Wie versprochen hier zunächst mal zwei wirklich interessante Quellen von absoluten Experten.
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Ich verfolge seit Jahren die jährlichen String-Konferenzen. 2009 hat David Gross, einer der maßgeblichen Forscher auf dem Gebiet der Stringtheorie, einen Plenarvortrag zu Status und offenen Punkten gehalten. Der Vortrag ist einigermaßen kritisch bzgl. des Forschungsgebietes und für mich ein Meilenstein.
http://strings2009.roma2.infn.it/talks/ ... ings09.pdf
http://www.ift.uam.es/strings07/040_sci ... /gross.pdf
Hier die wesentlichen Punkte:
WHAT IS STRING THEORY?
This is a strange question since we clearly know what string theory is to the extent that we can construct the theory and calculate some of its properties. However our construction of the theory has proceeded in an ad hoc fashion, often producing, for apparently mysterious reasons, structures that appear miraculous. It is evident that we are far from fully understanding the deep symmetries and physical principles that must underlie these theories. It is hoped that the recent efforts to construct covariant second quantized string field theories will shed light on this crucial question.
We still do not understand what string theory is.
We do not have a formulation of the dynamical principle behind ST. All we have is a vast array of dual formulations, most of which are defined by methods for constructing consistent semiclassical (perturbative) expansions about a given background (classical solution).
What is the fundamental formulation of string theory?
WHAT IS MISSING ?
Perhaps “String theory” is like quantum field theory - a framework and not a definitive theory.
Perhaps we are missing a fundamentally new principle of symmetry, of dynamics, of consistency, .... that leads to a unique solution --- not a “vacuum” but a space-time, a cosmology.
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Dann gibt es eine sehr empfehlenswerte Webseite von Urs Schreiber, auf der auch kritische Aussagen zum ggw. Status zu finden sind.
http://ncatlab.org/nlab/show/string+the ... redictions
Hier die wesentlichen Kritikpunkte:
While the string perturbation series is a well-defined expression analogous to the Feynman perturbation series, by itself it lacks a conceptual property of the latter: the Feynman perturbation series is known, in principle, to be the approximation to "something", namely to the corresponding complete hence non-perturbative quantum field theory. The idea is that the string perturbation series is similarly the approximation to something, to something which would then be called non-perturbative string theory, but that something has not been identified.
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Therefore if the qualification “perturbative”/“non-perturbative” is suppressed, then the term “string theory” is quite ambiguous and has frequently led to misunderstanding. Perturbative string theory is a well defined and formally suggestive variant of established perturbation theory in QFT. Non-Perturbative string theory on the other hand is a hypothetical refinement of this perturbative theory of which there are maybe some hints, but which by and large remains mysterious, if it exists at all.
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There are various hints ... that all perturbative superstring theories ... have a joint strong coupling non-perturbative limit whose low energy effective field theory description is 11-dimensional supergravity and which reduces to the various string theories by Kaluza-Klein compactification on an orientifold torus bundle, followed by various string dualities. Since the string itself is thought to arise from a membrane/M2-brane in 11-dimensions after double dimensional reduction this hypothetical theory has been called “M-theory” short for “membrane theory”; e.g. in Hořava-Witten 95:
"As it has been proposed that the eleven-dimensional theory is a supermembrane theory but there are some reasons to doubt that interpretation, we will non-committally call it the M-theory, leaving to the future the relation of M to membranes."
The “reasons to doubt” that interpretation is that the M2-brane certainly does not support a perturbation theory the way that the superstring does. This is part of the reason why the actual nature of “M-theory” remains mysterious.
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As mentioned before, there is the idea that perturbative string theory is indeed the perturbative approximation to an as-yet unknown non-perturbative string theory. To the extent that this is true, the dependence of the string perturbation series on the choice of “background” should be of the same superficial nature as it is for traditional perturbative QFT. But this remains a conjecture.
