über die Energiedichte so zu definieren, dass das Ergebnis eine mathematisch vernünftige Größe ist. Das ist kein Defizit, denn lokal ist die Energiedichte sehr wohl vernünftig definiert.
Aha! An dem Punkt sind also Zusatzannahmen konsistent möglich. Nun ja, es ist schon eine Grenze, wenn man manche globalen Dinge sonst nicht definieren kann. Etwas ohne dies nicht definieren zu können (klar, weil man es halt nicht weiß) erlaubt jedenfalls in dem Punkt keine Nicht-Existenzaussagen, soweit es die Natur betrifft.
Es geht dabei nie um Existenz- oder Nicht-Existenzaussagen bzgl. der Natur, sondern immer um Aussagen bzgl. unserer Modelle. „Energie“ ist ein Konzept im Rahmen unserer Modelle, nicht direkt im Rahmen der Natur selbst. Unsere Modelle bilden die Natur jedoch offensichtlich sehr gut ab. Wenn es in der Natur keine Beobachtungen gibt, die eine global definierte Energie in einem dynamischen Universum erzwingen, dann muss ich auch das Modell (= die ART) nicht um derartige Konzepte anreichern oder gar eine neue Theorie erfinden; wozu?

Beobachtungen sind nun mal rein lokal, nie global. Ein wesentlicher Schwachpunkt der Newtonschen Theorie war (und das wurde bereits von Newton erkannt) dass die Theorie global ist, insofern eine Fernwirkung vorliegt. Seit Maxwell und Einstein haben wir Theorien, die ausschließlich lokal definiert sind (auch die integrale Form der Maxwellgleichungen darf darüber nicht hinwegtäuschen) und die keine globalen Konzepte erzwingen (auch die Ladungserhaltung kann ich lokal formulieren; sie ist dann sogar schärfer als die globale Formulierung). Dass die ART bestimmte globale Konzepte i.A. nicht mehr zulässt ist absolut kein Mangel des Modells.

seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:Die Frage nach globalen Koordinatensystemen ist eine andere: diese führen prinzipiell unbeobachtbare Größen ein. Das muss ich aber nochmal im Detail erklären.
Ich meinte folgendes:
Angenommen es gäbe Wesen, die das Universum aus einer Art "Gottesperspektive" in seiner Gesamtheit beobachten könnten, dann würden diese Wesen vielleicht umgekehrt vorgehen, in ihrer Beschreibung/Konstruktion mit dem Gesamtobjekt anfangen und dann daraus die Details entwickeln, also von "Oben nach Unten", statt wie wir von "Unten nach Oben". Vielleicht würden sie in diesen Details dann auch nicht alles definieren können, dafür aber wieder Dinge definieren können, die wir nicht können. Es ist dabei klar, dass wir da keine Wahl haben, weil wir eben in der Froschperspektive leben. Jedenfalls meinte ich das mit Perspektive und aus der Perspektive folgt eben die (für uns) überhaupt nur machbare Art der Konstruktion der Theorie. Mit der Natur selbst hat diese aufgezwungene Wahl nichts zu tun.
Das ist nicht der Punkt.

Der Begriff Koordinatensystem bezeichnet eine unphysikalische, künstliche Entität, auch für global denkende Wesen. Welcher physikalische Gehalt steckt in einem kartesischen Koordinatensystem, oder einem Polarkoordinatensystem? Keiner! Ich kann in beiden dieselbe Physik betreiben, nur dass evtl. Rechnungen einfacher werden. Das ist alles.

Die ART treibt das noch auf die Spitze. Ich habe oben erklärt, wie man Koordinatensysteme physikalisch mittels Beobachterfeldern motivieren kann. Man kann jedoch auch Koordinatensysteme einführen, die keinen derartigen Beobachterfeldern entsprechen und trotzdem dieselben physikalischen Resultate liefern.

