Seite 1 von 1

Re: Gravitationslinseneffekt, die Rechnungen

Verfasst: 27. Mär 2014, 07:51
von tomS
Verstehe ich dich richtig, dass du die Lichtablenkung mittels des Newtonschen Gravitationspotentials U = G mM/r und der "Photonmasse" M = hf/c[up]2[/up] ableiten willst?

Dies führt bekanntermaßen zu einem um den Faktor 2 falschen Wert.

Re: Gravitationslinseneffekt, die Rechnungen

Verfasst: 7. Sep 2014, 20:58
von Gepakulix
Hallo Yukterez,
Aus meiner Sicht eine gute Arbeit, die du da hineingeschrieben hast.
Trotzdem moechte ich 2 Punkte diskutieren, welche auch dir bereits aufgefallen waren:
  • - warum muss die Formel aus dem Lehrbuch um den Faktor 4 korrigiert werden?
    - Nach Wikipedia wird der Gravitationslinseneffekt primaer durch den Shapiro Effekt bewirkt. Dagegen ist in deiner Berechnung dessen Effekt vernachlaessigbar.
1) Korrektur mit Faktor 4
Die Formel von Gamov hat den Faktor 2 tatsächlich im Nenner. Sie lautet also:


Allerdings gibt diese Formel den Effekt nicht richtig wieder, sondern (wie man heute weiss), um ein Faktor 2 zu klein.
Interessant ist es somit, weshalb du die Formel um einen Faktor 4 korrigieren konntest (die Zahl 2 vom Nenner in den Zähler verschoben), und trotzdem das richtige Resultat erhältst.

Der Grund liegt (aus meiner Sicht) in einer unerlaubten mathematischen Operation. Das ist aber nicht einfach sichtbar, und ich muss etwas weiter ausholen.

Basierend auf dem Aequivalenz-Prinzip kann man annehmen, dass ein Photon in einem quer-liegenden Gravitationsfeld genauso quer beschleunigt wird wie ein Stein.
Falls man die gekrümmte Raumzeit nicht berücksichtigt, dann könnte man daraus direkt die Formel von Gamov ableiten (welche dann eben um einen Faktor 2 falsch ist):
  • a) man berechnet, wie lange ein Photon hat um eine Distanz L zurueckzulegen
    b) dann kann man berechnen, wie weit ein Stein (oder eben das Photon) durch ein senkrecht angelegtes Gravitations-Feld abgelenkt wird (Strecke s):

    Das gilt aber nur, falls zu Beginn (t=0) die Quergeschwindigkeit noch Null war.

    c) Diese Ablenkung kann dann in den Winkel umgerechnet werden.
Deshalb stimmt die Formel von Gamov nur für Fälle mit folgenden 2 Bedingungen:
  • a) Die Gravitation (quer zur Ausbreitungsrichtung des Photons) ist auf der Distanz L immer gleich gross.
    b) zu Beginn (t=0) hat das Photon (der Stein) noch keine Geschwindigkeitskomponente quer zur ursprünglichen Flugrichtung.
In deine Berechnung wird die Formel von Gamov über die Flugdistanz des Photons integriert. Dabei wird statt L nur eine kleine Distanz dL verwendet.
Das ist kein Problem für die Bedingung a): auf kleine Distanzen dL kann die Gravitation als konstant betrachtet werden.
Die Bedingung b) ist dann aber verletzt: Nur ganz an Anfang der Integration hat das Photon noch keine Geschwindigkeitskomponente quer zur ursprünglichen Flugrichtung. Die Formel von Gamov kann man somit nicht weiter integrieren.

Mit anderen Worten: Die Formel von Gamov ist bereits das Resultat einer Integration über die Distanz L. Bei dieser Integration kam auch der Faktor 1/2 in seine Formel.
Man kann jetzt nicht einfach noch eine weitere Integration darueber legen.


2) fehlender Shapiro Effekt
Soweit ich verstehe, hat die Formel von Gamov von "Haus aus" den Shapiro Effekt nicht richtig drin. Deshalb kann man damit eigentlich den Gravitationslinseneffekt nicht berechnen.

Die richtige Herleitung geht so:
  • 1) man nimmt die Formel der variablen Lichtgeschwindigkeit als Funktion des Potentials (Lichtgeschwindigkeit gemessen durch entfernten Beobachter)


    2) jetzt betrachtet man nur ein einziges Photon, das rechts von einer Gravitations-Quelle vorbeifliegt. Von dem Wellenpacket des Photons ist jetzt der linke Teil näher an der Gravitations-Quelle als der rechte Teil.
    Somit bewegt sich der linke Teil des Wellenpackets (entsprechend der Formel) mit einer langsameren Lichtgeschwindigket als der rechte Teil des Wellenpackets: Das Packet fliegt eine Kurve.
    Die detailierte Rechnung ist recht einfach, und ergibt jetzt genau deine korrigierte Formel ganz oben im Thread:
Das kann jetzt in deinem Fallbeispiel auf die Strecke von x1 bis x2 integriert werden. Es entspricht genau deiner Rechnung (und ergibt somit auch das richtige Resultat).

Mit anderen Worten: Eigentlich ist deine Rechnung richtig, nur die benützte Formel sollte nicht unter 'Gamov' laufen.