Pippen hat geschrieben:tomS hat geschrieben:Was global nicht eindeutig (!) möglich ist, ist eine Definition von "Ruhe" und von "Relativgeschwindigkeit".
Die Erde ist der Nullpunkt. Von dort spannen wir ein 4dim. Raumzeitsystem über das Universum. Die Erde sei der Ruhepunkt,
alles wird immer im Verhältnis zur Erde gesehen. Wäre sowas nicht möglich? Könnte man sich dann nicht Raumexpansion sparen?
Es geht weniger um Koordinatensysteme, das habe ich unten schon geschrieben:
tomS hat geschrieben:Die Diskussion mit dem Koordinatensystem führt in die falsche Richtung ... Was global nicht eindeutig (!) möglich ist, ist eine Definition von "Ruhe" und von "Relativgeschwindigkeit".
Folgendes Beispiel:
- aus Sicht der Erde ist die Erde in Ruhe, ein entfernter Quasar entfernt sich von ihr
- aus Sicht des Quasars ist der Quasar in Ruhe, die Erde entfernt sich von ihr
- aus Sicht eines dazwischenliegenden Beobachters (der aus seiner eigenen Sicht in Ruhe ist) bewegen sich beide
- und aus Sicht der Erde und des Quasars bewegt sich auch dieser Beobachter
Wer hat recht? Alle! Es gibt keinen eindeutigen und bevorzugten Standpunkt!
Die Relativbewegung zweier Beobachter ist eine lokale Größe, die an ein und dem selben Raumzeitpunkt für zwei Beobachter definiert werden kann. Sobald die beiden Beobachter jedoch raumzeitlich getrennt sind, müsstest du eine globale Definition von "Relativbewegung" einführen. Das ist jedoch nicht eindeutig möglich, wie ich unten zeigen werde.
Mal konkret anhand von Formeln. Bitte beachte, dass im Folgenden die koordinatenabhängigen Größen zur Definition der Rotverschiebung eliminiert werden:
i bezeichne die Beobachter i=1,2
u[down]i[/down] steht für die lokal definierte, koordinatenabhängige Vierergeschwindigkeit der beiden Beobachter
k[down]i[/down] steht für den lokal definierten, koordinatenabhängige Wellenzahlvektor der el.-mag. Welle
ω[down]i[/down] steht für die jeweils bei i=1,2 gemessene Frequenz; sie ist koordinatensystemunabhängig, also eine Invariante!
ω[down]i[/down] = (k[down]i[/down],u[down]i[/down])
Die Rotverschiebung z ergibt sich aus dem Verhältnis
1 + z = ω[down]2[/down] / ω[down]1[/down]
Die Veränderung von k entlang der lichtartigen Geodäten von i=1 nach i=2 entspricht dem Einfluss der Raumzeitkrümmung. Zusätzlich haben die Beobachter noch eine lokal definierte Geschwindigkeit u[down]i[/down]. ω[down]i[/down] ist für jeden Beobachter I=1,2 eine lokal definierte Größe. ω[down]i[/down] ist in allen beim jeweiligen Beobachter gültigen Koordinatensystemen eine invariante Größe. Ich definiere nun also beliebige (überabzählbar unendlich viele!) Koordinatensysteme; u[down]i[/down] und k[down]i[/down] haben darin völlig verschiedene Werte. ω[down]i[/down] hat aber in allen diesen Koordinatensystemen den selben Wert, d.h. ω[down]i[/down] ist eine Invariante!
Damit existiert keine Mehrdeutigkeit des
Wertes von z aufgrund von Koordinatensystemen, die Mehrdeutigkeit aufgrund von Koordinatensystemen gilt für die
Interpretation der Formel
1 + z = ω[down]2[/down] / ω[down]1[/down]
In jedem ω[down]i[/down] stecken zwei Effekte, nämlich die von k[down]i[/down] und die von u[down]i[/down]. Du kannst aber beide Effekte nur trennen, wenn du in i jeweils willkürliche Koordinatensysteme einführst. Nur bzgl. eines bestimmten Koordinatensystems kannst du von u und k sprechen; in einem anderen Koordinatensystem hast du ein anderes u und ein anderes k.