Das läuft unter dem o.g. Begriff der Diffeomorphismeninvarianz. Bei dieser handelt es sich um einen Verwandten der lokalen Eichinvarianz; beide basieren auf unphysikalischen und unbeobachtbaren Größen; es gibt jedoch präzise mathematische Methoden, um daraus prinzipiell beobachtbare Physik herauszusdestillieren.
seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben: Wenn er fragt, „Wo war die Masse 1h nach ihrem Verschwinden, wo ist sie jetzt“ dann muss er sagen, bzgl. welchen Zeit er diese Frage stellt:
i) Eigenzeit der Masse selbst: OK
ii) Eigenzeit des Beobachters: sinnlose Fragestellung, da seine Eigenzeit nur lokal definiert ist
iii) Koordinatenzeit: abhängig davon, welche Koordinaten er verwendet, daher nicht eindeutig; bzgl. Schwarzschildkoordinaten sinnlos, bzgl. Raindrop-Koordinaten ein mathematisch sinnvoll definiertes Ergebnis.
Das ist auch ein Kern der ganzen Sache, hier sehr schön zusammengeschnürt.

zu i): OK, unproblematisch

zu ii): Das gilt dann aber grundsätzlich und das muss man erst einmal schlucken. Ich kann dann nicht einmal sinnvoll fragen, wo mein großer Zeh gerade jetzt zu meiner Eigenzeit ist.

zu iii): Nicht eindeutig, OK! Allerdings: Mit nicht-eindeutig lässt sich keine Antwort direkt ausschließen, es ergibt sich vielmehr ein Nicht-Wissen. Warum das bezüglich Schwarzschildkoordinaten sinnlos sein soll sehe ich nicht ein. Es kommt dabei vielleicht nur nichts heraus, womit man groß etwas anfangen kann oder was man sich wünscht. Klar möchte man konkrete Zahlenwerte errechnen und wenn dann etwas Uneindeutiges/Unbestimmtes herauskommt, wie eine Unendlichkeit, dann ist das unschön, das macht die Frage aber nicht sinnlos.
zu i) OK

zu ii) ja, das ist so (das liegt aber daran, dass wir Beobachter als punktförmige Objekte definieren; das Problem löst sich, wenn du mit Feldern rechnest)

zu iii) es ist mit Schwarzschildkoordinaten nicht möglich und nicht sinnvoll, weil diese nicht jenseits der EHs hineinreichen; d.h. man stellt eine Frage und versucht sie mittels eines untauglichen Mechanismus zu lösen; das ist so wie wenn du fragst „ist dieser Punkt auf dem Schwarz-Weiß-Photo blau oder rot?“ Die Frage ist offensichtlich sinnlos. Der Fehler liegt darin, dass man ein Schwarz-Weiß-Photo gemacht hat.
seeker hat geschrieben:Kurz: Ich glaube, die Frage, wo die einfallende Masse 'jetzt' ist, lässt sich nach iii) eben gar nicht eindeutig beantworten, ohne weitere Dinge quasi willkürlich einzuführen oder anzunehmen (die Wahl des KS). Führt man diese Dinge dann ein, dann lässt sich je nach Wahl die gewünschte Antwort geben, wahlweise "die Masse überquert den Horizont" genauso wie "die Masse überquert den Horizont nicht".
Wie ich oben versucht habe zu erklären ist das aber im engeren Sinne keine physikalische Fragestellung.
Gruß
Tom

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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von seeker » 25. Jan 2017, 13:07

tomS hat geschrieben:zu iii) es ist mit Schwarzschildkoordinaten nicht möglich und nicht sinnvoll, weil diese nicht jenseits der EHs hineinreichen; d.h. man stellt eine Frage und versucht sie mittels eines untauglichen Mechanismus zu lösen; das ist so wie wenn du fragst „ist dieser Punkt auf dem Schwarz-Weiß-Photo blau oder rot?“ Die Frage ist offensichtlich sinnlos. Der Fehler liegt darin, dass man ein Schwarz-Weiß-Photo gemacht hat.
Das ist für mich eine Haltung, die man vertreten kann (sogar gerne mit Recht als Mainstreamhaltung),die Betonung ist aber für mich, dass es eine Haltung ist, nicht mehr.
Wenn ich frage "Was ist hinter dem EH?" und mit Schwarzschildkoordinaten die Antwort "Nichts!" erhalte, dann kann auch das eine sinnvolle und befriedigende Antwort sein, jedenfalls auch nicht unbefriedigender als die Singularität in der Mitte, die bei Raindropkoordinaten erscheint (wenn ich sage hinter dem EH ist in Schwarzschildkoordinaten Nichts mehr, auch kein Raum auch keine Zeit, dann ergibt sich dieses Problem dort eigentlich erst gar nicht).
Ich denke, es kommt eben auf den Standpunkt an - und auf den Metastandpunkt, ob man hier bereit ist verschiedene Standpunkte gelten zu lassen bzw. zu akzeptieren oder nicht, ob man hier nur einem Standpunkt zuneigt (dafür kann man ja auch durchaus gewichtige Gründe finden) oder ob man den eigenen als einzig erlaubt erachtet.