(Hervorhebungen von mir)
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Im Folgenden einige Stichpunkte zu meinem ggw. Verständnis der Theorie
Kritik:
- hintergrundabhängig (*)
- nicht für beliebige (insbs. dynamische) Raumzeiten formulierbar
- ggw. nicht fundamental und umfassend formulierbar
- fundamentale Freiheitsgrade nicht bekannt (es gibt nicht "den String")
- evtl. handelt es sich um keine fundamentale sondern eine "effektive" Theorie
(*) siehe jedoch AdS/CFT; jedoch nicht vollumfänglich, sondern nur in Spezial- / Grenzfällen; insbs. nicht für dS und andere Geometrien
Erkenntnis:
- keine einzelne Theorie, sondern ein Konstruktionsprinzip bzw. Meta-Theorie
- enthält die Gravitation
- statt eines Zoos von Theorien folgt eher ein Zoo von Lösungen (Landscape **)
(**) evtl. wie verschiedene Lösungen des Standardmodells
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Ich hatte dazu a.a.O. folgendes geschrieben:
An zentraler Stelle gehört dazu das Problem, dass es nicht möglich ist, Gleichungen anzugeben, die die sogenannte M-Theorie eindeutig, mathematisch präzise, nicht-perturbativ und hintergrundunabhängig definieren.
Eine Stringtheorie setzt immer einen geometrischen Hintergrund voraus (eine bestimmte Dimension und Form einer Kompaktifizierung mit bestimmten klassischen Feldkonfigurationen darauf). Dieser Hintergrund ist festgelegt durch bestimmte Parameter, sogenannte Moduli. Diese können zunächst statisch sein, dann ist dieser Aspekt der Geometrie klassisch fixiert, oder dynamisch, d.h. sie können sich kontinuierlich ändern. Im ersten Fall sind mit den Änderungen dieser Parameter quantisierte Anregungen verbunden, deren Energien üblicherweise im Bereich der Planckenergie liegen. Im zweiten Fall sind Änderungen mit masselosen "Anregungen", d.h. masselosen Teilchen verbunden. Die Moduli (also deren Geometrie, d.h. die Stärke bestimmter Felder) bestimmt nun physikalische Parameter wie die Anzahl der Fermionengenerationen, Massen und Kopplungskonstanten. Ein Beispiel könnte das Higgsfeld sein, dessen Vakuumerwartungswert seine Kopplung an andere Felder und damit deren Massen festlegt.
Nun ist es evtl. so, dass es keine Darstellung der Stringtheorie gibt, die für beliebige Moduliräume gilt, sondern die nur für eine bestimmte Klasse gültig ist. Es gibt dann zwischen verschiedenen Theorien Beziehungen, z.B. dass im Falle des Grenzfalls der Dekompaktifizierung einer Dimension diese Theorie mit einer anderen im Grenzfall der punktförmigen Kompaktifizierung übereinstimmt. D.h. dass eine Theorie für R gegen Unendlich mit einer anderen Theorie im Grenzfall r gegen Null übereinstimmt. Eine weitere Entsprechung existiert zwischen verschiedenen Theorien, wobei die eine für den Grenzfall verschwindender Kopplung in die andere im Grenzfall unendlicher Kopplung übergeht. Diese sogenannten Dualitäten existieren also nicht zwischen den Theorien selbst (zumindest ist das heute nicht beweisbar) sondern nur zwischen bestimmten Grenzfällen dieser Theorien. Insgs. sind dabei die Typ-I, Typ-IIA, Typ-IIB, HE, HO, 11-dim. SUGRA (mit punktförmigen Teilchen) sowie die 11-dim M-Theorie (mit ihren 2- und 5-Branen) miteinander verwoben, wobei keine Darstellung global gültig ist.
