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von tomS » 28. Jan 2011, 08:06
Bemerkung am Rande: ich glaube schon an Gott, aber sicher nicht an den Schöpfergott aus der Bibel.
Ich denke, dass die Menschheit seit Jahrhunderten lernt, dass sämtliche anthropozentrischen Systeme sich letztlich als falsch herausstellen:
Mensch als Krone der Schöpfung => Darwin & Evolution
Erde im Mittelpunkt des Universums => Sonne ... => Milchstraße ... => Galaxien => unendliches Universum, ewige Inflation, Multiversum, ...
Stringtheorie / Landscape
Mathematisches Universum
...
Letztlich wurde die Suche nach Einheitlichkeit, besonderer Auszeichnung eines Ortes, von Eigenschaften etc. immer wieder widerlegt.
Zur Landscape in der Stringtheorie: man muss nicht an die Stringtheorie glauben, um an eine Landscape glauben zu können. Es gibt unendlich viele (konsistente) und ganz normale Eichtheorien mit und ohne SUSY, die realisiert sein könnten - aber hier bei uns nicht realisiert sind. Die Frage, warum wir gerade unser Standardmodell sehen, ist letztlich nicht beantwortbar. Die Stringtheorie stellt hier zumindest einen einheitlichen Rahmen dar, aus dem sich diese verschiedenne Strukturern ergeben und sie legt zumindest einige Kriterien fest, welche Theorien sich nicht ergeben können (es ist nicht ALLES möglich). Das ist ein großes Verdienst der Theorie, auch wenn sie noch andere Defizite aufweist.
Und nun erscheint es logisch, zu fragen, warum gerade die Stringtheorie. Es scheint so zu sein, dass sie ein Framework darstellt, eine Metatheorie, innerhalb derer Eichtheorien und Gravitation harmonisiert werden. Aber in einer Welt z.B. ohne Gravitation bräuchte man die Stringtheorie nicht, es gäbe viele andere Alternativen, die mathematisch ebenfalls konsistent wären. Anstatt nun diese Theorien auszuschließen (ohne zu wissen warum), lässt die Hypothese des mathematsichen Universums diese explizit zu, und weist uns lediglich einen besonderen Platz in einer besonderen Theorie zu, ohne gerade diese Theorie dadurch auszuzeichnen. Das ist letztlich so wie die Frage, warum ich in Nürnberg lebe; für mich ist das etwas spezielles, aber dadurch ist die Möglichkeit meiner Existenz in anderen Städten ja nicht ausgeschlossen, ich könnte auch woanders leben; für Nürnberg als Stadt ist das also nichts spezielles. Wir verwechseln hier die Bezugsebenen. Ein anderes Beispiel wäre der Mensch als Krone der Schöpfung: aus unserer subjektiven Sicht ist es natürlich etwas besonderes, dass wir Menschen und keine Fadenwürmer sind, aber aus Sicht der Evolutiosnbiologie ist der Mensch eben nicht ausgezeichnet, sondern nur eine Möglichkeit unter vielen. Diesen Perspektivwechsel müssen wir evtl. auch bzgl. der Frage nach der einheitlichen und eindeutigen (oder eben nicht-eindeutigen) "Theorie von Allem" akzeptieren.
Fazit: Wenn wir also akzeptieren, dass es auch anders sein könnte, weil wir kein Selektionsprinzip kennen, wodurch begründet wird, dass es genauso sein muss, wie es ist, dann ist es immer natürlicher, an die Gesamtheit aller Möglichkeiten zu glauben (sowie an eine Zufall, dass gerade eine bestimmte realisiert ist), als an eine Einschränkung dieser Möglichkeiten zu glauben, wobei diese Einschränkung nicht rational sondern nur religiös, mythisch oder sonstwie künstlich erscheinen würde. Die Konsequenz ist, dass wir entweder ein Selektionsprinzip finden, das nun aber eben nicht nur innerhalb einer mathematisch formulierten Theorie eine bestimmte (unsere) Lösung dieser Theorie selektiert, sondern das sogar diese Theorie aus der Gesamtheit aller möglichen Theorien selektiert, oder dass wir in Ermangelung eines derartigen Prinzips an die Geamtheit der mathematischen Theorien als möglicher Theorien für mögliche Universen glauben und keine Möglichkeit künstlich bevorzugen.
Damit löst die Hypothese des mathematischen Universums evtl. sogar zwei Probleme, nämlich a) die Frage, warum unser Universum mathematisch beschreibbar ist, weil es pure Mathematik IST, sowie b) die Frage, warum wir gerade diese Theorie wahrnehmen, weil es eben zufällig so passiert ist.
Gruß
Tom
Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab.
Sir Karl R. Popper