Nein, ich denke, es ist nicht so, wie wenn ich frage "Ist dieser Punkt auf dem Schwarz-Weiß-Photo blau oder rot?"
Ich meine, es ist eher so, wie wenn ich frage: Wie viele blaue Punkte sind auf dem Schwarz-Weiß-Foto? Antwort: Keine!
Oder: Was ist nördlich des Nordpols? Antwort: Nichts! Verständliche Frage, verständliche Antwort... da ist nichts sinnlos dran, im Sinne von "verboten".
Timm hat geschrieben:Ein Beobachter, der sich "durch die Zeit" bewegt, beschreibt eine Linie. Man kann sich die Raumzeit als einen Stapel eng benachbarter Hyperflächen vorstellen, durch den der Beobachter entlang der Zeitachse wandert. Verbindet man die Punkte t=const. erhält man die zeitartige Weltlinie des Beobachters, bzw. die von ihm beschriebene Geodäte, sofern er frei fällt.
Das ist klar, und genau daraus ergibt sich meine Frage, ob nur der Punkt existiert oder die Linie.
tomS hat geschrieben:Schenke dem Beobachter auch nicht zu viel Beachtung, wenn es um diese grundlegenden Fragestellungen geht. Es handelt sich um ein idealisiertes Konzept; die eigtl. Physik folgt aus Raumzeit plus Feldern, nicht punktartigen Objekten.
Nun gut. Soweit bin ich halt noch nicht.
tomS hat geschrieben:Eine wesentliche Eigenschaft der ART ist, dass beliebige raumartige Schnitte mittels beliebiger Beobachterfelder definiert werden können, und dass die Zeitentwicklungen bzgl. der dadurch beliebig definierten Koordinatenzeiten erfolgt. Alle diese unterschiedlich definierten Zeitentwicklungen liefern jedoch physikalisch dasselbe Ergebnis; es handelt sich hier um eine verallgemeinerte Invarianz bzgl. Koordinatentransformationen, die sogenannte Invarianz unter „raumartigen“ Diffeomorphismen.
Ist es nicht so, dass das im Falle von Koordinatensingularitäten nicht mehr funktioniert, dass man dann nicht mehr beliebige Schnitte machen darf?
Und die, die dann nicht hineinpassen (Schwarzschild bei SL am EH), sortiert man als unphysikalisch aus und dann darf man eben nur erlaubte beliebige Schnitte machen? Vorsicht vor Zirkeln...
tomS hat geschrieben:Es geht dabei nie um Existenz- oder Nicht-Existenzaussagen bzgl. der Natur, sondern immer um Aussagen bzgl. unserer Modelle.
Das gehört dick geschrieben und rot unterstrichen... Du hast natürlich völlig Recht! Man vergisst das nur allzu leicht, gerade dann, wenn man sich mit 'konkreten Objekten' beschäftigt - und seien es SL.
Das Problem dabei ist, dass wir als Menschen meist Fragen stellen und uns für Dinge interessieren, die nicht die Modelle betreffen, sondern die Natur selbst. Und die Modelle sollen uns dann dorthin eine Brücke bauen. Es ist dabei klar, dass so keine Absolutaussagen generiert werden können, es kann aber generiert werden, zu welcher Antwort man eher aus welchen Gründen und mit welchen Vorannahmen zugeneigt sein kann.
Grüße
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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von julianapostata » 25. Jan 2017, 13:19

tomS hat geschrieben:Wenn ich eine Koordinatentransformation in einem Punkt durchführe, also das Koordinatensystem um den Ursprung (in dem Raumzeitpunkt an dem der Tangentialraum betrachtet wird) rotiere, dann entspricht dies gerade eine Lorentztransformation;
Da vielleicht meine Anfrage in den kilometerlangen Postings untergegangen ist, möchte ich noch mal darlegen, worum es geht.