In demselben Sinne könnte es sein, das in bestimmten Bereichen des physikalischen Parameterraumes bestimmte Darstellungen der Physik singulär werden und durch andere ersetzt werden müssen. In einem gewissen Überlapp existiert dann möglicherweise auch eine Dualität, d.h. beide Darstellungen sind gleichwertig, aber keine davon ist global gültig. Wenn dem so wäre, dann wäre z.B. ein Begriff wie "Elektron" oder „Quark“ nur in einem bestimmten Parameterbereich gültig, in einem anderen dagegen sinnlos.
Machen wir ein konkretes Beispiel: Im Niederenergiebereich ist es praktisch sinnlos, von Quarks zu sprechen; sie sind nicht sichtbar und schon gar nicht isolierbar, außer indirekt in der Symmetrie der Hadronenzustände (Stichwort: „eightfold way“). Im Niederenergiebereich werden die physikalischen Phänomene durch sogenannte effektive Theorien bestens beschrieben, z.B. durch die chirale Störungstheorie, nichtlineare Sigmamodelle, effektive Mesonmodelle u.ä. Quarks finden in diesen Modellen keine Verwendung. Diese Modelle verlieren iher Gültigkeit bei höheren Energien, sobald Quarks „sichtbar“ werden. Die effektiven Theoruen müssen immer mehr „fundamentale“ Felder einführen (Vektormesonen, Nukleonen, Nukleon-Resonanzen, …), sie sind nicht-renormierbar, d.h. ihre Quantisierung ist nicht wirklich sinnvoll möglich usw. Bei höheren Energien kommt dann tatsächlich die QCD zur Anwendung, und insbs. in Bereichen der tiefinelastischen Streuung von quasi-freien Quarks sowie dem Quarks-Gluon-Plasma ist es sinnlos, Niederenergie-Freiheitsgrade wie Pionen und Nukleonen zu betrachten – sie existieren hier schlichtweg nicht mehr.
Nun ist es in der QCD so, dass auch die Niederenergiephysik der Hadronen immer besser durch elementare Freiheitsgrade der QCD beschrieben wird, d.h. dass man letztlich doch die fundamentalen Freiheitsgrade (Quarks, Gluonen) identifizieren kann. Im Rahmen der Stringtheorien scheint es (zumindest heute) so zu sein, dass es DIE fundamentalen Freiheitsgrade letztlich nicht gibt, dass letztlich nur ein Patchwork von zueinander dualen Theorien existiert, die jeweils für sich betrachtet eben nur lokale Gültigkeit haben. Dennoch ist es natürlich noch zu früh, hier abschließend zu einem Urteil zu kommen; nur weil man etwas heute nicht besser
weiß, ist ja nicht bereits gesagt, dass es auch tatsächlich so
ist.
Last but not least ist damit noch gar nicht gesagt, dass die Stringtheorie tatsächlich DIE fundamentale Beschreibung liefert. Evtl. ist gerade die Stringtheorie eine rein effektive Theorie, und die fundamentale Theorie sieht ganz anders aus. Bsp. effektive chirale Theorien: diesen zufolge kann man durch sukzessives "Ausintegrieren" der QCD-Freiheitsgrade eine duale, effektive Theorie konstruieren, die ausschließlich Color-Singuletts = Baryonen und Mesonen enthält; eine präzise Definition dieses Ausintegrierens existiert bis heute nicht, dennoch kann man einen Zoo derartiger effektiver Theorien inkl. der jeweiligen klassischen Lösungen bauen und mit diesen Theorien sehr ernsthafte Physik betreiben. Natürlich wissen wir, dass es Regime gibt, in denen diese effektiven Theorien zusammenbrechen müssen, z.B. tiefinelastische Streuung, Quark-Gluon-Plasma, und in denen wir die fundamentalen Freiheitsgrade der QCD benötigen.
Möglicherweise entspricht die Gesamtheit der Stringtheorien gerade diesem Zoo effektiver Theorien und liefert prinzipbedingt gerade nicht diese fundamentalen Freiheitsgrade.