Nehmen wir die Erde und den Quasar. Bestimmen wir ω[down]1[/down] für den Quasar und ω[down]2[/down]für die Erde für folgende zwei Fälle:
(A) "mitbewegte" Koordinaten: hier ist u[down]1[/down] = u[down]2[/down] = (1,0,0,0), d.h. beide Beobachter werden als an ihrem Ort Quasar und Erde als in Ruhe bezeichnet. Die Rotverschiebung z ist in diesem Koordinatensystem ein Effekt der Raumexpansion, es liegt keine Dopplerverschiebung vor.
(B) Koordinaten mit "Relativbewegung": ich setze u[down]1[/down] = (1,0,0,0), d.h. der Beobachter i=1 ist am Quasar bzgl. des Quasars in Ruhe. Ich führe nun entlang der lichtartigen Geodäten von i=1 nach i=2 lokal andere Koordinatensysteme ein, so dass sich die Rotverschiebung entlang der Geodäten in jedem Punkt als Dopplerverschiebung interpretieren lässt (du stimmst mit zu, dass zwischen zwei infinitesimal benachbarten Punkten ein Vergleich von Geschwindigkeiten erlaubt und eine Raumexpansion unnötig ist; andernfalls solltest du gegen die Verwendung von Radarfallen klagen ;-) Die Rotverschiebung z ist in diesem Koordinatensystem ein Effekt lokaler Dopplerverschiebungen, eine Raumexpansion wird überhaupt nicht betrachtet. Natürlich ist der Wert von u[down]2[/down] bei der Erde ein anderer als im Fall (A), d.h. wir haben einen anderen Beobachter i=2 als bei (A) eingeführt, der sich jetzt relativ zur Erde irgendwie bewegt. Und wir haben ihn so konstruiert, dass für ihn = in seinem Koordinatensystem kein Effekt der Raumexpansion sondern ausschließlich Dopplerverschiebung vorliegt.
Welcher Beobachter bzw. welches Szenario (A) oder (B) ist denn nun korrekt? Welches ist bevorzugten? Das ist doch völlig willkürlich! Beide sind gültig. Für beide gelten unterschiedliche Geschwindigkeiten u[down]2[/down], aber beide Geschwindigkeiten sind jeweils eindeitig und präzise konstruiert. Wie bewegen sich nun beide Beobachter I=1,2 zueinander? Dazu gibt es offensichtlich keine eindeutige Antwort! Für beide Geschwindigkeiten folgen unterschiedliche Interpretationen der Rotverschiebung. Welche davon ist die richtige? Wieder keine eindeutige Antwort.
Wie löst die ART das Dilemma? Indem sie alles zulässt! Man hat zwei Raumzeitpunkte i=1,2. In diesen beiden Punkten gibt es zwei Beobachter I=1,2. Diese messen jeweils eine Frequenz ω[down]i[/down] und berechnen eine Rotverschiebung
1 + z = ω[down]2[/down] / ω[down]1[/down] . In diese Rotverschiebung gehen Effekte der lokalen Bewegung der beiden Beobachter sowie die Dynamik der Raumzeit ein. Wenn wir zwei gegebene Beonachtzer in einer gegebene Raum zeit haben, können wir die Rotverschiebung z
eindeutig berechnen und
eindeitig messen. Das ist Physik! (dann können wir künstlich irgendwelche Koordinatensysteme einführen und irgendwelche Interpretationen anstellen, aber das ist im Allgemeinen willkürlich und bringt uns nicht weiter; in Einzelfällen mag es eine sinnvolle Konvention sein, von Raumexpansion zu sprechen, aber i.A. ist es nicht das, was uns die Formeln sagen, und es ist nicht das, was wir messen).