https://www.geogebra.org/m/DejnN9cG

Betätigt erst mal den Button "c=1", dann habt ihr ein "amtliches" Minkowskidiagramm. Stellt v=0.6 und versucht den Punkt E_0 möglichst präzise auf t=1 x=0 (rotes kartesisches System) zu setzen. Dann könnt ihr ablesen: t'=1.25 x'=0.75. (Mit den +-Tasten könnt ihr beliebig beim zuletzt berührten Punkt zoomen)

Das heißt: Das heißt. Wenn dieser Punkt in S ruht, dann hat er in S' die Geschwindigkeit 0.6*c. Jedesmal wenn ihr einen Punkt verschiebt, oder den v-Schieber verstellt, simuliert ihr eine Lorentztransformation.

Dabei ist es unmöglich, aus einer Geschwindigkeit v<c eine Geschwindigkeit v>c zu machen.

Sehr wohl geht es aber mit einer Drehung das Koordinatensystems. Dreht S 90° gegen den Uhrzeigersinn, dann hat sich E_0 mit unendlicher Geschwindigkeit dort hin bewegt. Und das ist keine Lorentztransformation!

Mal ehrlich, wer von uns versteht diese eine Aussage von Toms? Dann soll er sie bitte erklären, weil ich ansonsten hoffnungslos auf dem Schlauch stehe.
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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von positronium » 25. Jan 2017, 13:22

seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:zu iii) es ist mit Schwarzschildkoordinaten nicht möglich und nicht sinnvoll, weil diese nicht jenseits der EHs hineinreichen; d.h. man stellt eine Frage und versucht sie mittels eines untauglichen Mechanismus zu lösen; das ist so wie wenn du fragst „ist dieser Punkt auf dem Schwarz-Weiß-Photo blau oder rot?“ Die Frage ist offensichtlich sinnlos. Der Fehler liegt darin, dass man ein Schwarz-Weiß-Photo gemacht hat.
Das ist für mich eine Haltung, die man vertreten kann (sogar gerne mit Recht als Mainstreamhaltung),die Betonung ist aber für mich, dass es eine Haltung ist, nicht mehr.
Betrachtet man einen Einheitskreis, kann man diesen beschreiben, indem man Polarkoordinaten {1,phi} verwendet, und alles ist gut. Beschreibt man ihn aber mit kartesischen Koordinaten {x,y} bekommt man für x<1, x>1, y<1 und y>1 rein mathematische Probleme, weil man durch Angabe von z.B. x=4 eine Frage stellen kann, die nicht beantwortbar ist. x=-1, x=1, y=-1 und y=1 sind in diesem Beispiel sozusagen die Koordinatensingularitäten.

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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von tomS » 25. Jan 2017, 16:20

seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:zu iii) es ist mit Schwarzschildkoordinaten nicht möglich und nicht sinnvoll, weil diese nicht jenseits der EHs hineinreichen; d.h. man stellt eine Frage und versucht sie mittels eines untauglichen Mechanismus zu lösen; das ist so wie wenn du fragst „ist dieser Punkt auf dem Schwarz-Weiß-Photo blau oder rot?“ Die Frage ist offensichtlich sinnlos. Der Fehler liegt darin, dass man ein Schwarz-Weiß-Photo gemacht hat.
Das ist für mich eine Haltung, die man vertreten kann (sogar gerne mit Recht als Mainstreamhaltung),die Betonung ist aber für mich, dass es eine Haltung ist, nicht mehr.
Wenn ich frage "Was ist hinter dem EH?" und mit Schwarzschildkoordinaten die Antwort "Nichts!" erhalte, dann kann auch das eine sinnvolle und befriedigende Antwort sein, jedenfalls auch nicht unbefriedigender als die Singularität in der Mitte, die bei Raindropkoordinaten erscheint (wenn ich sage hinter dem EH ist in Schwarzschildkoordinaten Nichts mehr, auch kein Raum auch keine Zeit, dann ergibt sich dieses Problem dort eigentlich erst gar nicht).
Du machst den Fehler, den Koordinaten physikalischen Gehalt zuzusprechen.

Koordinaten sind eine unphysikalische Hilfskonstruktion. Warum leitest du daraus überhaupt physikalische Aussagen ab?

