Keine glatter Beginn für die Raumzeit - Vilenkin, Hawking widerlegt?

Jenseits des etablierten Standardmodells der Elementarteilchenphysik und der Allgemeinen Relativitätstheorie, d.h. Quantengravitation, Supersymmetrie und Supergravitation, Stringtheorien...
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tomS
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Keine glatter Beginn für die Raumzeit - Vilenkin, Hawking widerlegt?

Beitrag von tomS » 16. Jun 2017, 10:08

Die beiden Papiere besagen, dass glatte Anfangsbedingungen wie "no-boundary-proposal" / das "Hartle-Hawking-Instanton" sowie "Inflation /Tunneling aus dem Nichts" nach Vilenkin mathematisch nicht konsistent sind.

https://arxiv.org/abs/1703.02076
Lorentzian Quantum Cosmology
Job Feldbrugge, Jean-Luc Lehners, Neil Turok
(Submitted on 6 Mar 2017)
We argue that the Lorentzian path integral is a better starting point for quantum cosmology than the Euclidean version. In particular, we revisit the mini-superspace calculation of the Feynman path integral for quantum gravity with a positive cosmological constant. Instead of rotating to Euclidean time, we deform the contour of integration over metrics into the complex plane, exploiting Picard-Lefschetz theory to transform the path integral from a conditionally convergent integral into an absolutely convergent one. We show that this procedure unambiguously determines which semiclassical saddle point solutions are relevant to the quantum mechanical amplitude. Imposing "no-boundary" initial conditions, i.e., restricting attention to regular, complex metrics with no initial boundary, we find that the dominant saddle contributes a semiclassical exponential factor which is precisely the inverse of the famous Hartle-Hawking result.

https://arxiv.org/abs/1705.00192
No smooth beginning for spacetime
Job Feldbrugge, Jean-Luc Lehners, Neil Turok
(Submitted on 29 Apr 2017)
We identify a fundamental obstruction to any theory of the beginning of the universe as a semi-classical quantum process, describable using complex, smooth solutions of the classical Einstein equations. The no boundary and tunneling proposals are examples of such theories. We argue that the Lorentzian path integral for quantum cosmology is meaningful and, with the use of Picard-Lefschetz theory, provides a consistent definition of the semi-classical expansion. Framed in this way, the no boundary and tunneling proposals become identified, and the resulting framework is unique. Unfortunately, the Picard-Lefschetz approach shows that the primordial fluctuations are out of control: larger fluctuations receive a higher quantum mechanical weighting. We prove a general theorem to this effect, in a wide class of theories. A semi-classical description of the beginning of the universe as a regular tunneling event thus appears to be untenable.
Gruß
Tom

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ralfkannenberg
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Re: Keine glatter Beginn für die Raumzeit - Vilenkin, Hawking widerlegt?

Beitrag von ralfkannenberg » 16. Jun 2017, 14:54

Hallo Tom,

als wie seriös würdest Du die Autorenschaft, die ohnehin in Kürze noch eine dritte Arbeit zu veröffentlichen plant, einschätzen ? In der Regel bilden überraschende "Entdeckungen" nicht einen Erkenntnisgewinn von heute auf morgen, sondern das ganze hat sich bereits über einen längeren Zeitraum angekündigt.

So gesehen bin ich etwas zurückhaltend, was diese Arbeiten anbelangt; zudem kann ich so rasch nicht beurteilen, von welchen Voraussetzungen die Autorenschaft ausgeht, ob also insbesondere gewisse Alternativen von vornherein ausgeschlossen werden.


Freundliche Grüsse, Ralf

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tomS
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Re: Keine glatter Beginn für die Raumzeit - Vilenkin, Hawking widerlegt?

Beitrag von tomS » 16. Jun 2017, 15:08

Ich kann die Entwicklung dieser Idee nicht in den aktuellen Wissenschaftsbetrieb einordnen; das Thema ist neu für mich.

Ich kann jedoch die Autoren, ihre Forschungsinstitute und ihre Kooperationen bzw. Mitarbeit an ähnlichen Themen einschätzen; und da würde ich sagen "sehr seriös".

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Neil_Turok

https://www.perimeterinstitute.ca/people/neil-turok
http://www.aei.mpg.de/183413/Homepage_o ... uc_Lehners
Gruß
Tom

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gravi
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Re: Keine glatter Beginn für die Raumzeit - Vilenkin, Hawking widerlegt?

Beitrag von gravi » 16. Jun 2017, 17:40

Ich sehe das auch als sehr seriös an.
In diesem (deutschen) Artikel wird nochmals erläutert, um was es geht:

Universum mit Urknall

Gruß
gravi
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Re: Keine glatter Beginn für die Raumzeit - Vilenkin, Hawking widerlegt?

Beitrag von ralfkannenberg » 16. Jun 2017, 20:29

gravi hat geschrieben:
16. Jun 2017, 17:40
In diesem (deutschen) Artikel wird nochmals erläutert, um was es geht:

Universum mit Urknall
Hallo gravi,

danke schön für den Link und an Stefan: herzlichen Dank für diese super Zusammenfassung.


Freundliche Grüsse, Ralf

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Re: Keine glatter Beginn für die Raumzeit - Vilenkin, Hawking widerlegt?

Beitrag von Pippen » 17. Jun 2017, 13:36

Ich sehe da keine Widerlegung, weil man mit statistischer Wahrscheinlichkeit operiert und die widerlegt per se nichts. Dann war eben unser Universum der große Ausreißer, so what? (Ich beziehe mich auf den Artikel, den gravi verlinkt)

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tomS
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Re: Keine glatter Beginn für die Raumzeit - Vilenkin, Hawking widerlegt?

Beitrag von tomS » 17. Jun 2017, 22:34

So kannst du natürlich immer argumentieren, z.B. mittels des anthropischen Prinzips. Aber damit gibst du einen wesentlichen Anspruch der Wissenschaft auf, nämlich vernünftige und einfache Erklärungen zu finden. Deswegen sollte man es sich damit Nichtzulassung einfach machen.
Gruß
Tom

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Re: Keine glatter Beginn für die Raumzeit - Vilenkin, Hawking widerlegt?

Beitrag von Herr5Senf » 29. Jun 2017, 12:15

Vielleicht liegt es ja doch daran, daß wir in parallelen Welten mit 10 Dimensionen existieren, aber nur 4 (3xRaum) direkt messen können.
Andriot&Gomez https://arxiv.org/abs/1704.07392 meinen "Signatures of extra dimensions in gravitational waves" wären indirekt erfaßbar.

Die "Amplituden-Effekte" kommen allerdings erst >1000 Hz zum Vorschein, LIGO und VIRGO können nur bis 1000, also auf absehbare Zeit nicht prüfbar.
Die Polarisation sollte bei einer 10-dimensionalen Ausbreitung im Meßergebnis sich von der 4-dimensionalen erwarteten bzw. gerechneten unterscheiden.

Prinzipiell mit 3 Detektoren machbar, nur VIRGO geht erst im August (verspätet) in Betrieb, die 2 LIGOs gerade dann ins upgrade.
Also kämen gleichzeitige Messungen und Ergebnisse so 2018/2019, die müßten dann auch für das Urknall-Modell Hinweise liefern.

Grüße Dip

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