Du erhältst von mir nicht die Antwort „Nichts“. Du erhältst schlichtweg die Antwort, dass du ein unzureichendes und an sich unphysikalisches Konzept verwendest, um diese Frage zu formulieren.
seeker hat geschrieben:Ich denke, es kommt eben auf den Standpunkt an - und auf den Metastandpunkt, ob man hier bereit ist verschiedene Standpunkte gelten zu lassen bzw. zu akzeptieren oder nicht, ob man hier nur einem Standpunkt zuneigt (dafür kann man ja auch durchaus gewichtige Gründe finden) oder ob man den eigenen als einzig erlaubt erachtet.
Ich denke, um den Standpunkt beurteilen zu können, musst du erst mal den mathematischen Gehalt verstanden haben.
seeker hat geschrieben:Nein, ich denke, es ist nicht so, wie wenn ich frage "Ist dieser Punkt auf dem Schwarz-Weiß-Photo blau oder rot?"
Ich meine, es ist eher so, wie wenn ich frage: Wie viele blaue Punkte sind auf dem Schwarz-Weiß-Foto? Antwort: Keine!
Oder: Was ist nördlich des Nordpols? Antwort: Nichts! Verständliche Frage, verständliche Antwort... da ist nichts sinnlos dran, im Sinne von "verboten".
Evtl. war mein Beispiel irreführend.

Dein Beispiel mit dem Nordpol geht in die richtige Richtung. Um die Frage mit dem Nordpol beantworten zu können musst du in der Lage sein, einen anderen Standpunkt einzunehmen, z.B. die Erdoberfläche zu verlassen. Die Aussage, dass nördlich des Nordpols Nichts ist, ist keine Aussage über die Erde, den Nordpol, die Umgebung der Erde oder sonst etwas existierendes, sondern eine Aussage über einen von uns gemachten Begriff „nördlich“, der hier seine Sinn verliert. So ist das bei den Schwarzschildkoordinaten auch.
seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:Eine wesentliche Eigenschaft der ART ist, dass beliebige raumartige Schnitte mittels beliebiger Beobachterfelder definiert werden können, und dass die Zeitentwicklungen bzgl. der dadurch beliebig definierten Koordinatenzeiten erfolgt. Alle diese unterschiedlich definierten Zeitentwicklungen liefern jedoch physikalisch dasselbe Ergebnis; es handelt sich hier um eine verallgemeinerte Invarianz bzgl. Koordinatentransformationen, die sogenannte Invarianz unter „raumartigen“ Diffeomorphismen.
Ist es nicht so, dass das im Falle von Koordinatensingularitäten nicht mehr funktioniert, dass man dann nicht mehr beliebige Schnitte machen darf?
Man darf keine beliebigen Schnitte machen, wenn man Koordinatensingularitäten vermeiden will; da war ich unpräzise. Man muss entweder bestimmte Schnitte vermeiden, oder man muss eine mathematische Vorschrift finden, wie man zwischen verschiedenen Schnitten umrechnen kann. Das kann in der Praxis kompliziert sein, ist aber prinzipiell überall garantiert, wo keine reale Singularität vorliegt.
seeker hat geschrieben:Und die, die dann nicht hineinpassen (Schwarzschild bei SL am EH), sortiert man als unphysikalisch aus und dann darf man eben nur erlaubte beliebige Schnitte machen? Vorsicht vor Zirkeln...
Vorsicht vor den Beriffe.

Mit Schwarzschildgeometrie ist die generelle Raumzeit an sich gemeint, mit Schwarzschildkoordinaten eines von unendlich vielen möglichen Koordinatensystemen.

Ich behaupte auch gar nicht, dass ich bei der Schwarzschildgeometrie irgendeinen Schnitt oder ein spezielles Koordinatensystem als unphysikalisch bezeichne. Ich bezeichn JEDES Koordinatensystem als unphysikalisch.

Schau dir bitte mal eine Ebene mit Weltlinien an. Das sei dein Universum mit Beobachtern. Nun legst du Koordinatensysteme darüber, also kartesische Koordinaten, Polarkoordinate usw. Sag mir bitte eine einzige physikalisch relevante Aussage, die durch ein derartiges Koordinatensystem hinzukommt, d.h. die für die Ausgangssituation mit Ebene und Weltlinien noch nicht vorhanden war. Es gibt KEINE. Das ist die Aussage der ART und der Diffeomorphismeninvarianz. Es gibt NICHTS was dir Koordinaten explizit physikalisch sagen, oder was dir die einen Koordinaten sagen und die anderen nicht.
seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:Es geht dabei nie um Existenz- oder Nicht-Existenzaussagen bzgl. der Natur, sondern immer um Aussagen bzgl. unserer Modelle.
Das gehört dick geschrieben und rot unterstrichen... Du hast natürlich völlig Recht! Man vergisst das nur allzu leicht, gerade dann, wenn man sich mit 'konkreten Objekten' beschäftigt - und seien es SL.
Das Problem dabei ist, dass wir als Menschen meist Fragen stellen und uns für Dinge interessieren, die nicht die Modelle betreffen, sondern die Natur selbst. Und die Modelle sollen uns dann dorthin eine Brücke bauen. Es ist dabei klar, dass so keine Absolutaussagen generiert werden können, es kann aber generiert werden, zu welcher Antwort man eher aus welchen Gründen und mit welchen Vorannahmen zugeneigt sein kann.
Machen wir ein Beispiel.

Wir betrachten wieder die o.g. (statische) Ebene mit Beobachtern, die sich gegenseitig Bälle zuwerfen. Zeichne beliebige Kreis K, K‘, … und messe die gesamte kinetische Energie E[K,t], E[K‘, t] als Summe über alle Beobachter und alle Bälle innerhalb des jeweiligen Kreises K, K‘, …. Diese Energie ist zu jedem Zeitpunkt t erhalt – vorausgesetzt, dass nicht gerade ein Beobachter oder Ball zu genau diesem Zeitpunkt den von dir betrachteten Kreis überschreitet. Das ist eine vereinfachte Form des Energieerhaltungssatzes, den du kennst.

Wir betrachten nun eine sich dynamisch ausdehnende Ebene mit Beobachtern, die sich wieder gegenseitig Bälle zuwerfen. Nun ist die Energie E[K,t] bzgl. beliebiger Kreise auf den ersten Blick nicht mehr erhalten (vgl. Rotverschiebung von Licht). Dies wäre natürlich sehr unschön. Die ART bietet dir jedoch eine Lösung an, nämlich infinitesimal kleine Kreise, infinitesimal kurze Zeitintervalle, ein kompliziertes mathematisches Konstrukt Energie-Impuls-Tensor“ und einen anderen Begriff für „erhalten“, nämlich „kovariant konstant“. In diesem Sinne ist T wieder „erhalten“.

Im Fall er statischen Ebene stimmen beide Begriffe überein, und nur ein Narr würde den zweiten, komplizierten nehmen, wenn der erste taugt. Im zweiten Fall der dynamischen Ebene kann man zeigen, dass es nicht so ist, dass der Begriff „erhalten“ nicht passt, oder dass „die Energie nicht erhalten ist“, sondern dass bereits die o.g. Definition von E sinnlos wird; das so erhaltene Objekt ist mathematisch einfach Quatsch. Aber das kann uns egal sein, weil die zweite Methode sogar etwas Besseres liefert als die erste.

Noch ein Beispiel: wir betrachten die Reihe 1 + x + x² + x³ + … für x > 1 und stellen fest, dass diese Reihe divergiert. Die Konsequenz ist jedoch nicht, dass diese Reihe divergiert, sondern dass man besser 1/(1-x) verwendet :-)
Gruß
Tom

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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von Skeltek » 25. Jan 2017, 18:49

tomS hat geschrieben: Es ist nicht so, dass der Beobachter nur zu einer Zeit existiert, sondern dass er zu einer Zeit als Punkt existiert, der über die Zeit eine Weltlinie definiert.
Wobei nicht auszuschließen ist, dass es sich bei dem Beobachter um einen Schnittpunkt handelt; durch einen Punkt gehen immer eine Vielzahl von Linien. Ohne das Differential der Linie in dem Punkt kann man den Punkt keiner der vielen möglichen Umgebungsentwicklungen zuordnen.

Jeder Punkt der Raumzeit hat zwar eine eindeutige Identität, jedoch ergibt sich der Kontext in welchem er steht aus der unmittelbaren lokalen Umgebung. (Ich denke gerade daran, dass jeder Punkt potentiel an unendlich vielen Raumzeiten teilnehmen kann; aber der Gedankengang dahinter würde hier glaube ich zu weit führen)

Das Differential des Punktes bzw die Richtung der Linie lässt sich jedoch nur durch Grenzwertbildung einer infinitesimalen Umgebung festlegen.
So gesehen hat ein Punkt zwar keine raumzeitliche Ausdehnung, ist aber trotzdem kein Null-dimensionales Objekt.
Man braucht zumindest einen Vektor um den Punkt eindeutig einem Kontext zuordnen zu können.
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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von Timm » 25. Jan 2017, 19:09

tomS hat geschrieben:Ich bezeichn JEDES Koordinatensystem als unphysikalisch.
Es macht vielleicht an dieser Stelle Sinn (Gefahr der Schwammigkeit), den Unterschied zu physikalisch zu klären.
Mein Ansatz wäre der Bezug auf Phänomene: Physikalisch sind direkt beobachtbare Phänomene (Rotverschiebung), unphysikalisch daraus abgeleitete koordinatenabhängige Folgerungen (kleben am EH). Aber womöglich greift das zu kurz. Dieser Punkt kommt auch in den PF immer wieder zur Sprache. Hast Du eine prägnante allgemeingültige Unterscheidung dieser Begriffe?

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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von tomS » 25. Jan 2017, 19:29

Skeltek hat geschrieben:Man braucht zumindest einen Vektor um den Punkt eindeutig einem Kontext zuordnen zu können.
Ich denke, ich habe im ersten Beitrag mehrfach geschrieben, dass dem Beobachter eine Vierergeschwindigkeit zugeordnet ist.
Gruß
Tom

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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von tomS » 25. Jan 2017, 19:38

Timm hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:Ich bezeichn JEDES Koordinatensystem als unphysikalisch.
Es macht vielleicht an dieser Stelle Sinn (Gefahr der Schwammigkeit), den Unterschied zu physikalisch zu klären.
Mein Ansatz wäre der Bezug auf Phänomene: Physikalisch sind direkt beobachtbare Phänomene (Rotverschiebung), unphysikalisch daraus abgeleitete koordinatenabhängige Folgerungen (kleben am EH). Aber womöglich greift das zu kurz. Dieser Punkt kommt auch in den PF immer wieder zur Sprache. Hast Du eine prägnante allgemeingültige Unterscheidung dieser Begriffe?
Ich würde sagen, etwas ist "physikalisch" wenn es sich prinzipiell um eine observable Größe handelt. Demzufolge sind Observable in der ART gegeben durch Größen modulo lokalen Lorentztransformationen und Diffeomorphismen. Anders ausgedrückt, Äquivalenzklassen bzw. Invarianten bzgl. dieser beiden lokalen Symmetriegruppen.
Gruß
Tom

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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von Timm » 25. Jan 2017, 22:04

Ok, danke.

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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von tomS » 26. Jan 2017, 00:18

Einfaches Beispiel:


Betrachten wir einen Beobachter in seinem eigenen Ruhesystem, d.h. mit Vierergeschwindigkeit

ûμ = (1,0)

Außerdem sei ein Lichtsignal mit Viererwellenvektor

kμ = (k0, ki)

gegeben. Die Zeitkomponente k0 wird normalerweise als Frequenz ω des Lichtsignals interpretiert. Für den o.g. Beobachter û definiere ich

ω = k0 = ûμ kμ


Gegeben sei nun ein beliebiges Koordinatensystem, und in diesem Koordinatensystem ein beliebiger Beobachter mit Vierergeschwindigkeit

uμ = (u0, ui) = γ (1,vi)

wobei vi für die gewöhnliche Dreiergeschwindigkeit und γ für den bekannten Gamma-Faktor steht.


In diesem allgemeinen Fall definiere ich analog

ω = uμ kμ = u0 k0 + ui ki = γ (k0 + vi ki)


Das ist nun gerade der relativistische Dopplereffekt für ein Lichtsignal k, wie es von einem Beobachter u wahrgenommen wird, nämlich mit Frequenz ω. Offensichtlich ist k0 nicht direkt beobachtbar; beobachtet wird stattdessen ω = uμ kμ.


Betrachten wir den selben Beobachter sowie das selbe Lichtsignal in einem anderen Koordinatensystem. Beide seien durch eine Lorentztransformation verbunden. Es gilt

u'μ = Λμν uν

k'μ = Λμν kν

Es gilt

ω = u'μ k'μ

für beliebige Koordinatensysteme.


Offensichtlich ist ω eine Invariante bzgl. Lorentztransformationen. ω ist eine physikalisch observable Größe, die Vierervektoren u und k sind dies nicht.
Gruß
Tom

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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von seeker » 27. Jan 2017, 00:02

Skeltek hat geschrieben:Ich bezeichne JEDES Koordinatensystem als unphysikalisch.
Lasst uns zunächst die KS noch etwas erörtern.

Stellen wir uns eine Kugelsphäre vor. Die kann man mathematisch definieren.
Wenn ich nun irgendein Koordinatensystem auf die Kugel lege, also Hilfslinien einzeichne, mithilfe denen ich dann schließlich Abstände quantifizieren kann, dann ändert das an der Kugel gar nichts, das ist direkt einleuchtend: Mit KS ist die Kugel genauso rund, genauso groß, usw. wie ohne...
Ich kann also z.B. Längen- und Breitengrade auf die Kugel malen. Wenn ich das tue, muss ich mir irgendeinen Punkt herausuchen, wo der Nordpol sein soll, damit ist auch der Südpol festgelegt. Nun wäre es aber Unsinn zu meinen, dass bei der realen Kugel irgendetwas Besonderes an diesen beiden ja willkürlich festgelegten Punkten los wäre, nur weil sich dann dort rechnerisch besondere/auffällige Zahlenwerte ergeben mögen, das ist auch klar.

Gut. Lassen wir die Kugelsphäre rotieren, damit erscheint eine Rotationsachse. Nun hat die reale Kugel selbst eine Eigenschaft, die man als Pole bezeichnen kann, es existieren nun also in dem Sinne wirklich Pole.

Jetzt meine ich, sieht die Situation ein wenig anders aus:
Ich kann wieder Längen- und Breitengrade einzeichnen, wie ich will, ich kann auch die KS-Pole wieder genauso wählen wie ich will...
Jedoch: Wenn ich die Pole an die Stelle setze, wo die real gegebene Rotationsachse der Kugel liegt, dann habe ich schon ein besonderes KS gefunden.
In dem Fall würde ich sagen, dass mein KS die tatsächlichen Verhältnisse besser abbildet als viele (oder evtl. gar alle) anderen KS (ohne Pole oder mit mehr als zwei Polen oder mit Polen an den 'falschen' Stellen, usw.).
D.h. mein KS, das ja zu quantitativen Beschreibung der Kugel (also der Realität) dienen soll, bildet diese hier besser ab, beschreibt die Realität also 'richtiger', im Sinne von näher dran und von einfacher/sparsamer, gewinnt hier zusätzlich zum quantitativen Wert auch noch ein Stück weit einen qualitativen Wert hinzu.
Natürlich könnte man immer noch sagen, dass man ja jedes KS in ein anderes umrechnen kann und sie so gesehen doch alle gleichwertig sind, was aus dieser gedanklichen Perspektive auch richtig ist, jedoch muss mein besonderes KS gerade ja nicht mehr umgerechnet werden, es hat schon intrinsisch seine Pole da, wo sie wirklich sind, bildet diese ja schon richtig ab (und dieser Gedanke erfordert wiederum eine etwas andere gedankliche Perspektive).

Ergo, können KS so gesehen doch zumindest in bestimmten Fällen in der Lage sein etwas Physikalisches einzufangen.

Was haltet ihr von dieser Überlegung?
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
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Re: Zu einigen Begriffen der ART

Beitrag von tomS » 27. Jan 2017, 00:30

Bestimmte Koordinatensysteme sind besser geeignet bzw. praktischer als andere.

Dennoch bezeichnen die Koordinaten selbst kein Messgrößen sondern lediglich mathematische Hilfsgrößen - siehe mein Beispiel oben: es gibt tatsächlich ein Koordinatensystem, in dem ω und k0 zahlenmäßig übereinstimmen; dennoch handelt es sich um fundamental verschiedene Objekte.
Gruß
Tom

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